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Ik kann nich helpen.

Von Jacob Loewenberg.

Jens Klaasen springt aus dem Bett. »Min Kind!
Wo is min Junge? To Hülpe, geschwind!«
Er sah im Traum ihn tot im Sand
beim Steinhund liegen am Hafenstrand,
da, wo er gespielt tagaus, tagein,
und hört sich in Todesnot noch schrein:
»Ik kann nich helpen!«

Und da liegt sein Junge und lacht ihn an.
»Stah up, min Klaas, min lütte Mann.
Du geihst hüt mit mi in de See.«
Und der Junge springt jubelnd empor in die Höh'
und küßt das wettergebräunte Gesicht
und schlingt um den Nacken die Ärmchen und spricht:
»Ik will di helpen.«

Sie stoßen vom Lande. Wie ruhig das Meer,
und das Netz von blinkenden Fischen wie schwer!
Der Junge klatscht lustig die Händchen sich rot,
der Alte seufzt leis wie in schwerer Not.
Krampfhaft preßt er zusammen den Mund,
ihm ist es, als hör er aus tiefem Grund:
»Ik kann nich helpen.«

Sie ziehen heim. Der Steinhund schon winkt,
als plötzlich es kraus in die Fläche springt.
Ein Windstoß, ein Donnern, ein fahler Schein –
der Fischer refft hurtig die Segel ein
und reißt von der Bank den Jungen und sperrt
ihn in die Kajüte, wie er auch plärrt:
»Ik will di helpen!«

Im Nu hat er wieder die Segel gespannt,
er will noch vor dem Sturm an das Land.
Hui! Wie das Schifflein schießt vor dem Wind.
Da ist der Hafen – er dreht geschwind;
ein Zischen, ein Knattern, da kippt das Boot.
Hoch auf den Wogen wippt sich der Tod:
»Kann ik nich helpen?«

Der Fischer im Schleppkahn, der Wellen Spiel,
er zieht sich ans Boot, er tastet am Kiel,
die Augen starr, die Lippen stumm;
er greift mit den Fäusten sich zitternd herum,
und in der Luke sein Junge hängt,
durchs enge Gitter das Händchen gezwängt:
»Ik will di helpen!«

Er packt das Händchen, er zerrt, er reißt,
er stößt und schlägt, seine Faust zerspleißt.
Fest hält das Eisen, wie er auch ringt.
Die Luke tiefer und tiefer sinkt;
der Schleppkahn ist schon mit Wasser gefüllt.
Er hämmert und reißt, er stöhnt und brüllt:
»Ik kann nich helpen!«

Wild blickt er sich um, er läßt die Hand
und klettert hinauf auf des Bootes Rand,
will über das steile Verdeck zur Tür –
zurück! Keine Rettung, nicht dort, nicht hier!
In das blasse Gesichtchen die Wellen schon wehn.
Noch einmal hört er es zitternd flehn:
»Ik will di helpen!«

Eine Sturzsee reißt das Boot in den Grund
am Spielplatz des Jungen, beim steinernen Hund.
Den Fischer trägt eine Welle ans Land. – –
Nie faßt ein Ruder mehr seine Hand,
sitzt still vor der Tür, starrt blöd auf die See
und murmelt jenseits von Lust und Weh:
»Ik kann nich helpen.«

Aus: Jacob Loewenberg, Neue Gedichte. (Hamburg, M. Glogau jr.)


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