Cicero
Vom Redner
Cicero

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XIV. 58. Endlich sind auch aus der Schule der Philosophen Geschichtschreiber hervorgegangen, zuerst XenophonXenophon, ein Schüler des Sokrates, geb. 447 v. Chr., gest. nicht vor 355. Seine historischen Schriften sind: a) die Anabasis, d. h. der Feldzug des jüngeren Kyrus gegen Artaxerxes Mnemon und der Rückzug der 10000 Griechen; b) die Hellenika., der berühmte Sokratier, später der Schüler des Aristoteles, KallisthenesKallisthenes aus Olynth, Begleiter Alexander's des Großen auf seinen Feldzügen, wurde von diesem 325 v. Chr. getödtet. Er schrieb eine Geschichte der Feldzüge Alexander's, dann eine Griechische Geschichte von dem Antalkidischen Frieden bis zur Einnahme des Delphischen Tempels (387–355), ferner eine kleine Schrift über den Troischen Krieg., ein Begleiter Alexander's. Der letztere bedient sich einer fast rednerischen Darstellungsweise, der erstere aber eines sanfteren Tones, der nicht den Aufschwung des Redners besitzt; vielleicht ist er minder feurig, aber doch, wie es mir wenigstens scheint, ungleich löblicher. Der jüngste unter allen diesen, TimäusTimäus aus Tauromenium in Sicilien, geb. um 356 v. Chr. Er schrieb eine Geschichte Siciliens, Italiens, Griechenlands, sowie auch den Krieg des Pyrrhus gegen die Römer., aber, soweit mir darüber ein Urtheil zusteht, der bei Weitem gelehrteste und an Fülle der Sachen und an Mannigfaltigkeit der Gedanken der reichhaltigste, der selbst in der Fügung und Anordnung der Worte einer gewissen Glätte nicht entbehrt, brachte große Beredsamkeit zur Geschichtschreibung mit, aber keine Erfahrung in gerichtlichen Verhandlungen. 59. Als Antonius sich so ausgesprochen hatte, sagte Cäsar. Wie steht es, mein Catulus? wo sind die, welche behaupten, Antonius verstehe kein Griechisch? Wie viele Geschichtschreiber hat er genannt? wie einsichtsvoll hat er über sie gesprochen und wie treffend eines jeden Eigentümlichkeit auseinandergesetzt? Ja wahrlich, erwiderte Catulus, indem ich dieses bewundere, höre ich jetzt auf mich über das zu verwundern, was zuvor meine Verwunderung in noch weit höherem Grade erregte, daß er nämlich auch ohne diese Kenntnisse ein so ausgezeichneter Redner sei. Ja, lieber Catulus, sagte Antonius, allerdings pflege ich die Werke dieser Schriftsteller und einige andere zu lesen, wenn ich Muße habe; aber ich richte hierbei mein Augenmerk nicht auf einen Vortheil für die Beredsamkeit, sondern ich thue es zu meiner Unterhaltung. 60. Was gewinne ich also hieraus? Jedenfalls, ich will es nur bekennen, ist es Etwas. Sowie, wenn ich in der Sonne mich ergehe, wiewol ich es in einer anderen Absicht thue, ich doch natürlich braun gefärbt werde; so merke ich auch, daß, wenn ich diese Schriften bei MisenumMisenum, ein Vorgebirge und eine Stadt an der Küste Campaniens, wo Antonius ein Landgut hatte. (denn zu Rom ist es mir kaum vergönnt) recht eifrig lese, meine Rede durch ihre Berührungtactu nach einer Lesart einer Erlanger Handschrift, die Ernesti und andere Herausgeber aufgenommen haben, statt der vulgata cantu, die jedoch Ellendt zu vertheidigen sucht. eine gewisse Färbung annimmt. Doch damit ihr euch von dem Umfange meiner Griechischen Gelehrsamkeit nicht eine zu hohe Vorstellung macht, so wißt: nur das verstehe ich in den Schriften der Grieben, was ihre Verfasser auch von den Ungelehrten verstanden wissen wollten. 61. Verirre ich mich aber einmal zu eueren Philosophen, getäuscht durch die Aufschriften ihrer Werke, die sich gemeiniglich auf bekannte und ausgezeichnete Gegenstände beziehen, auf Tugend, Gerechtigkeit, Ehrbarkeit, Vergnügen; so verstehe ich durchaus kein Wort; in so gedrängte und kurzgefaßte Untersuchungen haben sie sich verstrickt. Die Dichter vollends, die gleichsam eine andere Sprache reden, wage ich gar nicht anzurühren. Mit denen also verkehre ich, wie gesagt, zu meiner Unterhaltung, welche Geschichte oder ihre eigenen Reden geschrieben haben, oder so reden, daß man sieht, sie wollten auch Lesern meiner Art befreundet sein, die keine großen Gelehrten sind.


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