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VII.

 

Sempronius, sprich!

Addison.

 

 

Die Einleitungen zu der Berathschlagung waren kurz und einfach. Der alte Kommendant der Fregatte empfing seine Offiziere mit pünktlicher Rücksicht, und wies ihnen die Stühle an, die um eine, in der Mitte stehende Tafel standen. Er selbst setzte sich schweigend, und seinem Beispiele folgten dann Alle, ohne weitere Umstände. Indem aber jeder seinen Platz einnahm, fand doch eine strenge Beobachtung von Rang und Anciennetät Statt. Rechts vom Kapitain saß Griffith, als der Nächste im Kommando, ihm gegenüber der Befehlshaber des Schooners. Der Seesoldatenoffizier, der ebenfalls mit herberufen war, saß als Nächstfolgender, und so ging es bis ans Ende des Tisches, das ein viereckig athletisch gebauter Mann einnahm, der die Stelle des ersten Bootsmanns bekleidete. Als Alles ruhig war, theilte der Kommendant, der die Meinung seiner Untergebnen hören wollte, den Gegenstand mit.

»Meine Instructionen,« begann er, »veranlassen mich, meine Herren, erst eine Landung in England zu machen und dann – « Griffith's Hand ward achtungsvoll in die Höhe gehoben. Der Veteran hielt ein. Er sah den Lieutnant an, als wolle er wissen, warum er ihn so unterbrach.

»Wie sind nicht allein!« bemerkte der Lieutnant, und winkte nach der Kajütenthüre, wo der Lootse an einer Kanone lehnte, als bekümmere er sich um nichts.

Der Fremde rührte sich bei diesem Winke nicht von der Stelle. Eben so wenig verwendete er das Auge von der Karte, die vor ihm ausgebreitet lag. Der Kapitain bemerkte ungemein ehrfurchtsvoll:

»Das ist Herr Gray! Sein Dienst wird bei der Gelegenheit nothwendig seyn, und deshalb hat man vor ihm nichts geheim zu halten.«

Alle die jungen Männer sahen sich einander verwundernd an. Griffith verbeugte sich schweigend bei der Entscheidung seines Obern. Dieser fuhr fort:

»Ich erhielt Befehl, auf gewisse Signale an der Küste Acht zu haben, die auch gegeben wurden, und bekam die besten Karten, um in die Bai einzulaufen, wo wir in der letzten Nacht gewesen sind. Wir haben nun einen Lootsen, der uns Beweise von Gewandtheit gegeben hat, daß wir Alle unbedingt auf seine Kenntniß, wie auf seine Rechtlichkeit rechnen können.«

Er hielt wieder inne, und musterte die Mienen seiner Zuhörer, als wolle er ihre Meinung über diesen wichtigen Punkt ausforschen. Da er keine andere Antwort erhielt, als ein schweigendes Kopfnicken aller Anwesenden, fuhr er in seinem Vortrage weiter fort, von Zeit zu Zeit einen Blick auf ein vor sich liegendes Papier werfend:

»Wir wissen Alle, meine Herren, daß die unglückliche Frage vom Wiedervergeltungsrechte zwischen beiden Regierungen, der unsrigen und der feindlichen, lebhaft verhandelt worden ist. Aus diesem Grunde und aus politischen Gründen ist auch von unseren Bevollmächtigten in Paris für nöthig erachtet worden, einige Männer von Bedeutung bei dem Feinde aufzuheben, welche als Geißeln für sein Verfahren dienen können, was zugleich die Leiden des Krieges von unsern Küsten solche daheim fühlen läßt, die sie verursacht haben. Jetzt bietet sich eine Gelegenheit dar, den Plan auszuführen, und ich habe die Herren versammelt, um über die Mittel zu berathschlagen.«

Ein allgemeines Stillschweigen folgte dieser unerwarteten Mittheilung über den Zweck ihres Kreuzzuges. Nach einer kleinen Pause wandte sich der Kapitain an den ersten Bootsmann.

»Welchen Weg würdet Ihr dabei zu nehmen rathen, Master Boltrope?« fragte er ihn.

Der alte Seemann, welcher jetzt aufgefordert war, durch seine Meinung diesen schwierigen Gegenstand ins Klare zu bringen, legte die eine von seinen knochigen Händen auf den Tisch, und drehte ein Dintenfaß mit gar sonderlichem Fleiß herum, während die andere eine Feder in den Mund brachte, die er so emsig kaute, als sey es ein Blatt von virginischem Kraute. Indeß er sah, man wartete auf Antwort von ihm. So blickte er erst rechts, dann links den Nachbar an, und ließ endlich seine Stimme so rauh und derb ertönen, daß es schien, als hätten alle Dünste des Ozeans sich mit den kalten Nebeln desselben vereint, ihr jede Spur von Wohlklang zu rauben.

»Wenn die Sache befohlen ist,« sagte er, »nun; so mein' ich, sie muß auch vollbracht werden: denn die alte Regel lautet: Parire Ordre, und wenn auch der Rheder zu Grunde geht. Allein die andere Regel: eine Hand für den Rheder und eine für dich – ist eben so gut, und hat manchen tüchtigen Fahrer erhalten, dessen Untergang die Rechnung vom Proviantmeister quittirt hätte. Ich meine damit nicht, daß die Rechnungen vom Proviantmeister nicht auch gute Rechnungen wären: aber wenn ein Mann todt ist, muß die Rechnung geschlossen werden, oder es ist Alles blos Scheinrechnung. – Gut, wenn die Sache geschehen muß; so fragt sichs, wie muß sie geschehen? Da ist mancher Mann auf dem Schiffe. Er weiß, es sind zu viel Segel da, aber welche einzureffen sind, versteht er darum nicht. Nun aber, wenn die Sache also geschehen soll; so müssen wir entweder landen und sie wegnehmen oder falsche Signale machen und andere Flaggen aufstecken, um sie an Bord zu locken. Na, was das Landen anbetrifft, Kapitain, kann ich nur von Einem Manne reden, nämlich von mir, das heißt: wenn ihr mit dem Bogspriet in des Königs von England Speisezimmer hineinrennt, ja, da bin ich dabei, und frage nicht darnach, wie viel Glastafeln zerbrochen werden. Aber ehe ich einen Fuß auf die Sandschollen hier herum setze, das heißt, ich spreche immer nur von Einem Mann, und das bin ich, mit Eurer Erlaubniß, wollt' ich lieber verdammt seyn.«

Die jungen Offiziere lächelten, als der alte Knabe seine Meinung so offen mittheilte, indeß seine Beredsamkeit mit jedem Satze lebhafter geworden war. Der Kommendant indessen, ein gewiegter Schüler aus derselben derben Schule, schien die Gründe des Bootsmanns vollkommen zu verstehen. Ohne einen Muskel seiner ernsten Miene zu verziehen, verlangte er die Meinung des jüngsten Lieutnants.

Es antwortete dieser fest, aber bescheiden, und erklärte sich, obschon in deutlicherer Art, für die Meinung des ersten Bootsmanns, nur mit dem Unterschiede, daß er eben keinen persönlichen Widerwillen hatte, aufs Land zu gehen.

Die Stimmen der Andern wurden immer deutlicher und offener abgegeben, wie die Aufgerufenen im Range stiegen, bis auch die Reihe an den Kapitain der Seesoldaten kam. Für ihn war eine hübsche Gelegenheit da, seinen Soldatenstolz geltend zu machen. Er mußte ja seine Meinung über einen Gegenstand abgeben, der seine Pflicht ungleich mehr in Anspruch nahm, als das gewöhnliche Verhältnis zur Fregatte nöthig machte.

»Mir scheints,« begann er, »als hänge der Erfolg dieser Unternehmung von der Art ab, wie sie ausgeführt wird.«

Nach dieser lichtvollen Einleitung hielt er an, als sammle er seine Gedanken für einen Vorschlag, der jedem Einwurf unzugänglich sey.

»Die Landung,« fuhr er endlich fort, »muß an einem bequemen Punkte der Küste, unter dem Schutze der Kanonen von der Fregatte, geschehen. Wo möglich geht der Schooner vor Anker, daß er beim Ausschiffen der Truppen ein Flankenfeuer machen kann. Die Disposition zum Marsche hängt zum großen Theile von dem Raume ab, der zu durchlaufen ist, ob ich schon denke, es ist am Besten, wenn ein Vortrab von Matrosen der Colonne als Pioniers vorausgeht, während das Gepäck mit seiner Mannschaft am Bord der Fregatte bleibt, bis der Feind ins Innere gejagt ist, wo dann letzteres ohne Gefahr nachrücken kann. Uebrigens müssen noch ein Paar Flankenposten da seyn, die von Seekadeten befehligt werden, und ein fliegendes Corps kann man aus den Schiffsjungen bilden und mit den Matrosen gemeinschaftlich operiren lassen. Herr Lieutnant Griffith wird die Matrosen, mit Musketen und Piken bewaffnet, anführen und in Reserve aufstellen, da ich denke, meine militairische Würde und Erfahrung berechtigt zum Kommando über das Hauptkorps.«

»Schön, Herr Feldmarschall!« rief Barnstable mit einer Laune, die selten Zeit und Ort in Acht nahm. »Ihr solltet Eure Knöpfe nicht von Salzwasser anfressen lassen! Im Lager von Washington, ach, in Washington's Zelt müßt Ihr in Zukunft Eure Hängematte aufschlagen! Ha! ha! ha! Denkt Ihr denn, wir wollen einen Einfall in England machen?«

»Ich weiß nur, daß jede militairische Unternehmung mit Genauigkeit ausgeführt werden muß!« entgegnete der Andere. »Leider bin ich schon zu sehr daran gewöhnt, den Spott der Seeleute zu hören, um das zu achten, was ihre Unwissenheit zu Tage fördert. Ist Kapitain Munson geneigt, mich und meine Leute bei dieser Expedition zu gebrauchen, so denk' ich, er soll sehen, daß Seesoldaten auch wohl zu etwas Anderm taugen, als die Wache zu beziehen und das Gewehr zu präsentiren.«

Stolz wandte er den Blick von seinem Gegner ab, und sprach blos noch mit dem Kapitain. Es schien, als wollte er mit dem Manne nichts weiter zu thun haben, der bei dieser Lage der Dinge gar nicht im Stande sey, seine Gründe zu fassen.

»Gut wird es seyn, Kapitain Munson,« sagte er, »noch eine Streifparthie zum Recognosciren auszusenden, ehe wir selbst uns in Marsch setzen, und da wir doch auf die Defensive gebracht werden könnten, wenn wir zurückziehen müßten, so möchte ich wohl bitten, ein Korps mit Schanzzeug beizugeben, das die Expedition begleiten kann. Es wäre das sehr gut, um schnell ein Paar Feldschanzen aufzuwerfen, ob ich schon glaube, Handwerkszeug dazu finde sich im Lande überflüssig, und im Falle der Noth könne man die Bauern zu der Arbeit requiriren.«

Das war für Barnstable's fröhliche Laune zu viel. Er brach in volles Lachen aus, das Niemand zu unterbrechen Lust hatte, obschon Griffith, der sich umdrehte, selbst sein, das ganze Gesicht ergreifendes Lachen zu verbergen, wohl merkte, wie der Lootse einen ernsten Blick auf den lustigen Seemann warf und viel Ungeduld äußerte. Der Kapitain Munson wartete gelassen, bis er glaubte, die gute Laune des Lieutnants sey nun zufrieden gestellt. Dann fragte er ihn freundlich nach der Ursache, die ihm bei dem Plane des Seesoldatenoffiziers soviel Spaß mache.

»Das ist ja ein Plan zu einem Feldzuge,« rief Barnstable; »der sollte dem Congreß vorgelegt werden, ehe die Franzosen ins Feld rücken.«

»Habt Ihr einen bessern mitzutheilen, Herr Lieutnant?« fragte der geduldige Kommendant.

»Freilich,« war die Antwort des Andern, »einen Plan, der weder Zeit noch Mühe erfodert; ein blosser Seemannsstreich und der blos von Seemannskräften ausgeführt werden kann.«

»Ich bitte zu betrachten, Kapitain Barnstable,« fiel der Marinesoldat ein, dessen Lust zum Scherzen durch seinen Soldatenstolz ganz verscheucht war, »wenn es an der Küste zu thun giebt; so mache ich mein Recht geltend und verlange, in Thätigkeit gesetzt zu werden.«

»Verlangt, was Ihr wollt, aber was wollt Ihr denn mit einer Hand voll Menschen machen, die nicht das eine Ende eines Bootes vom andern unterscheiden können?« entgegnete der rücksichtslose Barnstable. »Denkt Ihr denn, eine Barke kann so aufs Kommandowort anlanden, wo Ihr Feuer geben laßt? Nein, nein, Kapitain Munson, ich spreche Euch nicht die Courage ab, denn ich habe sie erprobt gesehn, aber mich hole der Teufel, wenn – «

»Ihr vergeßt, daß wir auf Euren Plan begierig sind!« fiel der Veteran ein.

»Ich bitte um Entschuldigung, Sir! Ein Plan ist nicht nöthig. Ihr bezeichnet Lage und Entfernung des Ortes, wo die Leutchen, die wir brauchen, gefunden werden. Ich eile wie der Wind, und gehe ans Land: vorausgesetzt, daß die Küste nicht felsig und das Meer ruhig ist. Ihr, Lootse, begleitet mich, denn Ihr habt gewiß eine Karte von der Seeküste im Kopfe, als wäre sie auf dem festen Lande gemacht. Einen guten Ankerplatz will ich schon auffinden. Hätten wir indessen Landwind; so lass' ich den Schooner laviren, bis wir wieder von der Küste fortkönnen. Ich nehme dann meine Barke mit dem langen Tom und der Mannschaft dazu. Haben wir den angezeigten Ort ausfindig gemacht; so gehts hin, und die Leutchen, die Ihr braucht, werden an Bord gebracht. So ist's ordentliche Seemannssache. Da aber die Küste stark bevölkert ist, so müssen wir den Küstenbesuch schon in der Nacht machen.«

»Herr Griffith, wir warten noch auf Eure Ansicht!« sprach der Kapitain, »um dann durch gegenseitige Vergleichung über die beste Maaßregel entscheiden zu können!«

Der erste Lieutnant hatte während der Berathschlagung nachgedacht und konnte also seine Meinung leichter vorbringen. Er zeigte auf den Lootsen, der noch, an einer Kanone gelehnt, hinter ihm stand.

»Ist es Eure Absicht, daß der Mann die Expedition mitmachen soll?« fragte er den Kapitain.

»Allerdings!«

»Und von ihm erwartet Ihr die nöthige Weisung, unsere Bewegungen zu leiten?«

»Ganz richtig!«

»Nun, wenn er halb soviel Gewandtheit zu Lande besitzt, als er auf dem Wasser hat; so bin ich für den Erfolg gut!« sagte der Lieutenant, sich gegen den Fremden flüchtig verbeugend, der dies mit einem Kopfnicken erwiederte. »Ich muß sowohl Herrn Barnstable als Herrn Manuel um Nachsicht bitten,« fuhr er fort, »indem ich das Kommando als ein, meinem Range gebührendes Recht in Anspruch nehme.«

»Ei, das kommt ja dem Schooner zu!« rief Barnstable ungeduldig.

»Es wird für uns Alle zu thun geben!« bemerkte Griffith, und hob den Finger in die Höhe, indem er einen bedeutenden Blick auf ihn warf, den Jener völlig verstand. »Ich bin mit keinem der beiden Herren vollkommen einig. Man sagt, seit unserm Erscheinen an der Küste sind mehrere Landhäuser der Vornehmen mit kleinen Truppenabtheilungen aus den benachbarten Städten besetzt!«

»Wer sagt das?« fragte der Lootse, vorgehend, und so unvermuthet, daß Alles schwieg.

»Ich sage es!« erwiederte Griffith, als seine augenblickliche Ueberraschung verschwunden war.

»Könnt Ihr dafür bürgen?«

»Ich kann es!«

»Nennt ein Haus, einen Mann, der solche Wache hat?«

Griffith sah den Fremden an, der sich mitten in einer solchen Versammlung so vergaß, und seinem angeborenen Stolze huldigend, eilte er nicht zu antworten. Indessen er erinnerte sich der Winke des Kapitains und der vom Lootsen geleisteten Dienste.

»Ich weiß,« sagte er endlich, mit einem Anstrich von Verlegenheit, »daß dies im Hause des Obersten Howard der Fall ist. Er wohnt um einige Meilen nördlich hinauf.«

Der Fremde staunte, als er den Namen hörte. Er sah den jungen Mann fest an, und schien seine Gedanken erspähen zu wollen. Indessen war dies alles nur Sache eines Augenblicks. Er biß sich, – mochte es Zorn oder Spott seyn, denn dies war nicht leicht zu entscheiden, – in die Lippen, und ging dann wieder ruhig an seine Kanone.

»Es ist mehr als wahrscheinlich, daß Ihr Recht habt,« bemerkte er, »und ich möchte dem Kapitain Munson den Rath geben, auf Eure Meinung viel Gewicht zu legen.«

Griffith drehte sich um. Er wollte gern sehen, ob der Fremde es auch so meine, wie er sage. Allein dieser hatte die Hand übers Gesicht, und starrte wieder mit seiner, sich um nichts bekümmernden Aufmerksamkeit die Karte an.

»Ich habe schon gesagt,« fuhr daher der Lieutnant fort, »daß ich weder Barnstable, noch dem Hauptmann Manuel vollkommen beistimme. Das Kommando des Streifzugs gehört mir, als ältestem Offizier, zu, und ich muß schon bitten, mein Recht darauf geltend zu machen. Die Vorkehrungen, welche Kapitain Manuel empfiehlt, halte ich nicht für nöthig. Aber ich möchte auch nicht die Sache für so leicht nehmen, wie Freund Barnstable vorschlägt. Sollten wir auf Soldaten stoßen; so müssen wir ihnen auch dergleichen entgegenstellen können. Allein es ist ein Handstreich von Seemännern; große Manövres müssen hier einem Matrosenmarsche weichen. Ein Seeoffizier muß also kommandiren. Ist mein Wunsch gerecht, Kapitain Munson?«

»Vollkommen!« erwiederte der alte Befehlshaber ohne Anstand. »Es war so meine Ansicht, Euch das Kommando anzubieten, und ich freue mich, daß Ihr es so gern übernehmt!«

Griffith hatte Mühe, die Freude zu verbergen, mit der er diese Aeußerung hörte. Sie glänzte lächelnd auf seinen Zügen.

»Für alles Uebrige laßt mich bürgen!« sagte er. »Ich verlange, daß Kapitain Manuel mit zwanzig Mann unter meinem Befehle steht, wenn es ihm nicht mißfällig ist.«

Der Marineoffizier verbeugte sich, und warf einen triumphirenden Blick auf Barnstable.

»Ich nehme unsere Schaluppe!« fuhr Griffith fort, »mit ihrer erprobten Mannschaft, gehe an Bord des Schooners, und so wie der Wind sich legt, ans Land, wo dann die Umstände das Uebrige an die Hand geben müssen.«

Der Kommendant des Schooners warf nun seinerseits einen triumphirenden Blick auf den Kapitain der Seesoldaten.

»Das ist ein guter Plan!« rief er in seiner lustigen Weise aus – »und wie er sich für einen Seesoldaten gehört, Griffith! Ja, ja, laßt den Schooner flott werden, und wenn es nöthig ist; so sollt Ihr ihn in einer Entenpfütze vor Anker gehn und eine Seitenlage geben sehn, daß die Fenster im Zimmer vom besten Hause auf der Insel in Trümmer springen. Aber zwanzig Seesoldaten! hu! die werden auf meinem Schiffchen eine schöne Unordnung machen!«

»Ein Mann weniger als zwanzig, wäre Unbesonnenheit!« entgegnete Griffith. »Es kann mehr zu thun geben, als wir suchen.« –

Barnstable verstand recht gut, worauf er anspielte.

»Ja, wenn es Matrosen wären!« bemerkte er ferner scherzend, »da hätte ich Raum für dreißig. Aber die Soldaten wissen nie, wohin sie Arm und Beine thun sollen, als wenn es zum Exerciren geht. Einer braucht soviel Platz, wie zwei Matrosen. Sie hängen ihre Hängematten das Unterste zu Oberst an, und bringen Alles in Unordnung, wenn es zum Appel geht. Wahrhaftig, zwanzig gepuderte Seesoldaten werden meine Jungen gewaltig plagen!«

»Gebt mir die Schaluppe, Kapitain Munson!« rief der Kapitain der Seesoldaten ärgerlich aus. »Wir wollen Herrn Griffith lieber in dem offenen Fahrzeuge folgen, als dem Kapitain Barnstable soviel Ungelegenheit machen!«

»Nein, Manuel, nicht doch!« unterbrach ihn der Andere, und streckte den kräftigen Arm über den Tisch, ihm die Hand reichend. »Ihr könntet ja Alle soviel Jonas in Uniform werden, und ich zweifle, daß der Wallfisch dann Eure Patronentaschen und Bajonette verdauen könnte. Ihr geht mit mir, und seht mit eignen Augen, ob wir auf dem Ariel die Schiffswache verschlafen, wie Ihr gemeint habt.«

Das Lachen ward auf Kosten des Seesoldaten allgemein; nur der Lootse und Kommendant der Fregatte machten eine Ausnahme. Der erstere schwieg. Er schien in Nachdenken versunken. An sich aber lauschte er dem Gespräch sehr theilnehmend zu. Es gab Augenblicke, wo er auf die Sprecher den Blick heftete, und in ihrem Charakter ungleich mehr suchte, als der lustige Scherz des Augenblicks zu verrathen schien. Kapitain Munson's von Alter gefurchte Physiognomie ließ selten eine Veränderung wahrnehmen. Er hatte nicht Ansehn genug, die unzeitigen Scherze seiner Offiziere zurück zu weisen, aber zuviel Gutmüthigkeit, ihre unschuldige Heiterkeit zu stören. Mit den vorgeschlagenen Maaßregeln war er vollkommen zufrieden, und so winkte er dem Kajütenjungen, das gewöhnliche Getränk aufzutragen, das nach der Berathschlagung gereicht werden sollte.

Der erste Bootsmann glaubte, wie es schien, beim Trinken herrsche dieselbe Ordnung, wie beim Abstimmen. Er verhalf sich also gleich zu einer guten Portion, die, auch bei der Verdünnung mit Wasser, ihre vorige Farbe behielt.

»Ja,« sagte er, und hielt das Glas gegen das Licht, »unser Trinkwasser sieht gerade so aus, wie der Rum, aber wenn es nur auch den Geschmack hätte! Ei, was für Seehunde wären wir dann! Herr Lieutnant Griffith, ich merke, Ihr wollt nach dem Lande steuern. Nun ja, für einen jungen Mann paßt es, daß er gern am Lande ist. Doch hier ist Jemand, ich, der erste Bootsmann, der hat in der letzten Nacht soviel Land gesehen, daß er nun für ein Jahr genug daran hat. Aber wenn Ihr hinwollt, nun so erlaubt: – Auf eine gute Landung und einen bessern Ankerplatz! – Kapitain Munson, meinen Respekt! – Ich sage immer, wenn wir ein bischen südlich halten; – das ist aber meine Meinung, nämlich, so zu sagen, die von einem einzigen Manne, – so treffen wir auf ein paar heimkehrende Westindienfahrer, und finden da so etwas, das rechte Courage giebt, wenn es nun ans Land gehn soll!«

Der alte Bootsmann brachte dabei fleißig das Glas an den Mund, indessen die andere Hand die Flasche fest hielt. Seine Gefährten konnten so zwar seine Beredsamkeit bewundern, aber ihren Durst nicht löschen. Indessen Barnstable setzte ihn endlich ganz kaltblütig außer den Besitz der Flasche, und mischte sich selbst seinen Grog auf gleichförmige Art.

»Du hast ein merkwürdiges Glas Grog, Boltrope,« sagte er zum Bootsmann. »So eines hab' ich anf meinen Kreuzfahrten noch nicht gesehen. Es zieht so wenig Wasser, als der Ariel, und wird fast nie leer. Wenn Deine Rumkammer auch so eine Maschine hat, die immer voll macht, falls du den Rum auspumpst; so hat der Congreß für die Fregatte nicht viel auszugeben.«

Auch die andern Offiziere bedienten sich, obschon noch mäßiger mischend. Griffith benetzte kaum die Lippen; der Lootse wies das Glas ganz zurück. Kapitain Munson stand auf. Es war dies ein Zeichen für Alle, daß ihre Gegenwart nicht ferner nöthig sey. Alle empfahlen sich. Griffith ging zuletzt. Er fühlte eine Hand auf seiner Schulter; sich umdrehend sah er den Lootsen.

»Herr Griffith,« redete ihn der letztere an, als sie mit dem Kommendanten ganz allein waren, »die Vorfälle der letzten Nacht müssen uns gelehrt haben, einer dem andern zu vertrauen. Außerdem bestehen wir ein unnützes und gefährliches Abenteuer.«

»Ist die Gefahr hierbei gleich groß?« erwiederte der junge Mann. »Mich kennen Alle als den, der ich scheine; sie wissen, ich stehe im Dienste des Vaterlandes, und stamme aus einer Familie, deren Namen meine Treue der Sache Amerika's verbürgt. Und ich soll mich Euch auf feindlichem Gebiete, mitten unter Feinden, mit einer schwachen Mannschaft, unter Umständen hingeben, wo Verrath meinen Untergang herbeiziehen würde? – Wer ist der Mann, Kapitain Munson, der so Euer Vertrauen besitzt? Ich thue diese Frage nicht sowohl um meinetwillen, als wegen der braven Leute, die mir furchtlos folgen, wohin ich sie führe.«

Ein Schatten von düsterm Unwillen flog über das Antlitz des Fremden. Dann versank er in tiefes Nachdenken.

»Es ist nicht ohne Grund, daß Ihr so fragt;« erwiederte der Kapitain. »Allein Ihr seyd auch nicht der Mann, dem ich sagen muß, daß ich auf unbedingten Gehorsam bei Euch zu rechnen habe. Durch Geburt und Erziehung sind mir keine Ansprüche geworden. Aber der Congreß hat meine Jahre und Dienste nicht übersehn wollen, und als Kommendant der Fregatte« –

»Nichts weiter!« fiel der Lootse ins Wort. »Er hat Ursache zum Mißtrauen. Es soll bald schwinden. Mir gefällt sein stolzer, furchtloser Blick; und da er fürchtet, ich will ihm eine Falle stellen; so soll er bald ein Beispiel edlen Vertrauens haben. Leset, junger Mann, und sagt mir dann, ob ihr noch Mißtrauen gegen mich fühlt?«

Während der Fremde sprach, zog er aus dem Busen ein Pergament mit Bändern und einer daran hängenden Siegelkapsel heraus. Er öffnete es, und legte es auf den Tisch vor Griffith hin. Als er mit dem Finger auf verschiedene Punkte der Schrift zeigte, um sie bemerkbar zu machen, glänzte sein Auge von ungewöhnlichem Feuer, und seine blasse Wange röthete sich merkbar.

»Seht,« sagte er, »ein König selbst steht nicht an, zu meinem Gunsten ein Zeugniß abzugeben, und sein Name darf wohl keinem Amerikaner Furcht einflößen.«

Griffith blickte staunend auf die schöne Handschrift des unglücklichen Ludwig's, die den untern Theil des Pergaments zierte. Doch als sein Auge dem Zeigefinger des Fremden folgte und in der Schrift las, trat er zurück, und sah den Lootsen mit ungewöhnlichem Feuer an.

»Seyd mir Führer! Ich folge Euch selbst in den Tod!« rief er.

Freude und Genugthuung lächelte auf den Lippen des Fremden. Er nahm den jungen Mann bei dem Arme, und führte ihn in eine Kajüte. Der Kommendant der Fregatte blieb ein unbeweglicher und ruhiger Zuschauer, wenn auch nicht Theilnehmer des Auftritts.

 


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