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Fünfundzwanzigstes Kapitel.

Du zitterst, und die Blässe deiner Wange
Zeugt klarer als dein Mund, was du uns bringst.
Shakespeare.

Die Neugier trieb mich, dem Indianer zu folgen, um seine Bewegungen zu beobachten. Susquesus entfernte sich eine kleine Strecke von der Hütte und verließ den Hügel ganz, bis er niederes Land erreichte, wo Fußtapfen am ehesten sichtbar seyn mußten, worauf er langsam den Platz zu umkreisen begann, die Augen auf den Boden geheftet, wie die Nase des Hundes der Witterung folgt. Das Vornehmen des Onondago interessirte mich so sehr, daß ich mich zu ihm gesellte, mich jedoch hinter ihm hielt, um ihn in seinem Thun nicht zu stören.

Fußtapfen waren da in Menge, zumal auf dem tiefliegenden feuchten Grund, wo wir uns befanden; aber mir schienen sie alle dem Indianer für seinen Zweck durchaus keinen Aufschluß geben zu können. Die meisten von unserer Gesellschaft trugen Mokkasins; und es war nicht leicht abzusehen, wie unter diesen Umständen und bei einem solchen Gewirre von Fußtapfen es möglich seyn sollte, daß Einer feindliche von befreundeten Fußtapfen unterschied. Daß Susquesus aber die Sache doch für möglich hielt, ging deutlich hervor aus der Emsigkeit und Beharrlichkeit, womit er die Sache betrieb.

Anfänglich hatten die Bemühungen meines Begleiters keinen Erfolg, oder wenigstens kein ihn befriedigendes Ergebniß; aber nachdem er die Hütte zur Hälfte umkreist hatte, immer in einem Abstand von etwa hundert Schritten davon sich haltend, blieb er plötzlich stehen, bückte sich ganz auf die Erde nieder, stand dann wieder auf, und einen zerbrochenen Ast in den Boden steckend, als Merkzeichen, winkte er mir, mich ein wenig seitwärts zu halten, während er einen rechten Winkel mit seiner früher verfolgten Richtung beschrieb und hineinwärts nach unsrer Hütte zu sich wandte. Ich folgte ihm langsam, Schritt für Schritt, seine Bewegungen beobachtend.

In dieser Weise erreichten wir die Hütte, wobei wir von der graden Linie etwas abwichen. An der Hütte selbst nahm Susquesus eine lange und genaue Prüfung und Untersuchung vor; aber selbst ich bemerkte, daß die Fußspuren hier so zahlreich waren, daß sie ihn verwirren mußten. Nachdem er hier seine Nachforschung beendigt, wandte sich der Indianer und ging nach der Stelle zurück, wo er den Ast in den Boden gesteckt hatte. Hiebei jedoch folgte er seinen eigenen Fußtapfen, und kehrte genau auf demselben Umweg zurück, auf welchem er sich genähert hatte. Dieß allein schon würde mich überzeugt haben, daß er mehr sah als ich; denn, die Wahrheit zu gestehen, ich hätte ihm dieß nicht gleichthun können.

Als wir den Ast erreichten, verfolgte Susquesus die (für mich unsichtbare) Spur über den Kreis hinaus, in den Wald hinein, in gerader Linie von der Hütte und der Quelle. Ich blieb fortwährend in seiner Nähe, obgleich Keiner von uns während dieser ganzen Untersuchung, die jetzt eine volle halbe Stunde dauerte, ein Wort gesprochen hatte. Da es nunmehr dunkel wurde, und Jaap das Signal gab, daß unser Nachtessen fertig sey, dachte ich, es möchte gut seyn endlich das Schweigen zu brechen.

»Was macht Ihr aus all diesem, Trackleß?« fragte ich ihn. »Findet Ihr Zeichen von Fußtapfen?«

»Gute Spuren,« antwortete Susquesus. »Und frische Spuren. Sehen aus wie von Huronen.«

Das war freilich erschreckende Nachricht; jedoch, so sehr ich geneigt war, im Allgemeinen der Einsicht meines Begleiters in solchen Dingen zu vertrauen, glaubte ich, er müsse sich in diesem Falle irren. Erstlich konnte ich, obwohl ich viele Fußtapfen in der Nähe der Hütte und auf dem niedern Grund hin gesehen hatte, wo der Indianer seinen Kreis beschrieben, da wo wir jetzt standen, keine entdecken. Ich bemerkte dieß dem Indianer und bat ihn, mir eigens eines der Anzeichen bemerklich zu machen, die ihn auf seine Vermuthung führten.

»Seht,« sagte Susquesus, sich so tief bückend, daß er mit einem Finger das todte Laub berührte, welches immer im Wald eine Art Fußteppich bildet, »hier Mokkasin gewesen – dieß Ferse, dieß Zehen.« Mit solcher Nachhülfe vermochte ich eine schwache Fußtapfe zu entdecken, welche mit Hülfe der Einbildungskraft so gedeutet werden konnte; obwohl der sehr leise Eindruck auf dem Boden, der sich entdecken ließ, wie mir schien beinahe ebensowohl für irgend etwas Anderes angesprochen werden mochte.

»Ich sehe, was Ihr meint, Susquesus; und ich gebe zu, es kann eine Fußtapfe seyn,« antwortete ich; »aber es kann auch ebenso gut von irgend etwas Anderem herrühren, was gerade hier die Erde berührt hat. Es kann durch den herabgefallenen Zweig eines Baumes verursacht worden seyn.«

»Wo Zweig?« fragte der Indianer mit Blitzesschnelle.

»Wahrhaftig, das ist mehr als ich sagen kann. Aber ich kann das nicht für Huronenfußtapfen halten ohne triftigere Beweise als Ihr mir bis jetzt gegeben.«

»Wie nennt Ihr das hier, dieß dort und jenes?« fuhr der Indianer fort, rasch zurücktretend und auf vier ähnliche aber sehr schwache Eindrücke auf dem Laub deutend; »es nicht sehen, he? Und dazu die Schritte ganz auseinander!«

Dieß war allerdings wahr; und jetzt, nachdem meine Aufmerksamkeit diese Richtung, meine Sinne diese Nachhülfe erhalten hatten, entdeckte ich, muß ich gestehen, verschiedene Spuren von Fußtritten, welche sonst meiner ernstlichen Nachforschung entgangen seyn würden.

»Ich sehe, was Ihr meint, Susquesus,« sagte ich, »und ich will zugeben, daß diese Linie von Eindrücken oder Spuren dazu beiträgt, sie als Fußtritte erscheinen zu lassen. Aber jedenfalls tragen die Meisten von unserer Gesellschaft Mokkasins ebenso wie die rothen Männer, und wie wißt Ihr, ob nicht einer oder der andere von den Landvermessern diesen Weg gemacht haben?«

»Landvermesser keine solche Eindrücke machen. Zehen einwärts gekehrt.«

Auch dieß war wahr. Aber es folgte noch nicht daraus, daß Fußtapfen von Huronen herrühren, weil sie indianische waren. Denn, woher sollten die feindlichen Krieger kommen in so kurzer Zeit, wie die zwischen der vorgefallenen Schlacht und dem jetzigen Augenblick liegende war? Es waltete kein Zweifel darüber ob, daß alle Streitkräfte der Franzosen, Bleichgesichter und Rothhäute, bei Tikonderoga zusammengezogen waren, um den Engländern Widerstand zu leisten; und die Entfernung war so groß, daß es für eine Truppe beinahe unmöglich war, diese Stelle so bald zu erreichen, wenn sie nach dem Eintritt der jüngsten Ereignisse aus der Umgegend der Feste aufgebrochen war. Hätte nicht der See ein Hinderniß in den Weg gelegt, so hätte ich auf die Vermuthung kommen können, daß Abtheilungen von Plänklern der vorrückenden Armee in die Flanken geschickt worden seyn möchten, wodurch uns Feinde allerdings näher gekommen wären; aber der See war nun einmal da, welcher auf mehr als dreißig Meilen das Anrücken sicher stellte, und den Gebrauch solcher Plänkler unnütz machte. Alles dieß drängte sich mir im Augenblick auf, und ich sprach es gegen meinen Begleiter aus, als ein Argument gegen seine Vermuthung.

»Nicht wahr,« antwortete Susquesus, den Kopf schüttelnd. »Diese Spur – auch Huronenspur. Kennt nicht rothe Männer, daß Ihr so sprecht.«

»Aber rothe Männer sind menschliche Wesen so gut wie Bleichgesichter. Es müssen siebzig Meilen seyn von hier bis an das untere Ende des George-See's, und nach Eurer Vermuthung müßte eine Schaar Indianer diese Entfernung in weniger als vierundzwanzig Stunden zurückgelegt haben, um einige Zeit vor uns hier einzutreffen.«

»Wir doch auch so gereist, he?«

»Ich gebe Euch das zu, Trackleß; aber wir machten einen großen Theil der Reise in einem Canoe, wo wir Alle abwechselnd schliefen und ruhten. Diese Huronen aber müßen die ganze Strecke zu Land zurückgelegt haben.«

»Nicht so, Hurone Canoe rudern so gut wie Onondago. See dort, Canoe's genug. Warum nicht kommen?«

»Glaubt Ihr, Trackleß, daß von den französischen Indianern sich welche auf den See gewagt haben würden, während er von unsern Booten bedeckt gewesen, wie dieß vorige Nacht der Fall war?«

»Wozu unsere Boote gut, he? Verwundete Krieger führen – flüchtige Krieger führen – um was sich kümmern? Glaubt Ihr, Huronen fürchten Boot? Hat Boot Augen, he? Boot sehen, Boot hören, Boot schießen, he?«

»Vielleicht nicht; aber diejenigen, die in den Booten sind, können das Alles, und würden wenigstens ein fremdes Canoe anrufen.«

»Boot anrufen mein Canoe; he? Onondago Canoe auch fremdes Canoe.«

Alles dieß war klar genug, als ich darüber nachzudenken anfing. Allerdings war es für ein Canoe mit zwei oder drei Rudern wohl möglich, die ganze Länge des See's in weniger Zeit zu durchmessen, als wir gebraucht hatten zu zwei Drittheilen dieser Entfernung; und eine Abtheilung, welche in der Nähe von William-Henry landete, konnte allerdings den Ort, wo wir uns jetzt befanden, noch einige Stunden vor uns erreichen. Dennoch blieben noch alle die andern für meine Ansicht von der Sache sprechenden Unwahrscheinlichkeiten. Es war unwahrscheinlich, daß eine Truppe gerade in dieser Weise diesen Weg gemacht haben sollte; es war noch unwahrscheinlicher, daß eine solche Truppe, auf dem Kriegspfad kommend aus einer fernen Gegend des Landes, genau wissen sollte, wo unsere Hütte zu finden war. Nach augenblicklichem Bedenken, während wir Beide langsam uns zu unsern Genossen begaben, legte ich dem Onondago diese Einwürfe vor. »Kennt nicht Indianer,« versetzte er mit ernsterer Lebhaftigkeit in seinem Benehmen, als bei ihm gewöhnlich war, wenn er sich herabließ, mit einem Bleichgesicht die Bräuche und Gewohnheiten der Stämme zu erörtern. »Er zuerst fechten; dann Skalpe suchen. Schon todtes Pferd im Walde gesehen – nun, keine Krähen um es her, he? Krähen genug, nicht so? Gerade so Indianer. Verwundete Krieger fortschleppen und Indianer im Walde auflauern, hinter der Armee. Skalp zu bekommen. Skalp gut nach Schlacht. Ihm sehr daran gelegen. Wald voll von Huronen, Pfad nach Albany entlang. Yengeese der Muth gesunken, den Huronen gestiegen. Skalp so gut, denkt an nichts Anderes.«

Mittlerweile erreichten wir die Hütte, wo wir Guert und Dirck schon an ihrem Nachtessen trafen. Ich will gestehen, daß mein Appetit nicht so gut war, als er ohne des Onondago Vermuthungen und Entdeckungen gewesen seyn würde; obwohl ich Platz nahm und mit meinen Freunden zu essen anfing. Während des Mahles theilte ich meinen Genossen Alles mit, was vorgefallen war, und fragte insbesondere Guert, welcher mit dem Busch ganz ordentlich bekannt war, was er von der Wahrscheinlichkeit des Falles halte.

»Wenn feindliche Rothhäute wirklich in jüngster Zeit hier gewesen sind,« antwortete der Albanier, »so sind es durchtrieben schlaue Teufel gewesen; denn kein Gegenstand in oder ausser der Hütte ist auch nur verrückt worden. Ich habe selbst darauf geachtet, sobald wir ankamen; denn ich habe es für gar nicht unwahrscheinlich gehalten, daß die Huronen ausziehen würden auf der Straße zwischen William-Henry und den Ansiedlungen, und versuchen, Skalpe zu erbeuten von den Abtheilungen, welche mit verwundeten Offizieren zurückgeschickt werden würden.«

»In welchem Falle auch unser Freund Bulstrode in Gefahr käme.«

»Er muß sich auf Alles gefaßt machen, so wie wir Alle. Aber er wird vermuthlich nach Ravensnest transportirt werden, als das nächste Nest, wo er ein Unterkommen finden kann. Mir gefällt aber diese Spur gar nicht, Corny, denn eine Rothhaut vom Charakter des Onondago irrt sich selten in solchen Dingen.«

»Es ist jetzt zu spät, um heute Nacht noch Etwas anzufangen,« bemerkte Dirck. »Zudem glaube ich auch nicht, daß irgend ein großes Unglück Einem von uns zustoßen wird, sonst würde Doortje doch einen Wink deßhalb fallen gelassen haben. Solche Wahrsagerinnen lassen selten eine ernste Begebenheit hinaus, ohne davon auf die eine oder die andere Art Kunde zu nehmen. Ihr seht, Corny, wir sind bei dem ganzen Handel bei Ty, ohne daß uns die Haut geritzt worden wäre, durchgekommen, was sehr stark dafür spricht, daß das alte Weib Recht hatte.«

Der arme Dirck! jene Weissagung hatte einen tiefen Eindruck auf sein Gemüth gemacht und war von großem Einfluß für sein ganzes künftiges Leben. Es mußte Einer einen starken Glauben haben, um sich einbilden zu können, ein Uebergehen, ein Nichterwähnen dieser Art schließe irgendwie die Bedeutung einer positiven, bejahenden Weissagung in sich. Aber doch hatte Dirck in Einer Beziehung die Wahrheit gesprochen. Es war zu spät, um an diesem Abend noch Etwas anzufangen, und es blieb uns Nichts übrig, als Vorkehrungen zu treffen, um so sicher als möglich der Ruhe zu genießen.

Wir beriethen uns über diesen Gegenstand und beriefen auch den Indianer, um uns mit seinem Rathe an die Hand zu gehen. Nachdem wir die Sache besprochen, ward beschlossen, zu bleiben wo wir waren, die Thüre zu schließen und zu verrammeln, und Alle in dem Gebäude zu versammeln; denn die Neger und die Indianer hatten es stark in der Gewohnheit gehabt, draußen herum irgendwo zu schlafen, unter einem leichten Dach von Gehölz und Buschwerk, das sie sich aufgeschlagen. Man dachte, der Feind, falls er ein Feind war, werde, nachdem er einmal die Hütte besucht und sie leer gefunden, wohl schwerlich alsbald wieder dahin zurückkommen, und wir durften uns schon in Folge dieses Einen Umstandes verhältnißmäßig sicher glauben. Dann war aber auch ganz wohl möglich, daß die Fußspuren von befreundeten, und nicht von feindlichen Indianern herrühren mochten, obgleich Susquesus verneinend den Kopf schüttelte, so oft dieß erwähnt wurde. In jedem Fall hatten wir nur die Wahl zwischen drei Dingen: entweder das Patent zu verlassen, und in der Flucht Sicherheit zu suchen; oder auswärts zu kampiren, oder uns in unsre Feste einzuschließen. An das Erste dachte für den Augenblick Niemand; und von den beiden andern Verfahrungsweisen entschieden wir uns für die letztere, als die bequemste und, Alles erwogen, die sicherste.

Ich zweifle, ob eine Stunde, nachdem wir zu diesem Entschluß gekommen, noch Einer von uns fünfen Allen Etwas davon wußte. Ich habe in meinem Leben nie fester geschlafen und meine Genossen versicherten nachmals dasselbe von sich und der Art, wie sie die Nacht zugebracht. Erschöpfung, Jugend und Gesundheit verhalfen uns Allen zu einem erquickenden Schlaf; um neun Uhr legten wir uns nieder, und die Zeit bis zwei Uhr schwand uns in völliger Bewußtlosigkeit dahin. Ich sage zwei Uhr, denn auf diese Stunde wies meine Uhr genau, als der Indianer mich weckte, indem er mich bei der Schulter schüttelte. Man gewöhnt sich an die Wachsamkeit in den Wäldern, und ich stand in einem Augenblick auf den Füßen.

So dunkel es war, denn es war stickfinstre Nacht, konnte ich doch unterscheiden, daß Susquesus allein auf den Beinen war und daß er die Thüre unserer Hütte aufgeriegelt hatte. Wirklich schritt er durch die Oeffnung in die frische Luft des Waldes hinaus, sobald er bemerkte, daß ich wach und munter sey. Ohne mich zu besinnen, folgte ich ihm, und stand bald an seiner Seite, etwa fünfzehn oder zwanzig Fuß von der Hütte.

»Das guter Platz zum Hören,« sagte der Indianer in leisem, gedämpftem Tone. »Jetzt öffnen Ohren!« Welch eine Scene war es, die sich jetzt meinen Sinnen darbot. Sie steht vor meiner Seele nach so langer Zeitferne, nach Jahren des friedlichen Glückes und Jahren der Mühsale und Abenteuer. Der Morgen, oder besser würde ich sagen, die Nacht, war an sich nicht sehr finster; aber die zu der Dunkelheit der Stunde hinzutretende Düsterheit des Waldes lieh den Baumstämmen eine tiefe Schwärze, in welcher sie sich alle ganz feierlich und leichenhaft ausnahmen. Es war unmöglich, auf einige Entfernung Etwas zu sehen, und die Gegenstände, welche sichtbar wurden, waren nur die allernächsten, fast greifbaren. Trotzdem konnte man sich den Himmelsbaldachin über den Wipfeln der Bäume vorstellen und ihn mit dem Auge der Phantasie erschauen in der Majestät seiner schauerlichen Unermeßlichkeit. Töne und Laute waren im buchstäblichen Sinne keine zu vernehmen, als mich der Indianer zuerst lauschen hieß, die Stille war so tief, daß ich glaubte das Seufzen der Nachtluft zwischen den obern Aesten der höheren Bäume zu hören. Dieß mochte bloße Einbildung seyn; aber dennoch bildeten all die Wipfel der riesenhaften Eichen, Ahornbäume und Fichten im Verhältniß zu uns eine Art von oberer Welt; eine Welt, mit welcher wir während unsers Aufenthalts in den Wäldern unten wenig Verkehr und Gemeinschaft hatten. Der Rabe, der Adler und der Falke segelten in dieser Region, über den Wolken des Laubes unter ihnen, und senkten sich vielleicht gelegentlich herab, um auf ihre Beute zu stoßen; aber für alle übrigen Geschöpfe war sie unzugänglich und bis auf einen gewissen Grad unsichtbar.

Aber für jetzt habe ich es mit der Welt zu thun, in welcher ich mich befand; und wie war diese Welt? Feierlich, schweigend, dunkel, unermeßlich und geheimnißvoll. Ich lauschte vergebens, um die Schritte eines beweglichen Eichhorns zu hören, denn der Wald war bei Nacht ebensosehr wie bei Tag von kleinern Thieren belebt; aber in diesem Augenblick war es, als ob Alles in das Schweigen des Todes versunken wäre. »Ich kann Nichts hören, Trackleß,« flüsterte ich – »Warum seyd Ihr hier herausgegangen?«

»Ihr hören bald – mich aufgeweckt und ich hören zweimal. Bald wieder kommen!«

Und bald kam es wieder. Es war ein menschlicher Schrei, menschlichen Lippen in der Angst und Qual des Todes entfahrend. Ich hörte den Schrei nur einmal; aber sollte ich hundert Jahre alt werden, so würde ich ihn nicht vergessen. Ich höre ihn noch oft in meinem Schlaf, und wohl zwanzigmal bin ich seither aufgewacht, und habe mir eingebildet, jener Schrei der Todesangst töne in mein Ohr. Er war langgedehnt, laut, durchdringend, und das Wort: Hülfe! war so deutlich, als eine Zunge es aussprechen konnte.

»Großer Gott!« rief ich aus – »es ist Jemand angegriffen und schreit in seiner Noth um Hülfe! Laßt uns unsre Freunde wecken und ihm Beistand bringen. Ich kann nicht hier bleiben, Susquesus, wenn mir ein solcher Schrei in den Ohren gellt.«

»Am besten, gehen, das auch glauben,« antwortete der Onondago. »Aber nicht nöthig, zu rufen; Zwei besser als Vier. Wartet eine Minute.«

Ich blieb diese kurze Frist unverrückt stehen, und lauschte mit peinlicher Ungewißheit, während der Indianer in die Hütte trat und daraus seine und meine Büchse mitbrachte. Wir bewaffneten uns und machten die Thüre der Hütte zu, um wenigstens die Nachtluft nicht hinein zu lassen, und dann schritt Susquesus mir voran mit seinem geräuschlosen Schritt, in südwestlicher Richtung, derjenigen, in welcher wir den Schrei vernommen hatten.

Unser Marsch war zu rasch und unser Herz zu beklommen, als daß wir viel hätten sprechen können. Der Onondago hatte mich ermahnt, so wenig Geräusch als möglich zu machen; und bei der Bangigkeit, die ich empfand, und bei meiner Beflissenheit, jener Ermahnung Folge zu leisten, war die Gelegenheit und Versuchung zu Gesprächen in der That nicht groß. Meine Empfindungen waren stürmisch erregt; aber da mein Vertrauen zu meinem Begleiter groß war, folgte ich ihm in seinen Fußtapfen, so gut ich es bei aller Beflissenheit vermochte. Susquesus schritt fast mehr in der Luft als auf dem Boden dahin, doch folgte ich ihm dicht auf der Ferse, bis wir, meiner Berechnung nach, eine volle halbe Meile in der Richtung gegangen waren, von woher jener grauenvolle Schrei gekommen. Hier machte Susquesus Halt, und sagte mit leiser Stimme:

»Nicht fern von hier – am besten, stehen bleiben.«

Ich unterwarf mich in Allem den Weisungen meines indianischen Führers. Dieser hatte die dunkeln Schatten von zwei oder drei jungen Fichten zu unserm Versteck gewählt, wo wir, unter ihre niedern Aeste uns stellend, jedem Auge verborgen seyn mußten, das nur acht oder zehn Fuß von uns entfernt war. Sobald wir uns so postirt hatten, deutete der Onondago auf den Stamm eines gefallenen Baumes, und wir setzten uns schweigend darauf. Ich bemerkte, daß mein Begleiter den Daumen an dem Hahn seiner Büchse und den Zeigefinger am Drücker hatte. Ich brauche kaum zu sagen, daß ich dieselbe Vorsicht beobachtete.

»Das gut,« sagte Susquesus mit so leiser und weicher Stimme, daß sie nicht mehr Aufmerksamkeit erregen konnte als ein Flüstern; »das sehr gut; bald es wieder hören – dann es wissen.«

Ein ersticktes Stöhnen ließ sich wirklich hören, und zwar fast im Augenblick, wo mein Begleiter aufgehört hatte, zu sprechen. Ich fühlte mein Blut kochen – bei diesen entsetzlichen Anzeichen von menschlichem Leiden; und eine Aufwallung der Menschlichkeit machte, daß ich mich bewegte, um aufzustehen. Die Hand des Trackleß hinderte diese Unklugheit.

»Nicht gut,« sagte er finster. »Sitzt still. Krieger weiß still zu sitzen.«

»Aber, himmlische Vorsehung! es muß ja Jemand ganz in unsrer Nähe in Todesqualen schmachten, Mann! Habt Ihr nicht ein Stöhnen gehört, Trackleß?«

»Ganz gewiß, ihn gehört – Was weiter? Schmerz macht immer Stöhnen kommen bei Bleichgesicht.«

»Ihr glaubt also, der Leidende sey ein Weißer? Wenn dieß, so muß er von unsrer Gesellschaft seyn, da sonst Niemand in unsrer Nähe ist. Wenn ich es noch einmal höre, so muß ich ihm zu Hülfe eilen, Onondago!«

»Warum Ihr Euch benehmen wie Squaw? Was ein Bischen Stöhnen? Gewiß, das ein Bleichgesicht; Indianer nie stöhnen auf Kriegspfad. Warum er stöhnen, glaubt Ihr? Weil Hurone ihm begegnet. Das Grund, daß er stöhnt. Ihr auch stöhnen, nicht still sitzen. Indianer weiß Zeit zu schießen – Zeit nicht zu schießen.«

Ich spürte den heftigsten Drang in mir, laut zu rufen und zu fragen: Wer der Hülfe benöthigt sey? aber die Ermahnungen meines Begleiters, unterstützt nicht wenig durch das düstre Geheimniß dieses unermeßlichen Waldes, in der Stunde der tiefsten Nacht, bewirkten, daß ich diesen Drang bemeisterte. Drei Mal jedoch wiederholte sich noch das Stöhnen, und wie es mir schien, mit jedem Mal schwächer und schwächer. Es kam mir auch vor, als Alles im Walde still war, und wir in athemloser Erwartung da saßen, was uns nun zunächst zu Ohren kommen würde, lauschend auf jedes Seufzen der Nachtluft, und zusammenschreckend bei dem Rascheln jedes Blattes – als ob das letzte Stöhnen, sicherlich das schwächste von allen, die wir gehört, bei weitem das nächste bei uns wäre. Einmal hörte ich, oder bildete mir ein zu hören, das Wort Wasser mit leiser, erstickter Stimme beinahe unmittelbar an meinem Ohr gemurmelt. Ich meinte auch die Stimme zu kennen; ich meinte, sie sey mir gewohnt und vertraut; doch konnte ich bei dem augenblicklichen Zustande meiner Gefühle mich nicht besinnen, Wem sie denn eigentlich angehöre. In dieser Art brachten wir zwei Stunden zu, – für mich die zwei peinlichsten meines Lebens, – die langsame Rückkehr des Tageslichts erwartend. Meine Ungeduld war beinahe unbezähmbar; während der Indianer diese ganze Zeit über dem Anschein nach so fühllos dasaß, wie der Klotz, welcher seinen Sitz bildete, und beinahe ebenso regungslos. Zuletzt näherte sich diese gespannte, ängstliche und auch körperlich peinliche und schmerzhafte Wache ihrem Ende. Die Zeichen des Tages schimmerten durch den Blätterbaldachin, und Strahlen trüben Lichts schienen sich herabzukämpfen, so daß die Gegenstände in der Dämmerung allmählig erkennbar wurden.

Es stand nicht lange an, so überzeugten wir uns, daß wir uns so vollständig gedeckt und geschirmt hatten, daß wir in unsrer Stellung unter den Zweigen der Fichten der Gegenstände um uns her gar nicht ansichtig werden konnten. Dieß war jedoch erwünscht und günstig, um zu rekognosciren, ehe wir unsern Versteck verließen, und setzte uns in Stand, für unsre eigne Sicherheit Sorge zu tragen, während wir die Pflichten der Menschlichkeit erfüllten.

Susquesus verfuhr mit der größten Vorsicht, indem er sich überall umschaute, ehe er den Versteck verließ. Ich war hart an seiner Seite und lugte durch die Oeffnungen hinaus, welche sich darboten; denn meine Neugier war so heftig, daß ich beinahe des Anlasses zur Besorgniß vergaß. Es stand nicht lang an, so hörte ich von meinem Begleiter den so gewöhnlichen indianischen Ausruf: »hugh!« ein Beweis daß ihm etwas Ungewöhnliches, Auffallendes zu Gesicht gekommen. Er deutete mir dahin, wohin ich blicken sollte, und da sah ich wirklich eines jener entsetzlichen Beispiele barbarischer Grausamkeit, welche durch die Gebräuche der Kriegführung bei den Wilden, unter den Waldkriegern dieses Continents sanktionirt worden ist, so weit unsre Geschichte zurück reicht. Die Gipfel von zwei jungen Bäumen waren gegen einander mit Gewalt herabgebogen, die Hände des Opfers fest an die obern Aeste von beiden angebunden worden, und dann hatte man die Bäume zurückschnellen lassen in ihre natürliche Stellung, so weit das empörende Bindemittel ihnen dieß gestattete. Ich konnte kaum meinen Sinnen trauen, als mir mein Auge zuerst die Wahrheit enthüllte. Aber da hing wirklich das Opfer, an den Armen schwebend, wenigstens zehn bis fünfzehn Fuß über den Boden erhaben. Ich gestehe, ich hoffte aufrichtig, er sey todt, und die Regungslosigkeit des Körpers gab mir Grund, dieß wirklich zu vermuthen. Aber doch mußten die wilden, hoffnungslosen Rufe um Hülfe in Mitten eines unermeßlichen, unbewohnten Forstes, das durch Qualen ausgepreßte Stöhnen, von ihm gekommen seyn. Wahrscheinlich war er lebend so aufgehangen und verlassen worden.

Selbst der Onondago vermochte mich nicht zurückzuhalten, als ich die ganze Grausamkeit recht sah und begriff, die an dem unglücklichen Opfer verübt worden war, welches so gerade vor meinen Augen da hing, und ich stürmte aus meinem Versteck hervor, bereit, wie ich gestehen muß, auf den ersten feindlichen rothen Mann, den ich sehen würde, meine Büchse loszudrücken. Höchst wahrscheinlich zum Glück für mich hatten sie den Platz längst verlassen. Da der Unglückliche mit dem Rücken gegen mich hing, konnte ich nicht erkennen, Wer er war; aber sein Anzug war grob, und von der Art, wie die niedersten Classen sie tragen. Vieles Blut war von seinem Kopf herabgeflossen, und ich zweifelte nicht, daß er skalpirt worden war; obwohl die Höhe, in welcher er hing, und die Art und Weise, wie sein Kopf auf die Brust vorwärts gesunken war, mich für den Augenblick über diesen Umstand mittelst des Auges nichts Sicheres erkennen ließ. Nur so Viel, als ich angegeben, nahm ich wahr, ehe der Indianer zu mir trat.

»Seht!« sagte Susquesus, dessen rasches Auge sich nie lange irgend Etwas entgehen ließ; »Euch das gesagt! Hurone hier gewesen!«

Wie er dieß sagte, wies der Indianer bedeutungsvoll auf die nackte Haut, welche sichtbar war zwischen den schweren, plumpen Schuhen des unglücklichen Opfers und den Pumphosen die er trug, worauf ich entdeckte, daß sie schwarz war. Rasch vor ihn hin tretend, so daß ich ihm ins Gesicht sehen konnte, erkannte ich die verzerrten Züge von Petrus, oder Pete, Guert Ten Gyck's Neger. Dieser war, wie man sich erinnern wird, bei den Landvermessern zurückgeblieben, und war entweder in die Hände seiner Mörder gefallen, während er in der Hütte mit seinen gewöhnlichen Obliegenheiten beschäftigt gewesen war, oder sie hatten ihn im Walde getroffen, wie er zu den Männern, die er bediente, ging oder von ihnen her kam; und hatten ihn dann so mißhandelt. Wir vermochten die nähern Umstände nie auszumitteln, welche bis zu dieser Stunde noch im Zweifel geblieben sind.

»Gebt mir Euern Tomahawk, Trackleß,« rief ich, sobald mich das Entsetzen wieder Worte finden ließ, »damit ich diesen jungen Baum umhaue und das unglückliche Geschöpf befreie.«

»Nicht gut – besser so,« antwortete der Indianer. »Bär – Wolf kann ihn so nicht fassen. Laßt Schwarzhaut hangen – gut wie begraben – nicht sicher, hier lang verweilen. Umschauen und Huronen zählen, dann gehen.«

»Umschauen und die Huronen zählen!« dachte ich bei mir selbst, »und auf welche Weise soll das geschehen?« Inzwischen jedoch war es hell genug geworden, um Fußtapfen zu sehen, falls solche vorhanden waren, und der Onondago machte sich daran, die Spuren von dem, was an diesem entsetzlichen Orte vorgefallen war, zu besichtigen, soweit sie einem Manne von seiner Erfahrung verständlich waren und Etwas sagten.

Am Fuß einer gewaltigen Eiche, einige Schritte von den zwei jungen Bäumen entfernt, fanden wir die zwei hölzernen, bedeckten Eimer, in welchen, wie wir wußten, Pete gewohnt gewesen, dem Mr. Traverse und seinen Gehülfen das Essen zu bringen. Sie waren leer; aber ob die Mundvorräthe, die sie ohne Zweifel enthalten hatten, denjenigen zu Theil geworden, für welche sie bestimmt gewesen, oder den Peinigern und Mördern des Schwarzen, das erfuhren wir nie. Keine Spuren von Knochen, Kartoffelschalen oder andere Speisereste waren zu entdecken; und wenn die Huronen die Speisen weggenommen, so hatten sie sie ohne Zweifel mit sich weggetragen, wo sie ihre Vorräthe hatten, und sich nicht damit aufgehalten, sie zu verzehren. Susquesus entdeckte aus Anzeichen, daß der Unglückliche am Fuß der Eiche gesessen, und an dieser Stelle ergriffen worden war. Es waren daselbst viele Fußtapfen und einige Spuren eines leichten Kampfes. Auch waren auf den Blättern Blutspuren, vom Fuß der Eiche bis zu dem Platz, wo der arme Pete hing; ein Beweis, daß er vorher schon Verletzungen erhalten, ehe er seinem grausamen Schicksal überlassen worden war.

Der wichtigste Punkt aber, welcher Trackleß anlag, war: die Zahl unsrer Feinde auszumitteln! Dieses konnte, nach seiner Ansicht von der Sache, bis auf einen gewissen Grad geschehen mittelst der Fußtapfen. An solchen Zeichen fehlte es nicht, da die Blätter an manchen Stellen sehr aufgestört waren; jedoch hielt es mein Begleiter nach einer kurzen aber genauen Nachsuchung für das Klügste, sich nach der Hütte zu begeben, damit nicht die darin Befindlichen im Schlaf überfallen werden möchten. Er gab mir zu verstehen, der Feind scheine auf dieser Stelle nicht zahlreich gewesen zu seyn, drei oder vier Mann höchstens, obwohl es ganz möglich, ja höchst wahrscheinlich sey, daß sie sich getrennt hätten und nicht ihre ganze Stärke bei dieser entsetzlichen Scene zugegen gewesen.

Es war heller Tag, als wir der Hütte wieder ansichtig wurden, und ich bemerkte, daß Jaap auf und mit seinen Töpfen und Kesseln bei der Quelle beschäftigt war. Niemand sonst war sichtbar, und wir vermutheten, daß Guert und Dirck noch auf ihren Pritschen liegen würden. Wir nahmen von der Höhe aus, auf welcher wir standen, den Wald um das Blockhaus herum lange und mit ängstlicher Sorgfalt in Augenschein, ehe wir näher heran zu treten wagten. Da wir keine Anzeichen von Gefahr entdeckten, und der Wald in einem ziemlichen Umkreis um die Hütte herum ganz frei von Unterholz und Buschwerk war, und nur große Bäume enthielt, näherten wir uns hierauf ohne Besorgniß. Wir empfanden diese lichte und offene Beschaffenheit des Forstes um unsern Wohnsitz als einen sehr günstigen Umstand, da es hiedurch einem Feinde unmöglich wurde, uns bei Tage sehr nahe zu kommen, ohne gesehen zu werden. Es rührte dieß daher, daß wir zu unserm Bauwesen so viel von dem kleinern Holze gebraucht, und daß die Neger das meiste Buschholz als Brennstoff verbraucht hatten.

Wirklich fand ich auch meine beiden Freunde in tiefem Schlaf und nichts weniger als gegen etwaige Ueberfälle geschützt. Als sie geweckt wurden, und Alles erfuhren, was mir und dem Indianer begegnet, war ihr Erstaunen groß und ihr Entsetzen nicht geringer. Jaap, der, als er uns beim Aufstehen vermißte, vermuthete, wir seyen auf die Jagd gegangen, war uns in die Hütte gefolgt und hatte meine Erzählung mit angehört. Seine Entrüstung war groß bei dem Gedanken, daß Einer von seiner Farbe so grausam behandelt worden, und ich hörte ihn mit fest über einander gebissenen Zähnen Rache geloben in nicht sehr gemäßigten Ausdrücken.

»Bei St. Nicholas!« rief Guert, der sich jetzt ganz angekleidet hatte, und mich ins Freie hinaus begleitete, »mein armer Bursche soll gerächt werden, wenn meine Büchse mir nicht den Dienst versagt. Und auch skalpirt, sagt Ihr, Corny?«

»So viel wir sehen konnten, da er an den Bäumen hing. Aber gewiß muß er skalpirt worden seyn, da ein Indianer einem todten Gefangenen diese Verstümmlung nie erläßt.«

»Und Ihr seyd drei Stunden im Wald draußen gewesen, sagt Ihr mir, Corny? – Ihr und Trackleß?«

»Etwa so lange, wie mich dünkt. Das Herz müßte von Stein gewesen seyn, welches solchen Schreien hätte widerstehen können.«

»Ich tadle Euch nicht, Littlepage, obgleich es freundlicher und klüger gewesen wäre, hättet Ihr Eure Freunde mit Euch genommen. Wir müssen in Zukunft fest an einander halten, mag kommen was da will. Der arme Petrus! Mich wundert, daß Doortje keinen Wink hat fallen lassen über das Schicksal dieses Negers!«

Dann hielten wir eine lange Berathung über unsere weitere Verfahrungsweise. Es ist unnöthig bei dieser Besprechung zu verweilen, da man die Ergebnisse derselben aus dem weitern Verlaufe dieser Erzählung ersehen wird; aber sie ward zu einem Ende gebracht durch eine ganz plötzliche Unterbrechung – durch die Laute von Axthieben im Walde. Die Schläge ertönten in der Richtung des Platzes her, wo Pete ermordet worden war, und wir hatten unsere Büchsen aufgerafft und wollten uns eben anschicken, nach dem verdächtigen Punkte uns zu begeben, als wir Jaap auf die Hütte zu kommen sahen, schwankend unter der Last von seines Freundes Leichnam. Der Bursche hatte sich ungesehen weggestohlen, um diese fromme Pflicht zu erfüllen, und sein Vorhaben glücklich ausgeführt. Nach ein paar Minuten hatte er die Quelle erreicht, und begann die empörenden Spuren der Abschlachtung von dem Kopfe des Opfers der Huronen abzuwaschen.

Wir überzeugten uns jetzt, daß der arme Pete nicht nur skalpirt, sondern auch mit Messern übel zugerichtet, und in der berichteten Weise aufgehangen worden war. Beide Arme schienen ausgerenkt, und die einzige theilweise Beruhigung für unser empörtes Gefühl lag in der Hoffnung, daß das Bestreben, so gräßliche Leiden zuzufügen, bald sich selbst vereitelt und aufgehoben haben müsse. Guert insbesondere sprach seine Hoffnung aus, daß dieß der Fall gewesen, während mir die grauenvollen Töne der vergangenen Nacht noch zu frisch im Ohr gellten, als daß ich im Stande gewesen wäre, Alles zu glauben, was ich wohl in dieser Beziehung gerne hätte glauben mögen. Ein Grab wurde gegraben und wir versenkten sofort den Leichnam, und wälzten ein paar große Holzklötze auf den Platz, um die wilden Thiere zu hindern, ihn auszuscharren; Jaap arbeitete gewaltig um dem Todten diese letzten Dienste zu erweisen, und Guert Ten Eyck sprach in der That das Gebet des Herrn und das Credo über dem Grabe, nachdem der Leichnam hineingelegt war, mit einer Wärme und Inbrunst, die mich einigermaßen überraschte.

»Es war nur ein Neger, Corny, es ist wahr,« sagte der Albanier, nachdem Alles vorüber war, in halb sich entschuldigendem Tone vielleicht, »aber er war ein sehr guter Neger fürs Erste; sodann hatte er eine Seele, so gut wie ein weißer Mann; – Pete hatte seine Verdienste, so gut wie ein Dominie, und ich hoffe, sie werden nicht vergessen werden bei der letzten, großen Rechenschaft. Er war ein trefflicher Koch, wie Ihr gefunden haben müßt, und ich kannte nie einen Neger, der mehr von der Treue des Hundes gegen seinen Herrn an sich gehabt hätte. Der Bursche ging nie zu einer Lustbarkeit, ohne ordentlich zu mir zu kommen und mich um Urlaub zu bitten; obgleich ich wahrhaftig in diesen Dingen kein harter Herr war bei vernünftigen Gelegenheiten.«

Sodann nahmen wir unser Frühstück ein mit so viel Appetit als uns möglich war. Hierauf packten wir unsre Bündel auf die Schultern, stellten Alles in der Hütte und um sie herum so viel als möglich in derselben Ordnung hin, wie wir es getroffen hatten, und traten, Susquesus voran wie gewöhnlich, wieder unsern Marsch an.

Wir gingen zuerst, die Landvermesser aufzusuchen, welche wir im südöstlichen Theile des Patents vermutheten, beschäftigt wie gewöhnlich, und Nichts ahnend von allem Vorgefallenen. Zuerst hatten wir daran gedacht, unsre Büchsen abzufeuern, als Signale, um sie herbeizurufen; aber diese Signale konnten leicht ebenso gut unsre Feinde als unsre Freunde von unsrer Anwesenheit in Kenntniß setzen; und die Entfernung war überdieß zu groß, als daß es wahrscheinlich war, der Knall der Schüsse werde von denjenigen vernommen werden, für welche allein dieß Signal bestimmt gewesen wäre. Der Weg, den wir einschlugen, ward bestimmt durch unsere Vermuthung hinsichtlich des Bezirkes des Patents überhaupt, in welchem die Landvermesser sich jetzt befinden mußten, so wie auch durch die Richtung, in welcher der Leichnam Pete's gefunden worden war. Der arme Kerl war gewiß entweder zu jener Gesellschaft gegangen oder von ihr her gekommen, und da er in beständigem Verkehr mit ihr stand, wußte er ohne Zweifel genau, wo sie beschäftigt war. Dann wurden auch die verschiedenen Fußtapfen der Landvermesser von Trackleß ganz leicht aufgefunden, und er sagte uns, daß die frischesten in der bezeichneten Richtung hinführten. Gegen Südosten nahmen wir daher unsern Weg und marschirten, wie früher, im indianischen Reihen; der Onondago schritt voran, und der Neger schloß den Zug.


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