Charles Darwin
Die Abstammung des Menschen
Charles Darwin

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Viertes Capitel.

Vergleichung der Geisteskräfte des Menschen mit denen der niederen Thiere (Fortsetzung)

Das moralische Gefühl. – Fundamentalsatz. – Die Eigenschaften socialer Thiere. – Ursprung der Fähigkeit zum Geselligleben. – Kampf zwischen entgegengesetzten Instincten. – Der Mensch ein sociales Thier. – Die ausdauernderen socialen Instincte überwinden andere weniger beständige Instincte. – Sociale Tugenden von Wilden allein geachtet. – Tugenden, die das Individuum betreffen, erst auf späterer Entwicklungsstufe erlangt. – Große Bedeutung des Urtheils der Mitglieder derselben Gemeinschaft über das Benehmen. – Überlieferung moralischer Neigungen. – Zusammenfassung.

Ich unterschreibe vollständig die Meinung derjenigen Schriftsteller,s. z. B. über diesen Gegenstand: Quatrefages. Unité de l'espèce humaine, 1861, p. 21 etc. welche behaupten, daß von allen Unterschieden zwischen dem Menschen und den niederen Thieren das moralische Gefühl oder das Gewissen weitaus der bedeutungsvollste ist. Dieses Gefühl, wie MackintoshDissertation on Ethical philosophy. 1837, p. 231 etc. bemerkt, »beherrscht rechtmäßiger Weise jedes andere Princip menschlicher Thätigkeit«. Diese Gewalt wird in jenem kurzen, aber gebieterischen und so äußerst bezeichnenden Worte »soll« zusammengefaßt. Es ist das edelste aller Attribute des Menschen, welches ihn, ohne daß er sich einen Augenblick zu besinnen braucht, dazu führt, sein Leben für das eines Mitgeschöpfes zu wagen, oder ihn nach sorgfältiger Überlegung einfach durch das tiefe Gefühl des Rechts oder der Pflicht dazu treibt, sein Leben irgend einer großen Sache zu opfern. Immanuel Kant ruft aus: »Pflicht! du erhabener, großer Name, der du nichts Beliebtes, was Einschmeichelung bei sich führt, in dir fassest, sondern Unterwerfung verlangst, doch auch nichts drohest, was natürliche Abneigung im Gemüthe erregte und schreckte, um den Willen zu bewegen, sondern bloß ein Gesetz aufstellst, welches von selbst im Gemüthe Eingang findet, und doch sich selbst wider Willen Verehrung (wenn gleich nicht immer Befolgung) erwirbt, vor dem alle Neigungen verstummen, wenn sie gleich im Geheimen ihm entgegenwirken, welches ist der deiner würdige Ursprung und wo findet man die Wurzel deiner edlen Abkunft?«.Kritik der praktischen Vernunft (Sämmtliche Werke, herausgegeben von Rosenkranz; 8. Th. p. 214.)

Es haben diese Frage viele Schriftsteller von ausgezeichneter BefähigungMr. Bain giebt (Mental and Moral Science, 1868, p. 543-725) eine Liste von sechsundzwanzig englischen Autoren, welche über diesen Gegenstand geschrieben haben und deren Namen hier allgemein bekannt sind; diesen lassen sich die Namen von Bain selbst, von Lecky, Shadworth Hudgson, Sir J. Lubbock und noch anderer beifügen. erörtert, und meine einzige Entschuldigung, sie hier nochmals zu berühren, ist sowohl die Unmöglichkeit, sie ganz zu übergehen, als auch der Umstand, daß, so weit es mir bekannt ist, ihr Niemand ausschließlich von naturhistorischer Seite her näher getreten ist. Es besitzt diese Untersuchung auch einiges selbständige Interesse, nämlich als ein Versuch, zu sehen, wie weit das Studium der niederen Thiere Licht auf eine der höchsten psychischen Fähigkeiten des Menschen werfen kann.

Der folgende Satz scheint mir in hohem Grade wahrscheinlich zu sein, nämlich daß jedes Thier, welches es auch sein mag, wenn es nur mit scharf ausgesprochenen socialen Instincten (die elterliche und kindliche Zuneigung hier mit eingeschlossen) versehen ist,Sir B. Brodie bemerkt, daß der Mensch ein sociales Thier sei (Psychological Enquiries, 1854, p. 192), und stellt dann die bezeichnende Frage auf: »sollte dies nicht die streitige Frage über die Existenz eines moralischen Gefühls beilegen?« Ähnliche Ideen sind wahrscheinlich Vielen schon gekommen, wie schon vor langer Zeit dem Marcus Aurelius. J. S. Mill spricht in seinem berühmten Buche über »Utilitarianism« (1864, p. 46) von den socialen Gefühlen als einer »kraftvollen natürlichen Empfindung« und als »dem natürlichen Grunde des Gefühls für utilitäre Moralität«. Ferner sagt er: »Gleich den andern erworbenen, oben erwähnten Fähigkeiten ist die moralische Kraft, wenn nicht ein Theil unserer Natur, so doch ein natürlicher Auswuchs aus ihr, wie jene fähig, in gewissem niedern Grade spontan hervorzutreten«. Im Gegensatze zu alle dem sagt er aber auch: »wenn nun, wie das meine eigene Überzeugung ist, die moralischen Gefühle nicht angeboren, sondern erlangt sind, so sind sie doch aus diesem Grunde nicht weniger natürlich«. Nur mit Zögern wage ich von einem so tiefen Denker abzuweichen; doch läßt sich kaum bestreiten, daß die socialen Gefühle bei den niederen Thieren instinctiv oder angeboren sind; und warum sollten sie dann beim Menschen es nicht ebenso sein? Mr. Bain (s. z. B. The Emotions and the Will. 1855, p. 481) und andere glauben, daß das moralische Gefühl von jedem Individuum während seiner Lebenszeit erlangt werde. Nach der allgemeinen Entwicklungstheorie ist dies mindestens äußerst unwahrscheinlich. Das Ignorieren aller überlieferten geistigen Eigenschaften wird, wie es mich dünkt, später als ein sehr ernster Fehler in den Werken J. S. Mill's angesehen werden. unvermeidlich ein moralisches Gefühl oder Gewissen erlangen würde, wenn sich seine intellectuellen Kräfte so weit oder nahezu so weit wie beim Menschen entwickelt hätten. Denn erstens führen die socialen Instincte ein Thier dazu, Vergnügen an der Gesellschaft seiner Genossen zu haben, einen gewissen Grad von Sympathie mit ihnen zu fühlen und verschiedene Dienste für sie zu verrichten. Diese Dienste können von einer ganz bestimmten und offenbar instinctiven Natur sein; sie können aber auch, wie es bei den meisten der höheren socialen Thiere der Fall ist, ein bloßer Wunsch oder eine Bereitwilligkeit sein, ihren Genossen in gewisser allgemeiner Weise zu helfen. Diese Gefühle und Dienste erstrecken sich aber durchaus nicht auf alle Individuen derselben Species, sondern nur auf die derselben Gemeinschaft. Zweitens: sobald die geistigen Fähigkeiten sich hoch entwickelt haben, durchziehen Bilder aller vergangenen Handlungen und Beweggründe unaufhörlich das Gehirn eines jeden Individuums, und jenes Gefühl des Unbefriedigtseins, oder selbst Unglücks, welches, wie wir hernach sehen werden, unabänderlich die Folge irgend eines unbefriedigten Instincts ist, wird entstehen, so oft bemerkt wird, daß der andauernde und stets gegenwärtige sociale Instinct irgend einem anderen zu der Zeit stärkeren, aber weder seiner Natur nach dauernden, noch einen sehr lebhaften Eindruck zurücklassenden Instincte nachgegeben hat. Offenbar sind viele instinctive Begierden, wie die des Hungers, ihrer Natur nach nur von kurzer Dauer und werden, wenn sie einmal befriedigt sind, nicht leicht und nicht lebendig vor die Seele zurückgerufen. Drittens: nachdem die Fähigkeit der Sprache erlangt worden ist und die Wünsche der Mitglieder einer und derselben Gemeinschaft deutlich ausgedrückt werden können, wird die allgemeine Meinung darüber, wie ein jedes Mitglied zum allgemeinen Besten zu wirken hat, naturgemäß in einem ganz hervorragenden Grade das Bestimmende bei den Handlungen werden. Wir dürfen aber nicht vergessen, daß, ein wie großes Gewicht wir auch der öffentlichen Meinung einräumen, unsere Rücksicht auf die Billigung oder Mißbilligung unserer Genossen doch auf Sympathie beruht, die, wie wir sehen werden, einen wesentlichen Theil des socialen Instincts ausmacht und geradezu sein Grundstein ist. Endlich wird auch die Gewohnheit beim Individuum eine sehr wichtige Rolle in Bezug auf die Bestimmung der Handlungsweise jedes Mitglieds spielen; denn die socialen Instincte und Impulse werden, wie alle anderen Instincte, durch die Gewohnheit bedeutend gekräftigt werden, wie es auch mit dem Gehorsam gegen die Wünsche und das Urtheil der Gesellschaft geschieht. Diese verschiedenen subordinierten Sätze müssen nun erörtert werden und zwar einige von ihnen in ziemlicher Ausführlichkeit.

Es dürfte zweckmäßig sein, zunächst vorauszuschicken, daß ich nicht behaupten will, daß jedes streng sociale Thier, wenn nur seine intellectuellen Fähigkeiten zu gleicher Thätigkeit und gleicher Höhe wie beim Menschen entwickelt wären, genau dasselbe moralische Gefühl wie der Mensch erhalten würde. In derselben Weise wie verschiedene Thiere ein gewisses Gefühl von Schönheit haben, trotzdem sie sehr verschiedene Gegenstände bewundern, können sie auch ein Gefühl von Recht und Unrecht haben, trotzdem sie durch dasselbe zu sehr verschiedenen Handlungsweisen veranlaßt werden. Um einen extremen Fall anzuführen: wäre z. B. der Mensch unter genau denselben Zuständen erzogen wie die Stockbiene, so dürfte sich kaum zweifeln lassen, daß unsere unverheirateten Weibchen es ebenso wie Arbeiterbienen für eine heilige Pflicht halten würden, ihre Brüder zu tödten, und die Mütter würden suchen, ihre fruchtbaren Töchter zu vertilgen und Niemand würde daran denken, dies zu verhindern.H. Sidgwick sagt in einer trefflichen Erörterung dieses Gegenstandes (The Academy, 15. June, 1872, p. 231): »eine höher entwickelte Biene würde, wie wir überzeugt sein können, eine mildere Lösung der Bevölkerungsfrage anstreben«. Nach den Gewohnheiten vieler oder der meisten Wilden zu urtheilen, löst indessen der Mensch das Problem durch weiblichen Kindermord, Polyandrie und völlig freies Vermischen; es ließe sich daher wohl zweifeln, ob es durch eine mildere Methode gelöst werde. Miss Cobbe, welche über dasselbe Beispiel Erörterungen anstellt (Darwinism in Morals, in: Theological Review, Apr., 1872, p. 188-191) sagt, die Grundsätze der socialen Pflicht würden dadurch umgekehrt werden. Damit meint sie, wie ich vermuthe, daß die Erfüllung einer socialen Pflicht die Individuen zu schädigen streben würde; sie übersieht aber die Thatsache, welche sie ohne Zweifel zugeben wird, daß die Instincte der Biene zum Besten der Gemeinschaft erlangt worden sind. Sie geht so weit, daß sie sagt, wenn die in diesem Capitel vertheidigte Theorie der Moral jemals allgemein angenommen würde, »könne sie nicht umhin zu glauben, daß in der Stunde ihres Triumphs die Tugend der Menschheit zu Grabe geläutet wird!« Es steht zu hoffen, daß der Glaube an die Dauer der Tugend auf dieser Erde nicht bei vielen Menschen an einem so schwachen Faden hängt. Nichtsdestoweniger würde in unserem angenommenen Falle die Biene oder irgend ein anderes sociales Thier, wie es mir scheint, doch irgend ein Gefühl von Recht und Unrecht oder ein Gewissen erhalten. Denn jedes Individuum würde ein innerliches Gefühl von dem Besitze gewisser weniger starker und andauernder Instincte haben, so daß oft ein Kampf entstehen würde, welchem Impuls zu folgen wäre; es würde daher Befriedigung und Unbefriedigung gefühlt werden, da vergangene Eindrücke während ihres beständigen Zuges durch die Seele mit einander verglichen würden. In diesem Falle würde ein innerer Warner dem Thiere sagen, daß es besser gewesen wäre, eher dem einen Impuls als dem anderen zu folgen. Dem einen Zug hätte gefolgt werden »sollen«, der eine würde »recht«, der andere »unrecht« gewesen sein. Aber auf diese Ausdrücke werde ich sogleich zurückzukommen haben.

 
Neigung zur Geselligkeit. Sociabilität. – Thiere vieler Arten sind gesellig; wir finden selbst, daß verschiedene Species zusammenleben, so einige amerikanische Affen und die sich vereinigenden Schaaren von Raben, Dohlen und Staaren. Der Mensch zeigt dasselbe Gefühl in der starken Liebe zum Hunde, welche der Hund mit Interesse erwidert. Jedermann muß beobachtet haben, wie unglücklich sich Pferde, Hunde, Schafe u. s. w. fühlen, wenn sie von ihren Genossen getrennt sind, und welche Freude sie, wenigstens die erstgenannten Arten, bei ihrer Wiedervereinigung zeigen. Es ist interessant, über die Gefühle eines Hundes zu speculieren, welcher stundenlang in einem Zimmer bei seinem Herrn oder irgend Einem der Familie ruhig daliegt, ohne daß von ihm die geringste Notiz genommen wird, sobald er aber eine kurze Zeit allein gelassen wird, bellt oder heult er schrecklich. Wir wollen unsere Aufmerksamkeit auf die höheren socialen Thiere beschränken mit Ausschluß der Insecten, obgleich mehrere derselben gesellig leben und einander in vielen wichtigen Beziehungen helfen. Der gewöhnlichste Dienst, welchen sich höhere Thiere gegenseitig erweisen, ist, daß sie mittelst der vereinigten Sinne Aller einander vor Gefahr warnen. Jeder Jäger weiß, wie Dr. Jäger bemerkt,Die Darwin'sche Theorie, p. 101. wie schwer es ist, Thieren in Herden oder Gruppen nahezukommen. Wilde Pferde und Rinder geben, wie ich glaube, kein Warnungssignal, aber schon die Haltung eines Jeden, welches zuerst einen Feind wittert, warnt die Übrigen. Kaninchen stampfen laut mit den Hinterfüßen auf den Boden als Signal: Schafe und Gemsen thun dasselbe, aber mit den Vorderfüßen, und stoßen auch einen pfeifenden Ton aus. Viele Vögel und manche Säugethiere stellen Wachen aus, welches bei den Robben, wie man sagt,R. Browne in: Proceed. Zoolog. Soc. 1868, p. 409. gewöhnlich die Weibchen sind. Der Anführer einer Truppe Affen dient als Wache und stößt Rufe aus, die sowohl Gefahr als Sicherheit verkünden.Brehm, Thierleben. 2. Aufl. Bd. I. 1864, p. 115, 162. In Bezug auf die Affen, welche sich gegenseitig Dornen ausziehen, s. p. 116. In Bezug auf die Hamadryas-Paviane, welche Steine umdrehen, wird die Thatsache nach dem Zeugnis von Alvarez gegeben (p. 158), dessen Beobachtungen Brehm für völlig glaubwürdig hält. Wegen der Fälle, wo die alten Pavianmännchen die Hunde angreifen, s. p. 162, und wegen des Adlers p. 118 Sociale Thiere verrichten einander manche kleine Dienste: Pferde zwicken einander und Kühe lecken einander an jeder Stelle, wo sie ein Stechen fühlen; Affen suchen einander äußere Schmarotzer ab, und Brehm führt an, daß, nachdem ein Trupp des Cercopithecus griseoviridis durch ein dorniges Gebüsch geschlüpft war, jeder Affe sich auf einem Zweig ausstreckte und ein anderer sich zu ihm setzte, »gewissenhaft« seinen Pelz untersuchte und jeden Stachel auszog.

Thiere leisten sich auch noch wichtigere Dienste: so jagen Wölfe und andere Raubthiere in Truppen und helfen einander beim Angriff auf ihre Beute; Pelikane fischen in Gemeinschaft. Die Hamadryas-Paviane drehen Steine um, um Insecten zu suchen u. s. w., und wenn sie an einen großen kommen, wenden ihn so viele als herankommen können zusammen um und theilen die Beute. Sociale Thiere vertheidigen sich gegenseitig; Bison-Bullen in Nord-Amerika treiben bei Gefahren die Kühe und Kälber in die Mitte der Herde, während sie den Rand vertheidigen. In einem späteren Capitel werde ich auch Fälle anführen, wo zwei wilde Bullen in Chillingham einen alten gemeinsam angriffen und wo zwei Hengste zusammen versuchten, einen dritten von einer Herde Stuten wegzutreiben. Brehm begegnete in Abyssinien einer großen Herde von Pavianen, welche quer durch ein Thal zogen: einige hatten bereits den gegenüberliegenden Hügel erstiegen und einige waren noch im Thale. Die Letzteren wurden von den Hunden angegriffen, aber sofort eilten die alten Männchen von den Felsen herab und brüllten mit weit geöffnetem Munde so fürchterlich, daß die Hunde sich bestürzt zurückzogen. Sie wurden von Neuem zum Angriff angefeuert, aber diesmal waren alle Paviane wieder auf die Höhen hinaufgestiegen mit Ausnahme eines jungen, ungefähr sechs Monate alten, welcher laut um Hülfe rufend einen Felsblock erklettert hatte und umringt wurde. Jetzt kam eines der größten Männchen, ein wahrer Held, nochmals vom Hügel herab, ging langsam zu dem jungen, liebkoste ihn und führte ihn triumphierend weg, die Hunde waren zu sehr erstaunt, um ihn anzugreifen. Ich kann der Versuchung nicht widerstehen, noch eine andere Scene mitzutheilen, welcher derselbe Naturforscher als Zeuge beiwohnte. Ein Adler ergriff einen jungen Cercopithecus, konnte ihn aber, da sich jener an einen Zweig klammerte, nicht sofort wegschleppen. Der Affe schrie laut um Hülfe, worauf die anderen Thiere der Truppe mit vielem Gebrüll zum Entsatz herbeieilten, den Adler umringten und ihm so viel Federn ausrissen, daß er nicht länger an seine Beute dachte, sondern daran, wie er wegkäme. Dieser Adler, bemerkt Brehm, wird sicher niemals wieder einen einzelnen Affen in einer Herde angreifen.Mr. Belt führt den Fall an, wo ein Affe, ein Ateles, in Nicaragua bald zwei Stunden lang in dem Walde schreien gehört wurde und man einen Adler dicht bei ihm auf dem Zweige sitzen fand. Der Vogel fürchtete offenbar ihn anzugreifen, solange er ihm Aug' in Auge dasaß. Nach dem, was Belt von der Lebensweise dieser Affen gesehen hat, glaubt er, daß sie sich gegen die Angriffe der Adler dadurch schützen, daß zwei oder drei zusammenhalten. The Naturalist in Nicaragua, 1874. p. 118.

Es ist gewiß, daß in Gesellschaft lebende Thiere ein Gefühl der Liebe zu einander haben, welches erwachsene nicht sociale Thiere nicht fühlen. Wie weit sie in den meisten Fällen thatsächlich mit den Schmerzen und Freuden der Anderen sympathisieren, ist besonders mit Rücksicht auf die letzteren zweifelhafter. Doch giebt Mr. Buxton, welcher ausgezeichnete Gelegenheit zur Beobachtung hatte,Annals and Magaz. of Natural History. 1868, Novbr., p. 382. an, daß seine Macaws, welche in Norfolk frei lebten, ein »extravagantes Interesse« an einem Paare mit einem Neste nahmen; so oft das Weibchen dasselbe verließ, wurde es von einer Schaar anderer umringt, welche »zu seiner Ehre ein fürchterliches Geschrei erhoben«. Es ist oft schwer zu entscheiden, ob Thiere Gefühl für die Leiden anderer haben. Aber wer kann sagen, was Kühe fühlen, wenn sie um einen sterbenden oder todten Genossen herumstehen und ihn anstarren? Allem Anscheine nach fühlen sie indessen, wie Houzeau bemerkt, kein Mitleid. Daß Thiere zuweilen weit davon entfernt sind, irgendwelche Sympathie zu zeigen, ist nur zu sicher; denn sie treiben ein verwundetes Thier aus der Herde oder stoßen und plagen es zu Tode. Dies dürfte beinahe der schwärzeste Punkt in der Naturgeschichte sein, wenn nicht die dafür aufgestellte Erklärung richtig ist, wonach der Instinct oder Verstand der Thiere sie dazu antreibt, einen verwundeten Genossen auszustoßen, damit nicht Raubthiere, mit Einschluß des Menschen, versucht würden, der Herde zu folgen. In diesem Falle ist ihr Betragen nicht viel schlimmer als das der nordamerikanischen Indianer, welche ihre schwachen Kameraden in den Steppen umkommen lassen, oder der Fiji-Insulaner, welche, wenn ihre Eltern alt oder krank werden, sie lebendig begraben.Sir J. Lubbock, Prehistoric Times. 2. edit. p. 446.

Es sympathisieren indessen sicher viele Thiere mit dem Unglück oder der Gefahr ihrer Genossen. Dies ist selbst bei Vögeln der Fall: Capt. StansburyWie L. H. Morgan in seiner Schrift: The American Beaver. 1878, p. 272 citiert. Capt. Stansbury giebt auch einen interessanten Bericht über die Art und Weise, wie ein sehr junger Pelikan, welcher von einer starken Strömung fortgetrieben wurde, in seinen Versuchen, das Ufer zu erreichen, von einem halben Dutzend alter Vögel geleitet und ermuthigt wurde. fand am Salzsee in Utah einen alten und vollständig blinden Pelikan, welcher sehr fett war und von seinen Genossen lange Zeit, und zwar sehr gut, gefüttert worden sein mußte. Mr. Blyth theilt mir mit, daß er sah, wie indische Krähen zwei oder drei ihrer Genossen, welche blind waren, fütterten; und ich habe von einem ähnlichen Falle bei unserem Haushuhne gehört. Wenn man will, kann man diese Handlungen instinctive nennen, doch sind derartige Fälle viel zu selten, um der Entwicklung irgend eines speciellen Instinctes zum Ausgangspunkte dienen zu können.Wie Mr. Bain bemerkt: »wirksame Hilfe einem Leidenden gebracht entspringt wirklicher Sympathie«. Mental and Moral Science. 1868, p. 245. Ich selbst habe einen Hund gesehen, welcher niemals bei einem seiner größten Freunde, nämlich der Katze, welche krank in einem Korbe lag, vorüberging, ohne sie ein paar Mal mit der Zunge zu belecken, das sicherste Zeichen von freundlicher Gesinnung bei einem Hunde.

Es muß Sympathie genannt werden, welche einen muthvollen Hund veranlaßt, sich auf Jeden zu stürzen, der seinen Herrn schlägt, wie er es sicher thun wird. Ich sah, wie Jemand die Bewegung machte, als schlüge er eine Dame, die einen sehr furchtsamen kleinen Hund auf ihrem Schoße hatte; auch war dieser Versuch noch nie zuvor gemacht worden. Das kleine Geschöpf sprang sofort auf und davon; sobald aber das vermeintliche Schlagen vorüber war, war es wirklich rührend zu sehen, wie unablässig es suchte, seiner Herrin Gesicht zu lecken und sie zu trösten. BrehmThierleben. 2. Aufl. Bd. I, p. 154. führt an, daß, als ein Pavian in der Gefangenschaft gehascht werden sollte, um gestraft zu werden, die anderen ihn zu beschützen suchten. In den oben angeführten Fällen muß es Sympathie gewesen sein, welche die Paviane und Cercopitheken veranlaßte, ihre jungen Genossen gegen die Hunde und den Adler zu vertheidigen. Ich will nur noch ein einziges weiteres Beispiel eines sympathischen und heroischen Betragens bei einem kleinen amerikanischen Affen anführen. Vor mehreren Jahren zeigte mir ein Wärter im zoologischen Garten ein paar tiefe und kaum geheilte Wunden in seinem Genick, die ihm, während er auf dem Boden kniete, ein wüthender Pavian beigebracht hatte. Der kleine amerikanische Affe, welcher ein warmer Freund dieses Wärters war, lebte in demselben großen Behältnis und fürchtete sich schrecklich vor dem großen Pavian, sobald er aber seinen Freund, den Wärter, in Gefahr sah, stürzte er nichtsdestoweniger zum Entsatz herbei und zog durch Schreien und Beißen den Pavian so vollständig ab, daß der Mann im Stande war, sich zu entfernen, nachdem er, wie der ihn behandelnde Arzt später äußerte, in großer Lebensgefahr gewesen war.

Außer Liebe und Sympathie zeigen Thiere noch andere mit den socialen Instincten in Verbindung stehende Eigenschaften, welche man beim Menschen moralische nennen würde; und ich stimme mit AgassizDe l'Espèce et de la Classification. 1869, p. 97. überein, daß Hunde etwas dem Gewissen sehr Ähnliches besitzen.

Hunde besitzen sicherlich etwas Kraft der Selbstbeherrschung, und diese scheint nicht gänzlich Folge der Furcht zu sein. Wie Braubach bemerkt,Die Darwinsche Art-Lehre. 1869, p. 54. wird ein Hund sich des Stehlens von Nahrung in Abwesenheit seines Herrn enthalten. Hunde sind schon lange für den echten Typus der Treue und des Gehorsams genommen worden; aber auch der Elefant ist seinem Treiber oder Wärter sehr treu und betrachtet ihn als den Leiter der Herde. Dr. Hooker erzählte mir, daß ein Elefant, den er in Indien ritt, so tief in sumpfigem Boden einsank, daß er bis zum andern Tag fest stecken blieb, wo er von Männern mit Hülfe von Stricken erlöst wurde. Unter solchen Umständen ergreifen Elefanten mit ihren Rüsseln alle Gegenstände, todt und lebendig, um sie unter ihre Kniee zu bringen und dadurch das tiefere Einsinken in den Schlamm zu verhindern. Der Treiber war nun schrecklich in Sorge, daß das Thier den Dr. Hooker ergreifen und ihn todt drücken möchte. Wie aber Dr. Hooker sagt, war der Treiber selbst durchaus nicht in Gefahr. Diese Nachsicht mitten in einer für ein schweres Thier so fürchterlichen Lage ist ein wunderbarer Zug einer edlen Treue.s. auch Hooker's Himalayan Journals, Vol. II. 1854, p. 333.

Alle Thiere, welche in Massen zusammenleben und einander vertheidigen oder ihre Feinde gemeinsam angreifen, müssen in gewissem Grade einander treu sein, und Derjenige, welcher einem Anführer folgt, muß in einem gewissen Grade gehorsam sein. Wenn die Paviane in AbyssinienBrehm, Thierleben. 2. Aufl. Bd. I, p. 159. einen Garten plündern, so folgen sie schweigend ihrem Anführer, und wenn ein unkluges junges Thier ein Geräusch macht, so bekommt es von den Anderen eine Ohrfeige, um es Schweigen und Gehorsam zu lehren. Mr. Galton, der so ausgezeichnete Gelegenheit zur Beobachtung der halbwilden Rinder in Süd-Afrika gehabt hat, sagt,s. seinen äußerst interessanten Aufsatz über Geselligkeit beim Rinde und Menschen in: Macmillan's Magazine. Febr. 1871, p. 353. daß sie selbst eine momentane Trennung von der Heerde nicht ertragen können. Sie sind wesentlich sclavisch und nehmen ruhig die allgemeine Bestimmung hin, ohne ein besseres Loos zu suchen, als von einem Ochsen angeführt zu werden, der Selbstvertrauen genug besitzt, diese Stellung anzunehmen. Die Leute, welche diese Thiere für das Geschirr zähmen, achten sorgsam auf die, welche besonders grasen und dadurch Anlage zu Selbstvertrauen zeigen; diese spannen sie dann als Vorochsen ein. Mr. Galton fügt hinzu, daß solche Thiere selten und werthvoll sind; würden viele solche geboren, so würden sie bald eliminiert werden, da die Löwen beständig nach solchen Individuen auf der Lauer liegen, welche sich von der Herde entfernen.

In Bezug auf den Impuls, welcher gewisse Thiere dazu führt, sich gesellig mit einander zu verbinden und einander auf viele Weisen zu helfen, kann man schließen, daß sie in den meisten Fällen durch dasselbe Gefühl der Befriedigung oder des Vergnügens dazu getrieben werden, welches sie bei der Ausübung anderer instinctiver Handlungen an sich erfahren, oder durch dasselbe Gefühl des Nichtbefriedigtsein, wie in anderen Fällen der Verhinderung instinctiver Handlungen. Wir sehen dies in zahllosen Beispielen, und es wird in auffallender Weise durch die erworbenen Instincte unserer domesticierten Thiere erläutert. So ergötzt sich ein junger Schäferhund an dem Treiben der Schafe und dem rund um die Herde Herumlaufen, aber nicht am Beißen; ein junger Fuchshund ergötzt sich am Jagen eines Fuchses, während manche andere Hundearten, wie ich selbst erfahren habe, Füchse vollständig unbeachtet lassen. Welches starke Gefühl innerer Befriedigung muß einen Vogel, ein Thier von so viel innerem Leben, dazu treiben, Tag für Tag über seinen Eiern zu sitzen! Zugvögel sind unglücklich, wenn man sie am Wandern hindert, und vielleicht freuen sie sich der Abreise zu ihrem langen Fluge; es läßt sich aber kaum glauben, daß die arme flügellahme Gans, welche, wie Audubon erzählt, rechtzeitig zu Fuß ihre lange Wanderung von wahrscheinlich mehr als tausend Meilen antrat, irgend eine Freude dabei empfunden habe. Einige Instincte werden nur durch schmerzliche Gefühle bestimmt, so durch die Furcht, welche zur Selbsterhaltung führt und sich in manchen Fällen auf specielle Feinde bezieht. Ich vermuthe, daß wohl Niemand die Empfindungen des Vergnügens oder des Schmerzes analysieren kann. Es ist indessen in vielen Fällen wahrscheinlich, daß Instincten durch die bloße Kraft der Vererbung ohne das Reizmittel weder von Vergnügen noch Schmerz gefolgt wird. Ein junger Vorstehhund kann, wenn er zuerst Wild wittert, scheinbar nicht anders, als er muß stehen; ein Eichhorn in einem Käfig, welches die Nüsse, die es nicht essen kann, beklopft, als wenn es dieselben im Boden vergraben wollte, wird kaum so angesehen werden können, als handle es dabei entweder aus Vergnügen oder aus Schmerz. Die gewöhnliche Annahme, nach welcher die Menschen zu jeder Handlung dadurch angetrieben werden müßten, daß sie irgend ein Vergnügen oder einen Schmerz dabei erfahren, dürfte daher irrig sein. Wird auch einer Gewohnheit blind und ohne weitere Überlegung und unabhängig von irgend einem im Augenblick gefühlten Vergnügen oder Schmerz nachgegeben, so wird doch, wenn dieselbe zwangsweise und plötzlich aufgehalten würde, ein unbestimmtes Gefühl des Unbefriedigtseins allgemein empfunden werden.

Es ist oft angenommen worden, daß die Thiere an erster Stelle gesellig gemacht wurden, und daß sie als Folge hiervon sich ungemüthlich fühlten, wenn sie von einander getrennt wurden, und gemüthlich, so lange sie zusammen waren. Eine wahrscheinlichere Ansicht ist aber die, daß diese letzteren Empfindungen zuerst entwickelt wurden, damit diejenigen Thiere, welche durch das Leben in Gesellschaft Nutzen hätten, veranlaßt würden, zusammen zu leben, in derselben Weise wie das Gefühl des Hungers und das Vergnügen am Essen ohne Zweifel zuerst erlangt wurden, um die Thiere zum Essen zu veranlassen. Das Gefühl des Vergnügens an Gesellschaft ist wahrscheinlich eine Erweiterung der elterlichen oder kindlichen Zuneigungen, da der sociale Instinct dadurch im Jungen entwickelt worden zu sein scheint, daß es lange bei seinen Eltern blieb; und diese Erweiterung dürfte zum Theil der Gewohnheit, hauptsächlich aber der natürlichen Zuchtwahl zuzuschreiben sein. Bei denjenigen Thieren, welche durch das Leben in enger Gemeinschaft bevorzugt wurden, werden diejenigen Individuen, welche das größte Vergnügen an der Gesellschaft empfanden, am besten verschiedenen Gefahren entgehen, während diejenigen, welche sich am wenigsten um ihre Kameraden kümmerten und einzeln lebten, in größerer Anzahl umkommen werden. Was den Ursprung der elterlichen und kindlichen Zuneigungen betrifft, welche, wie es scheint, den socialen Neigungen zu Grunde liegen, so kennen wir die Stufen ihrer Entwicklung nicht; wir können aber annehmen, daß sie zum großen Theil durch natürliche Zuchtwahl erlangt worden sind. So ist dies fast sicher der Fall gewesen bei den ungewöhnlichen und entgegengesetzten Gefühlen des Hasses gegen die nächsten Verwandten, wie bei den Arbeiterbienen, welche ihre Drohnenbrüder tödten, und bei den Bienenköniginnen, welche ihre Tochterköniginnen tödten. Es ist nämlich hier der Trieb, ihre nächsten Verwandten zu zerstören, statt sie zu lieben, für die Gemeinschaft von Nutzen gewesen. Elterliche Liebe oder irgend ein dieselbe ersetzendes Gefühl hat sich bei gewissen, außerordentlich tief stehenden Thieren entwickelt, z. B. bei Seesternen und Spinnen. Sie ist auch gelegentlich allein bei einigen wenigen Gliedern einer Thiergruppe vorhanden, so bei der Gattung Forficula, dem Ohrwurm.

Das überaus wichtige Gefühl der Sympathie ist verschieden von dem der Liebe. Eine Mutter kann ihr schlafendes und passiv da liegendes Kind leidenschaftlich lieben, aber man kann kaum sagen, daß sie dann Sympathie für dasselbe fühle. Die Liebe eines Menschen zu seinem Hunde ist verschieden von Sympathie; in ähnlicher Weise ist es die Liebe eines Hundes für seinen Herrn. Wie früher Adam Smith, so hat neuerdings Mr. Bain behauptet, daß der Grund der Sympathie in der starken Nachwirkung liege, welche wir von früheren Zuständen des Leidens oder Vergnügens empfinden. In Folge dessen »erweckt der Anblick einer anderen Person, welche Hunger, Kälte, Ermüdung erduldet, in uns eine Erinnerung an dieselben Zustände, welche selbst in der Idee schmerzlich sind«. Wir werden auf diese Weise veranlaßt, die Leiden eines Anderen zu mildern, um zu gleicher Zeit auch unsere eigenen schmerzlichen Gefühle zu besänftigen. In gleicher Weise werden wir veranlaßt, an der Freude Anderer theilzunehmen.s. das erste wunderbare Capitel in Adam Smith, Theory of Moral Sentiments, auch Bain's Mental and Moral Science. 1868, p. 244 und 275-282. Mr. Bain führt an, daß »Sympathie indirect eine Quelle des Vergnügens für den sie empfindenden sei«, und erklärt dies als eine Folge der Reciprocität. Er bemerkt, daß »die Person, welche Wohlthaten empfing, oder andere an ihrer Stelle, durch Sympathie oder gute Dienste für das Opfer sich erkenntlich zeigen können«. Wenn indessen Sympathie, wie es der Fall zu sein scheint, streng genommen ein Instinct ist, so würde ihre Ausübung direct Vergnügen machen, in derselben Weise wie die Ausübung fast jeden anderen Instinctes oben als solches dargestellt wurde. Ich kann aber nicht einsehen, wie diese Ansicht jene Thatsache erklärt, daß Sympathie in einem unmeßbar stärkeren Grade von einer geliebten Person als von einer indifferenten erregt wird. Der bloße Anblick des Leidens, ganz unabhängig von Liebe, würde ja schon hinreichen, lebhafte Erinnerungen und Associationen in uns zu erwecken. Die Erklärung dürfte in der Thatsache zu finden sein, daß bei allen Thieren Sympathie allein auf die Glieder einer und derselben Gemeinschaft, daher auf bekannte und mehr oder weniger geliebte Mitglieder, aber nicht auf alle Individuen einer und derselben Species sich bezieht. Diese Thatsache ist nicht überraschender, als die, daß die Furcht bei vielen Thieren sich nur auf gewisse Feinde bezieht. Arten, welche nicht gesellig leben, wie Löwen und Tiger, fühlen ohne Zweifel Sympathie mit dem Leiden ihrer Jungen, aber nicht mit dem irgend eines anderen Thieres. Beim Menschen verstärkt wahrscheinlich Selbstsucht, Erfahrung, Nachahmung, wie Mr. Bain gezeigt hat, die Kraft der Sympathie; denn die Hoffnung, in Erwiderung Gutes zu erfahren, treibt uns dazu, Handlungen sympathischer Freundlichkeit Anderen zu erweisen; und dann wird das Gefühl der Sympathie sehr durch die Gewohnheit verstärkt. Wie compliciert auch die Weise sein mag, in welcher dieses Gefühl zuerst entstanden sein mag, da es eines der bedeutungsvollsten für alle diejenigen Thiere ist, welche einander helfen und vertheidigen, so wird es durch natürliche Zuchtwahl vergrößert worden sein; denn diejenigen Gemeinschaften, welche die größte Zahl der sympathischsten Mitglieder umfassen, werden am besten gedeihen und die größte Anzahl von Nachkommen erzielen.

In vielen Fällen ist es indessen unmöglich, zu entscheiden, ob gewisse sociale Instincte durch natürliche Zuchtwahl erlangt worden sind, oder ob sie das indirecte Resultat anderer Instincte und Fähigkeiten sind, wie der Sympathie, des Verstandes, der Erfahrung und einer Neigung zur Nachahmung, oder ferner, ob sie einfach das Resultat lange fortgesetzter Gewohnheit sind. Ein so merkwürdiger Instinct wie der, Wachen aufzustellen, um die ganze Gemeinschaft vor Gefahr zu warnen, kann kaum das indirecte Resultat irgend einer jener Fähigkeiten gewesen sein; er muß daher direct erlangt worden sein. Auf der anderen Seite mag die Gewohnheit, nach welcher die Männchen einiger socialen Thiere die Herde zu vertheidigen und ihre Feinde oder ihre Beute gemeinsam anzugreifen pflegen, vielleicht aus gegenseitiger Sympathie entstanden sein; aber Muth, und in den meisten Fällen auch Kraft, muß schon vorher und wahrscheinlich durch natürliche Zuchtwahl erlangt worden sein.

Von den verschiedenen Instincten und Gewohnheiten sind einige viel stärker als andere, d. h. einige verursachen entweder mehr Vergnügen, wenn sie ausgeführt werden, und mehr Unbehagen, wenn sie verhindert werden, als andere, oder, und dies ist wahrscheinlich völlig ebenso bedeutungsvoll, sie werden viel beständiger in Folge der Vererbung befolgt, ohne irgend ein specielles Gefühl der Freude oder des Schmerzes zu erregen. Wir selbst sind uns dessen wohl bewußt, daß manche Gewohnheiten viel schwerer zu heilen oder zu ändern sind, als andere. Man kann daher auch oft bei Thieren einen Kampf zwischen verschiedenen Instincten beobachten, oder zwischen einem Instinct und einer gewohnheitsgemäßen Neigung: so wenn ein Hund auf einen Hasen losstürzt, gescholten wird, pausiert, zweifelt, wieder hinausjagt oder beschämt zu seinem Herrn zurückkehrt; oder wenn eine Hündin zwischen der Liebe zu ihren Jungen und zu ihrem Herrn kämpft, denn man sieht sie sich zu jenen wegschleichen, gewissermaßen als schäme sie sich, nicht ihren Herrn zu begleiten. Das merkwürdigste mir bekannte Beispiel aber von einem Instinct, welcher einen anderen bezwingt, ist der Wanderinstinct, welcher den mütterlichen überwindet. Der erstere ist wunderbar stark; ein gefangener Vogel schlägt zu der betreffenden Zeit seine Brust gegen den Draht seines Käfigs, bis sie nackt und blutig ist; er veranlaßt junge Lachse, aus dem Süßwasser herauszuspringen, wo sie ruhig weiter leben könnten, und führt sie damit unabsichtlich zum Selbstmord. Jedermann weiß, wie stark der mütterliche Instinct ist, welcher selbst furchtsame Vögel ermuthigt, größerer Gefahr sich auszusetzen, doch immer mit Zaudern und im Widerstreit mit dem Instincte der Selbsterhaltung. Nichtsdestoweniger ist der Wanderinstinct so mächtig, daß spät im Herbst Ufer- und Hausschwalben häufig ihre zarten Jungen verlassen und sie elendiglich in ihren Nestern umkommen lassen.Diese Thatsache wurde nach der Angabe L. Jenyns' (s. dessen Ausgabe von White's Natural History of Selborne. 1853, p. 204) zuerst von dem berühmten Jenner berichtet in den Philos. Transact. für 1824, und ist seit jener Zeit von mehreren Beobachtern, besonders von Mr. Blackwall bestätigt worden. Der letztgenannte sorgfältige Beobachter untersuchte zwei Jahre hintereinander spät im Herbst sechsunddreißig Nester. Er fand, daß zwölf davon junge todte Vögel, fünf dem Ausschlüpfen nahe Eier und drei nur eine Zeit lang bebrütete Eier enthielten. Es werden auch viele Vögel, welche zu einem so langen Fluge noch nicht alt genug sind, gleichfalls aufgegeben und zurückgelassen, s. Blackwall, Researches in Zoology. 1834, p. 108, 118. Für weitere Beweise, deren kaum welche nöthig sind, s. Leroy, Lettres philos. 1802. p. 217. In Bezug auf Schwalben s. Gould's Introduction to the Birds of Great Britain, 1873, p. 5. Ähnliche Fälle sind von Mr. Adams auch in Canada beobachtet worden; s. Popular Science Review, July, p. 283.

Wir können wohl sehen, daß ein instinctiver Antrieb, wenn er in irgendwelcher Weise einer Species vortheilhafter ist als irgend ein anderer oder entgegengesetzter Instinct, durch natürliche Zuchtwahl der kräftigere von beiden werden kann; denn diejenigen Individuen, welche ihn am stärksten entwickelt haben, werden in größerer Zahl andere überleben. Ob dies aber der Fall ist mit dem Wanderinstinct in Vergleich mit dem mütterlichen, ließe sich wohl bezweifeln. Die größere Beständigkeit und ausdauernde Wirkung des Ersteren zu gewissen Zeiten des Jahres und zwar während des ganzen Tages, dürften ihm eine Zeit lang eine überwiegende Kraft verleihen.


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