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Fünfundzwanzigstes Kapitel.

Venantius Fortunatus.

Weit fruchtbarer, vielseitiger und geschichtlich bedeutender als Arator ist Venantius Fortunatus, der Hauptvertreter der Dichtung dieser Epoche, und ein solcher um so mehr, als wenigstens bis gegen Ende des siebenten Jahrhunderts, wenn wir von den Hymnen absehen, kein Poet von irgend welcher Bedeutung ihm folgte, ja kaum noch einer oder der andere genannt werden kann. Dazu kommt, dass die doppelte Richtung der christlich-lateinischen Dichtung, die wir in dieser Periode unterschieden, die geistliche und die profane, in seinen Poesien repräsentirt erscheint, welche ebensowohl an einen Sidonius als an einen Paulin oder Ambrosius erinnern.

Venantius Honorius Clementianus Fortunatus Venantii Honor. Clement. Fortunati opera omnia post Browerianam editionem nunc recens. ad mss. codd. Vaticanos nec non ad veteres editiones collata etc., nova eiusdem vita locupletata, opera et sud. M. A. Luchi. 2 tom. Rom 1786. 4°. – Notice d'un manuscrit latin de la bibliothèque du roi par Guérard (enthält Carmina Fortunati, die noch unbekannt waren) in: Notices et Extraits des mss. T. XII. Paris 1831. 4°. ( Partie 2, p. 75 ff.). – Venanti Hon. Clem. Fortunati opera. Pars I. Opp. poetica rec. Leo; Pars II. Opp. pedestria rec. Krusch. Berlin 1881–85 ( Monum. Germ. histor. Tom. IV). – – Bormann, Ueber das Leben des lat. Dichters Ven. Fortunatus im Osterprogramm des Gymnas. von Fulda 1848. 4°. – Ch. Nisard, Pourquoi Fortunat n'a-t-il jamais été traduit en aucune langue? Disssertation préliminaire – zu der französischen Uebersetzung des Fortunat von dem Verfasser in der Biblioth. latine française publ. sous la direction de Ch. Nisard. Paris 1884. – Ampère, Hist. littér. Tom. II, p. 275 ff. war gleich Arator in Oberitalien, und zwar zwischen Ceneda und Treviso auf dem Lande geboren, wahrscheinlich in den dreissiger Jahren des sechsten Jahrhunderts. In Ravenna, der Hauptstadt des Ostgothenreichs, dann dem Sitze des Exarchats, erhielt er seine wissenschaftliche Ausbildung, die sich nicht bloss auf Grammatik und Rhetorik, sondern auch auf die Jurisprudenz erstreckte. Der Theologie aber blieb er wie der Philosophie dort fremd. Dagegen hat er damals bereits in der Poesie sich versucht, wie das erste Gedicht seiner Sammlung zeigt, welches die Einweihung einer neuen Kirche in Ravenna 519 feiert und beschreibt. In den ersten Jahren des siebenten Decenniums aber verliess Fortunat sein Vaterland, um durch Germanien nach Gallien zu ziehen, wo er zunächst in Austrasien am Hofe Sigiberts sich aufhielt, dessen Vermählung mit Brunhilde er in einem Gedichte feierte. Dieser König scheint ihm seine besondere Gunst geschenkt zu haben. Auch mit manchen der romanischen und germanischen Grossen trat Fortunat dort in ein näheres freundschaftliches Verhältniss, das bei einzelnen selbst lange Jahre überdauerte. Von Sigiberts Hof begab er sich nach Tours, das demselben Könige gehörte, und dies war wohl das ursprüngliche Ziel seiner Reise. Der Dichter war nämlich in Ravenna, wie er selbst erzählt Vita S. Martini l. IV, v. 694 ff., durch den wunderthätigen Einfluss des heiligen Martin von einem Augenübel geheilt worden (indem er mit dem Oel einer Lampe, die vor dessen Bild in einer dortigen Kirche brannte, sich die Augen bestrich): es liegt nun nahe zu denken, dass er zum Dank dafür eine Pilgerfahrt nach dem Grabe des Heiligen zu unternehmen, wenn nicht gelobt, doch gewünscht hatte. Paulus Diaconus sieht auch in der Heilung des Augenleidens den Grund der Reise Fortunats, indem er nach der Erzählung der Heilung Hist. langob. l. II, c. 13 fortfährt: Qua de causa Fortunatus in tantum beatum Martinum veneratus est, ut, relicta patria, paulo antequam Langobardi Italiam invaderent, Turonis ad eiusdem beati viri sepulchrum properaret. Von Tours gelangte Fortunat nach Poitiers, wo er in die für sein Leben so wichtige Verbindung mit Radegunde S. über dieselbe: Dümmler, Radegunde von Thüringen, in: Im neuen Reich, 1871. Bd. 2, S. 641 ff. trat. Diese thüringische Königstochter war, nach der Besiegung ihres Oheims – des Mörders ihres Vaters – Hermanfried durch die Franken, die Gefangene Chlotars I. (eines Sohnes Chlodwigs), später wider ihren Willen seine Gemahlin geworden. Aber die gelehrt gebildete, von der Kindheit an der Frömmigkeit ergebene Frau hatte sich von dem wilden Gemahle getrennt, nachdem auch ihr einziger Bruder auf seinen Befehl gemordet worden war, um in ein Kloster sich zurückzuziehen, das, dem heiligen Kreuz gewidmet, sie bei Poitiers gründete. Dort lebte sie damals, nunmehr verwittwet und schon hochbetagt, in aller asketischen Strenge. Sie bewog unsern Dichter, sich in Poitiers niederzulassen, wo er eine neue Heimath finden sollte in dem 520 freundschaftlichen, ja innigen Umgang mit ihr und der Aebtissin des Klosters, ihrer Pflegetochter Agnes. Dort trat Fortunat auch in den geistlichen Stand ein, indem er zunächst Presbyter wurde. Der Ruf unsers Dichters breitete sich in Gallien bald sehr weit aus: mit fast allen geistig bedeutendern oder strebsamen Männern trat er in nähere Verbindung, die durch mannichfache Reisen, welche das Stillleben von Poitiers unterbrachen, gefördert wurde, noch mehr aber durch seine Dichtung, wie wir sehen werden. Vor allem trat er dem berühmten Geschichtschreiber der Franken, dem so einflussreichen Bischof von Tours, Gregor, nahe; er war es auch, der Fortunat zuerst aufforderte, seine Gedichte zu sammeln und herauszugeben Wie die Zuschrift in Prosa an Gregor zeigt, die Fortunats Gedichtsammlung eröffnet., wie er auch sonst einen lebhaften Antheil an seiner Poesie bezeigt hat. Im höhern Alter, wohl gegen Ende des Jahrhunderts, wurde Fortunat auf den Bischofsstuhl von Poitiers erhoben. Die Zeit seines Todes ist unbekannt. Sie wird wohl in den Anfang des siebenten Jahrhunderts fallen.

Wir besitzen von Fortunat keine geringe Zahl von Gedichten – über dritthalbhundert – von welchen der grösste Theil in elf Büchern gesammelt uns überliefert ist. In diesen Büchern, welchen die früheren Herausgeber auch später aufgefundene Gedichte einverleibt hatten, finden sich auch einige prosaische Stücke: ausser Briefen eine Erklärung des Vaterunser und des Symbolum. – Die Eintheilung der Gedichte in die Bücher, die schwerlich von dem Dichter selbst geschehen ist, ist nach keinem allgemeinen Princip erfolgt, wenn auch in einzelnen Büchern nach bestimmten Motiven verfahren ist. Die meisten der darin mitgetheilten Gedichte sind im elegischen Versmass verfasst und Gelegenheitspoesie im engern oder weitern Sinne. Dasselbe gilt von den von Guérard aufgefundenen. Theils sind es panegyrische Gedichte, von gar verschiedener Art, theils Epitaphien, wovon manche jenen nahe verwandt sind, theils Epigramme, in welcher Gestalt die letztern auch erscheinen, theils Episteln oder Elegien. Diese führen auf das Feld der Lyrik hinüber, das auch durch eine Anzahl Hymnen vertreten ist. Auch reisebeschreibende beziehungsweise erzählende Gedichte finden sich im Anschluss an die Episteln.

Wenn wir nun die einzelnen Kategorien betrachten, und zunächst die grosse Klasse der panegyrischen Gedichte, die 521 sogleich in den ersten Büchern recht hervortritt: so kann man zwischen eigentlichen oder directen und indirecten Panegyrici unterscheiden. Zu den ersteren gehört z. B. das Lobgedicht auf den Bischof von Bordeaux, Leontius (l. I, 15) – einen durch seine Abstammung wie seine Munificenz hochangesehenen Mann, der auch Fortunats besonderer Gönner gewesen zu sein scheint – oder die kleinern Gedichte auf den Bischof Felix von Nantes (l. III, 8) und den Bischof Nicetius von Trier (l. III, 11), oder die auf die Bischöfe von Cöln (l. III, 14; 19) Sind zwei arabische Ziffern der Angabe des Buches hinzugefügt, so geht die erste auf die Nummer der Ausgabe Leo's, die zweite auf die der Ausgabe Luchi's; folgt nur eine Ziffer, so ist die Nummer beiden Ausgaben gemeinsam. und Rheims (l. III, 15; 20), die zugleich als eine Danksagung für die bei ihnen genossene Gastfreundschaft sich erkennen lassen Insofern sind sie für Fortunats Lebensgeschichte nicht ohne Werth., obschon dieselbe zarter Weise nicht direct ausgesprochen ist, wie die Gedichte auch ein gewisser inniger Ton auszeichnet. Hierher ist ferner wohl zu rechnen das Lobgedicht auf den Klerus von Paris l. II, 9; 13, worin Fortunat den Gottesdienst, namentlich der Vigilien, wie ihn jener, an seiner Spitze der Bischof Germanus, ausführte, preist, vornehmlich auch in musikalischer Beziehung – ein kulturgeschichtlich anziehendes Gemälde! Aber nicht bloss geistliche, sondern auch weltliche Grosse werden von unserm Dichter gefeiert, und so hat er Panegyrici solcher Art im grossen Stile namentlich auf die merovingischen Könige Charibert (l. VI, 2; 4) und Chilperich (l. IX, 1) gedichtet, von welchen das letztere Gedicht, nach seinem Eingang zu schliessen, vor der versammelten Synode von Braine 580 von dem Dichter selbst recitirt wurde. Hier zeigt sich denn allerdings Fortunat in sittlicher wie auch ästhetischer Beziehung im ungünstigsten Lichte, als ein Panegyrist der alten Sorte, ein schweifwedelnder Hofpoet, dessen aufgeblasene Sprache keine Wahrheit, oder eine Lüge birgt, so wenn der Ruhm Chilperichs das ganze Weltall erfüllen soll, seinen Namen Libyen, das rothe Meer, der Indus kennt; wenn nicht bloss die Gelehrsamkeit und die Poesie So heisst es von Chilperich v. 105: Regibus aequalis de carmine maior haberis, und v. 110: Proelia robur agit, carmina lima polit., sondern auch die Gerechtigkeit dieses Feindes, wenn nicht Mörders seines 522 Bruders Sigibert, welchem Fortunat so verpflichtet gewesen, gepriesen wird Mindestens hatte Fredegunde, wie Gregor von Tours erzählt (H. Fr. IV, c. 51), die Mörder gedungen. – Fortunat schämt sich in seiner Schmeichelei sogar nicht, anzudeuten, dass die Welt durch Sigiberts Tod nichts verloren; denn darauf ist doch wohl v. 67 zu beziehen: Nil dolet amissum, te rege superstite, mundus., und nicht minder die ›an allen Verdiensten reiche‹ Gemahlin Fredegunde! Dieselbe Ueberschwänglichkeit der Lobsprüche finden wir in dem Panegyricus auf Charibert wieder, mitunter nach derselben Schablone gezeichnet. Er wird mit Trajan, Salomo und den Fabiern verglichen. Namentlich wird seine Treue gerühmt. Antea mons migrat quam tua verba cadant. v. 92. Bekannt ist das merkwürdige Lob, das seiner Beredsamkeit in römischer Sprache hier gezollt wird. – Auch als Hofpoet, und zwar im eigentlichen Sinne des Wortes, bewährt sich Fortunat in dem kurzen Panegyricus auf Sigibert und Brunhilde, den er in Veranlassung der Bekehrung der letztern zum Katholicismus als Glückwunsch verfasst hat (l. VI, 1 a; 3); obwohl hier schon immerhin eine persönliche Theilnahme bei der Abfassung mitwirken konnte.

Eine edlere Gesinnung dictirte andere dieser Lobgedichte, wie das auf den Herzog Lupus, einen der angesehensten Staatsmänner Austrasiens und treusten Anhänger Sigiberts, der, selbst ein Romane, gelehrte Landsleute gern an den Hof seines Königs zog So auch den Andarchius, dessen Gregor von Tours gedenkt Hist. Fr. l. IV, c. 46.; er mochte wohl auch Fortunat bei diesem eingeführt haben. Innige Freundschaft bewahrte ihm unser Dichter noch lange. Wenn er in seinem Panegyricus (l. VII, 7) auch ihn mit berühmten Römern der Vorzeit vergleicht, so fügt er hinzu, dass unter seiner Leitung ihm selbst Rom an dem germanischen Hofe zurückkehre (v. 6); er sei sein Trost, seine Hoffnung gewesen. Aber auch auf germanische Grösse finden sich solche Gedichte verfasst, wie auf Gogo (l. VII, 1), einen der ersten, der zu den Vertrautesten Sigiberts gehörte, welcher diesem seine Gemahlin Brunhilde aus Spanien holte und seines Sohnes Childebert Nutritor wurde. Auch er, dessen Beredsamkeit Fortunat besonders hoch erhebt, war ihm der freigebigste Gönner gewesen. Die beiden eben erwähnten Gedichte sind noch an dem Hofe Sigiberts verfasst worden: indem der Dichter damit eine 523 Schuld der Dankbarkeit abträgt, spricht aus ihnen trotz manches Phrasenpompes eine Wahrheit der Empfindung, die an keine leere Schmeichelei denken lässt. Wodurch auch ihr historischer Werth erhöht wird. Noch weniger ist an Schmeichelei zu denken in dem panegyrischen Gedicht auf eine fromme deutsche Frau Berthichilde l. VI, 4; 6.

Als eine besondere Species schliessen sich diesen Panegyrici, und zwar den zuerst erwähnten auf Geistliche, solche auf Märtyrer und Heilige an, von denen ein paar Fortunatus verfasst hat: so ein Lobgedicht auf den heil. Medardus (l. II, 16; 20), worin ähnlich wie in den prosaischen Heiligenleben jener Zeit und Fortunats selber alle die Wunder des Heiligen eins nach dem andern kurz vorgeführt werden. Dies trockene Carmen erscheint wie auf Bestellung gemacht bei Gelegenheit der Vollendung der Basilica des Heiligen in Soissons durch Sigibert, wie in den letzten Versen angezeigt ist. Mit mehr Schwung ist der Märtyrtod des Saturninus, des ersten Bischofs von Toulouse, von Fortunat gefeiert (l. II, 7; 11). Vgl. auch das darauf folgende Gedicht, das noch das besondere Interesse hat, dass es einen deutschen Herzog Launebod mit seiner Gemahlin Berthrude feiert, weil sie zuerst dem Saturnin an der Stelle, wo er gebunden ward, eine Kirche bauten: Quod nullus veniens Romana gente fabrivit – Hoc vir barbarica prole peregit opus. Hierher würde auch der lange Panegyricus auf die Jungfrau Maria (360 V., Spurior. Append. 1; l. VIII, 6 b) gehören, worin sie bereits unter allen möglichen Bildern gefeiert Z. B.:
        Aula dei, ornatus paradisi, gloria regni,
            Hospitium vitae, pons penetrando polos.
        Arca nitens et theca potens gladii his acuti,
            Ara dei adsurgens, luminis alta pharos.
, und von der ganzen himmlischen Hierarchie, den Engeln wie Heiligen, lobgepriesen wird, – wenn diese Dichtung, die nicht in der ursprünglichen Sammlung sich findet Wohl aber in andern alten Codd., namentlich zugleich mit Fortunats Vita Martini. Während Brower und Luchi sich für die Echtheit erklären, verwirft sie Leo (Prooem. p. XXIV) aus sprachlichen und metrischen Gründen. Indess ist der Stil dem des Fortunat durchaus ähnlich. Auch Gott als › figulus‹ zu bezeichnen – ein bei Fortunat beliebtes Bild (s. z. B. l. IX, c. 2 und l. X, c. 6) – findet sich hier wieder: Figmentum figuli, super omnia vasa decorum wird hier die Jungfrau genannt v. 217. Für die Autorschaft Fortunats spricht auch noch die mehrfache Uebereinstimmung dieses Gedichts mit dem danach oben erwähnten: so wird in diesem auch der himmlischen Hierarchie gedacht, in der Rangordnung: Patriarchen, Propheten, Apostel, Märtyrer, Jungfrauen (v. 11 ff.). – Ferner hielt man im 9. Jahrhundert Fortunat für den Verfasser, wie z. B. Ratramnus, der in seinem Buch De nativitate Christi c. 10 Verse aus dem Gedicht anführt. Und wer hätte denn, möchte man fragen, in den beiden vorausgehenden Jahrhunderten Fortunat so nachahmen können als Leo dies a. a. O. annimmt?, Fortunatus zukommt. Auch ein noch längeres 524 Preisgedicht auf die Jungfräulichkeit (400 V., l. VIII, 3; 6 a) lässt sich dieser Kategorie anreihen, das zu Ehren eines Festtags der Agnes verfasst, die Liebe der Nonnen zu dem himmlischen Bräutigam, sowie den paradiesischen Lohn der Keuschheit schon mit recht sinnlicher Färbung ausmalt.

Unter den indirecten Panegyrici verstehe ich solche, worin eine bestimmte Leistung oder Schöpfung des Gepriesenen den Dichter zu einem Lobgedicht veranlasst, das zunächst diese verherrlicht; von solcher Art sind eine grosse Zahl von Gedichten, welche die Vollendung oder auch Einweihung kirchlicher Bauten feiern, die zum Theil von denselben Bischöfen ausgeführt waren, denen er auch selbständige Panegyrici gewidmet hat, wie Leontius (l. I, 8 ff.) und Felix. Einzelne kürzere Gedichte dieser Art sind offenbar auch zu dem Zwecke verfasst worden als Inschriften zu dienen Z. B. l. I, c. 11, welches Gedicht beginnt:
        Qui cupis egregii structorem noscere templi
            Tam pia non patiar vota latere tibi.
                        –         –
        Fundavitque piam hanc Papa Leontius aulam.
, wie Fortunat auch andere solche kirchliche Inschriften gedichtet hat, z. B. l. I, 5 auf die Celle, wo der heil. Martin den Armen mit seiner Tunica bekleidete. Wenn nun die oben betrachteten eigentlichen Panegyrici in geschichtlicher Beziehung von mannichfachem Werth sind durch die Thatsachen, die sie aus dem Leben der bedeutendsten Persönlichkeiten jener Zeit in Gallien uns mittheilen, aber auch selbst durch die Porträtirung, die Charakterzeichnung, da, auch wo die Farben der Schmeichelei dick aufgetragen sind, doch der wahre Grund oft sich erkennen lässt: so haben dagegen diese Gedichte mitunter kein geringes kirchlich-archäologisches Interesse; so z. B. die Beschreibung der von Felix in Nantes erbauten Kirche (l. III, 7), und ihrer Einweihung ( ibid. 6), oder der Bilder, welche in der durch Gregor wiederaufgebauten Kirche des heil. Martin in Tours (l. X, 6) ausgeführt waren. Vgl. auch l. I, c. 12, wo der Thierbilder in einer Basilica gedacht wird. 525 Merkwürdig ist ein anderes Gedicht dieser Klasse (l. III, 10), welches die Vollendung eines weltlichen Bauunternehmens preist und recht zeigt, wie damals die Bischöfe im Frankenreiche um das öffentliche Wohl sich verdient machten: es ist die Rectification eines Flussbettes, wodurch neues fruchtbares Ackerland gewonnen wurde. Dieses nach Fortunats Darstellung grossartige Unternehmen, aus dem man auch sieht, wie noch die Tradition der antik-römischen Baukunst damals in Gallien fortlebte, war von dem mehrfach genannten Bischof Felix ausgeführt worden.

In nächster Verwandtschaft mit den Panegyrici, gleichsam eine Art derselben, sind die Epithalamien, wie sie Claudian und nach ihm Sidonius gedichtet. Auch dies Feld des Lobgedichts hat Fortunat bestellt, wie sein Hochzeitscarmen auf die Vermählung Sigiberts mit Brunhilden zeigt (l. VI, 1; 1 und 2). Es ist im Unterschied von seinen andern Gelegenheitsgedichten, die in Distichen sind, nach dem Beispiel der eben genannten Vorgänger in Hexametern verfasst (119 V.), nur die vorausgehende Praefatio ist im elegischen Versmass (24 V.). In dieser wird eine kurze, ganz anmuthige Schilderung des neuen Frühjahrs gegeben: wie das Laub spriesst, der Weinstock keimt, die Biene Honig sammelt und der Vogel sein Nest baut – eine günstige Zeit für die königliche Vermählung, zu der bei Hofe schon alle die Grossen zusammengeströmt seien. In dem Eingang des Hochzeitsgedichts selbst rühmt der Dichter, dass Sigibert den sittlichen Werth des Ehebandes, welches die Begierden der Jugend zügle, erkannte; Cupido, gegen dessen Macht selbst der Pelagus sich nicht schütze, hat auch ihn besiegt; er trank von seinen Flammen und umarmt schon in Gedanken die Braut, die ihm die Liebe malt. Cupido, stolz auf seinen Sieg, ruft Venus herbei, das Hochzeitslager mit Blumen zu schmücken. Sie wetteifern dann das junge Paar zu rühmen, er Sigibert, sie Brunhilde. So wird hier ganz wie in dem Epithalamium des Sidonius auf Ruricius das Lob des Paares diesen Göttern in den Mund gelegt. S. oben S. 423. Während aber Sigibert ob seiner Abstammung, seiner Kriegsthaten, namentlich der Besiegung der Thüringer, seines früh gereiften Verstandes, seiner Milde gepriesen wird, so wegen ihrer Schönheit Brunhilde, in deren Angesicht Rosen mit Lilien sich mischten, – eine neue Perle, die Spanien erzeugte, 526 vor der alle Edelsteine weichen; wer hätte denken können, dass Spanien Germanien seine Herrin erzeugen werde! Das sei nur ein Werk des Himmels. Noch wird des Geschlechts, des Reichthums, der Macht Athanagilds gedacht, und dann mit Glückwünschen geschlossen. – Wenn auch hier und da im Ausdruck geziert oder schwülstig, unterscheidet sich das Gedicht doch recht vortheilhaft von manchen seiner Gattung, wie denen des Sidonius, indem jener überladene Pomp weit hergeholter mythologischer Bilder fehlt, welche die von der römischen Kultur nur mehr oder weniger beleckten germanischen Grossen nicht verstanden haben würden, die aber Fortunat auch selbst nicht geliebt zu haben scheint, wie auch die Panegyrici beweisen. Irre ich nicht, so ist dies auch ein Zeichen der Zeit: vor dem stärkern Einfluss des Germanenthums und dem in das Romanenthum tiefer eingedrungenen Christenthum ist auch das ästhetische Interesse an der antiken Götterwelt im Schwinden, so lange es auch die überlieferten Schulen der Grammatiker wach erhalten hatten, die aber selbst jetzt den kirchlichen weichen.

Ein Pendant zu den Panegyrici bilden die Epitaphien, die allein das ganze vierte Buch einnehmen. Es sind theils kürzere Gedichte, theils längere – eins sogar von 160 Versen; zum Theil sind sie zu Aufschriften über die Gräber bestimmt gewesen, wie auch direct in einigen angezeigt ist. Z. B. beginnt l. IV, c. 20: Quisquis in hoc tumulo cineres vis nosse sepulti, eine Phrase, die sich ähnlich in andern wiederfindet. Einzelne sind auf Bestellung gemacht, wie l. IV, 12 u. 18, und selbst im Namen anderer verfasst. Dies lässt sich bei c. 18, l. IV annehmen, bei c. 9, l. l. ist es direct ausgesprochen. Am Schluss heisst es da: Haec tibi parva nimis cum tu merearis opima – Carmina Theudosius praebet amore tuus. Nur bei einer ganz oberflächlichen Betrachtung dieser Gedichte konnte man auf den lächerlichen Gedanken kommen, dass Fortunat mit Theudosius sich hier selbst bezeichnet habe und dies einer seiner Namen sei. Die meisten sind Bischöfen und Aebten, einige auch hohen Beamten, ein paar andere frommen Männern und Frauen gewidmet. Wenn auch von verschiedenem kulturhistorischen Interesse, machen sie doch im allgemeinen den Eindruck einer blossen poetischen Fabrikarbeit, mit der das Herz des Dichters nichts zu thun hat; am bemerkenswerthesten unter ihnen ist das längste (l. IV, 26), das einer angesehenen deutschen Frau, Vilithuta, der Gemahlin des Dagaulf, 527 gewidmet ist, die, erst 17 Jahre alt, bei der Niederkunft zugleich mit dem Kinde starb. Ihre Jugend, ihre Schönheit, ihre Bildung – ›von barbarischer Herkunft, war sie Römerin durch sie‹ – ihre Mildthätigkeit, das Glück ihrer Ehe, die traurige Art des Todes – wo Kind und Mutter sich gegenseitig den Tod gaben –, alle diese Momente weiss der Dichter in seiner Art wohl zu verwerthen; was sie an den Armen that, gewann ihr den Himmel: welches Glück sie dort erwartet, wie ganz anders das jüngste Gericht die Guten als die Bösen trifft, indem jene nur des Feuers Glanz nährt, schildert dann der Dichter, um mit tröstenden Worten an den Gatten zu schliessen. – Es hat dieses Epitaph bereits ganz den Charakter des Trostgedichts, wie ein solches Fortunat an Chilperich und Fredegunde beim Tod ihrer Kinder Chlodobert und Dagobert gerichtet hat (l. IX, 2) – ein langes, langweiliges Versfabrikat, das nur wegen der geschichtlichen Persönlichkeiten, an die es sich wendet, und des Ansehens, welches es bis ins 10. Jahrhundert behauptete S. unten Bd. III, S. 153., erwähnenswerth ist. Aber auch Grabinschriften hat für diese beiden Kinder unser Dichter verfasst. l. IX, c. 4 (worin der fünfzehnjährige Chlodobert als caput orbis bezeichnet wird!) und c. 5; das letztere, dem Dagobert gewidmete Gedicht gibt als Acrostichon den Namen desselben in der Form: Dagobercthus. Vgl. übrigens Gregor von Tours, Hist. Fr. l. V, c. 34.

Auch andere Epigramme als Grabinschriften hat Fortunat manche gedichtet, von denen einzelne auch als Inschriften dienten Z. B. l. VII, c. 24 die Versus in gavatis ., einen besondern Werth haben sie nicht; andere schliessen sich an die Epistelpoesie des Fortunat unmittelbar an. Das Versemachen war ihm so zur Gewohnheit geworden, dass er selbst Billets von ganz prosaischem Inhalt an seine Freunde und Freundinnen in Distichen kleidete. So empfiehlt er in solcher Form, wie wir durch Visitenkarten, Fremde namentlich seinem Freunde Gregor (l. V, 15; 18), aber auch, wie zwei Landsleute, den Bischöfen überhaupt (l. V, 18; 21 und l. X, 13; 17); so dankt er jenem in ein paar Distichen nicht nur für die Zusendung von Gedichten (l. V, 8 b; 11), sondern auch von Obst (l. I., 13; 16), oder zeigt ihm auch so nur den Empfang eines Briefes an (L. V, 17; 20). So entschuldigt er sich bei einem auswärtigen Freunde, den er 528 besucht hatte, dass er ihn, um seine Nachtruhe nicht zu stören, ohne Abschied verlassen (l. III, 29; 36). Die meisten solcher Billets sind aber an seine Freundinnen Radegunde und Agnes gerichtet und eröffnen uns einen Blick in den innigen, ja zärtlichen Verkehr dieses doch immer recht weltlich gebliebenen Romanen mit den frommen germanischen Frauen. Der sybaritische Poet, den vielleicht sein Presbyterat nur noch empfänglicher für die Tafelgenüsse gemacht hatte, wird von den Freundinnen wahrhaft verhätschelt, denen als guten deutschen Hausfrauen nichts ein grösseres Vergnügen macht, als zu bewirthen und ihren culinarischen Schöpfungen Ehre angethan zu sehen. So danken ihnen eine ganze Anzahl Billets Fortunats für zugeschickte Speisen und Früchte (l. XI, 14 ff.), selbst für ganze übersandte oder zugerichtete Diners (l. XI, 9 ff.). Blumen umkränzten und bedeckten die Schüsseln, preist einmal der Dichter entzückt, und vergisst nicht, auch das Tafeltuch, ›das von den dädalischen Händen der Schwester – wie Fortunat Agnes immer nennt – gewebte‹, zu rühmen. Diese oft recht zierlichen Gedichte nehmen mitunter auch eine humoristische Wendung, wenn der Verfasser mit Selbstironie seines starken Appetits gedenkt S. z. B. l. XI, c. 9 und vgl. bei Guérard No. 27. Zuweilen gibt sich diese Essbegier auch in einer widerwärtigen Weise kund, l. XI, c. 23. Ja, Fortunat scheut sich sogar nicht, von einem gehörigen Räuschchen, das er hatte, der Mutter (Radegunde) und der Schwester zu schreiben (l. l., c. 24)., der mehr an die Römer der Kaiserzeit, als die heutigen Italiener erinnert. Aber nicht bloss mit Distichen dankte der Dichter den Freundinnen, sondern er machte auch Gegengeschenke, die er dann wieder mit Versen begleitete; so sandte er ihnen Kastanien in einem Körbchen, das er selbst geflochten (l. XI, 13), oder auch einen Veilchenstrauss, den er gepflückt. Die geistliche Galanterie, die er bei solcher Gelegenheit in seinen Versen zu entfalten weiss (l. VIII, 7 u. 8; 11 u. 12), zeigt, wie der Hofmann mit dem Presbyter in ihm sich wohl vertrug. Ja, manche der kleinen Episteln, die er in Distichen an Radegunde und an Agnes richtet, haben einen so zärtlichen Ausdruck, dass sie Liebesgedichten gleichen: so beklagt er, wenn die erstere in der Fastenzeit auf längere Zeit sich einschloss, dass mit ihr seine Sonne ihm verschwinde l. VIII, c. 13 und vgl. l. XI, c. 2, in Betreff der Agnes s. l. XI, c. 5 und bei Guérard No. 13.; 529 und freut sich ihrer Rückkehr als wie der Rückkehr des Frühlings (l. VIII, 10; 14); und was Agnes betrifft, so sieht er sich selbst veranlasst in einem Gedicht an sie (l. XI, 6) Gott zum Zeugen dafür zu nehmen, dass seine Liebe nur eine brüderliche sei. Diese Gedichte zeichnen sich in jedem Falle durch Wahrheit der Empfindung, und namentlich die an Radegunde durch eine Wärme des Gefühls aus, die auch einen wirklich poetischen Ausdruck findet.

Noch gibt es nicht wenige andere Episteln in Versen von ihm, theils an Freunde, wie Lupus und Gogo, theils an ihm fern oder ferner Stehende gerichtet, von welchen manche wieder einen panegyrischen Charakter haben; in andern aber tritt die Neigung und Begabung Fortunats zur Naturbeschreibung hervor, der wir ja auch einzelne interessante Schilderungen von seinen Reisen verdanken. So gibt er in einem Briefe an den Bischof Felix (l. III, 9) eine Beschreibung des Frühjahrs, freilich eines in Frankreich, das mit dem Osterfest zusammenfällt: die Natur wird wiedergeboren, indem ihre Gaben zugleich mit ihrem Herrn zurückkehren, – wie auch sonst bei unserm Dichter Frühling und Ostern in Beziehung gesetzt werden S. l. VIII, 11., ebenso als später in der mittelalterlichen Dichtung; so schildert er ferner die Sommerglut und das Verschmachten des durstigen Reisenden in einer Epistel an Lupus (l. VII, 8), so die Strenge des Winters in einer an Radegunde (l. XI, 26; 28); anziehender ist das Landschaftsbild, das er von Metz und seiner Umgegend in dem panegyrischen Briefe an den Bischof dieser Stadt, Villicus (l. III, 13; 14) entwirft.

Eins der bekanntesten Gedichte Fortunats ist wohl seine Moselreise von Metz bis Andernach, die er im Gefolge des austrasischen Königs zu Schiff unternahm, ( De navigio suo , l. X, 9; 10) – ein Seitenstück zu dem Ausonschen Gedichte, dem es freilich in der Darstellung nicht gleichkommt, trotzdem eine Arbeit, die mancher hübsche poetische Zug auszeichnet, und die lebendig die Rebengelände des deutschen Flusses vergegenwärtigt. Nicht minder interessant ist das Gedicht (l. III, 12) auf die Burg des Bischofs von Trier, Nicetius, die auch an der Mosel gelegen war, ein prächtiger Landsitz, der zugleich eine wohl bewehrte Feste war, – auch ein Zeugniss der Zeit, in der 530 es nöthig geworden, so alle Stätten der Kultur zu beschirmen. Die drei zuletzt erwähnten Gedichte sind von Böcking übersetzt und erklärt worden und als Anhang des 7. Bandes der Jahrbücher des Vereins von Alterthumsfreunden im Rheinlande Bonn 1845 erschienen. Noch ist recht erwähnenswerth ein Gedicht auf den Gers in der Gascogne (l. I, 21), worin eine sehr lebendige anschauliche Schilderung, die das malerische Talent des Italieners recht erkennen lässt, von diesem im Sommer ganz ausgetrockneten, zum Sumpfe gewordenen Flusse, welcher aber bei Gewitterregen plötzlich in einen reissenden Strom sich verwandeln kann, gegeben wird. Das Gedicht ist um so anziehender, als es Fortunat in die Form eines humoristischen Panegyricus gekleidet hat. –

Ueber alle seine in Distichen verfassten Gedichte erheben sich aber, gleich merkwürdig in historischer wie in ästhetischer Beziehung, drei Elegien, worin die poetisch-rhetorische Kunst des Romanen der Stärke und Innigkeit des deutschen Gemüths einen vollen Ausdruck zu geben versucht hat. Es sind diese Gedichte Fortunats unter der Inspiration seiner Freundin Radegunde, zwei davon sogar in ihrem Namen, geschrieben. Sie sind zugleich ein schönes Denkmal dieser Freundschaft selbst, deren theilnehmende Herzlichkeit erst dem Dichter es möglich gemacht hat, ein solcher Dolmetscher der innigsten Gefühle eines deutschen Weibes zu werden. Das eine Gedicht, das noch in der Sammlung und zwar im sechsten Buche enthalten ist (5; 7, 370 V.), während die beiden andern ausserhalb derselben von den Handschriften mitgetheilt werden, beklagt das tragische Geschick der westgothischen Königstochter Galsvintha, der Radegundens mitleidsvolles Herz rasch eine mütterliche Liebe geschenkt hatte, als sie Galsvintha bei ihrem Durchzug durch Poitiers kennen lernte. Diese, die ältere Schwester der Brunhilde, war wider ihren Willen mit Chilperich, Sigiberts Bruder, vermählt, und nach einer kurzen unglücklichen Ehe auf Anstiften der Fredegunde nach einem Befehl des Königs selbst ermordet worden. Dieses Schicksal musste ihre mütterliche Freundin um so tiefer rühren, als sie selbst einst in ihrer, ihr auch aufgedrungenen Ehe so viel zu leiden gehabt hatte. – Nach einem Präludium über die Unsicherheit alles Irdischen, schildert uns der Dichter zuerst ausführlich und theilweis 531 wahrhaft ergreifend den Abschied, den Galsvintha von den Ihrigen, namentlich der Mutter, und der Heimath nimmt: wie die Gesandten zur Abreise drängen, Tochter und Mutter sie aufzuschieben suchen, wie die letztere in ihrer Rede an dieselben der ganzen Zärtlichkeit für dieses Kind, das kein anderes ihr ersetzen kann, Ausdruck gibt, wie Galsvintha Toledo, ihrer Vaterstadt, Lebewohl sagt, indem sie, mit dem Wagen auf der Brücke haltend, die Stadt und ihre Thore anredet, die grausam ihr den Weg offen lassen, statt ihn zu verschliessen. – Die Mutter kann sich aber von der Tochter noch nicht trennen, sie begleitet sie noch eine Strecke, die Luft mit ihren Klagen erfüllend; endlich müssen sie sich losreissen – sie nehmen Abschied, die Mutter in einer längern Rede, die trotz aller rhetorischen Kunst manchen wahren poetischen Zug enthält So sogleich der Anfang: Civibus ampla tuis, angusta Hispania matri; und dann die Stelle, welche beginnt v. 149:
        Tu dolor unus eris; quisquis mihi luserit infans,
            Amplexu alterius tu mihi pondus eris.
        Currat, stet, sedeat, fleat, intret et exeat alter,
            Sola meis oculis dulcis imago redis.
, die Tochter, der der Schmerz die Stimme verschliesst, mit wenigen Worten, in welchen sie die Ahnung ihres baldigen Todes ausspricht. Lange blickt ihr die Mutter noch schmerzlich nach. Der Dichter erzählt dann die Reise der Princessin über die Pyrenäen, Narbo, Poitiers, wo er selbst sie auf silbernem Wagen sah, Tours, und von da zu Schiff nach Rouen, wo die Hochzeit stattfindet; er schildert, wie sie die Liebe des Volks rasch gewann, und eine Mutter der Armen wurde, um dann auf ihren unerwarteten Tod überzugehen, dessen Gewaltsamkeit zwar nicht ausgesprochen wird, wohl aber mir angedeutet scheint. Die Klagen der Amme, der Schwester Brunhild, der Mutter – die das Gerücht von dem Tode am frühesten vernimmt, weil sie am meisten sie liebte, – folgen, worauf der Dichter tröstend schliesst, mit der Hinweisung auf die Seligkeit, der die Todte im Himmel sich erfreut.

Wenn diese Elegie sich an die Epitaphien und Trostgedichte Fortunats anreiht, so schliessen sich die beiden andern, wie angedeutet, unmittelbar an seine Episteln an. Die eine, ältere und grössere De excidio Thuringiae (172 V.) In Leo's Ausgabe p. 271 ff. ( Append. carm. 1)., richtet 532 Radegunde, oder vielmehr in deren Namen unser Dichter Nisard geht in seinem Aufsatz Des poésies de Ste. Radegonde attribuées jusqu'ici à Fortunat in der Revue historique T. 37, p. 49 ff. zuerst so weit, zu behaupten, dass Radegunde dies und das folgende Gedicht nicht bloss Fortunat inspirirt, vielmehr beide selbst verfasst habe, indem er allerdings, meines Wissens der erste, unter Bezugnahme auf Gedicht XXXI des Append. nachweist, dass Radegunde auch Verse gemacht und damit ihren Freund Fortunat erfreute. Das in dieser Rücksicht merkwürdige Gedicht Fortunats, welches jedenfalls für das ästhetische Interesse Radegunde's Zeugniss ablegt, und zeigt, wie ihre Beziehungen zu ihm auch auf diesem Grunde ruhten, beginnt:
        In brevibus tabulis mihi carmina magna dedisti
            Quae vacuis ceris reddere mella potes;
        Multipices epulas per gaudia festa ministras
            Sed mihi plus avido sunt tua verba cibus:
        Versiculos mittis placido sermone refectos,
            In quorum dictis pectora nostra ligas.
                                –           –
        Supplico me recolas inter pia verba sororum,
            Verius ut matrem te mea vota probent – –

Dass das Gedicht an Radegunde gerichtet ist, zeigen die zuletzt angeführten Verse offenbar.
an ihren Vetter Amalafried, gleichsam den letzten Stammhalter ihres Geschlechts, den einzigen Sohn Hermanfrieds, des letzten thüringischen Königs. Amalafried war von seiner Mutter, einer ostgothischen Princessin, nach Italien geflüchtet worden; er weilte damals, im Dienst von Byzanz, im fernen Osten. Die schönsten Jugenderinnerungen knüpften Radegunde an ihn; zu dem Knaben hatte das Kind schon eine zärtliche Zuneigung gehabt: auf ihn häuft sie jetzt alle die Liebe zu ihrem Stamm und ihrem Geschlechte. Im Eingang der Elegie gedenkt sie des schrecklichen Tags, wo die stolze Königsburg ihrer Ahnen in Flammen aufging, die mit Gold geschmückten Zinnen im Feuer erglühend, die Frauen mit zerrauften Haaren gefesselt in die Gefangenschaft geschleppt, aus ihren Armen die Kinder gerissen – hatte sie dies doch an sich selbst erlebt! Sie beklagt dann ihre Verlassenheit, dass er, der ihr so theure, fern sei, indem sie ihn an die zusammen verlebte Kindheit erinnert; damals war sie schon ängstlich um ihn, wenn er nur das Haus verlassen; und heute trennt der ganze Erdkreis sie beide. Sie beschwert sich, dass er ihr nicht einmal einen Brief sende, der doch sein Bild ihr vormalen könnte. Wenn das Kloster sie nicht hielte, würde sie hineilen, wo er auch weilte, ihn zu 533 überraschen; sie würde in ihrer Liebe die Stürme des Meeres nicht fürchten, ja, wenn das Fahrzeug scheiterte, selbst schwimmend zu ihm kommen und in seinem Wiedersehen alle Gefahren vergessen; oder, ginge sie dabei unter, so würde er sie doch unter Thränen bestatten, während er bei ihrem Leben ihrer Klagen nicht achte. Hier gedenkt denn Radegunde mit den schmerzlichsten Worten des Todes ihres Bruders, welcher den Vetter hätte aufsuchen wollen, ihr zu Gefallen aber zurückblieb, um den Tod zu erleiden. Und nicht einmal bei seiner Leiche war sie zugegen. – Alles dessen klagt sie sich an, die mit dem Bruder wie zum zweiten Mal Vaterland und Freiheit verlor. Mit einem Gruss an die Schwestern des Vetters schliesst das Gedicht, in dem die Heimaths-, Stammes- und Verwandtenliebe, wie sie nur das Herz eines deutschen Weibes empfinden kann, die Sprache wälscher Rhetorik siegreich durchdringt, den Dichter über sich selbst erhebend.

Aber auch Amalafried wurde Radegunden entrissen. Die andere elegische Epistel derselben (nur 42 Verse) In Leo's Ausgabe p. 278 f. ( App. carm. 3)., an einen ›Neffen‹ Artachis gerichtet (ob ein Sohn des Amalafried oder seiner Schwester?), beklagt auch das Unglück ihres Hauses, insbesondere aber den Tod des Amalafried: wie schon Ampère bemerkt, ist hier der Ausdruck ein gefassterer, weniger leidenschaftlicher, aber von einer tiefen Innigkeit. Artachis, bittet sie am Schluss, soll ihr nun den lieben Verwandten ersetzen.

Wie wir in diesen Elegien unter dem Einfluss des tiefen germanischen Gemüthslebens die Dichtung des Romanen einen neuen Aufschwung nehmen sehen, so zeigt sich dagegen die ganze begeisternde Kraft, welche das Christenthum auf sie auszuüben vermochte, in einer Anzahl Hymnen unsers Dichters, von welchen ein paar zu den besten und berühmtesten des Abendlandes gehören. Sie sind nur zum Theil in der Form der ambrosianischen verfasst, nämlich das weltbekannte Passionslied: Vexilla regis prodeunt und das Marienlied Quem terra pontus aethera , wenn dies von Fortunat gedichtet ist. Die Frage der Authenticität dieses Gedichts ist bislang noch gar nicht erörtert worden, auch nicht von Mone, obgleich das Gedicht in den Handschriften des Fortunat sich nicht findet. Ihre Entscheidung hängt wesentlich mit der Frage der Echtheit der früher oben S. 523 erwähnten Dichtung auf die Jungfrau zusammen. Wie man nämlich noch gar nicht bemerkt hat, zeigt sich zwischen dieser Dichtung und dem Hymnus eine solche Uebereinstimmung, dass man beide als das Werk eines Verfassers betrachten muss, da man an eine Entlehnung von Seiten eines andern hier nicht wohl denken kann. Man vgl. nur z. B. v. 3: Trinam regentem machinam und v. 15: Mundum pugillo continens mit v. 141: Cuius mundi uno est haec machina tecta pugillo (ed. Leo p. 374) der Dichtung. Weil der Hymnus ein Marienlied ist, ist die Frage der Authenticität von einiger Wichtigkeit. – Der sehr unbedeutende Hymnus auf die Geburt Christi › Agnoscat omne seculum Venisse vitae praemium‹ (Daniel l. l. I, p. 159), welcher auch in den Mss. Fortunats sich nicht findet, gehört ihm aber sicher nicht an, wie schon die metrischen Fehler zeigen (Hiatus, Spondäus im zweiten Fuss). Es erklärt sich auch leicht, warum man dies Gedicht dem Fortunat beilegte, nämlich weil der erste Vers dem Anfang des Hymnus auf Leontius (s. weiter unten) entlehnt, oder wenigstens identisch mit demselben ist. 534 Aus dem letztern Hymnus hat die Kirche, indem sie ihn theilte, zwei Lieder gewonnen. S. dieselben bei Mone II, p. 128 f. Das eine umfasst die ersten fünf, das andere die übrigen drei Strophen. Das andere berühmte Passionslied Fortunats, Pange lingua gloriosi proelium certaminis , ist dagegen, wie dieser Anfang zeigt, in dem Versmass der römischen Soldatenlieder, dem trochäischen Tetrameter cat., verfasst, der, wie in den zwei Hymnen des Prudentius S. oben S. 258 und 262., zu dreizeiligen Strophen verbunden erscheint; und offenbar ist auch von Fortunat dieses Versmass mit Bedacht gewählt worden, sein Lied soll ja, wie sogleich der Eingang ausspricht, ein Triumphlied sein, wie jene Soldatenlieder den Sieg in einem Kampfe feiern. Man erinnere sich auch des zweiten Verses: Et super crucis trophaeo dic triumphum nobilem. Wie dieser Hymnus mit einer schönen Apostrophirung an das Kreuz endigt, den edlen Baum, der seine Zweige unter den Gliedern des höchsten Königs sanft beugen soll, und wie auch in dem zuerst genannten Passionslied dieser ›Baum‹ verherrlicht wird, so ist seinem Preise auch noch ein besonderer Hymnus von Fortunat gewidmet, indem die Anregung zu alle dem wohl das Geschenk gab, das der Kaiser Justinus Radegunden mit einem Stück des heiligen Kreuzes machte Für dies Geschenk dankte Fortunat im Auftrag Radegundens dem Kaiser und seiner Gemahlin in einem längeren Gedichte in Distichen. Gregor von Tours berichtet Hist. Franc. IX, c. 40, mit welcher Feierlichkeit diese und andere Reliquien in das Kloster eingeführt wurden., von welcher in den Augen jener Zeit so kostbaren Reliquie das Kloster der Radegunde selbst den Namen erhielt. Der Hymnus auf das heilige Kreuz 535 (l. II, 1) ist aber in Distichen geschrieben, er schliesst mit dem schönen Bilde, dass eine Rebe die Arme dieses Baumes umrankt, ›aus welcher süsse Weine von blutigem Roth fliessen‹. Noch ist endlich von der Kirche aus der oben S. 529 erwähnten Epistel Fortunats an den Bischof Felix das Material zu einem Hymnus genommen, in den schönen Distichen, die sich auf das Osterfest beziehen. S. Daniel, l. l. p. 169 f. Andere, von den früheren Herausgebern seinen Werken eingeschaltete Hymnen sind entweder gar nicht, oder ganz ungenügend als Schöpfungen Fortunats beglaubigt, den meisten erscheint überdem ihre Unechtheit schon auf die Stirn geschrieben.

Nicht bloss Innigkeit des Gefühls, sondern auch der Glanz neuer und schöner Bilder zeichnet die kirchlichen Hymnen Fortunats aus. Neben ihnen und insbesondere den ambrosianischen erscheint als ein höchst merkwürdiges Pendant zu den letztern und in ihrer Form ein alphabetischer Hymnus Fortunats auf die unerwartete Rückkehr des Bischofs Leontius (l. I, 16). Dieser bisher gar nicht beachtete Hymnus ist aber deshalb so merkwürdig, weil er bereits zeigt, wie diese kirchliche Hymnenpoesie das Muster einer weltlichen und zwar volksmässigen Dichtung wurde, die, wie in der Form der kirchlichen abgefasst, so auch in ihrer Weise gesungen wurde. Obschon nämlich dieses Lied einem Bischof gewidmet ist, so hat es doch einen ganz weltlichen Charakter; es gibt nicht bloss der Freude der Bürger und Fortunats selber über die Rückkehr Ausdruck, sondern es straft auch in seiner ersten Hälfte einen ehrgeizigen Priester ab, der sich des Bischofsstuhls in der Abwesenheit des Leontius hatte bemächtigen wollen, und das Gerücht von seinem Tode verbreitet hatte. Es ist in einem so volksthümlichen Tone gehalten, dass man an Prudentius' Hymne auf Laurentius erinnert wird, die ja auch in demselben Versmass ist. Der volksmässige Charakter des letztern wird hier aber noch wesentlich durch den Reim verstärkt, der sich in eben solcher Fülle und in derselben Art als in dem alphabetischen Hymnus des Sedulius einstellt. Die Einreimigkeit der Strophe findet sich sechsmal (worunter allerdings zweimal mit blosser Assonanz), sonst ein dreifacher Reim gar häufig, oder auch Reimpaare; nur in sehr wenigen Strophen gar kein Reim. Ein überschlagender Reim, wie in Str. Q, ist auch hier eine seltene Ausnahme. – Die beiden 536 andern ambrosianischen Hymnen des Fortunat sind auch reich an Reimen, nur dass in ihnen mehr der gepaarte Reim vorherrscht. In der Passionshymne ( Vexilla regis ) macht im Eingang der Reim noch eine ganz besondere Wirkung, indem die erste Strophe die Reime u und o, die zweite den Reim a, die dritte den Reim e hat, in dieser Stufenfolge von den geschlossenen dunklen zu den offenen und hellen Vocalen. – In den in den andern Versmassen als dem Dimeter iambicus verfassten Hymnen erscheint dagegen der Reim, was wohl beachtenswerth ist, nur ganz ausnahmsweise. Dass in allen diesen Liedern ebenso wie in den andern Gedichten Fortunats die Quantität beobachtet ist, sei noch ausdrücklich hier erwähnt.

Merkwürdig bleibt, dass trotz der lyrischen Anlage, die unser Dichter in seinen Hymnen, Elegien und auch sonst zerstreut zeigt, er in den kunstvollen lyrischen Metren der Alten nur ein einzig Mal sich versucht hat, und im eigentlichen Sinne des Wortes, indem er auf den besondern Wunsch Gregors von Tours ein Gedicht an ihn in sapphischer Strophe verfasst hat, worin er sich unfähig für eine solche Lyrik erklärt.         Exigens nuper nova me movere
        Metra quae Sappho cecinit decenter,
                        –         –
        Cur mihi iniungis lyricos melodes,
        Voce qui rauca modo vix susurro?
        Eloqui chordis mea dextra nescit
        Pollice dulci.
(l. IX, 7.)
Dagegen fand der Gelegenheitspoet ein Vergnügen daran, die künstlichsten Bilderacrosticha zu construiren zur Darstellung des Kreuzes l. II, 4 u. 5, beide in Hexametern; vielleicht sind sie in archäologischer Beziehung von Interesse. Dazu kommt noch ein anderes solches Kunstwerk l. V, c. 6, das er selbst in einem vorausgehenden Briefe an den Bischof, der damit beehrt wurde, erklärt., wie er auch sonst Versspielereien nicht verschmähte. So findet sich die Epanalepsis, oder auch einmal (l. V, 12; 15) ein solcher Pentameter: Culmen honore tuo, lumen amore meo. Die Alliteration, die aber höher zu stellen ist, erscheint auch nicht selten; so gleich in dem ersten Gedicht v. 3, wo sie freilich auch zur blossen Spielerei geworden: Cum te Vitalem voluit vocitare vetustas; eine andere Bedeutung hat sie im 3. V. der Passionshymne: Quo carne carnis conditor. –Vgl. auch den Index rei metricae in Leo's Ausgabe p. 422.

Noch hat Fortunat ein grösseres episches Gedicht verfasst, das sich ausserhalb der elf Bücher seiner Dichtungen findet: es 537 sind die vier Bücher De vita Martini in Hexametern, worin er nach dem Vorgang des Paulinus von Périgueux die den heiligen Martin betreffenden Werke des Sulp. Severus bearbeitet hat, in den beiden ersten Büchern die Vita, in den beiden andern die Dialoge. Und zwar folgt er in l. I (513 V.) der Vita des Sulpicius bis gegen Ende des 18. Kapitels, während l. II (490 V.) von da an bis zum Schlusse derselben geht; l. III (528 V.) aber entspricht dem ersten Dialog, soweit er sich auf den Heiligen bezieht, l. IV (712 V.) dem zweiten. Aus einer Praefatio in Distichen, die an Agnes und Radegunde gerichtet ist, erfahren wir, dass der Dichter nur durch ein Gelübde gezwungen, das schwierige Unternehmen gewagt habe, indem er sich hier mit einem unerfahrenen Schiffer auf stürmischem Meere vergleicht, ein Bild, das er festhält, um es auch im Eingang der folgenden Bücher zu verwerthen. Vielen Fleiss verwandte er indessen nicht auf die Lösung seines Gelübdes, da er das Werk, wie er in einem ihm vorausgehenden Schreiben an Gregor sagt, binnen zwei Monaten absolvirte. Ebendort bezeichnet er auch Severus' Schriften als seine Quelle, während er dagegen von der Dichtung des Paulin nichts sagt. Und doch hat er auch diese mannichfach benutzt, indem er zuweilen Gedanken oder Ausdruck ihr entlehnt. Vgl. z. B. Fortunat l. I, v. 66, und Paulin l. I, v. 107, Fortunat l. l. v. 68 und Paulin l. l. v. 140, oder Fortunat l. l. v. 99: Ne timeam timidum (sic) timor est Deus arma timentum und Paulin l. l. v. 225 f.: metuens Dominum contemno periclum. Ne timeam timor ille facit. Bei Severus V. M. c. 5 findet sich dieser Gedanke nicht. Auch das oben bemerkte Bild von dem Meere ist dem Paulin entlehnt. Allerdings ist im allgemeinen sein Verfahren in der Bearbeitung des Severus ein ganz anderes. Während Paulin in der Erzählung den Zusammenhang sorgfältig wahrt, mitunter selbst die einzelnen frommen Anekdoten noch verkettet, wie und wo dies bei Severus selbst nicht der Fall ist, so werden dagegen von Fortunat die verbindenden Zwischenglieder der Erzählung des Severus weggelassen, um nur die einzelnen Wunderthaten eine nach der andern unverbunden vorzuführen, in ganz ähnlicher Weise als Sedulius und Arator in ihren Dichtungen verfahren, und als Fortunat selber in seinen Panegyrici auf Heilige Vgl. oben S. 523. und seinen Prosalegenden. Es kommt ihm nicht mehr darauf an, eine Lebensgeschichte zu geben, sondern nur die frommen Handlungen und Mirakel seines Helden zu 538 verzeichnen – womit er auch ohne weiteres beginnt –, indem er in dieser Beziehung sich mehr die Dialoge des Severus, als die Vita zum Vorbild nimmt. Ja, Fortunat setzt öfters eine Kenntniss des Severus voraus, wie Sedulius des Evangeliums, da ohne jene einzelnes in seinem Gedicht unverständlich oder doch unklar bleibt. Hiermit hängt zusammen, dass, während Paulin, wie wir sahen (s. oben S. 404), die Vorlage weiter ausführt, Fortunat dagegen auch in der Darstellung eine abbreviirende Tendenz hat; seine Dichtung zählt auch um ein Drittel Verse weniger als die ersten fünf Bücher des Paulin, die ihr stofflich entsprechen.

Von besonderm Interesse sind in dieser Dichtung Fortunats ein paar ganz originelle Partien: sogleich der Eingang des ersten Buchs, wo der Autor seiner Vorgänger auf diesem Gebiete der christlichen epischen Dichtung gedenkt, des Iuvencus, Sedulius, Orientius und als Sängers der Märtyrer, des Prudentius, dann hier auch des Paulinus von Périgueux, Arator und Avitus, um darauf von sich selbst, seinen Anlagen und Studien, mit übertriebener Bescheidenheit zu reden; eine Ergänzung zu diesen Daten seiner Lebensgeschichte bietet hernach die Schlusspartie der Dichtung. Hier apostrophirt Fortunat, nach einem langen Preise der Tugenden Martins und einer Bitte um dessen Fürsprache, sein Buch selbst (l. IV, 629 ff.), indem er es an seine Freunde in der Heimath entsendet, und ihm den Weg weist, den es nehmen soll: dieser ist nun offenbar derselbe, den er selbst einst von Italien nach Poitiers eingeschlagen, zumal die Route in den Hauptangaben mit den allgemeinern, die er in der oben S. 520 (Anm. 1) erwähnten Zuschrift an Gregor gibt, vollkommen übereinstimmt. Der Dichter gedenkt bei dieser Gelegenheit auch seiner Heilung von dem Augenübel in Ravenna (v. 694 ff.). Vielleicht war dafür die Dichtung selbst noch ein Opfer der Dankbarkeit. Zugleich soll sie aber, wie der Schluss ausspricht, auch den Freunden den Stoff liefern, den heiligen Martin zu besingen, dessen Ruhm freilich keiner Dichtungen mehr bedürfe. Fortunat hatte indessen selbst die Absicht, mit solchen fortzufahren, und ähnlich wie sein Vorgänger sein Werk zu erweitern, indem er auch ›was Gregor von Martins Tugenden geschrieben‹ in Versen bearbeiten wollte, wie er ihn denn um Zusendung desselben in dem der Dichtung vorausgehenden Schreiben bittet.

539 Auch was die Diction, den Stil betrifft, so unterscheidet sich Fortunats Gedicht wesentlich von dem des Paulinus. So anspruchslos die Erzählung des letztern ist, so prätentiös ist die Ausdrucksweise des erstern. Fortunat hat hier zu Ehren seines Schutzpatrons alle Künste seiner poetischen Rhetorik aufgeboten, die seiner Zeit gewiss ungemein imponirten: Metaphern, Bilder und Vergleichungen, bis zum Schwulst übertrieben, Antithesen und Wortspielereien aller Art, oft durch Alliteration verstärkt u. s. w. Auch der leoninische Reim accompagnirt zuweilen. Vgl. oben S. 537, Anm. 1. Ein paar andere Beispiele der rhetorischen Künste l. I, v. 84: Atque suus praedo Martini praeda fit ultro, oder l. l., v. 103: – – sic umbra fugit, quam Christus obumbrat, oder l. l., v. 154, wo es von dem Asketen heisst: Et vivente viro intra se sua mortua mors est u. dergl. So wenig diese Künste auch, zumal in ihrer Häufung, vor dem Urtheil eines lautern Geschmackes bestehen, so lässt sich doch nicht leugnen, dass sie der Darstellung unsers Autors eine Lebendigkeit und einen pikanten Reiz verleihen, wodurch der bekannte Stoff eine neue Anziehung erhielt.

Ueberhaupt – wenn wir hier einen Blick auf die dichterische Production Fortunats zurückwerfen – ist nicht zu verkennen, und zeigt sich selbst in jenen Künsteleien, dass dieser Autor kein geringes poetisches Formtalent besass und dem entsprechend auch ein wahres Bedürfniss dichterischen Ausdrucks hatte. Aber Ernst der Gesinnung und geistige Tiefe fehlten diesem liebenswürdigen Lebemann auch als er den Chorrock angezogen, oder sie fanden sich nur ausnahmsweise unter dem Einfluss Radegundens ein. Auch der Mangel einer literarisch höher gebildeten Umgebung, den er selbst beklagt, liess ihn, den überall nur angestaunten Poeten, sein formales Talent um so leichtfertiger zu seinem Nutzen verwerthen. Aber durch die grosse Zahl seiner Gedichte, die als Gelegenheitsgedichte und Episteln nach allen Richtungen Galliens hin sich ergossen, hat er an diesem Spätabend der antiken literarischen Kultur den Samen eines ästhetischen Interesses ausgestreut, wo keins mehr gepflegt wurde. Seine Wirkung reicht nicht bloss auf die angelsächsischen, sondern auch bis auf die karolingischen Dichter. Die Bevorzugung, die das Distichon bei diesen findet, ist offenbar seinem Einfluss zuzuschreiben.

540 Fortunat hat auch Heiligenleben in Prosa verfasst. Doch sind von den unter seinem Namen überlieferten nur einige in der That ihm zuzuschreiben. Zu den authentischen Gregor von Tours, De gloria confess. c. 94, bezeugt schon, dass Fortunat ein Leben des heil. Albinus geschrieben; die Handschrift des Escurial, die Krusch zuerst in seiner Ausgabe benutzte, enthält nun auch die Widmung unter Fortunats Namen, der in einem seiner Gedichte (l. XI, 25) auch des Besuchs des Domitian zum Feste des Albinus gedenkt. Vgl. Krusch, Prooem. p. XII f. gehört die Vita des Bischofs von Angers, Albinus Opp. pedestr. ed. Krusch p. 27 ff.. Es ist die erste, welche er verfasste. quod a me infra doctorum vestigia latitante res alta requireretur, quem ad scribendi seriem nec natura profluum, nec litteratura facundum, nec ipse usquequaque usus reddit expeditum – – Vita Alb. c. 4. – Vielleicht meint Fortunat damit selbst seinen ersten Versuch in der Prosaliteratur überhaupt. Er schrieb sie auf den Wunsch des heil. Domitian, dem er auch die Vita gewidmet hat. Hier wird denn auch im Eingang als die Tendenz dieser Vitae bezeichnet, dass sie ›zur Erbauung des Volks‹ verfasst sein sollen, damit dasselbe das an dem Heiligen zu Bewundernde verehre und an seinen Tugenden durch Vergleichung die eigenen Fehler erkenne. In der Ausführung aber tritt auch in Fortunats Heiligenleben die moralische Absicht hinter der andern weit zurück. – Zu der Vita des Albinus, der schon vor des Autors Ankunft in Gallien, 560 gestorben war, wurde demselben das Material von einem andern, selbst literarisch gebildeten, geliefert. Ebenso gründet sich das auf den Wunsch des heiligen Germanus verfasste Leben Für die Autorschaft des Fortunat spricht so viel, dass ich nicht daran zweifle, namentlich die Stelle des Prologs: › inter Gallicanos cothumos ita lippata vilitas‹, wo statt dieser unsinnigen Worte › Itali Patavinitas‹ zu lesen ist, dann die › munera Marcelli‹ in dem Gedicht No. 19, v. 15 bei Guérard, bei Leo Append. 22, p. 287. Auch Krusch, der neuste Herausgeber (Prooem. p. XX), stimmt mir bei, indem er noch einen andern Grund für Fortunats Autorschaft geltend macht. S. die Vita bei ihm p. 49 ff. eines frühen Vorgängers von diesem auf dem Bischofssitz von Paris, Marcellus, der noch ein Zeitgenosse des heiligen Martin war, auf schriftliche Ueberlieferung; und dasselbe gilt von der Vita des heiligen Hilarius von Poitiers Opp. pedestr. ed. l. p. 1 ff. Ueber die Authenticität der Vita siehe Krusch, Prooem. p. I ff, wahrend die Autorschaft des liber de virtut. durch die Widmung selbst bezeugt wird., die Fortunat hauptsächlich auf Grund der Werke des Sulpicius Severus verfasst 541 hat, der er indess selbständig ein liber de virtutibus (d. h. miraculis) des Heiligen hinzufügte. Auf mündliche Ueberlieferung wird dagegen wohl zurückgehen ein Leben des Bischofs von Avranches, Paternus († 563) Opp. pedestr. ed. l. p. 33 ff., das er auf den Wunsch eines Abts (wohl von einem von dem Bischof gegründeten Kloster) Martianus schrieb. Zwei Vitae aber hat Fortunat verfasst, deren Helden er persönlich gekannt und auch bei Lebzeiten in seinen Gedichten gefeiert: es sind der heilige Germanus, als dessen Biograph Gregor Hist. Franc. l. V, c. 8. S. die Vita Opp. pedestr. ed. l. p. 11 ff. wieder ihn nennt, und seine Freundin Radegunde. Opp. pedestr. ed. l. p. 38 ff. Am interessantesten ist das Leben der letztern, weil wir hier doch etwas mehr als blosse Mirakel erfahren, wenn auch des persönlichen Verhältnisses Fortunats zu der Heiligen merkwürdiger Weise gar nicht gedacht wird. Im allgemeinen nämlich geben diese Vitae, ganz entsprechend den correspondirenden Gedichten Fortunats, wie ich bei denselben schon bemerkte, fast nur eine Liste der Wunderthaten der Heiligen, welche sehr wenig Abwechselung bieten: die Krankenheilungen des einen Heiligen gleichen meist nicht bloss sich unter einander vollkommen, sondern auch denen des andern. Bemerkenswerth ist, dass die Heilung von Augenübeln fast überall wiederkehrt, offenbar weil der Apostel Frankreichs, Martin, ein Augenarzt gewesen. Noch sei aufmerksam gemacht auf die mannichfachen Geschichten von einem göttlichen Strafgericht, das solche trifft, die die Priester beleidigen. So finden sich unter all den frommen Anekdoten im allgemeinen wenig interessante und viele ganz läppische Geschichten, während von einer Charakterentwickelung des Heiligen gar nicht, von seinen wahren Tugenden sehr wenig die Rede ist. Man sieht, wie die Legende schon herabgekommen ist. Es ist daher nicht bloss in Bezug auf historische Thatsachen, sondern auch in Bezug auf die Kulturgeschichte jener Zeit überhaupt aus den meisten wenig zu gewinnen. Das Leben der Radegunde macht in diesen Beziehungen eben eine Ausnahme. Der Stil ist, abgesehen von den das Vorwort bildenden Eingängen, im allgemeinen einfach, wie ja auch Fortunat in dem Prolog zu der Vita Albini eine dem Volke verständliche Ausdrucksweise zur Pflicht macht. Die Erfüllung dieser Pflicht musste ihm vielleicht schwerer, als 542 man denkt, fallen, wenn man den entsetzlichen Schwulst in Betracht zieht, der sich in der Prosa seiner Prologe und namentlich seiner zwischen seinen Gedichten zerstreuten Briefe spreizt – ein Schwulst, den man damals offenbar für die höchste Eleganz erachtete.

 


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