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Elftes Kapitel.
Schon ein Versuch

»Ich mag meine Zustimmung nicht dazu geben, daß diese Frau noch länger gehetzt wird.«

Es war Charles Matthewson, der dieses sagte, als er in der Bibliothek zu Waterville seinem Bruder gegenüberstand. Es war schon lange her, daß Charles in so entschiedenem Tone zu Henry gesprochen hatte, und der letztere sah halb belustigt, halb ärgerlich auf mit einem widerwärtigen Ausdruck im Gesicht.

»Du bist ja plötzlich sehr eingenommen von dieser – Frau! Um deinen höflichen Ausdruck zu brauchen,« sagte er.

»Durchaus nicht! Nicht im entferntesten,« erwiderte der andre hitzig. »Aber ich weiß – ebenso gut wie auch du – daß sie und ihr Unglück absolut gar nichts mit diesem Morde zu schaffen haben, und ich weiß, – ebenso wie auch du – daß es ein feiges Stück ist, wenn Männer sich dazu hergeben, eine Frau zugrunde zu hetzen, bloß weil sie das Recht dazu haben.«

Henry pfiff leise vor sich hin.

»Wer in aller Welt hat auf dich eingeredet? Du bist plötzlich wie umgewandelt in deiner Ansicht über das – Unglück dieser – Frau!« Es lag ein häßlicher Stich in dem letzten Wort. »Eine Zeitlang nanntest du die Sache bei einem andern Namen.«

»Ganz gleich! Cranston muß jedenfalls von diesem Teil seiner Aufgabe abberufen werden, und zwar so schnell wie irgend möglich.«

»Aber Frank Hunter ist sehr auf diesen Punkt bedacht. Er scheint Grund zu haben, ihn für wichtig anzusehen,« erwiderte Henry.

»Bloß weil er glaubt, durch eine solche Sensation die Aufmerksamkeit der Leute von den seinem Hause naheliegenden Dingen ablenken zu können. Ihm liegt bloß daran, eine Staubwolke aufzuwirbeln, damit er in ihrem Schutz wegen der Papiere unterhandeln kann.«

»Du hast wohl gar kein Interesse mehr für die Papiere?« fragte Henry.

»Interesse oder nicht – ich bin jedenfalls nicht willens, noch länger einem Unterrock nachzuschleichen. Es ist schon eine Schande, daß ich es bisher tat.«

»Guter Junge,« sagte Henry und machte eine Bewegung, als wolle er ihm auf die Schulter klopfen. »Ich frage abermals, wer hat dein Gewissen aufgestachelt?«

»Unsre Mutter,« sagte Charles einfach.

Henry hielt in seiner Bewegung inne, und ein neuer Ausdruck glitt über sein Gesicht.

»Hält sie es für unmännlich?« fragte er.

»Sie hält es für feige und gemein,« sagte Charles scharf.

Henrys Antlitz nahm bei diesen verletzenden Worten keineswegs einen zornmütigen Ausdruck an, sondern eher den eines gescholtenen Kindes.

»Ich glaube, sie hat recht, Charles,« sagte er. »Ich glaube, sie hat recht. Ich hatte vorher nicht daran gedacht, aber es ist wirklich feige und gemein. Ich werde Cranston sofort abberufen.«

»Und Hunter?« fragte nun Charles seinerseits.

»Er wird schon sonst was finden, das sich als Staubwolke eignet, oder er kann auch offen hervortreten und vor aller Welt fechten; hinter dem Unterrock eines Weibes soll er es jedenfalls nicht länger tun. Ich wollte, wir hätten damit überhaupt nicht angefangen.«

»Ich gäbe mehr darum, als ich sagen kann,« versetzte Charles, voller Bitterkeit über die Schande, die er in seinem Herzen verborgen trug und nicht verraten durfte.

»Ja,« sagte Henry, »zu denken, daß Mutter unsre Handlungsweise gemein und feige nennen würde! Ich hätte eher die alten Papiere –« Er brach kurz ab.

»Hör mal, ist dir je der Gedanke in den Sinn gekommen, daß die Papiere vielleicht mit dem Tode Wings in Verbindung stehen?« fragte Charles.

»Pst, still,« rief Henry rauh. »Es gibt Dinge, die man nicht einmal denken darf, geschweige denn sagen!«

»Aber es gibt auch Dinge,« erwiderte Charles, »über die man denken und vielleicht auch sprechen muß. Ich sage dir, ich bin gar nicht so sicher darüber, ob ich nicht selber Wing erschossen hätte, um in den Besitz der Papiere zu gelangen.«

»Jawohl, und wenn du fortfährst, das zu verkünden, dann wirst du wohl schließlich selbst der Täter gewesen sein,« antwortete Henry bitter. »Ich würde mich nicht getrauen, solche Gedanken zu denken, wie du sie aussprichst.«

»Aber Henry, denke doch, denke nur …«

»Ich will nicht,« schrie der andre in wilder Leidenschaft. »Ich will nicht denken und verbiete dir, mir das vorzuschreiben. Der Mann ist tot, und nur Gott weiß, in wessen Hände die Papiere gefallen sind. Es gibt nur eins, worauf ich meine Gedanken gerichtet halte – woran ich die ganze Zeit über gedacht habe,« und seine Stimme senkte sich, während er ängstlich über die Schulter blickte, als fürchte er sich selbst vor den Wänden seiner Bibliothek, »und das ist, daß es besser wäre, wenn jene Papiere sich noch in Wings Händen befänden, als wie es jetzt ist, wo sie in den Händen irgend eines sind, den wir nicht kennen und der sie zu einem Zweck einbehält, den wir ebenfalls nicht kennen.«

Charles wurde bleicher, als Henry es je an ihm bemerkt hatte. Schweratmend klammerte er sich an seinen Bruder, als er erwiderte: »Das heißt, du befürchtest ebenso wie ich, daß die Papiere mit dem Tode Wings in Verbindung stehen, und du versuchtest es, dich selbst zum Gegenteil zu überreden. Vor einem Monat hättest du vor Freude einen Luftsprung gemacht, wenn dir jemand gesagt hätte, daß ein andrer – ganz gleich, wer – die Papiere genommen habe. Und heute willst du mir weismachen, daß du die Gefahr dadurch für gewachsen hieltest. Ich denke, du weißt es besser, nicht wahr? Mir ist es gleich, in wessen Händen sich die Papiere befinden; wir sind jetzt sicherer als zuvor, da Wing sie hatte. Denn jetzt ist das Ganze bloß noch eine Geldfrage.«

»So? Und warum bekommen wir denn von dem Betreffenden, der die Papiere hat, gar nichts zu hören?«

»Warum nicht?« höhnte Charles. »Es ist wohl das sicherste Ding von der Welt, jetzt kurz nach dem Tode Wings seine Papiere zum Kauf anzubieten?«

»Gut! Aber wie nun, wenn der Betreffende, der sie erlangt hat, mittlerweile Abschriften davon macht?« sprach Henry dagegen.

»Ach, laß mich aus mit all diesen verwünschten Gedanken!« schrie Charles wütend.

Henry Matthewson beauftragte Cranston unverzüglich, die Bangorsache fallen zu lassen, und sandte zu Frank Hunter, ihn um eine Unterredung bittend. Der letztere kam früh des Abends, unruhig, rastlos und reizbar. Und seine Stimmung wurde keineswegs besser, als er hörte, was geschehen war.

»Das ist ebensogut, wie ihn nach Millbank schicken und dort dafür sorgen lassen, daß die Erregung erhalten bleibt,« sagte er. »Mir scheint, daß dort Trafford schon genug in dieser Hinsicht leistet.«

»Wissen Sie,« fragte Henry, ohne sich um das seinem Bruder gemachte Zugeständnis zu kümmern, »wissen Sie, wer unter den obwaltenden Umständen den größten Nutzen vom Tode Wings haben dürfte?«

»Wir haben ihn,« sagte Hunter kalt. »Glauben Sie, ich hätte mich je gescheut, das anzuerkennen? Das gibt's bei mir nicht.«

»Dann wollen Sie also sagen, Sie hätten von Anfang an das Bewußtsein gehabt, daß die Leute beim Suchen nach einem Motiv ihren Argwohn auch auf uns gerichtet haben?«

»Ja, das gerade will ich sagen,« erwiderte Hunter, »und wenn wir nicht etwas herausklauben können, was der Öffentlichkeit zeigt, daß außer uns noch sonst jemand in derselben Klemme steckte wie wir, dann kann es uns sogar arg an den Kragen gehen!«

Nun verriet Matthewsons Aussehen, daß er sich unruhig fühlte. Zum Überfluß geboren, in Reichtum aufgewachsen, zu großem Ehrgeiz erzogen, hatte er es für einen jungen Mann weit gebracht und faßte es geradezu als ein Elend auf, daß er sich in seinem eigenen Hause auf solche Gefahren aufmerksam machen lassen mußte.

»Ich glaube freilich nicht,« fuhr Hunter fort, »daß wir in Gefahr schweben, des Mordes überführt oder auch nur deswegen verhaftet zu werden. Aber um wieviel besser sind wir daran, wenn die Öffentlichkeit den Verdacht gegen uns richtet, wir hätten am Tode Wings Interesse gehabt und ihn angestiftet? Die Öffentlichkeit ist von viehischer Unvernunft. Einen deutlichen Beweis dafür bildet der arme Oldbeg.«

»Der arme Oldbeg!« wiederholte Matthewson mit Spott. »Warum zum Teufel sind Sie mit einem Male für Oldbeg eingenommen?«

»Ihr Bruder Charles ist es ja noch mehr,« sagte Hunter. »Er behauptet, daß der Mann unschuldig sei, daß auch nicht eine Spur von Beweis gegen ihn vorliege, und will nicht dulden, daß durch die unsinnigen Einfälle des Volkes ein solches Unrecht verübt wird, und in der Tat, wenn ich daran denke, daß jeden Augenblick auch an uns die Reihe kommen kann, fällt es mir schwer, ihm mein Mitgefühl zu versagen.«

Er ahnte, während er sprach, nicht, daß vor dem Fenster desselben Zimmers ein Mann, der ihm von Millbank gefolgt war, im Busch versteckt lauschte und seine Bewegungen überwachte. Wohl konnte er weder etwas sehen noch hören, aber Stunde für Stunde hielt er mit hartnäckiger Geduld auf seinem Posten aus. Hätte Hunter gewußt, wie scharf er verfolgt und überwacht wurde, so würde er gewiß noch unruhiger und verstörter ausgesehen haben.

»Wie ist das eigentlich mit der neuen Leiche, die man bei Millbank gefunden hat?« fragte Matthewson.

»Bloß ein ertrunkener Holzfäller. Keiner kennt ihn, und er ist ganz zeremonielos begraben worden. Zu andern Zeiten hätte niemand davon Notiz genommen, denn in jedem Frühjahr werden im Flusse ein paar Leute aufgefunden, aber jetzt leben wir überhaupt von den Sensationen des Tages, und daß Trafford mit dabei gewesen ist und fast der Erste auf der Fundstelle war, erhöht natürlich das Interesse.«

»War es nicht einer von Traffords Leuten, der ihn fand?«

»So heißt es, ja.«

»Hat er denn danach suchen lassen oder nach sonst etwas anderm?« fragte Matthewson beharrlich.

»Wie meinen Sie?«

»Nun, warum hätte Trafford Leute aussenden sollen, den untern Lauf des Flusses abzusuchen, wenn er dort nicht etwas zu finden erwartete? Ist jemand verschwunden? Sie sagen, ein einfacher Holzfäller. Was aber mag Trafford sagen?«

»Ich glaube, Sie sehen jetzt Gespenster, so oft Sie sich umdrehen,« sagte Hunter ungeduldig.

»‹ Das Gewissen macht uns alle zu Feiglingen,›« zitierte Matthewson. »Und es ist mir sehr peinlich, in solcher Lage zu sitzen. Ich wage nicht den kleinsten Schritt zur Auffindung der Papiere zu unternehmen, aus Furcht, mich dadurch selbst der Beteiligung am Morde Wings verdächtig zu machen. Und anderseits wage ich auch nicht, die Papiere in jenen unbekannten Händen zu lassen, in denen sie sich jetzt befinden, damit sie nicht genau denselben Verdacht erregen. Ja, es ist wirklich eine feine Lage, in der wir uns befinden!« –

Nun hatte Trafford zwei Mordfälle statt eines zu behandeln. Und die Überzeugung, daß er, wenn er den Urheber des einen Falles gefunden, damit auch gleich den des zweiten festgestellt haben würde, verdoppelte seinen Eifer. Er kam und ging, verschwand für eine Weile und erschien dann wieder ganz unerwartet wie ein unruhiger Geist, der keinen Frieden findet. Und während der mittlerweile verstreichenden Zeit begann die allgemeine Erregung abzuflauen und dem Spott und Hohn Platz zu machen, mit dem man Polizei und Detektivs übergoß. Trafford war es sehr angenehm, daß der zweite Fall die Öffentlichkeit nicht weiter erregte; er, der allein Kenntnis hatte von dem mißlungenen Mordanschlag auf sein Leben, hatte dieses Geschick über den armen Burschen gebracht, der selbst zum Mörder ausersehen gewesen war.

Aber anderseits mußte er erkennen, daß auch er nicht aufgehört hatte, jenen Unbekannten zu interessieren. Als er eines Abends in sein Hotelzimmer zurückkehrte, fand er zu seinem nicht geringen Erstaunen, daß es während seiner Abwesenheit betreten und daß eine genaue Durchsuchung all seiner Papiere und seines Gepäcks vorgenommen worden war. Sein erster Entschluß war, sich bei dem Wirt zu beschweren, aber dieser Gedanke schwand ebenso schnell, wie er gekommen war, und er beschloß, sich den Anschein zu geben, als habe er nichts bemerkt.

Das Ereignis erinnerte ihn stark an den Bericht McManus' über das Aufbrechen von Wings Pult und veranlaßte ihn, eine scharfe, sachgemäße Untersuchung anzustellen. Er hatte damals gesagt, daß ein Paar gut trainierter Augen sicher wichtige Anhaltspunkte für die Feststellung des Täters gefunden hätte. Nun war ihm Gelegenheit geboten, seine gerühmte Fähigkeit zu beweisen. Es war klar, daß der Eindringling nur durch ein Fenster gekommen sein konnte, das auf das Dach einer langen Vorhalle führte. Ein staubiger Fußabdruck auf dem Teppich unter diesem Fenster, der nach innen zeigte, bewies dieses; auch gelang es Trafford, eine Menge Fußspuren, die über das ganze Dach verliefen, zu entdecken, dagegen war keine zurückführende Spur zu finden.

Er besaß bestimmte Verdachtsmomente bezüglich der Person, die Wings Pult erbrochen hatte, und es befriedigte ihn, daß er nun eine günstige Gelegenheit erhalten hatte, jenen Verdacht durch diese zweite Tat zu prüfen. Die Sachlage war eben die, daß Wings Pult nur wegen gewisser Papiere kompromittierenden Inhalts, die man darin vermutet hatte, erbrochen worden war; nun dagegen, da man glaubte, daß diese Papiere in den Besitz des Detektivs gelangt seien, wurden sein Zimmer und sein Gepäck durchsucht. Daß zwischen beiden Taten genau dasselbe Verhältnis von Ursache zu Wirkung bestand, war kaum noch zu bezweifeln.

Seine Ungewißheit über die Art der fehlenden Papiere und die Unmöglichkeit, genaue Auskunft darüber zu erlangen, waren die Umstände, die ihn bei der ganzen Affäre am meisten quälten. Als er McManus darüber befragte, war das Ergebnis bloß die Einsicht, daß dessen Kenntnisse hierüber nicht weniger schleierhaft waren. Diese Papiere hatte – außer in verpacktem Zustand – niemand im Bureau zu Gesicht bekommen. Ob Wing sie von Richter Parlin empfangen hatte, war ebenfalls nicht bekannt. Man nahm allgemein an, daß sie vom Richter stammten, und man wußte, daß Wing sich sehr häufig mit ihnen beschäftigt hatte. Der Skandal damals, als Wings Pult erbrochen wurde, hatte zwar im Bureau große Erregung hervorgerufen und nicht wenig Gerede dazu, aber über die Hauptsache hatte man dadurch nichts in Erfahrung gebracht.

»Wenn nicht irgend ein wichtiger Umstand dazwischentritt,« meinte Trafford, »so wird es unmöglich sein, die Wiederaufnahme der Verhandlung auf länger als eine Woche zu verschieben, und bei der gegenwärtigen Stimmung des Publikums wäre ein für Oldbeg verhängnisvolles Urteil nicht ausgeschlossen.«

Er sagte es wie sinnend, fast als spräche er zu sich selbst, doch der Blick unter seinen halbgeschlossenen Augenlidern würde einem genaueren Beobachter als McManus nicht entgangen sein. Dieser schien den Blick nicht zu bemerken, sondern nahm die Frage eher in Traffords eigener Weise auf.

»Aber die Papiere stehen als unüberwindliches Hindernis dazwischen. Oldbeg kann nicht die Absicht gehabt haben, sie zu stehlen. Er kann sogar kaum etwas von der Existenz der Papiere gewußt haben – wenigstens von dem Wert der Papiere nicht. Erst wenn eine Beilegung dieser Frage gelänge, stünde es schlimm um ihn.«

»Aber sie wird nicht gelingen,« sagte Trafford so tuend, als ob er soeben aus seinem tiefen Sinnen erwacht wäre. »Ich habe Ihnen erklärt, von welcher Art der Mann, der den Mord beging, gewesen sein muß, und wenn der Mörder entdeckt ist – denn entdeckt wird er werden – dann werden Sie sehen, daß ich ihn richtig beschrieben habe. Diese Papiere waren die Ursache zu dem Mord, weil ihr Inhalt eine Gefahr für irgend jemand bedeutete. Und dieser eine kann Oldbeg nicht gewesen sein.«

»Dennoch ist das Publikum von seiner Schuld überzeugt und, wenn ich nicht irre, der Gerichtshof auch.«

»Sie lassen die Tatsache unberücksichtigt, daß bisher noch nichts über diese Papiere in der Zeugenaussage bemerkt worden ist.«

McManus blickte schnell auf, als er die Tatsache wahrnahm.

»Allerdings,« sagte er, »wir haben so viel über die Papiere geredet, daß mir dies ganz aus dem Sinn gekommen war. Natürlich wird dieser Umstand Oldbegs Befreiung herbeiführen.«

»Unbedingt,« sagte Trafford.

»Sie aber werden zweifellos,« bemerkte McManus, »eine so wichtige Sache nicht fallen lassen und sich mit der Tatsache begnügen, daß Oldbeg ein schweres Unrecht zugefügt worden ist.«

»Mr. McManus,« sagte Trafford feierlich, »ich bin bei der Arbeit, den Mörder Wings festzustellen. Das ist der einzige Zweck, den ich verfolge. Mag Oldbeg oder irgend ein andrer momentan unschuldig leiden, zu guter Letzt wird doch der Schuldige leiden müssen. Es tut mir leid um Oldbeg, aber ich bin nicht verantwortlich für diese Wendung der Dinge. Gegenwärtig glauben die Parteien, welche an diesen Papieren Interesse haben, daß ich im Besitze derselben sei, und es liegt nur im Interesse meiner Sache, sie bei diesem Glauben zu erhalten. Und vor Gericht auf Befragen ein Zeugnis abzulegen, das sie über ihren Irrtum aufklären würde, halte ich nicht für meine Pflicht.«

»Nehmen Sie da nicht eine furchtbare Verantwortung auf sich?« fragte McManus.

»Es ist mein Amt, Verantwortung zu tragen. Ich habe sie oft auf mich genommen, sogar bis zur Gefährdung meines Lebens. Nun kann ich es wieder tun, denn wenn es sich um einen Mörder großen Stiles handelt und ich ihn finden soll, mache ich nicht halt, weil mein Leben gefährdet ist oder weil ein andrer in Ungelegenheiten gerät. Es mag ja für Oldbeg recht peinlich sein, für den Mörder gehalten zu werden, aber doch bei weitem nicht so peinlich, wie es mir wäre, selbst bei der Sache den Tod zu finden, bloß weil ich dem richtigen Mann auf der Spur bin.«

»Sind Sie denn dem richtigen Mann auf der Spur?« fragte McManus.

»Ich bin auf seine Spur gekommen mit dem Augenblick, da ich in das Zimmer trat und erkannte, daß es von dem unglückseligen Schützen durchsucht worden war. Von diesem Tage an bin ich auf seiner Spur gewesen, und ich werde ihr folgen und auf ihr bleiben, bis ich ihn fange oder er mich tötet. Dies letztere aber kann nicht geschehen, ohne daß es auch sein Verderben zur Folge hätte. Es ist keinem Menschen in die Hand gegeben, zwei Morde zu begehen und dabei seine Spuren gänzlich zu verwischen. Wenn ich in die Tiefe fahre, wird er am Galgenstrick in die Höhe fahren.«

»Aber, Trafford, da nehmen Sie die Sache wirklich viel tragischer, als ich vermutete. Sie reden doch nicht im Ernst davon, daß man versuchen könne, Sie gewaltsam aus dem Wege zu räumen?«

»Es ist mir so sehr Ernst damit, daß ich niemals ausgehe, ohne zu denken, daß ich vielleicht nicht wieder heimkehren werde.«

»Aber warum bloß?«

»Weil bereits ein Versuch gemacht worden ist.«

»Sie setzen mich in Erstaunen!« rief McManus aus. »Ich habe Ihnen von vornherein meine Mitwirkung zugesagt; so meine ich, daß Sie mich doch etwas wissen lassen sollten. Inwiefern meinen Sie, daß man – bloß weil man Sie im Besitze der Papiere glaubt – auf Ihr Leben fahnden sollte? Könnte es nicht einfach zu dem Zweck geschehen, den Täter vor Entdeckung zu bewahren? Sie bedecken das Ganze mit einem Schleier, der –« er suchte nach Worten – »mich kränken muß.«

Doch Trafford versagte weitere Erklärungen, und als McManus gegangen war, saß er einige Augenblicke sinnend da, als frage er sich, ob er richtig gehandelt habe; dann murmelte er sich erhebend: »Wir wollen sehen, wie weit das führen wird.«

*


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