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Wie Klein-Elsbeth eine Philosophin wurde.

»Noch eine solch lustige Geschichte vom Großvater willst hören?«

Klein-Elsbeth saß auf des Vaters Knie und nickte.

Um den Kindermund huschten lustige Schelmengeister und ließen sich dann in den beiden Wangengrübchen häuslich nieder, höher hinauf war's nicht ratsam. Klein-Elsbeths Augen verstanden keinen Spaß.

»Weißt, Vater, die Geschichte von dem Tod! Wie der zum Großvater kam.«

»Die mit dem Tod? Und das nennst eine lustige Geschichte? Aber ja, hast wieder einmal recht! Ist vielleicht die lustigste von allen.

Also!

Dein Großvater war ein gar fröhlicher Mann, fröhlich alle Tage in seinem Leben und wie's zum Sterben ging, verließ ihn seine Heiterkeit auch nicht. Er dachte: hat mich das Leben mit seinen Plackereien nicht klein gekriegt, so soll's der Tod erst recht nicht fertig bringen. Hat ihn auch wirklich nicht gefürchtet, soviel der auch zwicken und zwacken mocht. Und wie er eines Tages ernsthaft zur Tür hereinkommt« –

»Jetzt wird's erst lustig«, meint Elsbeth, »wie hat er denn ausgeschaut, Vater? Gelt, recht gruselig?«

»Damals nicht! beim Großvater nicht, von dem willst ja hören. Also, der Tod kommt zur Tür herein. Der Großvater sieht die Sense in der Sonne blitzen und da muß er lustig auflachen. Dann redet er ihn »gut Freund« an, unterhält sich eine Weile zutraulich mit ihm, sagt auch, er soll sich ja nicht genieren und ein wenig Platz nehmen. Sein Geschäft müßt ihn doch auch müd' machen.

Dem Tod ist natürlich sowas noch gar nie vorgekommen. Denn gewöhnlich hört er laut schreien und jammern, wenn er sich nur von ferne blicken läßt. Aber dein Großvater! Ja, der hat's verstanden, wie man mit dem Tod reden müßt, war halt ein richtiger Philosoph.«

»Was war der Großvater?«

»Ein Philosoph! Das verstehst halt nicht, Klein-Elsbeth. Aber das macht nichts! Dein Großvater hat's auch nicht gewußt und war doch einer. – Also, daß ich weiter erzähl': Der Tod ist auch immer lieber und freundlicher geworden und –«

»Den freut's auch, wenn sich nicht alle Menschen vor ihm gruseln, gelt?«

»Freilich, Kind, das war's! Und zuletzt sind sie alle zwei so gut miteinander worden, daß der Tod deinem Großvater ganz lieb und leise die Hand auf die Stirn legt. Da hat der Großvater nochmal fröhlich aufgelacht, schier fröhlicher, als ich's je von ihm gehört. Ja – und dann –«

»Dann, Vater, was war dann?« Klein-Elsbeth atmet ganz dicht am Vater.

»Ja dann, dann war Dein Großvater tot. Aber das Lachen ist auf seinem Gesicht geblieben, ist auch nicht verschwunden, wie sie ihn am dritten Tag begraben haben. Es war eben ein heiliges Lachen. Und auch die andern macht es froh, die es sahen. Mir liefen zwar die Tränen aus den Augen. Im Herzen freut ich mich aber doch.«

»Ist der Großvater immer noch in der Grube?«

»Ja, Kindl! Mußt Dir's aber nicht so schwarz und finster denken. Dein Großvater hat gewußt, daß er dahineinkommt und hat doch gelacht. Da schläft man so ruhig und sicher, wie Du in Deiner kleinen Bettstatt.«

»Und träumt auch von schönen Sachen?«

»Weiß ich nicht! Aber das weiß ich, daß wenn einer mit solch frohem Lachen in die Grube steigt, daß den keine bösen Träume schrecken.«

»Wohin ist dann der Tod gegangen, Vater?«

»Dahin – dorthin! Der klopft überall an und wartet nicht erst aufs Hereinsagen.«

»Du, Vater! Ich fürcht mich nicht vor ihm. Gelt, dann ist er auch lieb mit mir und tut mir nicht weh? Grad so wie der Großvater will ich's machen.«

Klein-Elsbeth ist vom Knie des Vaters gerutscht und macht einen tiefen Knix.

»Guten Tag, Herr Tod! Sind Sie heute schon recht weit gelaufen? Ein bißchen müde? Bitte, nehmen Sie doch Platz! Wollen noch ein bißchen plaudern und lustig sein!«

Klein-Elsbeth lachte, der Vater aber war ernst.

»Ja, Kind! Wenn Du das mal fertig bringen willst, mußt dein Lachen festhalten in beiden Händen, so wie's Dein Großvater tat. Der hielt's noch, als der Tod schon bei ihm war.«

Und das Kind ballte zuversichtlich die kleinen Hände zusammen und die hielten das frohe Kinderlachen fest.

»Ja, Vater, ich will's schon halten. Schau! So – so fest!«

So kam es, daß Klein-Elsbeth eine Philosophin wurde.

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