Edmund Josef von Horváth
Ein Kind unserer Zeit
Edmund Josef von Horváth

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Am Rande der Zeit

Die Woche vergeht so langsam und ich muß immer an das Fräulein denken. Immer seh ich sie vor mir und möcht nach ihr greifen.

Zuerst wußte ich gar nicht genau, wie sie aussieht, alles verschwamm plötzlich, ich wußte nicht, ob alles stimmt. Das war am Montag Nachmittag.

Aber am Dienstag wußte ichs plötzlich wieder. Und die Tage vergingen.

Mittwoch, Donnerstag –

Und ich wußte genau, wie sie aussah. Angezogen und unausgezogen. Ich kannte sogar ihre Kleider. Ich kannte alles an ihr. Und ich sehnte mich nach ihr –

Freitag, Samstag –

Und plötzlich fiel es mir auf, es kam der Zweifel, ob sie wirklich so aussieht und ich wünschte es mir so, daß ich mich nicht täuschen sollte.

Und ich dachte, sie wird wie alle sein –

Aber ich erschrak über diesen Gedanken.

Nein, nein! Sie darf nicht wie alle sein! Sie darf nicht!

Sie muß so sein, wie es meine Sehnsucht will!

Ich dachte in Ausdrücken wie ein Roman.

Und ich nahm es mir vor, daß ich am nächsten Sonntag unbedingt zu ihr hingehe, um zu sehen, wie sie wirklich ist und ob ich recht hätte mit meiner Vorstellung!

Ich konnte den Sonntag kaum mehr erwarten.

Endlich war er da.

Und endlich wurds vierzehn Uhr.

Ich ging allein weg, ich sagte den Kameraden nichts. Aber sie grinsten und der eine fragte: »Ob sie hübsch ist? Ist sie hübsch?«

Woher weiß er, daß ich verliebt bin? Sieht mans mir denn an?

Und ich sagte: »Das geht dich nichts an!«

Und ich ging zum verwunschenen Schloß. Mit meinen weißen Handschuhen. Doch heut ist es anders, wie vor acht Tagen, denn heute regnets in Strömen. Aber das ist nur äußerlich. Es ist ein Sauwetter.

Man möchte keinen Hund auf die Straße jagen.

Aber in mir scheint eine Sonne.

Meine Kameraden sitzen im Trockenen und winken mir spöttisch und lustig nach.

Ich bin ihnen nicht bös, sie haben ja recht.

Es sieht sicher blöd aus, so ein einsamer Soldat im Regen ganz allein mit weißen Handschuhen.

Es soll aber nur ruhig blöd ausschauen, denn sie kennen ja den zweiten Teil nicht. Der nun folgt.

Sie wissen ja nicht, daß in mir eine Sonne scheint.– –

Der Regen peitscht mir ins Gesicht, aber das stört mich nicht.

Ich gehe durch die innere Stadt. Sie ist noch leerer als sonst.

Ich singe vor mich hin, es sind allerhand Lieder, aber ohne Text.

Und dann pfeif ich sie – abwechselnd.

Ich geh sehr rasch.

Aber ich setz mich doch auf die Trambahn. Da fährt fast niemand. Nur eine alte dicke Frau.


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