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Stammbuchblätter.

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Fac-simile für vier Engländer.

Immer zeigt sich in der Welt der Körper früher, als die Seele. So erscheint denn meine körperliche Handschrift auf der berühmten Insel der Geschichte und der Gegenwart früher, als der Geist meiner Werke durch irgend einen Uebersetzer und das Fac-simile kommt eher als die Similia.

17. April 1824.

 

Ins Stammbuch der Gräfin Julie Egloffstein.

» Des Augentranken-Blatt

Ihr Blatt, verehrte Julie, ist weiß wie die Blüthen und die Kunstwerke Ihrer Hand sind ihre Früchte. Mein Blatt ist grün wie das Laub, das die Blüthen umgibt, aber es ist doch noch nicht verwelkt, sondern immer grünt die Hoffnung fort, Sie wieder zu sehen.

Zum zurückgewichnen Andenken eines schon fernen aber noch immer in die Gegenwart herüberblühenden Tags.

4. Oct. 1824.

 

Für Aug. Grafen v. Platen.

Mit dem Dichter ists wie mit dem Zeugen; man liefert durch das Fortsetzen nicht Stärkeres; und nicht Ueben, sondern Rasten stärkt hier.

1822.

 

Für Therese aus dem Winkel.

Bekanntlich ausgezeichnet als Malerin und als Harfenspielerin.

Zwei Sonntage.

Die Malerei gibt der Welt verklärte Körper, die Musik verleiht ihr verklärte Seelen und so entsteht aus dem Erdreich ein Himmelreich. Nie vergess ich, unvergeßliche Therese, die zwei Sonntage, wovon jeder eine andere Welt mir öffnete und an denen Ihre Hände in diesen Himmel mich führten; und niemand kann Ihre Gabe belohnen als Ihr Herz und ein fremdes, dessen Freuden als Echo wieder zu Ihnen umkehren.

Dresden, Juni 1822.

 

Für Agnes Tieck.

Die ersten Worte des Menschen und die letzten Worte werden am wenigsten vergessen; darum will ich hier – wie manche Frau – das letzte Wort haben, ob ich gleich nichts anders sage und wünsche, als alle frühern Verfasser dieses Stammbuchs nämlich den innigsten Wunsch des schönsten Glücks für Agnes Tieck.

Dresden im Juni 1822.

 

Für Dorothea Tieck.

Dichter sind Flötenuhren. Der rechte Dichter singt immer die Flüchtigkeit und die Schönheit des Lebens; wie die Flötenuhr zeigt er nur unter Melodien die entflogenen Stunden an.

Zum Andenken an die holde Tochter eines dichterischen Vaters.

Dresden, Juni 1822.

 

Für Graf *** in Dresden.

Der Stand hat seine Metallkronen; die Dichtkunst hat ihre Blumenkronen; glücklich ist aber, wer beide vereinen kann.

Dresden, 8. Juni 1821.

Zum Andenken für den edeln und glücklichen Besitzer dieses Stammbuchs.      J. P.

 

Für Frau Aderhold in Dresden.

Bei Registrator A. wohnte J. P. während seines Aufenthaltes in Dresden 1822, und zwar, wie er in seinem Tagebuche sagt, in einem Zimmer, das alle seine Träume einer Wohnung erfüllte.

Es ist leicht als Theetrinkerin in der Gesellschaft zu glänzen, Jeden und das Gute zu schildern; es ist aber schwerer und schöner, als Hausfrau sich in die Einsamkeit zu hüllen, zu handeln und das Gute zu vollbringen.

Zum Andenken an meine liebenswürdige Hauswirthin.

Dresden, 12. Juni 1821.

 

Für St. Schütze, mit dem Kampaner Thal.

Dem vortrefflichen Schütze, der der leidenden Menschheit Kampanerthäler zu öffnen sucht, weih' ich den Theil dieses Werkchens, das den Beweis seiner Belohnung führt; – die Holzschnitte gehören blos für kaufmännische Schnittmacher.

 

Für dessen Frau.

Ungebraucht fortwachsender Reichthum ist eine Perlenbank, auf der man scheitert. Wohlthätig gebraucht ist er eine Perlenschnur zum Schmuck und ein Perlenessen zur Heilung.

Zum Andenken der würdigen Gattin des würdigen Gatten, die ihr Vaterland England. verließ, um den zu beglücken, der Tausende beglückt.

Dresden, 22. Mai 1822.

 

Für Adelaide von Maréchaux.

Die Besuch- und Lustzimmer der vornehmeren Welt sind glänzende Gärten voll italienischer Blumen, die weder duften noch wachsen, und Obstkammern voll wächserner Aepfel. Ich lobe mir ein einfaches englisches Rasenstück, das grünt und wächst.

Zum Andenken des schönen Gestern.

München, Juli 1820.

 

Für Luise v. Müller.

Sogar im Tadeln suchen Frauen wohlzuthun und willst du einer das schöne Köpfchen waschen, so nimm die wohlriechendste Seife dazu.

Aber auf Ihres gehört für Ihre Liebe und Stimme nur eine wohlduftende Blume

von Ihrem J. P.

München, Juli 1820.

 

Für Charlotte v. Mann.

Nicht immer erhebt sich die sprechende Seele über die schweigende; das Gold hat keinen Silberton, aber mehr Gehalt als das Silber.

München, Juli 1820.

 

Für Henriette von Müller.

Putz und Reize sind nur die lieblichen Kornblumen im jungfräulichen Leben; in der Ernte der Ehe werden sie über die Aehren des innern Werthes vergessen.

München, Juli 1820.

Zum Andenken einer heitern Stunde.

 

Für den jungen Schlichtegroll.

Jeder Vorzug wird der jetzigen Jugend zu erwerben leichter, als die Bescheidenheit; sie hält das Flügelkleid für Flügel, den Gängelwagen für einen Triumphwagen und das Steckenpferd für das Musenpferd.

Erfreuen Sie sich recht des Glückes, daß Sie durch die Nähe der väterlichen Verdienste den Jünglingen der Zeit unähnlicher geblieben.

München, Juli 1820.

 

Duplo-Blatt für H. Mörtl und seinen Freund Wallenberg.

Am längsten Tage 1820.

Durch Gutes-Thun kann der Mensch jeden Tag zum längsten machen und durch Wahrheit-Suchen jede Nacht zur kürzesten.

 

Für Charlotte Veltheim.

Mögen Sie der Nachtigall nicht blos in der Schönheit des Singens, sondern auch in der Treue des Wiederkehrens ähnlichen, wenn Sie davon gezogen. Ihr Leben sei, gleich Ihrem Gesange, ohne Mißton und jedes Leiden sei ein Leitton, der Vorläufer eines neuen Dreiklangs

April 1820.

 

Für Friederike –.

Möge Ihnen, heitre Friederike, wenn Sie auf der Bühne als reizender Schmetterling gaukelnd gespielt, es nie an Freudenblumen fehlen auf denen Sie ausruhen und Honig finden.

April 1820.

 

Für die Herzogin Wilhelm von Würtemberg.

Mögen Sie, verehrteste Fürstin, auf der Thronhöhe wie auf einer Alpenhöhe die Wolken des Lebens nur unter sich sehen, und blos den Himmel über sich! – Das Herz muß nach der Schweiz seine Erhebungen und nach Italien seinen Himmel mitbringen, sonst findet man keine Schweiz und kein Italien.

Stuttgart, Juni 1819.

Zum Andenken des Tags, wo ich so viel von beiden durch Ihre begeisternde Gegenwart genoß.

 

Für Wimmer aus Ungarn.

Selig ist das arme Land, das alte Gesetze umwachen; noch seliger das reiche, das sie umgeben. Ungarn, warum bist du nicht dreimal, viermal und noch öfter in Europa da?

Okt. 1817.

 

Dem Sohne der Montenglaut.

Das schönste, reinste und stärkste Feuer legte die Gottheit nur dem Jüngling ins Herz, damit es darin das Gold für das ganze Leben von den Schlaken löse. – Scheide nie diese Jugendgluth etwas anderes ab, als das Edelste vom Gemeinen, den Himmel vom Erdboden!

Dieser Wunsch schick' ich gern und voll lauter Hoffnung dem ungesehenen Jüngling entgegen, der seine Mutter so schön liebt und lohnt wie sie ihn.

B. Sept. 1816.

 

Für Ammon, Grahl, Zeschau.

Nicht die Glut allein, sondern das Ausdauern brütet der Welt die rechten fortlebenden Thaten aus. Aber so Manche mit der tugendhaften Brutwärme haben den Fehler, daß sie die Eier kalt werden lassen, um nach Nahrung herum zu fliegen.

Dem freundschaftlichen Dreiklang, der sich wechselseitig drei Feiertage oder drei Himmel bereitet, geb ich hier auf dessen Wunsch meine Handschrift und meine Hand dazu zum Angedenken.

B. Juli 1816.                    J. P.

 

Für Fräulein Marie v. Welden.

Die Tonkunst ist die Heilige, die Madonna unter den Künsten; sie kann nichts gebären und darstellen als das Sittliche. Selig ist eine Priesterin dieser Madonna und ihr Gesang ist nur ein anderes Gebet.

Juni 1816.

 

Für Leval.

Was ist einem Priester zweier Göttinnen, der Dichtkunst, welche die Seelenwelt, und der Malerei, welche die Körperwelt verklärend wiederholt, noch zu wünschen? Blos ein Tempel, wo er ihm ungestört opfern darf.

Juni 1816.

 

Für D. Dietmar.

Wenn Sie sich nun unsers Gesprächs über Wolke und seine Kriegsknechte erinnern, die ihn kreuzigen – aber nur zu schönerm Auferstehn – wenn Sie nur meine Grüße an den sinn- und herzreichen Franz Horn nicht vergessen – wenn – wenn –: so brauch' ich keine sinnreichere Sentenz zum Andenken herzuschreiben, als meinen Wunsch: Es gehe Ihnen so wohl, als Sie selbst wohl gehen.

B. Mai 1816.

 

Für Kapp, als er nach Berlin zur Universität ging.

Möge der Jüngling – von welchem ich so viel hoffe – seines edlen Vaters würdig aus der Nationalstadt Deutschland's zurückkehren mit unveränderter Wärme des Herzens und blos mit erhöhtem Lichte des Geistes!

B. April 1816.

 

In's Stammbuch der Herzogin Wilhelm.

Alle Freuden sterben an ihrer Zahl und entfärben sich indem sie sich ausdehnen, wie vergrößerte Bilder der Zauberlaterne; nur Eine wächst durch ihr Genießen und steht immer in unserer Hand, die am fremden Glücke. Mißlingt euch, ihr guten Menschen, das Beglücken, so habt ihr doch nichts verloren, sondern blos wie Gott gehandelt, der Alle glücklich machen will und auch nicht kann. Für keine Thränen wird die Ewigkeit mehr Freudenthränen zahlen, als für die um fremdes Glück. So wolle, weine und hoffe denn, schöne Seele!

 

In das Exzerptenbuch der Generalin v. Benkendorf.

– Und mit eigner Hand fährt hier Jean Paul selber fort und macht für das Exzerptenbuch der liebenswürdigen Natalie dieses Gleichniß:

Wie man die Perle nicht im Meere findet, sondern nur am Ufer desselben, so gewinnt man die Freudenperlen des Lebens nicht im Weltmeer der Gesellschaft, sondern nur zu Hause im Familienkreise.

Wer wie Sie drei Unionperlen der Freude gefunden, entbehrt leicht die wächsernen der Welt; und Gott erhalte Ihrem Herzen immer diesen Himmel!

 

In Matthissons Stammbuch.

Der beste und schönste Genuß der Freudenblumen ist, wenn er wieder neue pflanzt; wie die Biene die aus den Blumen Honig genießt, ihren Samenstaub weiter trägt und zu neuen jungen Blumen aussäet.

An diesem Gedanken arbeitete ich heute bei Ihrem Eintritt weiter. Denn ebenso tranken Sie den Honig der schönen Natur und gaben sie in Ihren Dichterblumen als eine jugendlich erneuerte wieder. Möchten Sie die Schweiz und Italien wieder – wenigstens für uns – wie eine Biene die Gärten besuchen!

 

In's Stammbuch des Grafen v. Medem.

Um das Leben ohne Gier und ohne Angst zu genießen, muß man sich das Ziel nicht wie ein Weltumsegler in Zeit und Raum fern setzen, sondern man muß wie ein Spaziergänger eines in jeder Nähe finden. Komme jeden Tag an und reise jeden Tag ab, so feierst Du unzählige Feste der Ankunft, und Dein Herz lebte immer im Bestreben und Erreichen zugleich, denn die Bahnen zum Ziele bestanden aus lauter kleineren Zielen.

 

In's Stammbuch der Frau Präsidentin J. von Welden.

Noch schöner als die weichsten Rührungen sind feste Grundsätze; der Thautropfe ist so glänzend wie der Diamant; doch ziehen wir diesen vor, weil er dauert und fortglänzt.

Zum Andenken für die vortreffliche Mutter, die nach dieser Ansicht erzieht.

14 Juni 1816.                   Jean Paul.

 

Für Fräulein Therese von Welden.

Die Schönheit ist Goldstaub und schimmert und schmückt; der Geist ist Blüthenstaub und fliegt unscheinbar und erschafft Ernten.

 

Der Familie Seebeck.

Räthsel.

Wo sind auf einmal 1) die schönsten Rosen ohne Dornen? 2) die Perlen vom reinsten Wasser? und 3) der Juwel vom schönsten Feuer zu finden?

Antwort.

1) Auf den schamhaften Wangen, 2) in den gerührten Augen, 3) im warmen Herzen einer guten Jungfrau.

 

Für Emilie S.

Liebe lustige Lustspielerin! Jetzt kannst Du Dein Theater noch tragen. Künftig trägt Dich und Dein Spiel das Theater des Lebens. Aber auch dann sei Dein Spiel so froh und so unschuldig wie jetzt.

 

Für Adeline S.

Wenn einmal Dir, liebe Adeline, Dein guter H. Vater meine sämmtlichen Werke vorlieset, so wirst Du darin von einer trefflichen Adeline hören und Du wirst denken, ich hätte Dich kopirt. – Bis dahin also kopire Du sie!

 

Für Rosalie Seebeck.

Wenn ich einmal, liebe Rosalie, Dich Sie nenne und Du mehr gewachsen bist, so wie Dein Stammbuch auch, so bringe mir es wieder, damit ich mich noch einmal hineinschreibe und Dir sage: Behalten Sie in gütigem Andenken Ihren J. P.

 

Für Luise S.

Luise, im Altfranzösischen, so auch im Hesperus, Clotilde, ist ein wichtiger Name. Das schönste Luisenstift ist das Zimmer einer guten Mutter. Bleiben Sie immer dieser beiden Gaben würdig.

 

Für *** S.

Jetzt bist Du, liebe Kleine, ein Veilchen; dann wirst Du ein Vergißmeinnicht; dann eine Lilie; dann eine Rose. Möge immer ein warmer Himmel über Deinem Blühen stehen!

 

Für *** aus Baden.

Hast Du gesehen und recht geliebt, so gibts keinen Abschied mehr; denn kannst Du von Deinen eignen Gedanken scheiden?

 

Für *** aus Rußland.

Das Innere thront über dem Aeußern; auch im kalten Norden glüht das Herz.

 

Für die Frau Präsidentin Jacobi.

Ein Herz das innig und edel liebt, läßt Gott nie verarmen. Wer hat mehr verloren und wer hat mehr gewonnen, als die für welche in warmer Erinnerung frommer Stunden dieses schreibt J. P.

 

Für Präsident Jacobi.

Der rechte Mann gibt wie Vesuv alles, Feuer und Schnee; Lava des Zorns und Thränen-Christi-Wein der Liebe; Fruchtbäume und Asche und einen weiten Himmel zur Aussicht, und wenn die Erde bebt, kann er still bleiben und ausruhen. Kräftiger Jacobi, erkennst Du in diesem Bilde den Sohn deines Vaters?       J. P.

 

Für Frau Generalin Vincenti.

Das schöne Herz bleibt in jeder Tagzeit des Lebens schön; die Aurora ist ebenso reizend, wenn sie am Abend die Sonne begleitet, als wenn sie am Morgen sie verkündigt. Zum Andenken zu kurzer Minuten.           J. P.

 

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