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Agatha

Agatha, die schöne Magd,
Die mit Tugenden hat erjagt,
Daß sie heiße Gottesbraut,
War keusch und edel, hold und traut.
Sie lebte in Sicilia
In der Stadt Catanea.
Dort war von den Römern zum Herrn erkoren
Ein falscher Mann, unedel geboren,
Quintianus war er genannt.
Er war zu Agathen in Minne entbrannt.
Doch was er auch drang auf sie ein,
So war ihr Wort stets: »Nein, nein, nein!«
So haßte sie den Feind der Christen.

Da versuchte es jener mit Listen;
Er brachte sie zu einem Weib
Von untugendlichem Leib,
Aphrodisia genannt.
Neun Töchter, in Unehren bekannt,
Hatte die Falsche; diese sollte
Agathen kirren. Doch da wollte
Gar keine List verfangen. Traun,
Verloren war die Müh' der Frau'n.

Da ließ Quintianus die Jungfrau holen
Und sprach zu ihr also verstohlen:
»Von edlem Stamme bist du, Maid;
Warum jagst du nur nach dem Leid?
Gieb mir die Hand; Reichtum und Ehr'
Soll dir dann werden immer mehr!
Doch weigerst du dich meinem Werben,
Mußt du als Christin sterben!«

Gottes Magd, seine schöne Braut
Sprach ihre Antwort überlaut:
»Du sollst leben nach deinem Begehr,
Wie der große Jupiter,
Den du zum Gott hast, und dein Weib
Sei wie Venus schön von Leib!
Mir gieb den Tod! Er wird mir frommen,
Zu meinem Bräutigam zu kommen.«

Und sie begann den Siegeslauf.
Man hing sie bei den Händen auf,
Darauf man ihr viele Schläge gab.
Man schnitt ihr beide Brüste ab
Und stieß sie in den Kerker dann.
Da erschien ihr ein alter Mann,
Gleich dem Schnee vor Alter weiß.
Es stand derselbe gute Greis
In hellem Licht und Glanz; das war
Petrus, der heilige Bote gar.
Der tröstete sie mit süßem Mund
Und machte die wunde Maid gesund.

Dies Wunder mehrte noch den Groll
Des Heiden. Er ließ zornestoll
Sie aus dem Kerker holen
Und auf glühende Kohlen
Und Scherben werfen. Die Natur
Erschrak davor, Siciliens Flur
Erbebte, viele Häuser sanken
Und stürzten so im Wanken
Ueber die bösen Mörder her.

Agatha starb. Als man nunmehr
Zum Grab den Leichnam brachte dar,
Da sah man eine Engelschar
In schneeweißen Kleidern kommen.
Ihr Führer trug, wie wir vernommen,
Eine große Tafel von Marmorstein;
Die stellte er in das Grab hinein.
Die Schar verschwand, die Tafel ist geblieben;
Darauf stund in Latein geschrieben:
»Ein Schirm dem Lande fürderhin
Sei dieser Jungfrau heiliger Sinn!«
Die Leute, die das schauten,
Dem Wunder gern vertrauten.
Die Juden und die Heiden
Wollten es nicht vermeiden,
Der Jungfrau Grab zu ehren
Und ihr Lob zu vermehren.

Quintianus, der böse Mann,
Ritt nach ihrem Tod hindann,
Ihr Landgut einzuziehen.
Das ist ihm übel gediehen.
Sein Roß warf ihn zur Erden;
Da ward er von den Pferden
Der Knechte tot getreten
Zum Lohn von allen bösen Räten.

Agatha aber half dem Lande,
Als bald darauf der Aetna entbrannte
Und sein Feuer auf die Stadt
Herabzugießen droht. Da hat
Man mit Agathens Schleier
Das ungeheure Feuer
Noch glücklich abgewandt. O seht
Den Segen, der voll Wunder geht
Von unserer Heiligen Gebein
Auf Land und Städte allgemein!

Agatha, 5. Febr. 251. Passional II. S. 176.


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