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Mittlere Höhe des deutschen Bodens; Hochland und Tiefland

In einer Zone, wo nur in tiefern Lagen mildes Klima und günstige Lebensbedingungen herrschen, ist es von entscheidender Bedeutung, wenn ein Land im allgemeinen nur mäßig hoch ist. Wenn man den deutschen Boden vollständig gleich machen, die Gebirge in die Täler füllen und das Hochland über das Tiefland ausbreiten würde, erhielte man eine Fläche, die überall 215 Meter hoch wäre. Diese Zahl gibt uns die mittlere Höhe Deutschlands an. Es ist nur eine Durchschnittszahl, und man wird sie vielleicht unpraktisch nennen. Aber sie ist der kürzeste Ausdruck für die Höhe dieses Landes. Es ist nicht unwichtig zu wissen, daß die mittlere Höhe Europas auf 330 Meter, die Spaniens auf nahezu 700, die der skandinavischen Halbinsel auf 430 zu schätzen ist. Diese Zahlen erlauben uns immerhin vorauszusehen, daß Deutschland wenigstens hinsichtlich der Höhe günstiger ausgestattet ist als manche andre Länder. Und ebenso bestimmt läßt sich aussprechen, daß die Ausbreitung der tiefsten Teile unsers Landes im Norden die klimatische Gesamtwirkung seiner geographischen Lage mildern muß.

Liegt in der mittlern Höhe der allgemeine Ausdruck der Lebensbedingungen, so tritt uns in der Verteilung der Höhen und Tiefen schon die unmittelbare Ursache großer geschichtlicher Gegensätze entgegen. Norddeutschland umschließt ein zusammenhängendes Tiefland, das sich zu dem vorwaltenden Hochland Süd- und Mitteldeutschlands wie 4 zu 3 verhält. Daß dieses Tiefland im Westen, Osten und Norden in andre Tiefländer übergeht, und daß es breit ans Meer grenzt, verstärkt das Übergewicht seiner Ausdehnung. Und dieses Übergewicht ist eine Ursache des Vortritts des Nordens vor dem Süden in der neuern Entwicklung Deutschlands.

Das Hochland grenzt an das Tiefland in einer Linie, die sich vom südlichen Oberschlesien an der Oder bis Liegnitz zieht, sich dann auf dem Parallel von Meißen westwärts zieht und im Weser- und Emsgebiet nach Norden vorspringt. Dieser Vorsprung, worin ein Teil des Rheinischen Gebirges, das hessische Bergland, das Wesergebirge, der Harz und das Hügelland zwischen dem Harz und Thüringer Walde liegen, wird dadurch zu einer der merkwürdigsten Erscheinungen im Bau des deutschen Bodens. Fast bis auf Sehweite baut sich Gebirgs- und Hügelland gegen das Meer hinaus; Hannover liegt im Horizont des Brockens. Das norddeutsche Tiefland wird dadurch nach Westen zu immer schmäler. Weniger beträchtlich treten das Riesengebirge auf dem östlichen, das Hohe Venn auf dem westlichen Flügel ins Tiefland vor. In dieser ganzen Begrenzung macht sich die im Bau der Gebirge so entschieden überwiegende sudetische Richtung von der Weichsel bis zur Weser geltend. Sudeten, Harz, Wesergebirge und Teutoburger Wald springen daher nordwestlich ins Tiefland vor wie kleine Halbinseln, und eine größere Zahl von einzelnen Höhenzügen sendet gleichsam Vorgebirge hinaus. Dazwischen liegen große und kleine Buchten, und es entsteht eine vielgegliederte Grenzlinie, die für das Verkehrsleben Mitteldeutschlands und die nord-süddeutschen Verbindungen die Bedeutung einer buchtenreichen Küste hat, an der der Tieflandverkehr landet, um neue Wege im Gebirgsland zu beschreiten. Wie Hafenstädte sammeln Plätze wie Görlitz, Leipzig, Braunschweig und viele kleinere an dieser Grenze die Linien des Verkehrs und lassen sie nach den andern Seiten wieder ausstrahlen.


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