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Gemälde von David Beck, 1650.
Bildquelle: en.wikipedia.org

V.
Christina's Privatleben.

So war Christina in der ewigen Stadt und das Sehnen ihres Herzens erfüllt. Nach ihrem Einzuge blieb sie einige Tage im päpstlichen Palaste, wo sie mit königlicher Ehre und Pracht unterhalten wurde; dann bezog sie den Palast Farnese. Die erste Zeit brachte sie damit hin, die wissenschaftlichen Anstalten, Kirchen und Kunstwerke Rom's in Augenschein zu nehmen. Vielfach zeigte sie bei diesen Gelegenheiten ihre Kenntnisse und ihren lebendigen Geist in treffenden Antworten. Einst betrachtete sie eine Statue Bernini's, die Wahrheit vorstellend, mit so großem Wohlgefallen, daß sie mehrmals ausrief: »O wie schön!« Ein Cardinal sagte zu ihr: »Gott sei gelobt, daß Ew. Majestät die Wahrheit lieben, welche Personen Ihres Ranges sonst nicht leiden können.« »Ich glaube es wohl,« erwiderte sie, »aber alle Wahrheiten sind nicht von Marmor.« Ueberall, wohin sie sich begab, wurde sie mit gelehrten Inschriften und Gedichten empfangen und von Cardinälen oder anderen Personen ersten Ranges begleitet. Der Papst bot Alles auf zu ihrer Ergötzung: fast kein Tag verging ohne ein Schauspiel, Concert oder ohne eine gelehrte Gesellschaft. Christina's Zufriedenheit blickte auch von allen Seiten hervor, unter Anderm auf einer Münze, deren Vorderseite ihr Brustbild und deren Rückseite die Göttin Roma zeigte, mit der Umschrift: » Possis nihil urbe Roma visere majus; man kann nichts Größeres als Rom sehen.«

Doch nur kurze Zeit blieb dieser Glanz ungetrübt, denn sie gerieth bald in Mißhelligkeiten mit dem römischen Adel und der spanischen Partei, welche unbilliger Weise von ihr verlangte, sie solle ihre Verbindung mit den Franzosen aufgeben und ihnen beim Papste zu Einfluß verhelfen. Gegen die Verleumdungen, welche man deshalb über sie ausstreute, erließ sie ein Manifest, worin sie das ungebührliche Betragen und die Anmaßung der Spanier darlegte und die Billigung und Unterstützung des Papstes hervorhob. Vielleicht trugen diese Verdrießlichkeiten zu der bedeutenden Krankheit bei, welche sie damals befiel. Der Papst bewies ihr auch bei dieser Gelegenheit die größte Theilnahme und Sorge, sowie er ihr fortwährend alle Ehre erzeigen ließ. Er schätzte an ihr die vorzügliche, unerschütterliche Festigkeit im katholischen Glauben, ihre edle, reine, starke Seele und ihre bewunderungswürdige Einsicht und ihren Scharfsinn. Dagegen hatte er auch Besorgniß wegen einiger Schwächen Christina's, die gerade in Rom am meisten unstatthaft waren und leicht zu ungünstigen Gerüchten über ihren Katholicismus benutzt werden konnten und auch benutzt worden sind. Dahin gehörte ihr freies Benehmen mit Männern, ihre große Freigebigkeit trotz der Unsicherheit der Einkünfte, indem man von dem Hasse der Schweden gegen den Katholicismus die gewaltsame Entziehung derselben befürchten mußte; endlich der Mangel an äußerer Andacht. Als der Papst ihr einst einen Rosenkranz schenkte mit der Weisung, sich desselben bei ihrem Gebete zu bedienen, sagte sie lächelnd: »Ich will keine scheinheilige Katholikin sein,« indessen bemühte sie sich doch, hierin den Wünschen des Papstes zu entsprechen.

Da zwischen Schweden und Polen damals Krieg ausbrach, so blieben die Einkünfte für Christina vielfach aus. Der Reichsrath und die Stände, besonders die Prediger sprachen: »Da sich die Prinzessin einmal von uns losgesagt hat, müssen wir dann ihren Aufwand bestreiten?« Die Königin war also genöthigt, ihr Geschmeide für 10,000 Dukaten zu verpfänden; zugleich entschloß sie sich, nach Hamburg zu reisen, um von da ihre Geldangelegenheiten in Ordnung zu bringen. Der Papst stellte ihr vier Galeeren zur Verfügung, um sie nach Marseille überzufahren, und machte ihr bedeutende Geldgeschenke, als er ihre Dürftigkeit erfuhr. Im Juli 1656 trat Christina ihre Reise an, zunächst nach Frankreich, um dieses interessante Land kennen zu lernen. Mit einem Gefolge von wenigen Personen durchzog sie die schönsten Theile Frankreichs und wurde überall mit königlichen Ehren empfangen. Anfangs September kam sie nach Fontainebleau, wo sie von vielen Damen des Hofes begrüßt wurde. Als diese die Königin nach dem gewöhnlichen Ceremoniell küßten, sagte sie scherzend: »Welche Wuth haben diese Damen, mich zu küssen! Kommt es daher, daß ich einem Manne ähnlich sehe?« Der Eindruck, den sie hier machte, war ein außerordentlich günstiger. »Ich hatte so viel von ihrem wunderlichen Anzuge reden hören,« sagt Madem. de Montpensier, Tochter des Herzogs von Orleans, »daß ich tödtliche Furcht hegte, ich werde bei ihrem Anblicke lachen müssen: als ich sie sah, überraschte sie mich, aber nicht auf eine Weise, die mich zum Lachen gebracht hätte.« Von Fontainebleau begab sich Christina nach Paris, wo sie unter einer ungeheuern Menschenmenge und dem Donner der Kanonen einen glänzenden Einzug hielt. In der Kirche von Notre Dame sang man das Te Deum. Darauf fuhr sie nach dem Louvre, wo die Gemächer des Königs aufs prachtvollste für sie eingerichtet waren. Die Königin von England, der Adel, die Geistlichkeit, die obersten Gerichtshöfe, die Universität, die französische Akademie kamen und statteten ihre Glückwünsche ab. Christina beantwortete alle diese Reden aus dem Stegreif mit vieler Geschicklichkeit und königlichem Anstand. Der Besuch war so zahlreich, daß sie dem Herrn Ménage, der den Ceremonienmeister bei ihr machte und die Fremden immer mit den Worten vorstellte: »Das ist Herr N., ein Mann von Verdiensten«, eines Tages in einem verdrießlichen Tone sagte: »Der Herr Ménage kennt doch gar zu viele Männer von Verdiensten.« Nicht nur nach dem Zeugnisse der königlichen Hofdame Madem. de Motteville, welche sie aus weiblicher Eifersucht sehr streng beurtheilt, sondern auch nach dem Zeugnisse anderer Zeitgenossen gewann Christina in Paris Aller Herzen und Bewunderung.

Nachdem sie alle Merkwürdigkeiten der Stadt besehen, begab sie sich nach Compiègne, wo die königliche Residenz war. Der Cardinal Mazarin fuhr ihr bis Chantilly entgegen, wo sie zusammen speisten. Einige Stunden nachher kam der König und sein Bruder incognito an, ungeduldig, die berühmte Königin bald zu sehen. Der Cardinal stellte sie vor als junge Edelleute vom ersten Range: Christina aber, welche ihre Bilder im Louvre gesehen hatte, erkannte sie sofort und erwiderte: »Ich glaube das, und die Herren scheinen mir dazu geboren, eine Krone zu tragen.« Der König unterhielt sich mit ihr aufs höflichste und ging dann nach Compiegne zurück. Am folgenden Tage wurde Christina feierlichst in die Residenz eingeführt. Es wurden ihr alle Ehren erwiesen und Alle waren von ihr in hohem Grade eingenommen. Anfangs fühlten sich freilich Manche etwas abgestoßen durch ihr freies Auftreten und die Verletzung der übertriebenen französischen Hofsitte. Indessen verzieh man ihr gerne alle Unregelmäßigkeiten, wenn man sie gesehen und gehört hatte. Die Königin-Mutter von Frankreich sagte zu ihren Hofdamen, daß die Königin Christina ihr ungemein gefiele. Anfangs habe sie sich vor ihr entsetzt, nachdem sie aber dieselbe gesehen und gehört, habe sich ihre Bestürzung in Zuneigung verwandelt. Ihr lebhafter Geist und Witz, ihre außerordentliche genaue Kenntniß der französischen Zustände und Personen erregten allgemeine Bewunderung und Erstaunen. »Sie kannte nicht allein die adeligen Geschlechter und deren Wappen,« sagt Mademoiselle de Montpensier, »sondern sie wußte auch um deren Staatsabsichten und Liebeshändel, ja sie wußte sogar die Liebhaber der Malerei und Musik mit Namen zu nennen. Sie nannte dem Marquis des Sourdis die kostbarsten Malereien, die er in seinem Cabinet hatte, und wußte, daß der Herzog von Lincourt auch sehr schöne Stücke besäße. Ja, sie unterrichtete sogar die Franzosen in einheimischen Sachen, die sie selbst nicht wußten. Sie behauptete, daß in der sog. heiligen Kapelle ein Agath von großem Werthe vorhanden wäre, den sie sehen wollte; und man fand ihn auch endlich in der St. Dionysiuskirche.«

Unter großen Ehrenbezeugungen verließ Christina nach einiger Zeit Compiegne. Sie hatte durch ihren Aufenthalt in Frankreich ihren Ruf nicht vermindert, vielmehr noch bedeutend erhöht. Da aber in Rom die Pest herrschte, so blieb sie in Turin und anderen Städten und machte auch einen Ausflug nach Venedig, um die Königin des adriatischen Meeres zu sehen.

Ganz unerwartet faßte Christina ein Jahr nachher wieder den Entschluß, einen zweiten Besuch am französischen Hofe zu machen, höchst wahrscheinlich in politischen Absichten, um nämlich zwischen den beiden streitenden Mächten Frankreich und Spanien den Frieden zu vermitteln. Im October 1657 kam sie nach Fontainebleau, wo sich eine Begebenheit ereignete, die zu den vielbesprochensten ihres Lebens gehört.

Seit einiger Zeit stand ihr Oberstallmeister, Marchese Monaldeschi, aus einer vornehmen italienischen Familie, hoch in ihrer Gunst. Sie bewies ihm ihre ganze Güte und vertraute ihm die wichtigsten und geheimsten Angelegenheiten. Allein sie schöpfte in jener Zeit Verdacht und entdeckte durch aufgefangene Briefe, daß er als Verräther an ihr gehandelt, aber als den Schuldigen den Grafen Sentinelli, einen abwesenden Hofbeamten, hinzustellen suchte. In der Meinung, die Königin habe keine Ahnung von seinem Beginnen, sagte Monaldeschi eines Tages: »Ew. Majestät sind verrathen und der Verräther ist entweder ein Abwesender, den E. M. kennen, oder ich selbst; ein Anderer kann es nicht sein. Ew. Majestät werden bald wissen, wer es ist, und ich bitte, dem Schuldigen nicht zu verzeihen.« Die Königin fragte: »Was verdient ein solcher Verräther?« »Den Tod auf der Stelle,« sagte der Marchese, »und ich erbiete mich, selbst das Todesurtheil an ihm zu vollziehen, oder es an mir vollziehen zu lassen, denn es ist ein Act der Gerechtigkeit.« »Gut,« sagte die Königin, »erinnern Sie sich dieser Worte, und ich verspreche Ihnen, daß ich ihm nicht verzeihen werde.« Bald darauf übergab sie dem Prior des Ordens der heiligen Dreieinigkeit in Fontainebleau, dem Pater Le Bel, unter dem Siegel der Verschwiegenheit ein versiegeltes Packet mit dem Auftrage, es ihr zurückzustellen, sobald sie es begehre, und sich Zeit und Ort zu merken, wo er es empfangen. Unterdessen hatte Monaldeschi durch das Ausbleiben mehrerer Briefe Verdacht geschöpft: daher suchte er sich durch einen Küraß unter dem Kleide sicher zu stellen und zeigte durch sein ganzes Benehmen, daß er auf Flucht bedacht war. Da beschied ihn die Königin am 10. November zu sich in die Hirschgallerie. Als er eingetreten war, blaß, zitternd und verstört, erschien auch der Prior mit dem Packete, und der Befehlshaber ihrer Leibwache nebst zwei Bewaffneten. Die Thüren wurden sogleich zugeschlossen. Jetzt öffnete Christina das Packet und hielt die darin befindlichen Briefe dem Marquis vor mit der Frage, ob er sie kenne. Anfangs leugnete er und behauptete, es seien Abschriften von ihrer eigenen Hand; aber sie zog die Originale hervor und überführte ihn, daß er Handschriften nachgemacht und falsche Briefe unterschoben; sie ließ ihm alle Papiere aus der Tasche nehmen und entdeckte darin noch zwei nachgemachte Briefe, einen an sie, einen an ihn adressirt, und darin eine neue Verrätherei gegen sie. Endlich bekannte er die Fälschung, warf sich ihr zu Füßen und bat um Verzeihung; auch gestand er, daß er vor wenigen Tagen sein eigenes Todesurtheil an demselben Platze ausgesprochen habe. Jetzt zogen die drei Bewaffneten ihre Degen. Aber Monaldeschi erhob sich, zog die Königin aus einem Winkel in den andern und bat sie, seine Rechtfertigung anzuhören. Mit vieler Geduld und Mäßigung hörte sie ihn über eine Stunde lang an und rief auch den Prior zum Zeugen, daß sie nichts übereile und dem Verräther mehr Zeit gestatte, als er verlange. Die Unterredung aber änderte nichts an Christina's Ueberzeugung. Mit lauter, doch gemäßigter Stimme sprach sie zum Prior: »Herr Pater, ich gehe und lasse diesen Menschen in Ihren Händen, bereiten Sie ihn zum Tode und tragen Sie Sorge für seine Seele.« Der Pater, sowie Monaldeschi warfen sich ihr zu Füßen und baten um Gnade; der Schuldige flehte, das Todesurtheil in ewige Verbannung umändern zu wollen. Christina erwiderte, es sei besser für ihn zu sterben, als ehrlos zu leben; Gnade könne sie ihm nicht gewähren. Sie ging fort mit den Worten: »Gott erweise Euch Barmherzigkeit, wie ich Euch Gerechtigkeit erweise.« In Todesangst flehte jetzt Monaldeschi den Prior an, Gnade für ihn zu erbitten, während die Bewaffneten ihn zum Beichten antrieben, indem sie ihm die gezogenen Degen auf den Leib hielten. Der Prior ermahnte ihn, Gott um Gnade zu bitten. Da ging der Befehlshaber der Leibwache zu Christina, um sie zum Mitleiden zu bewegen, kam aber niedergeschlagen zurück und sagte mit Thränen: »Marquis, denkt an Gott und Euere Seele, Ihr müßt sterben.« Auf sein wiederholtes Flehen ging nun der Pater Prior zur Königin und beschwor sie bei den Leiden und Wunden des Heilandes, Barmherzigkeit zu üben. Sie antwortete, es thue ihr sehr leid, seine Bitte nicht erfüllen zu können: sie stellte ihm das Verbrechen in seiner ganzen Schwärze vor und sagte, Viele würden gerädert, die es nicht so sehr verdienten wie dieser Verräther. Der Prior suchte jetzt von einer andern Seite auf sie zu wirken, indem er vorstellte, sie sei in dem Palaste eines fremden Königs und könne nicht wissen, ob dieser ihr Verfahren billigen werde. Allein sie erwiderte, sie habe das Recht, über ihre Diener Gerechtigkeit zu üben zu jeder Zeit und an jedem Ort; sie sei Herrin ihres Willens und für ihre Handlungen nur Gott Rechenschaft schuldig; der König beherberge sie nicht als eine Gefangene oder Flüchtige, und ihr Verfahren sei nicht ohne Beispiel; sie nahm Gott zum Zeugen, daß sie allen persönlichen Haß gegen den Verräther aus dem Herzen getilgt habe, und nur sein Verbrechen bestrafe, das ohne Gleichen sei und die ganze Welt angehe. Der Prior schlug ihr vor, wenn sie nicht Gnade vor Recht wolle ergehen lassen, den Prozeß einem königlichen Gerichte zu übergeben. »Wie,« entgegnete sie, »ich, die ich souveraine und absolute Gerichtsbarkeit über meine Untergebenen habe, ich soll dahin kommen, mit einem verrätherischen Diener zu prozessiren, von dessen Schandthat und Treulosigkeit ich die Beweise in Händen habe, von seiner eigenen Hand geschrieben und untersiegelt?« »Das ist wahr,« antwortete der Prior, »aber Ew. Majestät sind hier interessirter Theil.« »Nein, nein,« erwiderte sie, »ich werde es dem Könige anzeigen; kehren Sie zurück und sorgen Sie für seine Seele; ich kann auf mein Gewissen Ihnen nicht willfahren.« Jener glaubte an dem veränderten Tone dieser Worte zu bemerken, daß, hätte sie den Stand der Sache noch ändern können, sie gewiß es würde gethan haben; daß sie aber jetzt nicht mehr zurück könne, ohne ihr Leben zu gefährden, wenn der Marquis entflöhe. Ohne Hoffnung kehrte der Prior zurück und bereitete Monaldeschi zum Tode. Auch der Hofkaplan der Königin mußte noch einen letzten Versuch machen, diese zu erweichen, doch mit eben so geringem Erfolge. Das Todesurtheil wurde vollstreckt: der Befehlshaber der Leibwache führte einen Stoß nach Monaldeschi's Unterleibe; dieser ergriff die Degenklinge und schnitt sich drei Finger von der rechten Hand ab, derselben, mit welcher er die falschen Briefe geschrieben. Da er mit einem Panzerhemde bewaffnet war, so bekam er mehrere Wunden und Stiche, ehe er starb. Als man der Königin seinen Tod meldete, bedauerte sie, zu dieser Hinrichtung genöthigt gewesen zu sein, aber die Gerechtigkeit habe dieselbe verlangt und sie bitte Gott für ihn um Verzeihung. Dann ordnete sie ein ehrliches Begräbniß an und gab eine große Summe für Seelenmessen.

Dieses Ereigniß erregte großes Aufsehen, und zwar bei Vielen zu Christina's Nachtheil. Indessen kann das Recht zu dieser That der Königin nicht abgestritten werden. In der Entsagungs-Urkunde war ihr ausdrücklich das Recht bewilligt worden, alle Vergehen ihres Hofes und ihrer Diener selbst zu bestrafen. Sie hat dasselbe nicht nur im vorliegenden Falle, sondern ganz allgemein in Anspruch genommen und betont mehrfach in ihren Briefen ihr jus vitae et necis über ihre Diener. Ihr lag dieses Recht um so näher, da in Schweden die Erbfürsten, Grafen und Barone ihre eigene Gerichtsbarkeit hatten. Christina hatte nur auf die schwedische Krone verzichtet, sich aber nicht der königlichen Würde und Souverainetät entäußert. Die Unterthanen der ihr angewiesenen Länder mußten ihr auch den Eid der Treue leisten (doch mit Vorbehalt der dem Könige und Reiche schuldigen Treue) und in der Eidesformel versprechen, sich gegen Christina als treue Unterthanen zu betragen. Sie setzte die Statthalter, Richter und Beamten in den ihr angewiesenen Landschaften nach Gefallen ein und ab, wenn sich dieselben nicht ihrer Pflicht gemäß verhielten. Vergehen seiner Diener gegen sie sollte der König ebenso bestrafen, als wären sie gegen ihn selbst gerichtet. Alles dieses war öffentlich verhandelt im Beisein der fremden Gesandten, deshalb den fremden Mächten nicht unbekannt. Daher wurde sie überall als Königin geehrt und von den Monarchen mit »Majestät« und »Schwester« angeredet. Sie hielt an verschiedenen Höfen einen Gesandten, und regierende Fürsten schickten Gesandte vom ersten Range an sie; auch nahm sie das Recht, den Adel zu ertheilen, in Anspruch und übte es in Rom aus. Monaldeschi selbst hat mit keinem Worte ihr Recht, ihn zu richten, in Abrede gestellt. Daß sie aber mit Umgehung der gewöhnlichen gerichtlichen Formen allein über das Leben eines Menschen richtete, kann weniger auffallend erscheinen, wenn man erwägt, daß nach dem schwedischen Rechte, das allein als Richtschnur hier dienen kann, die Entscheidung über Majestätsverbrechen und über Leib und Leben einzig dem Könige zustand; das Hofgericht durfte über solche Sachen nur Bericht erstatten. Gustav Adolph hat dieses Recht stets geübt und auch sonst oft so persönlich in den Rechtsgang eingegriffen, daß das Hofgericht unbedeutend wurde. Christina's Verfahren darf man daher nicht nach unseren jetzigen, so sehr viel milderen Begriffen von königlicher Macht beurtheilen, sondern nur nach dem Geiste und den Verhältnissen ihrer Zeit. Ließ ja doch Ludwig XIII. († 1643) den Marschall von Ancre ohne alle Umstände auf einen bloßen Wink hinrichten und wird er dennoch von der Geschichte der Gerechte genannt.

Aber war die Königin befugt, dieses Souverainetätsrecht in einem fremden Lande auszuüben? Christina hat darin viele Vertheidiger gefunden und die Geschichte führt mehrere Beispiele an, daß königliche Personen auf fremdem Boden Todesurtheile sprachen und vollziehen ließen, ohne daß Widerspruch erhoben wurde. So ließ König Karl II. von England († 1685) während seines Exils einen Diener im Schlosse des Herzogs von Neuburg erschießen; ein spanischer Gesandter in Venedig einen Diener vor den Fenstern seines Hauses aufknüpfen, ohne daß die Signoria Einspruch erhob. Christina war als Königin in Frankreich aufgenommen. Ein Souverain aber, der mit Genehmigung eines anderen sich in dessen Lande aufhält, kann von seiner Selbständigkeit und seinen Rechten nichts verlieren, da er nicht zum Unterthan herabsinkt, sondern von ihm als seines Gleichen behandelt wird. Die Gerichtsbarkeit über seine Untergebenen kann er um so weniger aufgeben, weil nicht allein sein Ansehen, sondern auch seine Sicherheit dadurch gefährdet würde, indem mancherlei Verhältnisse leicht den Rechtsgang in fremdem Lande zu seinem Nachtheile wenden könnten. Ferner haben auch die Gesandten dieses Recht und wird die militärische Gerichtsbarkeit ebenfalls auf fremdem Boden ausgeübt; ein Gesetz aber, das den fremden Fürsten dieses Recht hätte nehmen können, bestand in Frankreich nicht. Daher erklärten auch die französischen Rechtsgelehrten, denen die Sache vorgelegt wurde: Da Christina souverain und unabhängig und vom Könige ihr der Aufenthalt in Frankreich gestattet sei, so könne man ihr die Ausübung der Souverainetätsrechte über ihre eigenen Untergebenen, wenn sie nicht französische Unterthanen wären, nicht versagen. Monaldeschi war aber nur Christina's Untergebener. Auf gleiche Weise rechtfertigt auch Leibniz Christina's Verfahren. Alles, was man nach seinem Urtheile der Königin hierbei vorwerfen könnte, wäre dieses, daß sie die Achtung, die sie dem Orte, wo sie die Hinrichtung vollziehen ließ, nämlich dem königlichen Schlosse zu Fontainebleau, schuldig war, ziemlich aus den Augen setzte: dennoch aber, fügt er hinzu, kann man sie auch hierin durch die Nothwendigkeit, die Sache schleunigst abzuthun, entschuldigen. »Christina,« schreibt er, »fand den Monaldeschi des Todes schuldig. Es ist sehr leicht zu errathen, daß sein Verbrechen von solcher Art gewesen, daß man es nicht füglich der Untersuchung anderer Richter überlassen konnte; und es wäre lächerlich gewesen, von Christina zu verlangen, daß sie eine Sache von dieser Art der willkürlichen Entscheidung eines Anderen anheim stellen sollte, welches ohne Verletzung ihrer Hoheit nicht geschehen konnte.« Der berühmte Rechtslehrer Johann Tesmar, welcher in seiner schönen Schrift: Tribunal principis peregrinantis, Marburg 1675, den Fall Monaldeschi's zu Christina's Gunsten behandelt, verlangt unter Anderm, daß der reisende Souverain in der Ausübung seiner Gerichtsbarkeit über seine Bedienten eine zweifache Behutsamkeit anwende, nämlich, daß er diese Strafgerechtigkeit nur in wichtigen und dringenden Fällen und zweitens ohne äußeres Gepränge ins Werk setze. »Denn da eine Bestrafung, die vor Aller Augen vollzogen wird, Anderen zum Beispiele und zur Besserung dienen soll, so ist hierzu auch ein eigenes Gebiet um so nothwendiger. Es ist daher genug, daß ein reisender Beherrscher, ohne Aufsehen zu machen, bestrafe: wenn nämlich der Schuldige hinreichend von seinem Verbrechen überführt worden ist; oder dasselbe aus wichtigen Vermuthungen sattsam erhellet, und um den bösen Absichten desselben vorzubeugen, die Sache keinen Verschub leidet.« Die Königin Christina hat in ihrem Verfahren gegen Monaldeschi diese Bedingungen genau beobachtet, »und mag auch ein strenger Richter in ihrer That«, sagt Tesmar weiter, »noch so was Unbilliges finden, so wird doch der Ausspruch des Tacitus: Habet aliquid ex iniquo omne magnum exemplum, d. i. in jedem großen Beispiel wird man etwas Unbilliges wahrnehmen, sie dennoch rechtfertigen.« Christina hat also weder das Ansehen des französischen Königs noch auch das Völkerrecht verletzt, sondern mit ebenso vielem Muthe als mit Billigkeit die Rechte eines reisenden Souverains in dem Lande eines anderen Beherrschers behauptet.

So gewiß Christina also das Recht hatte, ihren Diener zu richten, so zweifellos ist es auch, daß Monaldeschi schuldig war. Er selbst betheuerte mit keinem Worte seine Unschuld, sondern bat nur um Gnade. Auch spricht für seine Schuld die Aeußerung, ehe er sich erkannt glaubte, der Verräther sei des Todes schuldig u. s. w. Selbst in der Vertheidigungsschrift für ihn wird seine Schuld anerkannt, obgleich gemildert. Der Prior war ebenfalls von derselben überzeugt und bat nur um Gnade für den Unglücklichen, und als er ihn zum Tode vorbereitete, ermahnte er ihn, der Gerechtigkeit sein Leben hinzugeben. Christina selbst aber erschien das Vergehen so groß, daß sie zum Prior sagte, Viele würden gerädert, die es weniger verdienten als dieser Verbrecher. Offenbar stellt man sich daher, durch falsches Mitleid getäuscht, diese Bestrafung eines Verräthers und auch sonst schlechten Menschen mit Unrecht als eine ruchlose Grausamkeit vor. Christina des Mordes und der Verletzung der Menschenliebe zeihen, heißt die Rechtmäßigkeit der Todesstrafe überhaupt bestreiten und alle Fürsten verurteilen, die jemals einen Verbrecher hinrichten ließen.

Worin das Verbrechen bestand, war stets ein Geheimniß. Am meisten begründet ist die Annahme, daß es sich auf politische Verhältnisse bezog. Obgleich deshalb die Geschichte wegen dieses geheimnißvollen Dunkels, das auf der ganzen Sache liegt, kein sicheres Urtheil hat, ob die Strafe dem Verbrechen entsprechend oder zu streng war, so wissen wir doch, nach welchen Grundsätzen Christina in dieser Hinsicht handelte. »Wenn ein Fürst genöthigt ist,« sagt sie, »Jemand zum Tode zu verurtheilen, so muß er dabei so gerecht verfahren, daß der Verbrecher selbst gestehen muß, er habe den Tod verdient. Fürsten müssen als Fürsten und nicht als Henker strafen. Man muß selten diejenigen ungestraft lassen, welche Strafe verdienen; und man muß nach den Formen der Gerechtigkeit strafen, wenn man kann; aber wenn man es nicht kann, muß man immer strafen, wie man kann.« Christina war von der Rechtmäßigkeit ihrer Handlung so überzeugt, daß sie dem Heinsius, der ihr einige ungünstige Meinungen über Monaldeschi's Hinrichtung aus Westfalen mittheilte, antworten ließ: »Alle Albernheiten, die er mir im Betreff Monaldeschi's schreibt, erscheinen mir so lächerlich und vermessen, wie sie es wirklich sind; ich erlaube ganz Westfalen, ihn für unschuldig zu halten, wenn es beliebt. Alles, was man sagen wird, ist mir höchst gleichgültig.« Als man ihr in Polen bei ihrer Bewerbung um die Königskrone Monaldeschi's Tod entgegenhielt, sagte sie: »Der Mensch zwang mich zu seiner Verurtheilung durch die schwärzeste Verrätherei, die ein Diener gegen seinen Herrn verüben kann; und ich befahl seinen Tod erst dann, als ich ihn durch Briefe von seiner eigenen Hand seines Verbrechens überführt hatte, in Gegenwart von drei Zeugen und dem P. Prior von Fontainebleau, die alle gegenwärtig waren und sein eigenes Geständniß anhörten.«

Wenn man schließlich das Wort Schiller's betonen möchte: »Das Richterschwert, womit der Mann sich ziert, Verhaßt ist's in der Frauen Hand,« so darf man nicht übersehen, daß Christina eine männliche Erziehung genossen und als König regiert hatte.

Obgleich das abschreckende Aeußere von Christina's Handlung die Königin-Mutter und die französischen Hofdamen zu bitterem Tadel veranlaßte, so ließ sich doch der König dadurch nicht beeinflussen, sondern machte ihr vielmehr nebst seinem Bruder und einem glänzenden Hofstaate in Fontainebleau einen förmlichen Besuch. Auch hatte sie mit dem Cardinal Mazarin unweit Paris eine Zusammenkunft, worin zwei Tage lang im geheimen verhandelt wurde. Der Gegenstand dieser Verhandlung stand ohne Zweifel in Verbindung mit Christines Vorhaben, Cromwell zu besuchen und ihn zur Vermählung mit einer von Mazarin's Nichten zu veranlassen. Indessen unterblieb die Reise, da der Protector es unterließ, sie zu einem Besuche nach England einzuladen, sei es, daß er die Kosten zu ihrer Aufnahme scheute, sei es, daß er ihr abgeneigt war, weil sie die ihm verhaßte katholische Religion angenommen hatte, oder daß er ihren durchdringenden Blick und ihre Einmischung in seine Staatsgeheimnisse fürchtete. Gegen Fastnacht begab sich Christina nach Paris, um dem Ballet beizuwohnen, in dem der König tanzte. Sie wohnte in Mazarin's Gemächern und empfing viele hohe Besuche. Der Cardinal zeigte sich ihr sehr gefällig und ließ ihr seinen Palast in Rom herrichten; auch ließ er ihr eine bedeutende Summe als rückständig von den französischen Subsidien auszahlen. Im Mai 1658 kam sie wieder nach Rom, wo sie mit vielen Ehren empfangen wurde. Daß die Königin den Palast des Cardinals Mazarin bezog, veranlaßte bei den Spaniern große Eifersucht. Man sagte, sie habe im Einverständniß mit Frankreich und England schlimme Projecte gegen Neapel oder den Kirchenstaat im Sinne. Vielleicht geschah es aus solchen Gründen, daß ihr der Papst zweimal die Erlaubniß verweigerte, einigen Franzosen die Engelsburg zu zeigen, bei welcher Gelegenheit Christina äußerte: sie bleibe deswegen doch die Tochter des großen Gustav. Ohne sich übrigens um jene Beschuldigungen zu kümmern, setzte sie ihren Hof wieder auf einen glänzenden Fuß und nahm Personen vom ersten Rang zu Edelleuten und Pagen an. Jedoch waren ihre Verhältnisse nicht erfreulich. In Folge der vielen Kriege, welche Karl Gustav führte, blieben ihre Einkünfte aus, und ihre Klagen an den General-Gouverneur ihrer Domainen waren erfolglos. Deswegen schickte sie ihren Sekretär Davidson nach Schweden. Aber Karl Gustav wollte ihn nicht vor sich kommen lassen, wofern er nicht eidlich erkläre, daß er nicht katholisch geworden sei. Davidson gab dem Könige die offene Erklärung, er sei wirklich katholisch und berichtete auch darüber an die Königin, welche ihm folgenden Brief schrieb: »Ich glaube, Sie seien so wenig tauglich, ein Märtyrer zu werden, daß ich Sie durch meinen Rath nicht der Gefahr aussetzen möchte, eine Niederträchtigkeit zu begehen, um Ihr Leben zu retten. Ehre und Leben sind meines Bedünkens Dinge, die es verdienen, daß man für sie Sorge trage; wenn Sie in den Fall kämen, Ihre Religion zu verleugnen oder zu verbergen, so würden Sie weder jene noch dieses retten, wenn Sie mir je nachher unter die Augen kämen. Man muß als Katholik leben und sterben, und thun Sie das nicht, so machen Sie sich unwürdig, mir anzugehören. Sie müssen sich über die Drohung des Königs nicht verwundern. Geben Sie den Wunsch auf, ihn zu sehen, und kommen Sie zu mir zurück. Nach der Drohung, die er gegen Sie ausgestoßen hat, werden Sie besser als je bei mir stehen, und der Groll, den er gegen Sie zeigt, soll Ihnen bei mir für ein Verdienst gelten. Seien Sie ohne Sorgen. Kommen Sie zurück, aber kommen Sie, ohne etwas Niederträchtiges oder Feiges gethan zu haben, und bringen Sie mir glaubwürdige Zeugnisse mit, daß Sie als echter Katholik gelebt und allen Pflichten, zu denen uns unsere römisch-katholische Religion verbindet, Genüge geleistet haben. Wenn das geschieht, so werde ich Sie mit Freude und Güte aufnehmen und hätte ich nur noch ein Stück Brod zu essen, so würde ich es freudig mit Ihnen theilen und lieber sterben, als Sie hilflos lassen. Wenn aber Furcht oder Hoffnung Sie so sehr erschüttern, daß Sie Ihre Pflicht hintansetzen, die Ihnen theuerer als das Leben sein muß, so denken Sie nie daran, mich wieder zu sehen, und seien Sie versichert, daß ich Sie wegen dieser Feigheit strafen werde und daß alle Macht des Königs von Schweden mich nicht verhindern soll, Ihnen selbst in seinen Armen, wenn Sie sich dahin geflüchtet hätten, das Leben zu nehmen. Richten Sie sich nun selbst hierüber, ob Sie im Stande sind, zu mir zurückzukehren oder nicht, und glauben Sie, daß ich Ihnen Wort halten werde.« Davidson blieb treu und kehrte, nicht ohne beträchtliche Summen eingezogen zu haben, nach Rom zurück. Dieses Verfahren Karl Gustav's scheint zuerst Christina Abneigung gegen ihn eingeflößt zu haben. In solcher Mißstimmung gegen den König war es, daß sie den kaiserlichen Hof bat, ihr 20,000 Mann unter dem Befehle des Generals Montecuculi zu leihen, um damit Pommern zu erobern. Die Einkünfte des Landes wollte sie für die Pension ansehen, welche ihr von Schweden nicht bezahlt wurde, und das Land sollte nach ihrem Tode an das deutsche Reich fallen. Der Hof zu Wien ging auf diesen Vorschlag ein, jedoch stand Christina davon bald wieder ab. Ihrem Geldmangel, der sie oft zum Verkauf ihres Silbergeschirrs veranlaßte, wurde dadurch abgeholfen, daß der Papst ihr ein Jahrgehalt von 12,000 Scudi aussetzte und für die Ordnung und künftige Leitung ihrer Angelegenheiten ihr den Cardinal Azzolino zuordnete, einen Mann, der wegen seiner vorzüglichen Eigenschaften besonders zu Christina paßte und von ihr sehr geschätzt wurde. »Der Cardinal ist ein göttlicher Mann,« sagt sie; »er ist mir theurer als mein Leben; er vermag Alles bei mir … Er allein gibt Alexander nichts nach, außer in der Geburt, in den Gelegenheiten und in dem Glücke. Aber wie groß würde er sein, wenn ihm diese Vortheile nicht fehlten: er, der keinen andern Fehler, noch menschliche Schwächen hat, und alle die Tugenden und Gaben besitzt, die einen großen Mann ausmachen?« Dieser vortreffliche Mann stellte durch Ordnung und Beschränkung von Christina's Ausgaben und Freigebigkeit ihre zerrütteten Finanzen wieder her und richtete dabei den Hof noch glänzender ein, wie früher.

In dieser Zeit, d. i. im Jahre 1660, traf sie plötzlich die Nachricht, daß der König Karl Gustav von Schweden gestorben sei. Da ihre Angelegenheiten in Schweden noch immer nicht geordnet waren und durch den Tod des Königs noch verwickelter werden konnten, so beschloß sie, dorthin zu reisen. Sie schrieb daher einen Brief an den Bruder des Königs, den Prinzen Adolph Johann, worin sie ihre aufrichtige Anhänglichkeit an die königliche Familie versichert und ihm ihre Ankunft anzeigt. Besonderes Interesse verdient dieser Brief durch die Bemerkungen, welche Christina über die Erziehung des jungen Königs macht. Nachdem sie die Vernachlässigung ihrer Interessen und den Tod des Königs beklagt und dem Prinzen für seine liebreichen Gesinnungen gedankt hat, fährt sie fort: »Ich freue mich mit Ihnen über die würdige Beschäftigung, die er Ihnen gegeben: verpflichten Sie mich dadurch, daß Sie dieselben sorgfältig wahrnehmen und die Königin-Mutter in der Erziehung des jungen Fürsten unterstützen. Jeder Andere als ich würde Sie ermahnen, diesen an das zu erinnern, was ich für ihn gethan habe, aber ich betheure Ihnen, daß ich ihn von Allem, was er mir schuldig ist, freispreche, unter der Bedingung, daß er eines Tages wisse, was er Schweden schuldig ist. Suchen Sie ihn durch Ihre Bemühung seine Pflichten kennen zu lehren und ihm so große Liebe dazu einzuflößen, daß er seinen Ruhm und seinen Stolz in das Wohl seines Staates und das Glück seines Volkes setze; machen Sie ihn würdig des Thrones meiner Ahnen und des meinigen und sorgen Sie, daß er auf würdige Weise unsern Platz einnehme, indem Sie ihm wo möglich durch eine treffliche und edle Erziehung die großen und heroischen Tugenden des Königs, meines Vaters, einflößen. Ich werde Ihre Schuldnerin sein für die Verpflichtung, welche Schweden dafür gegen Sie haben wird, daß Sie ihm einen großen und humanen König bilden; und ich werde Ihnen hierfür mehr, als für irgend einen andern Dienst verbunden sein, den Sie mir leisten können. Glauben Sie es nur, daß ich diesen jungen Prinzen so zärtlich liebe, als es immer seine leibliche Mutter thun kann. Gegen diese hege ich gleichmäßige Gesinnungen und beklage ihren Verlust um so viel mehr, weil er unersetzlich ist. Ich werde dieselbe überzeugen, daß ich keiner Schwachheit und Reue fähig bin, und daß ich ihr sowohl als Ihnen die Zuneigung beständig aufbehalten werde, die mich antreibt, dem Könige, meinem Neffen und der Königin seiner Mutter, mich zu allen den Diensten zu erbieten, deren sie mich fähig halten werden; und wenn die Königin während der Minderjährigkeit des jungen Königs mir Gelegenheit, ihr zu dienen, an die Hand geben wollte, so würde ich mich darin so eifrig erweisen, daß sie dereinst würde bekennen müssen, daß ich ein ganz anderes Betragen verdient, als ich bisher so oft erfahren müssen, worüber ich mich jedoch weder beklagen noch rächen will … Lassen Sie mich darauf hinweisen, wie Sie Schweden dafür verpflichtet sind, daß es in die Ehre eingewilligt hat, die man Ihnen erwiesen, indem man auf Ihr Haus eine Krone brachte. Was sind Sie ihm nicht für eine so große Wohlthat schuldig? Sie müßten mit Hochachtung und Dankbarkeit den geringsten Schweden ansehen; und wenn Sie all' Ihr Blut für des Volkes Wohl vergössen, so würden Sie kaum Ihrer Verbindlichkeit genügen … Ich werde Ihnen sehr verpflichtet sein, wenn ich durch Ihre Mitwirkung das Glück erlange, recht bald nach Rom zurückzukehren, welches ich nur mit Bedauern verlasse, genöthigt durch die jetzige Bedrängniß meiner Angelegenheiten, die mich zwingen, selbst Hand anzulegen.«

Bald darauf trat Christina ihre Reise an, obgleich der Graf Brahe ihr davon abgerathen hatte. Die schwedischen Machthaber fürchteten nämlich, die Königin möchte bei ihrem großen Anhange im Lande den jungen König zu sehr begünstigen und ihre eigene Macht beschränken. Allein Christina ließ sich hierdurch nicht zurückhalten; sie kam nach Stockholm und wurde in feierlichem Zuge in die Stadt geführt, und zwar in jene Gemächer, die sie vor sechs Jahren als Königin bewohnt hatte. Man erwies ihr alle Ehre und alle bedeutenden Personen machten ihre Aufwartung. Von ihrer glücklichen Ankunft in Stockholm machte sie dem Papste Alexander VII. in Ausdrücken unverbrüchlicher Ergebenheit Anzeige und schickte ihm zu Weihnachten ein demüthiges Glückwunschschreiben. Als der Reichstag begann, reichte sie eine Schrift ein mit der Forderung, den von König und Ständen angenommenen Vertrag jetzt von neuem zu bestätigen und ihr die Versicherung zu geben, daß ihre Religionsveränderung sie im vollen Genusse ihrer Einkünfte nicht beeinträchtigen solle. Der Adel und die Bürgerschaft erklärten diese Forderung für recht und billig, nur die Geistlichkeit war sehr erbittert auf die Königin, weil sie im königlichen Schlosse eine Kapelle hatte herrichten lassen und durch einen Geistlichen aus ihrem Gefolge täglich die heilige Messe lesen ließ. Sie erklärten, die Königin möge im Genusse ihrer Einkünfte bleiben, aber nicht kraft des Vertrages, der durch ihren Uebertritt nichtig geworden, sondern wegen ihrer Würde und der ausgezeichneten Verdienste ihrer Vorfahren um die Krone Schweden's. Indessen müsse der Receß eingeschränkt werden, damit der Religion und Sicherheit des Vaterlandes kein Nachtheil daraus erwachse. Als die übrigen Stände vorschlugen, Christina möge dafür eine Versicherung geben, sagte Terserus, Bischof von Abo: Christina habe bei ihrem Uebertritt zur katholischen Religion gelobt, diese nach Kräften zu befördern und zu verbreiten. Darum könne man ihren Versicherungen keinen Glauben schenken, weil sie eine Abtrünnige sei. Sie nenne sich ja nicht mehr nach ihrem Vater »Christina Augusta«, sondern nach ihrem neuen Vater, dem römischen Antichrist, »Christina Alexandra«. Der Papst suche Zwiespalt in die Religion und den Staat zu bringen, das erhelle daraus, daß Christina im königlichen Schlosse selbst, den Gemächern des jungen Königs gegenüber, öffentlichen Gottesdienst oder vielmehr Abgötterei anstelle.

Der Reichsrath schlug der Geistlichkeit vor, der Königin darüber selbst Vorstellungen zu machen. So gingen die Aeltesten und Vornehmsten zu ihr hin; das Wort führte der Bischof von Upsala. Aber alle Vorstellungen erhöhten nur ihre Entrüstung. Als der Bischof sagte, er kenne die Ränke des Papstes, wie er nach jeder Gelegenheit hasche, sie an Leib und Seele zu verderben, antwortete Christina: »Ich kenne ihn besser, er gibt für alle Euere Seelen nicht vier Thaler.« Sie mußte aber doch der eisernen Härte der Prediger nachgeben und ihren Priester und die übrigen Italiener aus dem Lande schicken. Nun wurde die Vertragsurkunde, jedoch mit manchen Einschränkungen, aufs neue bestätigt und unterschrieben. Nicht lange nachher übergab Christina den Ständen eine Protestationsschrift, worin sie behauptete, im Falle der König ohne männliche Erben stürbe, träte ihr Recht auf die Krone wieder in volle Kraft, denn sie habe die Krone nur an Karl Gustav und dessen Leibeserben abgetreten, keineswegs aber zu anderer Nachfolge. Sie wollte hierdurch ihre Interessen noch mehr sichern und das schwedische Reich von sich abhängig machen; den Thron selbst wieder zu besteigen, daran dachte sie nicht, wie sie auch dem englischen Gesandten Algernon Sidney versicherte. Die Stände wurden durch diese Schrift nicht wenig überrascht. In einer drei Tage nachher erlassenen »Reprotestation« sprachen sie Christina alle Rechte auf die Krone ab und setzten es durch, daß die Königin dieselbe unterzeichnete. Da Christina der Aufenthalt in Stockholm verleidet war, so zog sie nach Norköping, das zu ihrem Leibgeding gehörte. Auch hier wurde ihr untersagt, in ihrem Hause die heilige Messe lesen zu lassen. Höchst aufgeregt schrieb sie darüber an ihren General-Statthalter Baat: »Wenn mir ein Schimpf widerfährt, so wird die Schande vielmehr den König und den Staat treffen, als mich … ich kann und will der Gewalt nichts als Bitten entgegensetzen; aber erinnern Sie die Herren an ihre eigene Ehre, und mögen sie bedenken, daß ich nie ihre Untergebene sein kann, wie unglücklich ich auch sein mag. Ich lasse ihnen mein Vermögen und mein Leben und verlange keine andere Gnade, als aus Schweden gehen zu können, ohne meine Ehre gekränkt und das Völkerrecht verletzt zu sehen, das gegen Personen meines Ranges so heilig sein muß. Mögen sie mir und meinen Leuten lieber das Leben nehmen; der Tod ist mir nicht so schrecklich, als die Entehrung und der Schimpf, den sie mir durch Verletzung des Völkerrechtes anthun. Ich bin strafbarer als meine armen Diener; und ich will das Leben für sie wagen, indem ich meine Religion behaupte. Was thue ich anders, als dasjenige täglich bestätigen, was ich den Ständen versprochen, nie für die Zukunft Anspruch noch Hoffnung zu haben, da es genügt, die katholische Religion zu bekennen, um in Schweden nichts mehr hoffen zu dürfen. Verhüten Sie es um des Himmels willen, daß die schwedische Nation sich nicht an einer Prinzessin, die es nicht verdient hat, durch Entziehung der ihr schuldigen Ehrfurcht vergehe und dadurch Anderen zum Abscheu werde. Ich bitte Sie um Gottes willen, übermachen Sie mir schleunigst meine Gelder, damit ich je eher je lieber aus diesem Lande komme, in welchem man mich so grausam verfolgt …« Diese Verdrießlichkeit wurde noch durch die Nachricht vergrößert, daß der Bischof Terserus in einem Briefe, den er nach Deutschland geschrieben hatte, versichert habe, Christina hätte über ihre Religionsveränderung Thränen vergossen. In hohem Grade dadurch verletzt, beschwerte sie sich bitter bei dem Könige über diese Unwahrheit und forderte exemplarische Bestrafung des Verleumders. Ihrem Sekretär Davidson schrieb sie: »Die einfältigen Lügen, wovon die Schrift voll ist, haben mir nichts als Verachtung für den Verfasser eingeflößt, denn meines Zornes ist er nicht würdig … Schweden, das mich kennt, weiß recht gut, daß ich keiner Niederträchtigkeit und schimpflichen Aeußerung fähig bin … Solche Einfältigkeit kann mir nicht schaden, weder in Frankreich, noch in Spanien, noch in Italien. Ich bin wohl bekannt und mein Antlitz kann sich nicht trüben durch die Verleumdung eines lutherischen Priesters … Erwarten Sie geduldig, welchen Lohn er empfangen wird, denn diese Schlange wird nicht lange beißen, und wenn ihr das Gift genommen ist, wird sie zahm sein wie ein Lamm … Bitten Sie Gott, daß ich nie unglücklicher sein möge, als ich es jetzt bin.« Bald nachher verließ sie ziemlich befriedigt Schweden und schloß zu Hamburg mit einem reichen Banquier Texeira einen schriftlichen Vergleich, um durch ihn die nöthigen Gelder geschwinder zu bekommen, als wenn sie die gewöhnlichen Zahlungstermine ihrer Einkünfte abwartete. Von Hamburg aus machte sie viele Reisen und unterhielt einen freundschaftlichen Verkehr mit vielen Gelehrten, so auch mit dem Polyhistor Petrus Lambecius, einem Neffen des ihr befreundeten Luc. Holstein. Er ging auf ihren Rath nach Rom und wurde katholisch. Ihr Plan, den Katholiken in Dänemark und Hamburg freie Religionsübung zu verschaffen, scheiterte, weil die übrigen katholischen Höfe zum Theil ihre Mitwirkung versagten. Mehr Erfolg hatte ihre Verwendung bei den christlichen Fürsten für die Republik Venedig, welche damals von der Pforte hart bedrängt wurde.

Nachdem die Königin in der Mitte des Jahres 1662 wieder nach Rom zurückgekehrt war, fand sie außer ihren gewöhnlichen Beschäftigungen gar bald eine andere große Angelegenheit, bei welcher sie ihre Vermittlung anbieten konnte. Die corsische Leibwache des Papstes gerieth in Händel mit den Franzosen und beschimpfte ihren Gesandten, den Herzog von Créqui. Trotz angebotener Genugthuung verließ der Herzog Rom, und wurde der päpstliche Nuntius aus Frankreich verwiesen. Ludwig XIV. schickte dem Papste ein drohendes Schreiben und griff zu Maßregeln der Gewalt. Christina glaubte wegen ihrer freundschaftlichen Verbindung mit Frankreich den Frieden vermitteln zu können und schlug dem Könige Wege zur Ausgleichung vor. Allein Ludwig XIV. deutete das übel und verlangte augenfällige Genugthuung. Der Papst gab nach und fügte sich einer großen Demüthigung. Bei ihm aber gewann Christina um so mehr, als ihr Ansehen in Frankreich für einige Zeit litt.

In dieser Zeit ging Christina wieder mit dem Gedanken um, abermals nach Schweden zu reisen. Ihre Angelegenheiten waren noch immer nicht zur Zufriedenheit geordnet und dann fürchtete sie auch, in Folge der schwächlichen Gesundheit des Königs könne bald ein Regierungswechsel eintreten. Sie ließ darum bei den Reichsständen förmlich auf Erlaubniß zur Rückkehr in ihr Vaterland antragen. Allein hier wurden sehr harte Bedingungen gestellt und die Religionsfreiheit ihr nur für ihre Person gestattet mit dem Vorbehalt, daß ihr Priester kein Italiener wäre und in weltlicher Kleidung erscheine, und der Gottesdienst geheim gehalten werde. Durch solche Bestimmungen wollte man die Königin, deren Energie und Einfluß auf das Volk man fürchtete, von Schweden zurückhalten. Es war aber auch jetzt wie immer kein Hinderniß vermögend, ihren Entschluß zu erschüttern. Sie trat die Reise an und wurde in Helsingborg von zwei Abgesandten des Königs mit glänzendem Gefolge empfangen. Als sie nach Jönköping kam, erhielt sie unerwartet den Befehl, ihren Priester zu entlassen, widrigenfalls man nach den Reichsgesetzen gegen ihn verfahren werde. Sie wollte auf der Stelle umkehren, ließ sich aber durch die Bitten der Abgeordneten bewegen, so lange zu warten, bis man Zeit gehabt hätte, von der Regierung neue Verhaltungsbefehle einzuholen. Während dessen wurde Christina überall mit großer Freude begrüßt. Das Volk drängte sich an sie heran mit Klagen über die bestehende Regierung und mit Lobeserhebungen ihrer früheren Herrschaft; seit ihrer Thronentsagung, sagte man, sei kein Glück und Segen mehr im Lande gewesen. Die Abgesandten mußten Alles aufbieten, um das Volk zu begütigen. Als die Antwort von der Regierung kam und neben der Bestätigung der früheren Befehle ihr auch den Besuch des Gottesdienstes bei den fremden Gesandten untersagte, verordnete sie sofort ihren Rückzug, bei dem einer von den Gesandten sie bis an die schwedische Grenze begleitete. Christina war sehr unwillig, daß man so rücksichtslos gegen sie verfuhr. Sie sagte: Alle Kronen der Welt würden sie nicht vermögen, sich der Ausübung ihrer Religion zu berauben. Im Grenzorte Helsingborg hielt sie noch einmal katholischen Gottesdienst, um zu zeigen, daß sie nichts fürchte. Dem König ließ sie sagen: Ihr Stolz werde ihr nie gestatten, sich über das Vorgefallene zu beklagen, noch ihre Liebe zu Schweden, sich dafür zu rächen; aber die Welt möge darüber urtheilen, daß man ihr sogar einen Priester versagt habe, was man dem geringsten Residenten gestatte. Als Christina in Hamburg angekommen war, schrieb sie einen Brief an den König, worin sie sich über die erduldeten Mißhandlungen und über einige Mitglieder der Regentschaft bitter beschwerte. Zugleich setzte sie mehrere ihrer Beamten ab, weil sie fürchtete, dieselben möchten im Einverständnisse mit den Reichsräthen gegen sie handeln. Das erbitterte die Machthaber noch mehr, und sie entzogen ihr ganz vertragswidrig die Verwaltung ihrer Güter, ordneten eine gerichtliche Untersuchung ihrer Verwaltung an und nahmen die von ihr der Untreue beschuldigten Beamten in Schutz. Jetzt hatten Christina's Widerwärtigkeiten den höchsten Grad erreicht. Doch sie setzte ihre Hoffnung auf die Ständeversammlung, zu welcher sie den Baron Rosenbach sandte. Vor Eröffnung derselben brachten diejenigen Personen, die Christina nicht günstig waren und es ungern sahen, daß sie die Zuneigung des größeren Theils der Stände auf dem Reichstag erhielt, ihren Geschäftsführer Appelmann dahin, daß er die Königin beschuldigte, als hätte sie ihm den Plan anvertraut, die schwedische Krone wieder an sich zu ziehen und sie dem jungen Könige Karl XI. zu entreißen. Voll Entrüstung über diese schmähliche Verleumdung schrieb sie an ihren Oberstatthalter: »Und da der König von Schweden mein Werk ist und ich gleichsam sagen kann, daß seine Krone es ebenfalls ist, so soll mich ihre Undankbarkeit nie hindern, all' mein Blut, wenn ich könnte, für die Erhaltung dieses Werkes hinzugeben, welches allen Ruhm und alles Glück meines Lebens ausmacht; wenn Schweden es endlich müde wird, schlecht regiert zu werden, so erinnere man sich, daß dies nicht meine Schuld ist; und ich wünsche, Gott möge mir das Leben nehmen, wenn ich den Gedanken habe, davon Nutzen zu ziehen; meine ganze Theilnahme daran wird sein, das Verderben eines Staates zu bedauern, für dessen Ruhm und Größe ich so viele Nächte gewacht und so viele Mühsale erduldet habe, die Gott allein bekannt sind; ich sage hier Wahrheiten, die sicherlich nicht gefallen werden, aber man zwingt mich dazu und ich wünschte, man ließe mich in Ruhe. Was sich auch ereignen mag, so kann ich versichern, daß Schweden mich niemals unter seine Feinde zählen soll, so undankbar es auch gegen mich sei. Wenn nichts anders als mein Leben nöthig wäre, es zu erhalten, so würde ich es freudig opfern. Dieses sind die Gesinnungen, welche meine Ehre, meine Pflicht und die Betrachtung meiner Angelegenheiten mir einflößen.« Appelmann, sagt sie ferner, habe hier nicht zum ersten Male gelogen; und alle Gnade, die er erlangen werde, sei, daß sie ihn aufhängen lasse. An diesen Schurken selbst schrieb sie folgenden donnernden Brief: »Ich glaubte nicht, daß ich so tief mich erniedrigen würde, an einen Ehrlosen und Nichtswürdigen, wie Sie, zu schreiben. Aber da meine Ehre erfordert, Sie zum Sprechen zu bringen, so befehle ich Ihnen, alle Originale meiner Instructionen und Briefe aufzuweisen, die Sie in Händen haben, damit diese Briefe und Instructionen Sie als den ehrlosesten und treulosesten Menschen zeigen, der je gelebt hat. Ich gebiete Ihnen daher, sie demjenigen zu übergeben, den der König und die Regentschaft von Schweden Ihnen anweisen werden; denn man soll erkennen, daß nur ein Nichtswürdiger, wie Sie, mich anklagen kann, ich wäre fähig gewesen, Ihnen etwas zu befehlen, was der mir eigenen großartigen Gesinnungen unwürdig ist, oder den Gedanken und die Versuchung gehabt zu haben, die Krone einem Prinzen zu entreißen, dem ich sie gegeben habe; und daß man so ehrlos wie Sie sein muß, um mich dessen anzuklagen oder es zu argwöhnen. Indessen verlange ich nicht von Gott die Bestrafung Ihres Verbrechens: denn er ist zu gerecht, um mich zu verhindern, Sie so zu strafen, wie Ihre Treulosigkeit verdient.«

Durch diese Verwicklungen wurde der Abschluß ihrer Angelegenheiten bedeutend in die Länge gezogen; indessen erlangte sie durch Klugheit und Beharrlichkeit schließlich doch fast Alles, was sie wünschte, nämlich: freie Religionsübung für sich und ihre Diener, freie Wahl ihres Aufenthaltsortes und Auszahlung der ihr schuldigen 600,000 Thaler. Der Austausch ihrer pommerschen Tafelgüter gegen das Herzogthum Bremen wurde durch die Kabalen ihrer Feinde hintertrieben.

In dieser Zeit verwandte sich die Königin auch beim Papste für den edlen und ausgezeichneten Ferdinand von Fürstenberg, Bischof von Paderborn, den Verfasser der berühmten Monumenta Paderbornensia. Wahrscheinlich ist es ihr zu verdanken, daß Fürstenberg als Coadjutor von Münster bestätigt wurde. Mitten unter diesen verschiedenen Bestrebungen traf sie in Hamburg die traurige Nachricht von dem Tode ihres Freundes und Gönners, des Papstes Alexander VII. So sehr sie den theuren Hingegangenen betrauerte, so groß war ihre Freude, als der ihr befreundete Cardinal Rospigliosi als Clemens IX. den päpstlichen Stuhl bestieg. Sie gab ein glänzendes Fest, wobei ihr Palast festlich geschmückt war und ein Springbrunnen aus neun Röhren Wein ergoß. Das zog eine große Menschenmenge heran; man trank und bewunderte die herrliche Illumination. Aber ein Transparent mit der päpstlichen Tiara und den Schlüsseln erbitterte das Volk, und man warf mit Steinen in die Fenster. Christina ließ ihre Dienerschaft sogleich unter die Waffen treten und schickte Personen ab, das Volk zu beruhigen. Da dasselbe aber noch wüthender wurde, Schüsse abfeuerte und gegen das Thor stürmte, ließ sie eine Salve geben, wodurch mehrere verwundet und getödtet wurden. Als die Gefahr am höchsten war, erschien die Stadtmiliz und stellte wieder Ruhe her. Christina war durch ein Hinterthor in das Haus des schwedischen Gesandten geflüchtet, von wo sie der Magistrat am andern Tage mit Ehren in ihren Palast zurückführte.

Im Herbste 1668 trat sie in angesehener Begleitung die Rückreise nach Rom an. An der Grenze des Kirchenstaates zeigte sie dem Papste ihre Ankunft an. Dieser ließ die Reise auf seine Kosten anordnen und that Alles, um ihrem Einzuge den größten Glanz zu verleihen.

Von jetzt an lebte Christina ruhig in Rom. Bisher war ihr Leben in unaufhörlicher Bewegung gewesen. Vielen Glanz und große Ehren hatte sie empfangen; Rom und Paris, die Hauptstädte Europas, sahen ihren Triumphzug. Aber auch Widerwärtigkeiten und Demüthigungen waren ihr zu Theil geworden. Jetzt dagegen wurden ihre Verhältnisse viel angenehmer, ihr Ansehen und ihre königliche Würde nahmen zu, und ihre Studien erhielten wieder ihre ganze Bedeutung und ihren vollen Glanz.

Gleich nach ihrer Rückkunft in Rom nahm eine wichtige Angelegenheit ihre Aufmerksamkeit in Anspruch. Der König Johann Casimir von Polen ging mit dem Gedanken um, dem Throne zu entsagen und seine letzten Lebensjahre in Ruhe zu genießen. Als Bewerber um die Krone traten auf der russische Czar, der Herzog von Neuburg, der Prinz Condé und der Herzog von Lothringen. Auch Christina glaubte Ansprüche zu haben, weil sie der einzige Sprößling des Hauses Wasa sei, welches zuletzt den Thron Polen's besessen habe. Ihre Privatverhältnisse hatten manches Drückende und brachten ihr nicht die Befriedigung, welche sie wünschte; ihre Abhängigkeit von Schweden hatte ihr schon die bittersten Stunden bereitet. Welche Demüthigung für ihre Feinde und welcher Ruhm für sie, wenn sie nicht nur einer Krone entsagt, sondern durch die Wahl eines großen Volkes eine Krone wieder erhielt. Sie bewarb sich daher um die polnische Krone, und zwar ganz im geheimen; nur der Papst, der Cardinal Azzolino, der päpstliche Nuntius in Polen und der Cisterzienser-Prior Hacki wußten darum. Sie bat den Papst um seine Empfehlung, welche dieser ihr durch ein Breve gab. Die übrigen Fürsten wollte sie nicht um ihre Unterstützung angehen, weil sie, wie sie sagte, so viel Stolz habe, daß sie ihr Glück Niemanden als Gott, seinem Statthalter, und der Republik verdanken wolle; die übrigen Empfehlungen würden zu nichts dienen, und selbst wenn sie von Gewicht wären, so würde sie erröthen, sie anzunehmen; des Papstes Gunst schätze sie höher als die Krone selbst. Ebenso verschmähte sie, durch Geldspenden sich in Polen Stimmen zu erwerben: »Ich habe zwar kein Geld zu vertheilen; aber selbst wenn ich die Schätze eines Krösus hätte, so möchte ich eine Krone nicht erkaufen; es ist wahr, daß ich keins habe; aber wenn ich's hätte, so muß man wissen, daß ich es keineswegs bei dieser Gelegenheit verschwenden wollte, denn wenn ich nicht Königin von Polen sein kann, so will ich doch ebenso wenig der Narr im Spiele sein. Käme es auf Versprechungen an, so könnte ich der Republik größere machen, als irgend Jemand; aber meine Ehre und meine Interessen verbieten es mir, und überdies bin ich so geartet, daß ich gern wenig verspreche und viel halte. Ich wage es, mich zu rühmen, so erkenntlich zu sein, als irgend Jemand in der Welt, und ich gebe mein Wort, daß, wer mir dient, nie weder seine Sorgfalt, noch seine Mühe zu bereuen haben werde; und was die Republik betrifft, so werde ich ihr Ursache geben, tausendmal Gott zu danken, daß sie mich gewählt.« Als Beweggründe für ihre Erwählung gab sie ihre Abstammung vom letzten Königshause Polen's an, ihre frühere glückliche und ruhmvolle Regierung, die Empfehlung des Papstes, auch ihr reifes Alter und ihre frische Gesundheit. Zugleich widerlegte sie die Einwürfe, welche man ihr machen könnte. Sie hätte die Krone von Schweden niemals niedergelegt, wenn Schweden ein katholisches Reich gewesen wäre, oder es damals das geringste Ansehen gehabt hätte, es dazu machen zu können. Auf die ihr vom Nuntius gemachten Schwierigkeiten, welche in ihrem Geschlechte und in ihrem ledigen Stande lägen, antwortete sie: »Was das Geschlecht angeht, so kann dieser Einwurf selbst durch Beispiele aus der polnischen Geschichte gehoben werden. Uebrigens weiß alle Welt, daß ich ein Reich und eine der tapfersten Nationen von der Welt so gut als ein König beherrscht habe; daß ich ebenso gekrönt worden bin, als man Könige von Schweden krönt; daß man mir diesem Range gebührende Huldigung geleistet hat; daß ich seit meinem mündigen Alter zehn Jahre hindurch als ein unumschränkterer König geherrscht habe, als alle meine Vorgänger gewesen sind; daß man mich noch bis auf diesen Tag in Schweden verehrt, fürchtet und vermißt, weil ich ohne Eitelkeit sagen kann, daß meine Regierung für Schweden die rühmlichste und glücklichste von der Welt gewesen ist; und wenn Gott will, daß ich dasselbe Glück in Polen habe, so glaube ich, wird man Ursache finden, mit mir zufrieden zu sein. Als ich Schweden beherrschte, war ich gleichsam noch ein Kind, und es hat allen Anschein, daß ich mit göttlicher Hülfe mich jetzt meiner Pflicht ohne Vergleich besser entledigen würde, da ich in vollen Geistes- und Leibeskräften und aller Beschwerden und Anstrengungen fähig bin. Und was kann man am Ende von mir fordern, das ich nicht leisten werde? Ist es darum zu thun, Recht zu sprechen, in dem Rath Gründe vorzutragen oder Beschlüsse zu fassen? Ich erbiete mich, diesen Forderungen Genüge zu leisten, wenn auch nicht mit so viel Beredsamkeit und Geschicklichkeit, wenigstens mit so viel gesundem Verstande als irgend Jemand. Kommt es darauf an, sich im Dienste der Republik an die Spitze einer Armee zu stellen? Ich werde mit Vergnügen hingehen und kann versichern, daß die bloße Hoffnung, diese Befriedigung zu haben, mich die polnische Krone wünschen läßt, und wenn man sie mir unter der Bedingung geben wollte, daß ich nicht ins Feld gehen sollte, so würde ich sie nie annehmen. Ich habe eine solche Gelegenheit mein ganzes Leben hindurch leidenschaftlich gewünscht, aber meine Lage erlaubte es nie und ich bezeuge, daß ich meine Armeen nie von Anderen würde haben kommandiren lassen, wenn nicht Staatsgründe mir die Erfüllung dieses Wunsches unmöglich gemacht hätten. Aber dem Wohl meines Staates habe ich Alles, selbst meinen Ehrgeiz und meine Neigungen aufgeopfert, überzeugt, daß dies meine Pflicht sei. Kurz, wenn man sich die Mühe gibt, meinen ganzen Lebenslauf, meinen Charakter und mein Temperament zu prüfen, so dünkt mich, man könnte mir wohl die Gefälligkeit erweisen, auf mein Geschlecht nicht zu sehen.«

»Was nun den zweiten Punkt betrifft, so gestehe ich, daß er mich ungemein in Verlegenheit setzt; denn erwäge ich meine Denkensart und mein Alter, so sehe ich hier kein Auskunftsmittel. Ich bin eine geschworene Feindin dieses schrecklichen Joches, in welches ich selbst um die Herrschaft der Welt nicht einwilligen würde. Da mich Gott frei geboren werden ließ, so könnte ich mich nicht entschließen, mir einen Herrn zu geben; und da ich zum Herrschen geboren bin, so ist es mir unmöglich, zu gehorchen, oder mir eine Sklaverei aufzulegen, welche für mich die unerträglichste wäre, die meine Phantasie sich vorstellen kann. Vermöchte ich aber auch meinen Widerwillen zu besiegen, so bin ich in einem Alter, wo es lächerlich wäre, daran zu denken, und ich würde mich ohne Nutzen unglücklich machen, weil man aller Wahrscheinlichkeit nach in dem Alter, in welchem ich bin, keine Kinder hoffen darf. Da aber Polen ein Wahlreich ist, so dünkt mich, man könnte die Polen dazu stimmen, weniger an die Zukunft und mehr an die Gegenwart zu denken.« Dann suchte Christina zu beweisen, daß ihre Ehelosigkeit den Polen vortheilhaft wäre. Sie stehe allein, ohne Verwandte und Nachkommen, werde daher dem Staate in nichts zur Last fallen, für Niemanden als für ihn und sein Wohl Interesse hegen. Nach ihrem Tode habe man ganz freie Wahl für ein neues Herrscherhaus. »Es gibt noch,« fährt sie dann fort, »eine dritte Schwierigkeit, die ich mir selbst entgegensetze – die Unwissenheit in der polnischen Sprache. Dieses Hinderniß scheint mir so wichtig, daß ich zittere, wenn ich daran denke, denn wie ist es möglich, ein Volk zu regieren, mit dem man nicht reden kann? Wie werde ich die Befehle, die gegeben werden müssen, begreifen? Wie Staatsschriften und Verordnungen unterzeichnen können, ohne sie zu lesen oder zu verstehen? Aber weder der Prinz von Condé, noch der Herzog von Neuburg, noch der Prinz von Lothringen wissen mehr davon als ich, und ich werde thun, was sie nicht werden thun können, ich werde suchen, sie in kurzer Zeit zu erlernen.« Zugleich gibt sie eine Charakteristik von ihren Mitbewerbern und stellt mit vielem Geschick Alles zusammen, was ihrem Zwecke dienlich ist. Der Pater Hacki sprach unter der Hand mit mehreren bedeutenden Personen über Christinas Erwählung. Diese machten mehrere Einwände, die aber Christina sofort zu entkräften suchte; so sagte sie in Beziehung auf den Tod des Monaldeschi: »Ich habe keine Lust, mich über den Tod eines Italieners bei den Herren Polen zu rechtfertigen. Ich brauche ihnen hierüber keine Rechenschaft abzulegen, obschon ich es leicht thun könnte; aber ich glaube, in Polen könne man mir diese Handlung weniger als an irgend einem Orte der Welt zum Verbrechen machen, da bekannt ist, daß Leute von weit geringerem Stande als ich, sich gegen ihre Diener und Unterthanen selbst Gerechtigkeit verschaffen, wann und wie es ihnen gefällt, ohne daß weder der König noch der oberste Gerichtshof es wagt, sie um die Ursache zu befragen! Um so viel mehr, da dieses mehrere Italiener vom ersten Range nicht abgehalten hat, in meine Dienste zu treten, und da mehrere unter ihnen sind, welche mir schon seit acht bis zehn Jahren mit Ergebenheit und Treue dienen. Aber der Pater mag zur Steuer der Wahrheit sagen, daß dieser Mann durch die schwärzeste Verrätherei, welche ein Diener gegen seinen Herrn begehen kann, mich zwang, ihn hinrichten zu lassen; daß ich seinen Tod nicht eher befahl, als bis ich ihn durch Briefe von seiner eigenen Hand seiner Verbrechen überwiesen und ihn selbst in Gegenwart dreier Zeugen und des P. Priors von Fontainebleau zu dem Geständnisse derselben gebracht hatte. Diese wissen, daß er selbst sagte: ›Ich habe den Tod tausendmal verdient,‹ und daß ich ihm die Sakramente, welche er zu empfangen im Stande war, vor dem Tode reichen ließ.«

Die Schläge, welche sie einem ihrer Diener gegeben haben sollte, und die man ebenfalls als einen Einwurf gebrauchte, meint Christina, könnten kein Ausschließungsgrund sein: »Denn,« sagt sie, »wenn das genug ist, um die Leute auszuschließen, so denke ich, die Polen werden nie einen König finden.« Der Einwurf in Betreff des Protestantismus in ihrem Hause ist schon früher erwähnt. So viel Mühe sich Christina übrigens gegeben, ihren Zweck zu erreichen, so ruhig vernahm sie die Nachricht, daß die Polen einen einheimischen Fürsten, den jagellonischen Sprößling Michael Wisniowiecki, als König gewählt hätten.

Ebenso wenig Glück hatte Christina bei ihren Ansprüchen auf die Erbschaft des verstorbenen Königs Johann Casimir von Polen. Zufriedener dagegen war sie mit den Verhandlungen in Schweden, wohin sie zur Regelung ihrer Besitzungen mehrmals Gesandte abschickte.

Auch an den großen Ereignissen, welche damals die Welt bewegten, nahm Christina lebhaften Antheil. Als Frankreich und die Pforte das deutsche Reich und die Staaten des Kaisers bedrohten, bot sie ihre ganze Thätigkeit zur Beseitigung dieser Gefahr auf und suchte vom Papste ansehnliche Hülfsgelder für den Kaiser zu erwirken. Aber sie zweifelte an dem guten Ausgange. »Wien,« schrieb sie, »kann sich nicht mehr retten, als nur durch ein Wunder, ähnlich dem des rothen Meeres. Wenn es verloren ist, wer wird dann dem Sieger widerstehen? Meine Meinung ist, daß er Frankreich zuerst unterwerfen wird, nachdem er Deutschland unterworfen hat. Wohin er auch geht, nirgends wird ihm von Seite der Regierenden etwas anderes geboten, als Niedrigkeit und Schwäche.« Um so größer war darum ihre Freude, als Wien durch den heldenmüthigen König von Polen, Johann Sobieski, gerettet wurde. In mehreren Briefen spricht sie diese mit ihrer ganzen Lebendigkeit aus, und sagt unter Anderm: »Von allen merkwürdigen Wirkungen des Sieges halte ich für die größte die, daß er die Welt von dem ›französischen Uebel‹ geheilt hat. Gott gebe, daß sie keinen Rückfall erleide.« In dieser Weise muß sie sich über Frankreich noch öfters ausgesprochen haben, so daß die demselben ergebenen Cardinäle es übel aufnahmen; denn es findet sich in ihren Handschriften eine Art Manifest, das so lautet: »Die Königin thut und sagt nie etwas aufs gerathewohl und gibt von ihren Handlungen und Worten Niemanden Rechenschaft als Gott. Sie hat stets selbständig gehandelt und geredet und das wird sie thun bis zu ihrem Tode, möge es diesen verbündeten Herren Cardinälen gefallen oder mißfallen, die da zu bedenken haben, daß, wie man nicht von dem Löwen verlangen kann, daß er nicht brülle, ebenso sich der betrügt, welcher hofft, Ihre Majestät werde ihre Sprache ändern.« In einem Briefe an den Ritter Terlon, französischen Gesandten am schwedischen Hofe, spricht sie ebenfalls über die unerhörte Verbindung zwischen den Franzosen und Türken, indem sie Sobieski's Großthat auf eine für Ludwig XIV. recht fühlbare Weise hervorhebt: »Glücklich dieser große und unvergleichliche König, dessen Gott sich bedient hat, um unsere Knechtschaft wenigstens aufzuschieben; möge er diesen Fürsten erhalten, welcher der Ruhm des Jahrhunderts ist, und die einzige Stütze unserer Religion.« Dem Helden selbst aber schrieb sie: »Ein großes und seltenes Schauspiel haben Ew. Majestät der Welt gegeben an dem denkwürdigen und siegreichen Tage der Rettung Wien's, wofür unser heiliger Glaube und die ganze Welt Ihnen so großen Dank schuldet, daß Ihren Ruhm zu feiern jeder Christ verpflichtet erscheint, der in dem allgemeinen Jubel seinen eigenen kund gibt. An diesem glücklichen Tage haben Ew. Majestät sich nicht nur der Krone Polens würdig gemacht, wozu Sie Gott bereits erhoben hatte, sondern sich die Herrschaft der Welt verdient, wäre diese vom Himmel einem einzigen Herrscher bestimmt worden. Möge ich im Stande sein, Ew. Majestät meine persönlichen Gesinnungen auszusprechen: sicherlich würden Sie erkennen, daß Niemand mehr, als ich, Ihrem Ruhme und Verdienste Gerechtigkeit erweist. Ich darf mich rühmen, so sehr wie jeder Andere, den Werth und die Wichtigkeit des herrlichen Sieges zu erkennen, den Ew. Majestät über den Beherrscher Asien's erfochten haben, da ich mehr als jeder Andere unsere Gefahr erkannt und das Verderben und die Vertilgung gefürchtet habe, welche uns von einer so furchtbaren Macht drohte, über die Gott vermittelst der heldenmüthigen Tapferkeit Ew. Majestät hat triumphiren wollen. Ihnen werden in Zukunft nächst Gott alle anderen Könige die Erhaltung ihrer Reiche verdanken. Ich aber, die ich kein Reich mehr habe, verdanke Ihnen die Erhaltung meiner Unabhängigkeit und Ruhe, die ich höher schätze, als alle Reiche der Welt … Ich beneide Sie nicht um Ihr Reich, noch um all' die Schätze und Spolien, die Sie erworben; ich beneide Sie nur um Ihre Mühen, Ihre Gefahren; ich beneide Sie um den schönen Titel eines Befreiers der Christenheit, um die Freude, jeden Augenblick Leben und Freiheit so vielen Unglücklichen wiederzugeben, Freunden und Feinden, die Ihnen Ihr Leben oder Ihre Freiheit verdanken … Der Herr, unser Gott, welcher der einzige Lohn und Preis für die heldenmüthigen und großen Thaten ist, möge Ew. Majestät belohnen, in dieser Welt und in der Ewigkeit.«

Eine zweite Angelegenheit, welche sie sehr beschäftigte, waren die sogenannten Dragonaden in Frankreich. Während die öffentliche Stimme in Frankreich fast nur Billigung und Lobpreisung für diese gewaltsame Ketzerbekehrung hatte, sprach sich Christina in sehr bitteren und harten Ausdrücken über dieses unkirchliche Verfahren aus. In einem Briefe an den Ritter Terlon sagt sie: »Da Sie meine Gesinnung über die vorgebliche Ausrottung der Ketzerei in Frankreich wissen wollen, so bin ich sehr erfreut, sie Ihnen über eine so wichtige Sache zu eröffnen. Ich bin dafür bekannt, Niemand zu fürchten und Niemanden zu schmeicheln, und will Ihnen also freimüthig gestehen, daß ich nicht sonderlich an den Erfolg dieses großen Unternehmens glaube und daß ich mich darüber nicht als über eine unserer heiligen Religion sehr vortheilhafte Sache freuen kann; im Gegentheile sehe ich viele Nachtheile voraus, welche ein so ungewohntes Verfahren überall nach sich ziehen wird. Sind Sie wohl im Ernst von der Aufrichtigkeit dieser Neubekehrten überzeugt? Ich wünsche, daß sie Gott und ihrem Könige von Herzen gehorchen; aber ich fürchte ihre Hartnäckigkeit und möchte nicht alle die Entheiligungen verantworten, welche jene Katholiken begehen, und wozu Missionäre sie zwingen, die unsere heiligen Mysterien gar zu junkermäßig behandeln. Soldaten sind sonderbare Apostel; ich halte sie für besser geeignet zum Todtschlagen, Schänden und Stehlen, als zum Ueberzeugen: auch beweisen uns unbezweifelbare Nachrichten, daß sie sich ihrer Mission ganz in ihrer Weise entledigen. Ich bemitleide diejenigen, die man ihrer Willkür überläßt; ich beklage so viele zu Grunde gerichteten Familien, so viele rechtlichen Leute, die an den Bettelstab gebracht sind; und ich kann das, was gegenwärtig in Frankreich vorgeht, nicht ansehen, ohne es zu bedauern. Ich beklage diese Unglücklichen, daß sie im Irrthum geboren sind, aber mir scheint, daß sie vielmehr Mitleid als Haß verdienen; und wie ich um die Herrschaft der ganzen Welt nicht Theil an ihren Irrthümern haben möchte, so möchte ich auch nicht die Ursache ihres Unglückes sein. Ich betrachte gegenwärtig Frankreich als einen Kranken, dem man Arme und Beine abnimmt, um ihn von einem Uebel zu heilen, welches ein wenig Geduld und Schonung vollkommen würde geheilt haben; aber ich fürchte sehr, daß das Uebel sich verschlimmert und daß es am Ende unheilbar wird; daß dieses unter der Asche verborgene Feuer sich einstens ärger als je wieder entzündet, und daß die maskirte Ketzerei noch gefährlicher wird. Nichts ist löblicher, als das Bestreben, die Ketzer und Ungläubigen zu bekehren; aber die Weise, wie man dabei verfährt, ist ganz neu; und da unser Heiland sich dieser Methode nicht bedient hat, um die Welt zu bekehren, so muß sie wohl nicht die beste sein. Ich bewundere und begreife nicht diesen Eifer und diese Politik, die mir zu hoch sind; und ich bin sogar erfreut, daß ich sie nicht begreife. Glauben Sie, daß es jetzt Zeit ist, die Hugenotten zu bekehren, sie zu guten Katholiken zu machen, in einem Zeitalter, wo man in Frankreich so offenbar die Ehrfurcht und Unterwürfigkeit verletzt, die man der römischen Kirche schuldig ist, sie, welche die einzige und unerschütterliche Grundfeste unserer Religion ist, da ihr unser Heiland das glänzende Versprechen gegeben hat, daß die Pforten der Hölle sie nicht überwältigen werden? Ist doch die ärgerliche Freiheit der gallicanischen Kirche nie weiter zur Empörung hin getrieben, als gegenwärtig: die letzten Artikel, welche die französische Geistlichkeit unterzeichnet und bekannt gemacht hat, sind von der Art, daß sie der Ketzerei nur einen zu offenbaren Triumph verliehen haben; und ich glaube, ihr Erstaunen muß ohne Gleichen gewesen sein, da sie kurz darauf sich von denen verfolgt sah, deren Dogmen und Ansichten über diesen Fundamental-Punkt unserer Religion mit den ihrigen so genau übereinkommen. Das sind die triftigen Gründe, die mich hindern, über diese angebliche Ausrottung der Ketzerei mich zu freuen. Das Interesse der römischen Kirche ist mir sicherlich so theuer, wie mein Leben; aber es ist eben dieses Interesse, welches mich bei Betrachtung der jetzigen Vorgänge mit Schmerz erfüllt; ich gestehe Ihnen auch, daß mir Frankreich werth genug ist, um die Verwüstung eines so schönen Reiches zu beklagen. Ich wünsche von ganzem Herzen, daß ich mich in meinen Vermuthungen täusche und daß Alles sich zum größten Ruhme Gottes und des Königs, Ihres Herrn, endige.« Als dieser Brief durch den Philosophen Bayle bekannt wurde, hielt es der französische Hof für gerathen, der Königin die Sache in einem möglichst vortheilhaften Lichte darzustellen. Allein Christina ließ sich nicht täuschen und sich zu keiner Aenderung ihrer Aeußerungen und Ansichten bewegen. »Mögen diese Aeußerungen,« schreibt sie an Terlon, »dem französischen Hofe und der Geistlichkeit gefallen oder nicht, das kümmert mich nicht. Man wird mich nicht hindern, die Wahrheit zu sagen, und ich bewundere die Mühe, welche man sich gibt, um die Dragoner-Missionäre zu rechtfertigen … Man täuscht sich auch darin, daß man wegen meiner Ansichten über den gegenwärtigen Zustand Frankreichs die Zeitungen anklagt. Man sollte doch wissen, daß ich Gedrucktes und Geschriebenes nur lese, um selten das zu glauben, was sie sagen. Aber man beklagt sich auch mit Unrecht: die Zeitungsschreiber werden zu gut bezahlt, als daß sie nicht Alles schreiben sollten, was Frankreich gefällt. Weiß man denn nicht, daß Frankreich Regimenter von Lobrednern so gut wie Regimenter von Grenadieren hält? Da die Welt so voll ist von Thoren und Memmen, so thun diese Arten von Truppen überall Wunder zu seinen Gunsten, zumal in einem Zeitalter, wo man so geneigt ist, Alles zu glauben. Was die Apologie der französischen Geistlichkeit betrifft, die man Ihnen dictirt hat, so könnte man mich wohl ohne Mühe von der Weisheit dieser erlauchten Körperschaft überzeugen; aber unglücklicher Weise sind Sie selbst, den man dazu gebraucht, kein so großer Theologe, um die Dogmen der neulichen Artikel aufrecht zu halten; und ich, der es leid thun sollte, dies mehr als Sie zu sein, ich unterwerfe mich darin dem Urtheile des Papstes.« Dann spricht sie ihren Unglauben an den vorgeblichen blühenden Zustand Frankreichs aus und spottet über die vermeintliche Unfehlbarkeit des Königs. »Es befremdet mich nicht, zu sehen,« sagt sie ferner, »daß die Verwegenheit derer, in deren Namen Sie schreiben, sie so weit verleitet, mir sogar den Vorwurf zu machen, als ob ich dem Eigensinne der Ketzer schmeichle, und ich werde mich wegen einer so lächerlichen Beschuldigung nur durch Verachtung rächen. Ich biete Jedem Trotz, wer es auch sei, meinem Briefe einen so verkehrten Sinn zu geben. Ich wage sogar zu behaupten, daß er, wenn es Gott gefällt, mehr wahre Bekehrungen erwirken wird, als Eitelkeit, Eigennutz und Grausamkeit falsche bewirkt haben.« Schließlich drückt sie ihre Freude aus über den glücklichen Erfolg, womit damals der Papst sich der Knechtschaft Frankreichs entzogen habe, und über die glückliche Einnahme von Ofen, welche sie absichtlich mit den größten Lobpreisungen erhebt.

Daß auch der römische Hof solcher Gesinnung war, wie Christina, erhellt aus einem Briefe der Königin an den ebenfalls katholisch gewordenen Prinz Ernst von Hessen. Dieser fragte nämlich schriftlich bei ihr an, ob jener Brief wirklich von ihr verfaßt wäre. »Ich bereue nicht,« antwortete sie, »ihn geschrieben zu haben; denn ich scheue Niemand und ich bitte Gott von Herzen, daß dieser falsche Triumph der Kirche ihr nicht einst wahre Thränen koste. Doch muß man zur Ehre Rom's wissen, daß alle Leute von Geist und Verdiensten, die sich hier befinden und von einem echten Eifer beseelt sind, so wenig als ich sich in dieser Sache von Frankreich irre führen lassen und daß sie, sowie ich, Alles mit Mitleiden betrachten, was in einer Welt geschieht, wo man den Zuschauern so viel Stoff zum Weinen und zum Lachen gibt. Unser einziger Trost ist, Gott werde seine Kirche nicht verlassen und allem diesem Unglück, das größer ist, als man denkt, ein glorreiches Ende machen. Aber man muß Gott und die unerforschlichen Wege seiner Vorsehung in Allem verehren, was geschieht.«

Wenn aber das vielfache Gerede, das der Brief veranlaßte, ihr schon unangenehm war, zumal als sie dadurch in dem Mercure Galant zum ersten Male figurirte, einem Buche »ganz voll von allen Narrenpossen, Lappalien und Dummheiten der Zeit«, so mußte es ihr im höchsten Grade Verdruß erregen, daß Bayle in seiner Zeitschrift ihre Aeußerungen »einen Rest von Protestantismus« nannte. Der unvorsichtige Gelehrte erhielt daher nicht lange nach dem Erscheinen jenes Artikels einen anonymen Brief, worin ihm zwar mit Höflichkeit, aber auch sehr ernstlich die der Königin zugefügte Beleidigung vorgehalten wurde. »So redet man nicht von einer Königin, die sich öffentlich zu einer der protestantischen Lehre entgegengesetzten Religion mit so vielem Eifer und einem so guten Beispiele bekennet, daß sie für dieselbe Alles aufgeopfert hat: alle ihre Handlungen widerlegen vollkommen, was Sie sagen, und beweisen, daß bei Ihrer Majestät kein Ueberbleibsel von der ihr beigemessenen Religion ist … Sie ist nicht auf französische, sondern auf römische Weise, d. i. nach Art des heiligen Petrus und Paulus, katholisch. Eben darum ist sie wider solche Verfolgungen, indem diese Art, die Ketzer zu bekehren, unstreitig nicht von den Aposteln herkömmt.« Bayle nahm sein Urtheil zurück und suchte seine Ausdrücke zu rechtfertigen oder wenigstens zu entschuldigen. Er schrieb an die Königin und erhielt bald den Schutz und das Wohlwollen, das sie den Gelehrten entgegen trug. Er kam dadurch in einen vertrauten Briefwechsel mit der Königin, welche ihm schrieb: »Mein Vermögen, mein Blut und mein Leben selbst sind dem Dienste der Kirche gewidmet; allein ich schmeichle Niemanden und werde stets die Wahrheit sagen. Ich bin denjenigen Dank schuldig, die meinen Brief bekannt gemacht haben; denn ich verberge meine Meinungen nicht; sie sind, dem Himmel sei Dank, zu edel und zu anständig, als daß ich sie verleugnen sollte … Ihnen will ich eine Strafe auflegen, diese nämlich, daß Sie es über sich nehmen, mir Alles zu schicken, was nur Merkwürdiges im Lateinischen, Französischen, Spanischen und Italienischen zum Vorschein kommt. Es handle von welcher Materie und Wissenschaft es wolle; wenn es nur verdient, gelesen zu werden. Ich nehme auch die Romane und Satyren nicht aus; sollten insbesondere chemische Werke herauskommen, so bitte ich, mir sie vor allem zuerst zu schicken. Vergessen Sie auch nicht Ihr Journal. Die Unkosten will ich Ihnen erstatten.«

Bei diesem bewegten Leben vergaß aber Christina die Pflege der Kunst und Wissenschaft nicht. Als sie nach Rom kam, brachte sie eine große Sammlung von literarischen und Kunstschätzen mit. Obgleich diejenigen, welche mit der Einpackung und Fortschaffung derselben beschäftigt gewesen waren, viele Kostbarkeiten sich angeeignet hatten, so besaß sie doch allein noch 2145 alte Handschriften, der vielen antiken Münzen aus Gold und Silber und der großen Zahl seltener Gemälde und Statuen nicht zu gedenken. Man hat Christina den Vorwurf gemacht, daß sie diese Schätze der Krone Schwedens entzogen habe, allein ganz mit Unrecht; denn alle diese Gegenstände waren ihr Eigenthum, und hatte sie dieselben nach und nach für ihr Privateinkommen angekauft. Auch während ihres Aufenthaltes in Rom war es stets eine Hauptsorge der Königin, diese Sammlungen zu vermehren und zu bereichern. Sie benutzte dazu jede passende Gelegenheit. Ihre Freunde und Diener mußten überall das Beste kaufen, wo sie es fanden. Als Aufseher dieser Sammlungen nahm sie die bedeutendsten Männer in Dienst, wie Luc. Holstein, der dieselben zu seinen Schriften benutzte, Spanheim, der auf Christina's Veranlassung und mit Benutzung ihres reichhaltigen Münzcabinetes das jetzt noch mit Recht berühmte Werk über alte Münzen schrieb, die Alterthumskenner G. P. Bellori, dessen Werke noch jetzt geschätzt werden, Fr. Cameli, Th. Chifflet und Fr. Gottifredi, dessen kostbares Münzcabinet Christina angekauft hatte. Diese Schätze, welche sie Einheimischen wie Fremden gern zu wissenschaftlicher Benutzung überließ, bildeten gleichsam den Boden für ihren Verkehr mit Gelehrten und Kunstbeflissenen. Denn sie war der Mittelpunkt, um den sich alle vorzüglichen Geister drängten; ihr Beifall und ihre Empfehlung gaben die Besiegelung eines ehrenwerthen Namens in Kunst und Wissenschaft. Daher wurde sie »die Zierde und das Wunder des Jahrhunderts« genannt, »die größte der Königinnen, welche der spätern Nachwelt durch den Ruhm ihrer Studien noch merkwürdiger sein würde, als durch ihre Regierung«. »Christina verwandte ihre Einkünfte,« sagt ein Anderer, »zur Unterstützung der dürftigsten und verdienstvollsten Personen, da kein Armer war, der nicht in seinem Elende erleichtert, kein Gelehrter, der nicht mit Ehren und Belohnungen überhäuft wurde; seit Augustus' Zeit hatte Rom keinen wohlthätigeren Mäcenas gesehen, und man konnte das Lob Trajan's wiederholen: Unter dir hat die Wissenschaft Geist und Kraft und Vaterland wieder erhalten.« So unterstützte sie den großen Dichter Vincenzo da Filicaja aus Florenz und ließ sogar seine beiden Söhne erziehen, aber unter der Bedingung, daß es Niemand erführe, »damit sie nicht erröthen müßte, für einen so großen Mann so wenig gethan zu haben«. Ebenso genossen ihre Gunst die italienischen Dichter A. Guidi, B. Menzini, Graf Fr. de Lemene, Fr. Redi, die französische Dichterin Scudéry u. A. Sie stand ferner in fortwährender Verbindung mit dem beredten Alterthumskenner Ottavio Ferrari und der durch ihre philologischen Arbeiten berühmten Anna le Fèvre. Sie unterstützte den Philologen Th. Ryckius in Leyden, den schwedischen Geschichtsschreiber Sam. v. Pufendorf und den Professor Wasmuth an der Universität Kiel bei der Herausgabe ihrer Werke, und gab Letzterem zum Drucke seines Novum opus astro-chronologicum 15,000 Thlr.

In der Mathematik und Naturwissenschaft unterhielt sie schriftlichen und mündlichen Verkehr mit den berühmten Gelehrten: Cassini, Foricelli, Viviani, Marchetti und Borelli, dem sie ein Jahrgehalt gab und die Kosten zur Herausgabe seines noch jetzt geschätzten Werkes über die Mechanik der Thierbewegungen übernahm, obgleich mehrere Universitäten die Kosten aufbringen wollten. Sie nahm an den Arbeiten und Beobachtungen dieser Gelehrten den regsten Antheil und ermunterte sie zu neuem Wirken und Schaffen. Auch für die Astrologie und Alchimie hatte sie große Liebhaberei, aber glaubte nicht daran. »Man muß,« sagte sie, »genug von der Arzneikunde und Astrologie wissen, um nicht der Narr der Aerzte und Astrologen zu sein.«

Vorzüglich wandte Christina den sogenannten schönen Wissenschaften einen lebendigen Eifer zu, so daß sie einen anerkannten Einfluß auf die Entwicklung der italienischen Literatur ausgeübt hat. »Es ist bekannt,« sagt Ranke, »welchen Verirrungen in das Ueberladene, Gesuchte, Bedeutungslose sich italienische Dichtkunst und Beredsamkeit damals hingab. Königin Christina war zu gut gebildet, zu geistreich, als daß sie von dieser Mode hätte bestrickt werden sollen: ihr war dieselbe ein Greuel. Im Jahre 1680 stiftete sie eine Akademie für politische und literarische Uebungen in ihrem Hause, unter deren Statuten das vornehmste ist, daß man sich der schwulstigen, mit Metaphern überhäuften modernen Manier enthalten und nur der Vernunft und den Mustern des augustinischen und mediceischen Zeitalters folgen wolle. Es macht einen sonderbaren Eindruck, wenn man in der Bibliothek Albani zu Rom auf die Arbeiten dieser Akademie stößt, Uebungen italienischer Abbaten, verbessert von der Hand einer nordischen Königin; jedoch ist das nicht ohne Bedeutung. Aus ihrer Akademie gingen Männer hervor wie Alessandro Guidi, der früher auch dem gewohnten Stile gefolgt war, seit er aber in die Nähe der Königin gekommen, sich entschlossen von ihm lossagte, und mit einigen Freunden in Bund trat, um ihn wo möglich ganz zu vertilgen: die Arcadia, eine Akademie, der man das Verdienst zuschreibt, dieses vollbracht zu haben, hat sich aus der Gesellschaft der Königin Christina entwickelt.« Jede Sitzung dieser von Christina gestifteten Akademie wurde mit musikalischen Aufführungen begonnen und beschlossen, wie denn die Königin überhaupt die Musik sehr liebte und stets eine ausgezeichnete musikalische Kapelle hatte. Alles Bedeutende, was in den Sitzungen vorkam, wurde durch den Druck veröffentlicht, und alle ausgezeichneten Gelehrten im In- und Auslande zu literarischen Arbeiten aufgefordert. Christina war nicht nur die Stifterin und beständige Vorsteherin der Akademie, sondern auch selbst eine thätige Mitarbeiterin derselben: bald stellte sie moralische und philosophische, absichtlich oft paradox gehaltene Sätze auf, als Stoff zu scharfsinnigen Erörterungen; bald schrieb sie die Charakteristik eines welthistorischen Helden; bald ein italienisches Gedicht. Noch jetzt findet sich von Christina ein Verzeichniß von Aufgaben zu Disputationen, worin unter andern folgende: »Die Vollkommenheit des Menschen besteht darin, daß er wohl denke, wohl rede und wohl handle. – Wohl handeln ist so viel, als jederzeit seine Pflicht thun. – Das Glück kann die Lasterhaften nicht glückselig machen. – Das Leben ist wenig: aber der Tod ist eine große Sache, da die Seele unsterblich ist. – Man muß den Menschen allzeit mit Freuden Gutes und mit Schmerzen Uebles thun. – Die Seele muß unsterblich sein, weil sie sich Gott vorstellen kann, welcher allein fähig ist, die Unermeßlichkeit unserer Wünsche zu befriedigen. – Man muß niemals etwas Unanständiges oder Niederträchtiges begehen, um sich Güter zu erwerben, auch sogar nicht, um sein Leben zu erhalten. – Man muß sich mit einer gänzlichen Ergebung und Zuversicht sowohl im Leben als im Tode der göttlichen Vorsehung überlassen und Alles willig annehmen, was sie über uns gebietet.« Außerdem hat Christina noch über zwölfhundert andere aphoristische Gedanken hinterlassen, die vielleicht ebenfalls zum Theil für die Disputationen in ihrer Akademie bestimmt waren, oder doch theilweise dadurch veranlaßt worden sind. Da sie zur genauen Kenntniß ihres außerordentlichen Geistes dienen, tiefe Blicke in ihr Herz gewähren und somit ihre beste Apologie sind, so ist die Mittheilung einzelner ausgezeichneter Gedanken wünschenswerth und nothwendig. »Gott,« sagt sie, »ist der alleinige Urheber und das letzte Ziel aller Dinge; er ist gerecht, gütig, weise, allmächtig; aber Alles, was sich noch so Würdiges von ihm sagen läßt, kann ihn nicht definiren; auch bei den erhabensten Vorstellungen von ihm muß man fürchten, ihn zu lästern; er ist unbegreiflich, unaussprechlich; nur durch Schweigen, Bewunderung und Liebe kann man ihn würdig anbeten: das ist das schönste von allen Gebeten, aber Gott allein lehrt uns diese Sprache, die meisten Menschen verstehen sie fast nicht; Gott ewig zu lieben, zu bewundern und anzubeten ist unsere einzige Bestimmung. – Man kann Gott kein größeres Unrecht thun, als nicht auf seine Güte zu hoffen und sich nicht auf seine Allmacht zu verlassen. – Man kann weder zu viel Vertrauen auf Gott, noch zu viel Mißtrauen in sich selbst setzen. – Man muß sich beständig vor Gott demüthigen über Alles, was man Gutes oder Böses gethan oder nicht gethan hat; auch der Fähigste und Heiligste hat Ursache, sich über alle die Fehler und Vergehen zu wundern, die er nicht begeht. – Ohne Gott kann man nichts thun, als sich ins Verderben stürzen. – Man ist niemals freier, als wenn man ganz und gar von Gott abhängt. – Man bringt Gott das würdigste Opfer, wenn man ihm den freien Willen und dessen Anwendung aufopfert. – Gott allein ist die Quelle des Ruhmes und der Glückseligkeit. – Wenn Gott ebenso verdrießlich wäre, als es die Menschen sind, so ginge Alles verloren. – Man ist nur in der Welt, um sich mit Gott zu beschäftigen, welch ein Glück, und wie wenig wird es erkannt. – Der römischen Kirche muß man sich blindlings unterwerfen; diese ist das einzige Orakel, durch welches Gott redet. – Die unumschränkte Macht und die Unfehlbarkeit des Papstes sind die festen und unzerstörlichen Pfeiler des römisch-katholischen Glaubens. – Die Concilien und alle weltlichen Mächte der ganzen Welt müssen dem Papste unterworfen sein; der Papst aber muß Niemanden als Gott unterworfen sein. – Wer so denkt, ist ein Katholik; man nehme dieses Fundament weg, und es gibt keine Religion. Wie kann man ein Christ sein, ohne sich zum Katholicismus zu bekennen? und wie kann man katholisch sein, und dem Papste den ihm gebührenden völligen Gehorsam verweigern? – Die Schwierigkeit der Beichte besteht meines Erachtens nicht darin, das Böse zu sagen, das man gethan hat, denn man muß sich nicht schämen es zu sagen, da man sich nicht schämte, es zu thun; aber am schwersten ist dies, aufrichtig unsere Leidenschaften und Vergnügungen zu bereuen und ihnen redlich und für immer zu entsagen. Doch verdient Gott dieses große Opfer so sehr um uns. – Die Ordensgeistlichen muß man nicht für unnütze Menschen halten. – Wenn es einen Müßiggang gibt, der sich nur mit Gott beschäftigt, so ist er beneidenswerth. – Das Gelübde der Armuth thun, heißt sich reich machen. – Die Tugend, welche nicht Gott zu ihrem Zwecke hat, ist nichts als bloße Eitelkeit. – Die Menschen wären verloren, wenn ihre Wünsche immer erhört würden. – Wir haben einen Richter, das ist Gott, und einen Zeugen, das ist unser Gewissen, beide können sich nicht trügen; die ganze übrige Welt muß man für nichts achten. – Gerechtigkeit von den Menschen erwarten, heißt ihre Unwissenheit und Bosheit schlecht kennen. – Jeder Mensch, der seine Pflicht gut erfüllt, welchen Gewerbes auch immer er ist, verdient Achtung und Belohnung. – Sich selbst besiegen, heißt über seinen mächtigsten Feind triumphiren. – Man muß dem Geiste eine unumschränkte Herrschaft über den Leib erhalten. – Erkenntlichkeit für Wohlthaten verlangen, heißt beinahe die Undankbarkeit verdienen; man muß die Wohlthaten wie Samenkörner verschwenderisch und aufs gerathewohl hinwerfen. Wohlthaten erzeugen beinahe immer Undankbare und selten Freunde; dieses darf nicht hindern, immer Gutes zu thun, wo man kann. – Die Demuth, welche nicht aus der wahren Erkenntniß seiner selbst herfließt, ist falsch. – Man mag so beschäftigt sein, als man will, so muß man sich doch gewisse Stunden aussondern, um mit sich selbst, oder vielmehr mit Gott seine Abrede zu nehmen. – Die große Seele kann und darf sich nicht rächen, als nur durch Wohlthaten; Beleidigungen muß man verachten, wie die Stöße eines Pferdes oder Esels; Feinden wie Freunden muß man Alles verzeihen, und wenn man verziehen hat, nicht mehr daran denken. – Von allen menschlichen Fehlern sind mir am unerträglichsten die Gotteslästerung, die Lüge und die Trunksucht: Niemand, der ihrer schuldig ist, kann ein Ehrenmann sein. – Die Freundschaft muß man über Alles hochhalten, ihr Alles opfern, ausgenommen Ehre und Gewissen, über Feindschaft erhaben sein. Man muß keinen guten Freund um noch so großen Vortheils willen aufopfern. – Man muß nichts im Herzen dulden, das ihm schimpflich ist. – Man muß mit sich nie zufrieden sein, wie es auch Andere sind; man muß sein ganzes Leben lang sich selbst zu übertreffen suchen. – Wenn das Herz nicht königlich ist, ist man niemals König; die große und edle Geburt beruht in der Seele und im Herzen; wenn sie groß und edel sind, so entspricht Alles. Es gibt Bauern, die als Fürsten geboren, und Fürsten, die als Bauern geboren werden. – Hoher Stand und Reichthum machen nicht die Glückseligkeit aus. – Man kann ein sehr rechtschaffener Mann sein, ohne ein großer, aber kein großer, ohne auch ein rechtschaffener Mann zu sein. – Den Feinden vergeben und sie aufrichtig lieben, ist die heldenmüthigste Handlung, in gewisser Art Gottes würdig, der sie befiehlt. – Wer den Tod fürchtet, ist zu nichts Großem fähig. Die Stunde des Todes ist die Stunde der Wahrheit. – Gesundheit und Geld hat man nur darum, daß man es verwenden soll. – Diejenigen, welche ihr Geld und ihre Zeit verspielen, verdienen beides nicht. – Die Menschen suchen die Ehre im Zweikampfe zu retten, weil sie die wahre Ehre nicht kennen. – Man leistet Jemanden einen wichtigen Dienst, wenn man ihn verhindert, Thorheiten zu begehen. – Zur Heirath gehört mehr Herz, als zum Kriege. – Sokrates sagte, wenn du heirathest oder nicht heirathest, so wirst du es bereuen. Ich glaube, Jeder, der sich verheirathet, werde es unfehlbar bereuen; aber ich sehe nicht, warum man es bereuen sollte, nicht geheirathet zu haben: ich kann aus Erfahrung reden. – Große Heere sind nichts anders, als eine große Menge Schwachheiten. – Eine große Menge von Festungen kostet unnöthiger Weise viel Volk und Geld. – Ein Fürst muß seinem Nachbar keine Zeit lassen, ihn anzugreifen, sondern sich eilen, ihm zuvorzukommen: das ist fast gewonnenes Spiel. – Man arbeitet daran, die Fürsten zu verderben, vom ersten Augenblicke ihrer Geburt, bis zu ihrem Tode. – Wenn Fürsten, die auf dem Throne geboren, in der That groß sind, so muß man sie für außerordentliche Wunder halten. – Die Wahrheit kömmt schwerlich vor die Fürsten, es kostet außerordentliche Mühe, um ihr bei denselben Zutritt zu verschaffen. – Umsonst hoffen die Fürsten die Wahrheit von Anderen zu erfahren, wenn sie sich dieselbe nicht selbst sagen. – Wenn die Fürsten sich selbst die Wahrheit sagen, so zwingen sie Jedermann, dasselbe zu thun. – Wenige Gefangene werden schärfer bewacht, als die Fürsten. – Die größte Beleidigung, die man einem Fürsten anthun kann, ist, ihm eine Lüge sagen. – Die Geschenke der Fürsten müssen die Empfänger reich machen oder ihnen wenigstens ein bequemes Leben verschaffen: es ist beinahe Schande, geringer zu geben. – Ein Fürst muß Jedermann den Zutritt zu sich gestatten: er muß gleich der Sonne allen Blicken ausgesetzt sein. Er darf sich weder durch Minister noch Günstlinge einschließen lassen, sonst ist er verloren. – Wenn Fürsten Alles billigen, was ihre Minister machen, es mag gleich gut oder böse sein: so ist diese Staatsklugheit falsch und eine Wirkung ihrer Schwachheit und ihres Müßigganges, oder vielmehr eine Folge des falschen Gedankens, daß sie in ihrer Wahl nicht irren können. – Das salische Gesetz, welches die Frauen vom Throne ausschließt, ist gerecht; denn auch die Tugenden derselben passen nicht für den Thron; die wenigen Ausnahmen sind wie Wunder; auch darf der König seiner Gemahlin nicht die Vormundschaft über den nachgelassenen Kronprinzen übergeben. – Nach Verdiensten strafen und belohnen sind die wesentlichsten Pflichten der Gerechtigkeit und der Staatskunst. – Der größte Nutzen, den man von dem Studium und den Wissenschaften hat, besteht darin, daß man sich in den Stand setzt, nichts zu bewundern und über nichts zu staunen, und daß man sich nicht selbst unerträglich wird. – Man muß lesen, um sich zu unterrichten, um sich zu bessern, um sich zu trösten. – Das Lesen ist eine Art Spiegel, welcher mit Tugenden und Fehlern bekannt macht. – Die Bücher schmeicheln weder den Fehlern noch den Leidenschaften derjenigen, welche sie lesen. – Diejenigen, welche nicht das Lesen guter Bücher lieben, berauben sich des nützlichsten Vergnügens. – Das Lesen trefflicher Bücher ist ein Theil der Pflicht des Ehrenmannes. – Es bringt ebenso viel Schande, gewisse Dinge zu wissen, als andere nicht zu wissen. Alles, was den Menschen nicht weiser, stärker und glücklicher macht, ist unnütz.«

Dieselbe Feinheit des Urtheils und Schärfe des Ausdruckes, welche sich in Christina's Aphorismen finden, zeigen sich auch in ihren anderen hinterlassenen Werken, von denen namentlich die Schriften: »Verschiedene Betrachtungen über das Leben und die Thaten Cäsar's und Alexanders des Großen« und ein Bruchstück ihrer Selbstbiographie hervorzuheben sind. Durch letzteres leider unvollendet gebliebenes Werk wollte sie der Mit- und Nachwelt eine getreue und wahrhafte Darstellung ihres Lebens und ihrer Regierung geben, welche schon damals so vielfach verunglimpft und entstellt wurden. Es ist in seinem Eingange an Gott gerichtet und mit solcher Aufrichtigkeit, Selbstverleugnung und heiligem Ernste geschrieben, daß Freund wie Feind anerkennen muß: so kann nur die Wahrheit reden.

Schließlich müssen noch Christina's Verhältnisse in Rom erwähnt werden. Höfler sagt: »Als sie nach Rom zurückkehrte, wo sie anfänglich Papst Alexander VII. mit den größten Ehren aufgenommen hatte, gab das Liebesverhältniß eines andern ihrer Begleiter, Franz Maria Santinelli mit einer verwitweten Fürstin von Ceri, Anlaß zu Zerwürfnissen mit dem Papste; damals wollte sie selbst mit einem Haufen Heimathloser das Königreich Sicilien erobern. Erst nachdem allmählich der nordische und kriegerische Sinn, der vom Vater her in ihr lag, aus Mangel an einem würdigen Gegenstande, an dem er sich hätte auslassen können, und durch das Zureden des Papstes wie ihre eigene Zuthat – ein riesiger Kampf mit der eigenen Natur – erloschen war, zeigte sich der veredelnde Einfluß, den Religion und die schönen Blüthen derselben, Kunst und Wissenschaft, auf sie geltend machten. Sie nahm immer mehr Theil an dem Glanze, den Beschäftigungen, dem Leben der Curie, wohnte sich ein und gehörte recht eigentlich mit zu der Gesammtheit jener Gesellschaft.« Viele Personen aus den angesehensten italienischen Familien standen in ihrem Dienste. Ihr Hof war reich an Pracht und Festen. Mit den Päpsten stand sie, geringe Unterbrechungen ausgenommen, in freundschaftlichem Verkehre und nahm in allen Streitigkeiten entschieden die Partei des päpstlichen Hofes. Als der Fürst Radziwill, Gesandter des Königs Johann Sobieski von Polen, mit dem römischen Hofe über das Ceremoniell in Streit gerieth, schrieb sie ihm, um ihn zur Nachgiebigkeit zu bestimmen, unter Anderm Folgendes: »Die katholischen Könige sind nie größer, als wenn sie dem heiligen Stuhle ihre Pflicht und ihre Ergebenheit beweisen, indem sie den Statthalter Jesu Christi auf Erden als ihr Haupt anerkennen. Durch diese würdige Handlung zeigen sie sich als Kinder Gottes und Glieder der römischen Kirche, außer welcher es kein Heil gibt. So viele große Fürsten, die sonst die Herren der Welt waren, sind, ganz beladen mit ihren Trophäen, in Person gekommen, sich zu den Füßen der Statthalter Gottes zu werfen, um diese Macht anzuerkennen, welche die ganze Hölle nicht zerstören kann; ein Constantin, ein Theodosius, ein Karl der Große und so viele andere große Fürsten haben in diese Unterwürfigkeit ihre Ehre und ihren Stolz gesetzt; und die großen und denkwürdigen Dienste, die sie der Kirche erwiesen, haben ihnen ihren ganzen Ruhm erworben; sie selbst sind sich nie größer erschienen, als wenn sie das Glück gehabt, ihren Eifer für den Dienst derselben zu bethätigen. Der König, Ihr Herr, ahmt jetzt diese großen Beispiele nach durch diese Handlung der Gerechtigkeit und Pflicht. Beschmutzen Sie dieses würdige Werk nicht und seien Sie überzeugt, daß Ihr Ruhm und Ihre Ehre davon abhängen.« Den Raths-Pensionär de Witt ließ sie ersuchen, den schmählichen und boshaften Verleumdungen, die in Holland gegen die trefflichsten Männer des römischen Hofes verbreitet wurden, Einhalt zu thun. »Wenn Sie diesen Hof kännten,« sagte sie, »wie ich ihn kenne, so würden sie mit Unwillen Personen verlästern sehen, welche die Hochachtung und Verehrung der ganzen Welt verdienen …«

Wie mit dem Papste, so stand Christina auch mit vielen erlauchten Familien Rom's auf freundschaftlichem Fuße, während sie mit andern wegen ihres strengen Haltens auf die ihr gebührenden äußeren Ehren auch manche Mißhelligkeiten hatte. Von Jugend auf in der Ruhmliebe erzogen, war es ihr schwer, auch nur ein Pünktchen von dem aufzugeben, was sie als ihrer königlichen Würde und Majestät gebührend betrachtete. Sie verschmähte daher den Titel Serenissima, weil dieser sie in denselben Rang mit jedem kleinen Fürsten setzte; die »Königin« oder »Christina« sollten ihre ganzen Titel sein. Dem Marquis del Monte, den sie auf den Congreß nach Nimwegen schicken wollte, gab sie die Anweisung, sich in Allem nach dem Beispiele der Gesandten von Frankreich und Spanien zu richten und sich völlig wie diese behandeln zu lassen. Aehnliches trug sie dem päpstlichen Nuntius auf, der zu Nimwegen ihre Sache führte, insbesondere, sie nie nach einem anderen Fürsten zu nennen, den Papst und den Kaiser ausgenommen, da sie mit allen übrigen Monarchen der Welt wollte gleich gehalten sein. Nach diesen Grundsätzen richtete Christina auch ihr Verhalten in Rom ein. Sie selbst besuchte Niemand als den Papst, und zwar regelmäßig zwei Mal im Jahre, am Weihnachts- und St. Petersfeste. Für die Besuche des Papstes hielt sie ein eigenes Zimmer bereit, wo er unter einem kostbaren Thronhimmel saß; sie empfing ihn unten an der Treppe und begleitete ihn dahin zurück, während sie die Cardinäle, Gesandten und Prinzessinnen oben an der Treppe empfing und auch dahin zurückbegleitete. Wer nicht unmittelbar nach dem Besuche des Papstes, der Peterskirche und des Dechanten der Cardinäle die Königin besuchte, erhielt keine Audienz mehr. Diese hohen Ansprüche gefielen vielfach dem mächtigen römischen Adel nicht und führten zuweilen Spannungen und Reibungen herbei.

In große Mißhelligkeiten gerieth die Königin Christina mit dem Papste Innocenz XI. über die sogenannte Quartierfreiheit. Die Gesandten der fremden Mächte hatten nämlich allmählich die Gerichtsbarkeit, welche sie über ihr Gefolge hatten, auch auf Alle von derselben Nation ausgedehnt, welche in der Nähe ihres Palastes wohnten. Dieser Mißbrauch verursachte große Unordnung: ganze Straßen waren von der städtischen Gerichtsbarkeit frei; schlechtes Gesindel aller Art, selbst die größten Verbrecher suchten dort eine Freistätte und entzogen sich dem Arme der strafenden Gerechtigkeit. Um diese Unordnung endlich zu beseitigen, ersuchte der Papst Innocenz XI. die Fürsten um ihre Einwilligung, die Quartierfreiheit auf den Palast der Gesandten und deren wirkliche Dienerschaft zu beschränken. Der Kaiser und der König von Spanien willigten sogleich ein, wofern nur Frankreich sich ebenfalls einverstanden erkläre. Die Königin Christina, welche auch diese Freiheit in ihrem ganzen Umfange genossen hatte, ging den übrigen mit einem guten Beispiele voran und schrieb an den Papst: »Heiligster Vater! Zur Förderung der so gerechten Absichten Ew. Heiligkeit bei dem Streben, die Scandale der Quartierfreiheit abzustellen, komme ich, Ihnen das meinige, dessen die Gerechtigkeit und Gefälligkeit der Vorgänger Ew. Heiligkeit und die Ihrige mich bisher ungestört hat genießen lassen, anzubieten und für immer zu übergeben, mit Vorbehalt der gebührenden Rücksichten für die Wohnungen meiner Dienerschaft. Ich erkenne an, daß ich Ew. Heiligkeit nichts anbiete, als was das Ihrige ist: aber auch Gott dem Herrn können wir nichts anbieten, als was das Seinige ist: und doch wird ein solches Anerbieten nicht nur wohl aufgenommen, sondern auch von der unendlichen Güte mit unaussprechlichen und ewigen Wohlthaten belohnt. Ich verlange von Ew. Heiligkeit nichts; ich bitte Sie einzig, bei dieser Handlung mein Beispiel wohl aufzunehmen, das Ihnen vielleicht nicht unnütz sein wird, und es unter den gegenwärtigen Umständen so zu benutzen, wie Sie es am besten für Ihren Dienst erachten werden; und ich nenne mich mit der höchsten Verehrung Ew. Heiligkeit ergebenste und gehorsamste Tochter Christina.«

Indessen erklärte Ludwig XIV., daß er nicht dem Beispiele der anderen folgen, sondern an seinem bisherigen Rechte der Quartierfreiheit festhalten werde, und berief sich auf die außerordentlichen Dienste, die Frankreich dem heiligen Stuhle geleistet habe. Der Papst ließ die Sache einstweilen auf sich beruhen, erklärte aber nach dem Tode des Gesandten d'Estrées, er würde einen neuen Gesandten nicht annehmen, bevor Frankreich nicht jenem angemaßten Rechte entsagt habe. Nichtsdestoweniger hielt der französische Gesandte Marquis de Lavardin mit starker Kriegsmannschaft seinen Einzug in Rom und schaltete trotz Interdict und Bann wie ein Eroberer.

Um dieselbe Zeit fand sich Christina beleidigt, weil die Sbirren am Ostertage einen Missethäter bis in ihren Palast verfolgten und von da fortschleppen wollten. Darüber entrüstet, brach sie in die Worte aus: »Nein! ich könnte zwar solch' ein Verfahren verschmerzen: aber der Papst behandelt mich allzu unwürdig und ich bin entschlossen, diese Gelegenheit zu ergreifen, um ihm zu zeigen, wie sehr man sich täuscht, wenn man mich auf diese Weise behandelt.« Sogleich befahl sie durch einen Diener den Sbirren, dem Gefangenen die Freiheit zu geben, worauf ein Hauptmann von ihrer Leibwache ihn unter dem Rufe einer großen Volksmenge: »Es lebe die Königin,« in die Kirche zurückführte, von wo man ihn zuerst fortgeschleppt hatte. Der Cardinal-Gouverneur selbst erklärte, die Königin habe Recht, sich über ein so schlechtes Verfahren gegen sie zu beschweren; der Schatzmeister aber, vor dessen Tribunal man die Sache verwies, machte ihr persönlich deshalb Vorstellungen und ließ an ihren Palast das Todesurtheil ihres Hauptmannes und jenes Dieners anschlagen. Darauf schrieb ihm die Königin folgenden Brief: »Sich selbst und Ihren Herrn entehren, das heißt heutigen Tages in Ihrem Tribunal Gerechtigkeit üben. Ich bedaure Sie herzlich; aber ich werde Sie noch viel mehr bedauern, wenn Sie Cardinal sein werden. Unterdessen gebe ich Ihnen mein Wort, daß die, welche Sie zum Tode verdammt haben, noch eine Weile leben werden, wenn es Gott gefällt, und daß sie, wenn sie eines andern, als des natürlichen Todes sterben, nicht allein sterben werden.« Sie verlangte Genugthuung für eine solche Beschimpfung und setzte sich förmlich in Vertheidigungsstand, nachdem sie ihrer ganzen Dienerschaft gerathen hatte, sie zu verlassen, diese ihr aber die treueste Anhänglichkeit betheuert hatte. In Begleitung eines glänzenden Gefolges, welches wohl bewaffnet war, begab sie sich in die Jesuitenkirche und hieß die beiden Verurtheilten frei in der Stadt umhergehen, in der sichern Voraussetzung, man werde es nicht wagen, sie anzutasten. Der Papst ließ es sich nicht merken, daß er diesen Trotz der Königin wahrgenommen, sondern beschenkte sie vielmehr mit einigen Körben Obst, welches in jener Jahreszeit sehr selten war. Als Christina es empfing, sagte sie: »Ich hoffe nicht, daß mich der Papst mit seinem Geschenke einschläfern soll, nein, nein, ich werde schon auf meiner Hut sein.« Innocenz XI. ließ es dabei bewenden, daß er zur Antwort gab: è donna, sie ist eine Frau. Dieses Wort war ihr empfindlicher, als die Entziehung des Jahrgehaltes von zwölftausend Thalern, welche ihr die apostolische Kammer seit langem hatte auszahlen lassen. »Ich kann Ihnen versichern,« schrieb sie in dieser Hinsicht an den Cardinal Azzolino, als dieser sie davon benachrichtigt hatte, »daß Sie mir die angenehmste Nachricht von der Welt gegeben haben. Ich bitte Sie um Ihrer selbst willen, mir diese Gerechtigkeit zu erweisen. Gott, der das Innerste meines Herzens kennt, weiß, daß ich nicht lüge. Die 12,000 Scudi, die der Papst mir gab, waren der einzige Flecken meines Lebens, und ich empfing sie aus der Hand Gottes als die größte Züchtigung, womit er meinen Stolz demüthigen konnte. Ich erkenne wohl, daß ich bei ihm wieder zu Gnaden gekommen bin, da er mir die besondere Gnade erweist, sie auf eine für mich so ruhmvolle Weise von mir zu nehmen. Gott hat mich bei dieser Gelegenheit für das Wenige belohnt, das er mir eingegeben hat, für ihn zu thun. Ich verzichte in dieser Welt auf jede andere Belohnung; diese Gnade, die er mir erwiesen hat, gilt für tausend Reiche; und ich bitte ihn, mich vor Eitelkeit zu bewahren, wovon ich bei einer so schönen Gelegenheit versucht werde. Das Einzige, was mir mißfällt, ist, daß man mir nicht 100,000 Scudi monatlich hat nehmen können, weil das eine Unterstützung für den Kaiser wäre, würdig eines Papstes; und ich hätte größeres Verdienst davon, mich dessen zu freuen. Aber der Papst nimmt mir nichts: wohl aber entzieht er es Leuten, die es nöthiger haben, als ich. Ich bitte Sie, dem Papst und dem Herrn Cardinal Cibo von meiner Seite Dank abzustatten für die Gnade, die sie mir durch Befreiung von dieser Verpflichtung erwiesen haben. Ich war allein, als Ihr Billet mir überbracht wurde; aber in diesem Augenblicke wünschte ich, die ganze Welt hätte das Innere meines Herzens sehen können, die Freude, womit es mich erfüllt hat: doch Gott weiß es und das ist genug. Bitten Sie ihn für mich, daß er mich vor Eitelkeit bewahre und daß er mir ferner die Gesinnungen erhalten wolle, die er mir einflößt: ich wage zu sagen, daß sie Seiner würdig sind und daß er mir heute eine Gnade erwiesen, welche eine der ausgezeichnetsten ist, die er mir Zeit meines Lebens erwiesen hat. Leben Sie wohl.« Nicht zufrieden mit diesen Aeußerungen gegen Azzolino, schickte sie noch eine schriftliche Erklärung ähnlichen Inhalts an den Staatssekretär Cardinal Cibo, der wohl die Sache geleitet hatte. – Ernstlicher wurde der Streit, als sich Frankreich zu gegenseitiger Unterstützung mit Christina vereinigte, und auch der spanische Gesandte die Quartierfreiheit zurückforderte. Indessen blieb der Papst ruhig und unerschrocken: nachdem er schon früher einen vergeblichen Versuch zur gütlichen Beilegung der Zwistigkeiten gemacht hatte, suchte er jetzt die Sache in die Länge zu ziehen, um von den Zeitumständen eine günstige Entscheidung zu erwarten. Christina aber war auf ihrer Hut: denn sie traute Frankreich so wenig wie dem Papste. »Ich sehe voraus,« schrieb sie um diese Zeit, »daß zwei Parteien sich auf meine Kosten vergleichen und daß ich vielleicht das Opfer ihrer Versöhnung sein werde, da sie über die Opferhandlung und die Opfer sich schon verständigt haben: aber wenn das Loos auf mich fällt, so soll, bevor man es vollzieht, noch Manches geschehen, worauf man nicht gefaßt ist.« »Ich bin,« schreibt sie an ihren General-Statthalter in Schweden, »wie Cäsar in den Händen der Seeräuber: und nach seinem Beispiel drohe ich ihnen, und fürchten sie mich mehr, als Sie sich vorstellen können. Sie werden schon eine kleine Probe davon gesehen haben in der Ausgleichung, die der König von Frankreich mit mir hat machen wollen, ohne daß ich den mindesten Schritt gethan hätte, sie herbeizuführen.« Bitter äußerte sie, als der Papst die Gesandtschaft von Siam beschenkt hatte: »Möge der Papst den Königen von Indien und ihren Gesandten Ehre erweisen, da er sich gegen die von Europa so schlecht benimmt.« Ihre Hoffnung, Frankreich werde in dem Streite mit dem Papste siegen, ging nicht in Erfüllung. Ludwig XIV. verwickelte sich in einen schweren Krieg mit dem größten Theile Europa's und zog es daher vor, mit dem unüberwindlichen Rom Frieden zu schließen und dem Rechte der Quartierfreiheit zu entsagen, zumal Christina kurz vorher die Schaubühne des Lebens verlassen hatte.

In den letzten Lebensjahren war Christina's Gesundheit vielfachen Schwankungen unterlegen. Sie schrieb mit Rücksicht darauf an Bourdelot: »Schon lange befolge ich ungefähr Ihre Methode, ich purgire zweimal des Jahres und lasse fast alle Monate zu Ader. Nie trinke ich Wein, esse nie etwas Gewürztes und nähre mich nur von kühlenden Sachen; bei Allem dem zieht mir das feurige Temperament, das mir angeboren ist, von Zeit zu Zeit hitzige und heftige Krankheiten zu, aus denen ich mich bisher durch starkes Aderlassen glücklich gezogen habe, und dieses ist mir so gut gelungen, daß ich mich allemal auf der Stelle wiederhergestellt fand. Die Aerzte dieses Landes sind darüber erstaunt, und der meinige, obwohl ein sehr geschickter Mann in seiner Kunst, hatte Mühe, sich daran zu gewöhnen. Er möchte mich gern veranlassen, daß ich Wein tränke, aber das wird ihm nie gelingen, und ich habe ihn dahin gebracht, diesen Vorsatz aufzugeben, weil er selbst einsah, daß er Unrecht hätte. So ungefähr benehme ich mich in Ansehung meiner Gesundheit, und das ist die Methode, durch welche ich sie bisher mit Gottes Gnade in einem guten Zustande erhalten: sie wird fortdauern, so lange es Gott gefällt, und ich versichere Sie, daß ich weder den Tod fürchte, noch das Leben hasse.« Im Jahre 1686 wurde Christina von einem Rothlauf an den Schenkeln überfallen, der zwar im folgenden Jahre mit einem heftigen Fieber wiederkehrte, sich aber doch glücklicher Weise bald wieder verlor. Am 30. September 1687 schrieb sie nämlich an die Dichterin Scudéry bei Uebersendung ihres Portraits: »Seit Sie mich gesehen, habe ich mich keineswegs verschönert; ich habe alle meine guten und schlechten Eigenschaften so vollständig und lebendig erhalten, wie sie je gewesen sind. Ich bin noch jetzt, trotz der Schmeichelei, ebenso unzufrieden mit meiner Person, wie ich es jemals war. Ich beneide Andere weder um ihr Glück, noch um ihre weitläufigen Staaten, noch um ihre Schätze; aber ich möchte mich gern durch das Verdienst und durch die Tugend über alle Sterblichen erheben, und das ist es, was mich mit mir selbst unzufrieden macht. Uebrigens genieße ich vollkommene Gesundheit, die mir so lange verbleiben wird, als es Gott gefällt. Ich habe von Natur aus eine sehr starke Abneigung gegen das Alter, und ich weiß nicht, wie ich mich werde daran gewöhnen können. Hätte man mir zwischen ihm und dem Tode die Wahl gelassen, so würde ich, glaube ich, den letzteren ohne Bedenken gewählt haben. Indessen da man uns nicht um unsere Meinung fragt, so habe ich mich gewöhnt, mit Vergnügen zu leben. Auch beunruhigt mich der Tod nicht, der sich nähert und der zu seiner Zeit nicht ausbleibt: ich erwarte ihn, ohne nach ihm zu verlangen und ohne ihn zu fürchten.« Im Februar 1689 wurde Christina aufs neue von einer heftigen Krankheit befallen; es zeigte sich eine Anschwellung, die man für ein Zeichen der Wassersucht hielt; dazu gesellte sich derselbe Rothlauf, begleitet von einem heftigen Fieber. Um für alle Fälle mit der Welt abzuschließen, wollte sie ihren Zwist mit dem Papste beenden. Sie ließ ihn daher durch den ihr befreundeten Staatssekretär Albani um Entschuldigung und Verzeihung bitten wegen der Aeußerungen gegen ihn, die ihr in der Aufregung entschlüpft sein möchten, und ihre Dienerschaft seiner Huld empfehlen. Albani brachte ihr sogleich ein Absolutions-Breve und bald darauf der Cardinal Ottoboni im Cardinals-Ornat und mit dem ganzen amtlichen Staate die Bestätigung desselben mit der Versicherung, der heilige Vater sei bereit, trotz seiner eigenen Schwäche, ihr einen Besuch zu machen und den Segen zu ertheilen. Indessen ging die Krankheit noch einmal vorüber. »Gott hat mich,« schrieb sie an Olivekrans, »gegen meine Hoffnung den Armen des Todes entreißen wollen; ich hatte mich schon zu diesem letzten Wege entschlossen, den ich für unvermeidlich hielt. Doch bin ich noch voll Leben durch das Wunder der Gnade, der Natur und der Kunst, die sich vereinigt haben, mir Leben und Gesundheit wiederzugeben. Die Stärke meines Temperamentes hat eine Krankheit überwältigt, die im Stande wäre, zwanzig Herkules zu tödten. Aber ich glaube, es ist die Gnade, die dieses Temperament zu einem so erstaunlichen Grade gekräftigt hat, daß es die Bewunderung der Aerzte erregt.« Ihre Genesung verbreitete zu Rom allgemeine Freude; in mehreren Kirchen wurde das Te Deum gesungen, »um dem Allerhöchsten Dank abzustatten, daß er diejenige Seele, deren würdige Wohnung der Himmel war, zu allgemeiner Wohlfahrt noch auf der Erde gelassen«. Auch Illumination und Feuerwerk verkündigten, wie sehr man die Königin liebte und ehrte. Noch am 2. April schrieb sie folgende merkwürdigen Zeilen an Olivekrans: »Ich kann auf Ihre Briefe nur mit Gutheißung aller Ihrer Gedanken antworten: ich bin ungeduldig, Sie zu sehen, und erwarte Sie, wie die Juden ihren Messias. Ich habe Ihnen hundert Dinge zu sagen, die sich nicht schreiben lassen, und hoffe, daß Sie ebenso zufrieden mit mir sein werden, wie ich es mit Ihnen bin. Unterdessen geht meine Genesung glücklicher Weise ihrem Ende entgegen, obgleich etwas langsam in Folge der unfreundlichen Jahreszeit; aber bei Ihrer Ankunft hoffe ich, daß Sie mich bei vollkommener Gesundheit finden werden.« Dieser Brief scheint der letzte gewesen zu sein; siebzehn Tage nachher ergriff sie der Tod. Sie bekam einen Rückfall, indem das heftige Fieber sich wiederholte. Als sie den Tod herannahen sah, verlangte sie nach den heiligen Sterbesakramenten und empfing sie mit wahrer Andacht und Frömmigkeit, wie sie dieselben auch während ihrer ersten Krankheit zweimal empfangen hatte. Als sie ihre Kräfte mehr und mehr schwinden sah, unterzeichnete sie ihr Testament, welches ihr der Cardinal Azzolino überreichte. Alle ihre Hofleute umstanden mit Betrübniß ihr Lager. Unter dem geistlichen Beistande des General-Vikars der Carmeliter, des berühmten Paters Slavata aus Böhmen, entschlummerte sie sanft und ruhig in das bessere Jenseits am 19. April 1689, Morgens 6 Uhr.

Christina hatte in ihrem Testamente eine ganz einfache Bestattung verordnet und als Inschrift auf ihr Grab die Worte gewählt: D. O. M. vixit Christina annos LXIII. Allein der Papst gebot ein feierliches und ehrenvolles Begräbniß. Ihr Körper wurde einbalsamirt und mit einem kostbaren Gewande, das sie zu diesem Zwecke hatte anfertigen lassen, bekleidet und mit Krone und Scepter geschmückt. Drei Tage blieb der Leichnam im Palaste ausgestellt, unter fortwährendem Zuströmen des Volkes. Dann wurde er in einem feierlichen Zuge in diejenige Kirche gebracht, welche sie zuerst bewundert und zu der ihrigen gewählt hatte, und dort auf ein Paradebett gelegt, welches mitten in der Kirche errichtet und durch 300 weiße Wachsfackeln erleuchtet wurde. Die Kirche selbst war schwarz behangen und mit den Wappenschildern ihrer Majestät und mit Bas-Reliefs, welche allegorisch die Hinfälligkeit des Lebens und die Gewißheit des Todes darstellten, feierlich ausgeschmückt. Bei den Exequien und der Trauerrede, welche der berühmte Abbate Malagonelli hielt, war das gesammte Cardinals-Collegium und alle Hofleute der Königin in Trauerkleidern zugegen. Am Abende dieses Tages wurde der königliche Leichnam in glänzender Begleitung von Gelehrten, Künstlern, Bruderschaften, Orden, der gesammten Geistlichkeit, der königlichen Hofleute, des päpstlichen Hofstaates und mehrerer Gesandten und Grafen nach St. Peter gebracht und dort auf Befehl des Papstes in den heiligen Grotten nicht weit von den Gräbern der Päpste Hadrian IV. und Paul II. in einem dreifachen Sarge beigesetzt. Die gesammten Kosten bestritt der Papst und zeigte dadurch, daß seine Achtung und Verehrung für Christina groß genug war, um seine gereizte Stimmung über die Mißhelligkeiten mit ihr zu überwinden. Seine Nachfolger Innocenz XII. und Clemens XI. ließen ihr ein kostbares Denkmal an einem Pfeiler in St. Peter errichten und den Sarg aus den heiligen Grotten hineinbringen. Es ist von sicilischem Jaspis und dem werthvollsten weißen Marmor, mit Christina's vergoldetem Brustbilde in Bas-Relief und bronzenen Ornamenten geschmückt. Unter dem Brustbilde liest man die Worte: Christinae Suecorum Reginae | Ob orthodoxam Religionem abdicato Regno | Abjurata Haeresi | Pie susceptam ac delecta Romae sede eximie cultam | Monumentum ab Innocentio XII. inchoatum | Clemens XI. absolvi curavit | MDCCII Für die Königin Christina von Schweden hat Innocenz XII. dieses Denkmal anfangen und Clemens XI. es 1702 vollenden lassen, weil sie nach Niederlegung der Regierung und nach Abschwörung der Häresie mit frommem Sinne die orthodoxe Religion angenommen und sie nach ihrer Niederlassung in Rom mit Auszeichnung geübt hat.. So haben im St. Peter, wo sonst nur Päpste beigesetzt werden, auch zwei Frauen ihre Ruhestätte gefunden: die Gräfin Mathildis und die Königin Christina von Schweden. »Die erstere vertheidigte die Kirche an der Spitze ihres Heeres wider Kaiser Heinrich IV., die letztere aber entsagte ihrer Krone und verließ ihr ganzes Königreich um der römischen Lehre willen.« Der König Karl XI. von Schweden ordnete für seinen Hof große Trauer an und zeigte dem Kaiser und allen großen Höfen mit Aeußerungen großer Theilnahme den Tod Christina's an, indem er die Ueberzeugung aussprach: »Ihre Majestät werden, sowie Sie die großen Talente der Königin während ihres Lebens ganz nach Verdienst geschätzt haben, so auch der Hingeschiedenen, die sich aller Welt so theuer und schätzbar gemacht, liebevolles Andenken bewahren.«

In ihrem Testamente setzte sie den Cardinal Azzolino zum Universalerben ein, zum Zeichen der Achtung und Dankbarkeit, welche sie für ihn hegte. Aber auch die Hofleute und die Dienerschaft bedachte sie königlich und wiederholte ihre Zufriedenheit und Dankbarkeit. Dem Papste vermachte sie als Ausdruck ihrer Verehrung die berühmte Statue des Heilandes von Bernini, auch der Kaiser, der König von Spanien und Frankreich und der Kurfürst von Brandenburg wurden nicht vergessen. Zu St. Peter errichtete sie drei Kaplaneien und bestimmte für die Ruhe ihrer Seele 20,000 heilige Messen. Den Papst ernannte sie zum Vollstrecker dieses Testamentes.

Da der Cardinal Azzolino bald darauf starb und die Erbschaft seinem Neffen zufiel, wurden die Kunstwerke und Kleinodien verkauft. Ihre kostbaren Handschriften und Bücher erwarb der Papst Alexander VIII. und schenkte sie der vaticanischen Bibliothek, wo sie mit der Aufschrift »Alexandrinische Bibliothek« aufgestellt sind.


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