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In Sinai

Als der Junker – diesmal in Wirklichkeit – aus seinem Schlummer erwachte, war er nicht wenig erstaunt, sich auf einem bequemen Lager in einer kühlen Zelle zu finden.

»Wo bin ich?« rief er, in die Höhe fahrend.

»Auf dem Sinai, Herr!« antwortete eine bekannte, vor Freude bebende Stimme. »Seid Ihr endlich erwacht? O! Was habe ich mich um Euch gebangt in diesen zehn Tagen!«

»Auf dem Sinai? Wie bin ich denn dahin gekommen? – Was ist denn geschehen?«

»Was geschehen ist, Herr? – Ein Wunder, wie ich es vom heiligen Florian, meinem guten Schutzpatron, inbrünstig erfleht habe! Er hat in der höchsten Not seine Hand über uns gehalten, und Ihr dürft ihm schon eine Kerze opfern. Die klugen Mönche haben hier einen Altar, der ihm geweiht ist, und wenn Ihr erst wieder auf den Beinen seid, will ich Euch hinführen, damit Ihr ihm danken könnt.«

»Das will ich gewiß nicht versäumen,« sagte der Junker ungeduldig. »Aber erst erzähle nur endlich, was mit mir vorgegangen ist.«

»Nun also: Entsinnet Ihr Euch noch, daß Ihr mich mit den Krügen fortgehen hießet, um aus dem See in der Wüste Wasser zu schöpfen?«

»Ja, ja! Aber du kamst nicht zurück, so viel ich auch nach dir rief, du eigensinniger Alter.«

»Hat sich was – eigensinnig! – Ich hatte gut laufen! – Der See war wirklich ein Gaukelspiel der bösen Feimorgân. Je näher ich ihm zu kommen glaubte, umso weiter wich er vor mir zurück. Ich ließ mich aber nicht lange von der Gauklerin zum besten haben und wollte just umkehren, als ich Stimmen aus der Ferne vernahm. Ich dachte zuerst, auch das wäre eine Fopperei der bösen Zauberin. Es kam aber immer näher und wurde immer deutlicher, und endlich sah ich in der Ferne Gestalten aus der sandigen Dunstschicht auftauchen. – Rasch lief ich nun hinzu und rief sie an, so laut ich mit meiner heiseren Kehle noch schreien konnte. – Sie hörten auch endlich, kamen mir entgegen, und nun erfuhr ich, daß es Pilger waren, die von Hebron nach Sinai wollten. Ich bat sie um Christi willen, mir zu Euch zu folgen und Euch einen Trunk zu reichen; denn ich wußte wohl, wie es um Euch stand und daß es der Wüstenwind Euch angetan hatte. Sie gehorchten gern. So schnell wir konnten, liefen wir nach der Stelle, wo ich Euch wenige Minuten vorher verlassen hatte. – Aber von einem Reiter war nichts mehr zu sehen. In Verzweiflung suchte ich und fand Euch endlich neben Eurem sterbenden Rosse zwischen den Steinen liegend im hitzigsten Fieber. – Sobald wir Euch aber zu trinken gegeben hatten, wurdet Ihr ruhiger, und nun hoben wir Euch auf ein Maultier und führten Euch hier hinauf zu den Mönchen von Sinai, wo Ihr seither geschlafen habt und wo ich meinen armen, lieben Herrn Junker nun endlich wieder habe!«

»Du Guter!« sagte der Junker, ihm dankbar die Hand drückend, und blickte dann eine Weile sinnend vor sich hin.

Bei der Erzählung des Alten war ihm der seltsame Traum wieder in die Erinnerung gekommen, und er wurde sich dabei erst bewußt, daß es ein Traum gewesen und daß es mit den Sporen nun doch nichts war. Denn nachdem die Qualen des Durstes sich von ihm gelöst hatten, war die Tatsache des Ritterschlags eigentlich das einzige gewesen, was von all den Wahngebilden in seinem Gedächtnis haften geblieben war. Es wurde ihm förmlich schwer, sich davon zu trennen, und endlich sprang er vom Lager und rief: »Wie lange sagst du, daß ich hier gesäumt habe?«

»Zehn Tage, Herr!« antwortete der Alte, voll Sorge hinzuspringend. »Aber um Christi willen! Was beginnt Ihr? Wollt Ihr wohl liegen bleiben! Ihr werdet Euch aufs neue verderben!«

»Zehn Tage!« wiederholte der Junker seufzend, ohne die Warnung zu beachten. »Zehn kostbare Tage! Und wir plaudern noch hier? Auf! Noch heute müssen wir weiter!«

»Mit Verlaub, Herr Junker, aber das werden wir hübsch bleiben lassen,« entgegnete der Alte. »Morgen in Gottes Namen, wenn Ihr's befehlt und Kraft genug in Euch fühlt. Aber für heute schlagt es Euch nur gefälligst aus dem Sinn. Es wird bald zum Abendsegen läuten, und wir dürften schwerlich einen Führer finden, der uns in der Nacht nach Tur hinabgeleitet.«

»Nach Tur? Bist du so sicher, daß ich diesen Weg wählen werde?«

»Gewiß, Herr! Oder glaubt Ihr, daß ich müßig gewesen bin in dieser langen Zeit? Es ist alles wohl ausgekundschaftet und vorbereitet. Der Bischof selbst wird uns dorthin führen lassen und uns sichere Schiffer zuweisen, die uns hinauf nach Kolzum bringen. In zwei Tagen bei gutem Winde sind wir dort und haben dann kaum noch eine Tagereise bis nach Kairo, wo wir ganz sicher nicht nur das Fräulein, sondern auch meinen guten Herrn Ritter finden werden.«

»Was sagst du?« rief der Junker freudig. »Woher willst du das wissen?«

»Von den Mönchen, Herr! – Ei! Die frommen Brüder hier oben sind gar kluge Leute und nicht nur bei Christen, sondern auch bei Sarazenen wohlgelitten, weil sie einst dem Propheten Mohammed selbst in ihrem Kloster Unterkunft gewährten. Kein Moslem wird ihnen deshalb anders als mit Ehrfurcht begegnen, und sie erfahren alles, was in der Welt vorgeht, weil auch von Ägypten viele Pilger heraufkommen, um auf dem Berge Mosis zu beten, der ihnen ebenso heilig ist wie uns. Von den Mönchen weiß ich, daß der Herr Ritter in Kairo als Geisel gehalten wird und daß dort auch das Fräulein ist.«

»Der Vater lebt!« rief der Junker, vor Freude ganz außer sich. »Und als Geisel! Siehst du! – O! dieser Schurke von Guiscard! – Er lebt! Und alles wird nun wieder gut werden!«

Die Nachricht, die endlich die Bestätigung dessen bot, woran er ja nie gezweifelt hatte, ließ ihn schnell den letzten Rest von Erschlaffung überwinden, der von dem Fieber noch zurückgeblieben war, und im Überschwang seines Herzens umarmte er den Alten ein über das andere Mal, so daß diesem vor Rührung die Tränen in die Augen traten.

»Hen,« sagte der Junker endlich, »wollen wir jetzt zum heiligen Florian gehen?«

Mit dankbarem Gesicht schaute ihn der Alte an und schlug halb weinend, halb lachend in die Hand ein, die ihm der Junker hingereicht hatte.

»Ja, das wollen wir, Herr! Und in der Kirche der Verklärung ist auch für die heilige Jungfrau Maria ein schöner Altar, wenn Ihr etwa auch vor der himmlischen Gottesmutter Euer Herz erleichtern wollet.«

Sie kauften beim Ökonomos, dem Herbergsvater der ansehnlichen Klostergemeinschaft, vier Kerzen, zwei große für die Jungfrau Maria und zwei bescheidenere für den heiligen Florian, und betraten in herzlicher Andacht das ehrwürdige Gotteshaus.

Überwältigt von der erhabenen Pracht sanken sie auf die bunten Marmorfliesen nieder und blickten staunend auf den köstlichen Schmuck, mit dem inbrünstige Frömmigkeit schon in ältester Zeit dieses Kirchlein am Fuße des Berges geschmückt hat, auf welchem Moses betete, »als die Herrlichkeit des Herrn vorbeiging«.

Vor ihnen standen neben dem goldenen Schrein, in dem das Haupt und eine Hand der Schutzheiligen des Klosters, der heiligen Katharina von Alexandria, aufbewahrt wurden, zwei gewaltige Löwen aus Bronze. Sie trugen auf ihrem Rücken die vielverzweigten Leuchter, hinter denen, bis hinauf zur Decke, das holzgeschnitzte, buntbemalte Bild des Gekreuzigten aufragte. Und an der Decke oben blieb nun der Blick haften; denn diese war ganz mit wundervollen Bildern bedeckt, die aus lauter kleinen bunten Glasstückchen zusammengesetzt waren. In der Mitte sah man den verklärten Herrn Jesus gen Himmel schweben, umgeben von den Aposteln Johannes, Petrus und Jakobus, dem Propheten Elias und von Moses, der auf den Herrn, als dem Erfüller seines Gesetzes, hinweist. Auch auf den Bildern daneben erblickte man Moses, auf der einen Seite, wie er vor dem feurigen Busche kniet, und auf der anderen, wie er auf dem Berge Sinai mit den Gesetzestafeln steht. Dazwischen aber schwebten zwei Engel, unter denen zu lesen stand, daß die Bilder unter dem Klostervorsteher Longinus für die Seelenrettung derer verfertigt worden seien, die mit frommem Sinn die Gaben dazu gestiftet hätten.

Nachdem sie sich satt gesehen hatten, gingen sie in die Kapelle des feurigen Busches, die ganz mit bunten Kacheln ausgelegt war und die mit einer silbernen Platte bezeichnete Stelle überwölbt, wo Gott dem Mose im Busche erschien.

Nun reihte sich Kapelle an Kapelle und Altar an Altar, und überall beteten sie. Bei denen der heiligen Jungfrau Maria und des heiligen Florian aber, denen sie auch ihre Kerzen darbrachten, mit ganz besonderer Inbrunst.

Von dem Gotteshause aus stiegen sie zwischen den kleinen Klostergebäuden hindurch, die hier unter dem Schutze des von Kaiser Justinian erbauten Kastells schon seit Jahrhunderten die frommen Mönche und Pilger beherbergten, nach dem Garten hinunter, der, terrassenförmig am Abhang angelegt und wohl bewässert, jetzt voll der herrlichsten Trauben hing.

Unter einer hohen Zypresse, umgeben von üppigen Weinstöcken, stand eine alte Steinbank, von der aus man drüben hinter den hohen, kahlen Bergen die Sonne untergehen sehen konnte.

Dahin führte Hen seinen jungen Herrn, damit er sich erfrischen und für die Wanderung des nächsten Tages stärken sollte.

Willig folgte ihm der Junker. In vollen Zügen sog er die milde Abendluft ein und überdachte noch einmal all das Wunderbare, was er seit ihrer Abreise von Petra erlebt hatte und was ihm gewiß noch bevorstand.

»Sagtest du nicht, Hen, daß auch mein guter Fuchs in der Wüste zu Schaden gekommen ist?« begann der Junker, nachdem er lange Zeit schweigend dagesessen hatte.

»Ja, Herr – der Fuchs und der Schimmel. Sie haben es mit ihrem Leben bezahlen müssen, daß – daß uns die Schufte von Petra den Wasserschlauch zerschossen haben.«

Der Junker empfand wohl den Vorwurf, der in diesen Worten für ihn lag. Aber da er seine Berechtigung anerkennen mußte, nahm er ihn willig hin und drückte dem Alten nur die Hand.

Gleich darauf sahen sie eine hohe Gestalt durch die Weingänge daherkommen.

»Das ist der Bischof, Herr!« flüsterte der Alte. »Lasset uns hingehen und ihn um seinen Segen bitten.«

Sie gingen ihm entgegen und knieten am Wege nieder, sobald er herangekommen war.

Der Bischof, ein würdevoller Greis, dem man seinen hohen Rang auf den ersten Blick ansah, ob er gleich nur in die gewöhnliche Mönchstracht gehüllt war, blieb stehen und blickte sie freundlich an, indem er segnend die Hände über sie breitete.

»Es freut mich, dich mit Gottes Hilfe wieder genesen zu sehen, mein Sohn,« sagte er dann mit seiner tiefen, milden Stimme zum Junker, indem er ihm die Hand reichte und ihm winkte aufzustehen. »Aber hüte dich, Gott abermals zu versuchen. Es ist ein schönes Ding um den kecken Wagemut der Jugend, aber wer darüber die Erfahrungen des Alters verachtet, wird bald zu Schaden kommen. Du dienest einer guten Sache, und Gott und die Heiligen werden die Gebete nicht unerhört lassen, die du aus frommem Herzen an sie richtest. Aber das Unternehmen, das du vorhast, erheischt Klugheit und Vorsicht, und deshalb achte wohl, was ich dir sagen werde: Wenn du wähnst, das Fräulein und deinen Vater mit Gewalt aus den Händen der Ungläubigen befreien zu können, so wirst du wenig Erfolg haben. Nur durch List wirst du das Ziel erreichen können, das auch mir am Herzen liegt, weil es der Sache der ganzen Christenheit einen unschätzbaren Dienst erweisen würde. Deshalb befolge meinen Rat: Übergib Schwert und Rüstung der Obhut unseres Klosters – es wird sie dir unversehrt zurückgeben, wenn du glücklich heimkehrst. Hüllet euch beide in Gewänder ägyptischer Kaufleute – ich werde sie euch zusenden – und suchet mit den Leuten aus dem niederen Volke bekannt und vertraut zu werden. Trotz des grausamen Verbotes sind sie fast ohne Ausnahme dem Glauben ihrer Väter treu geblieben, der zwar nicht ganz der unserige war, aber doch den Lehren Christi folgte. Sie sind im geheimen Christen und werden euch gern behilflich sein, wenn ihr es recht anzufangen wißt. Aber hütet euch, einen von ihnen dem Verdachte der moslemischen Aufpasser preiszugeben, die auch euch auf Schritt und Tritt folgen werden – es würde sein Tod sein, und vielleicht auch der eurige! – In Fostât, dem ältesten Kairo, dicht neben der Kirche, die einst der heiligen Maria geweiht war, wohnt ein Mann namens Zenab. Den suchet unauffällig auf, sobald ihr euch einigermaßen sicher fühlt. Übergebt ihm dieses Kreuz zum Zeichen, daß ich euch zu ihm sende, und vertrauet euch ihm an.« Der Bischof zog ein seltsam geformtes Doppelkreuz, aus dem Holze des Ölbaumes geschnitzt, hervor, übergab es dem Junker und fuhr dann fort: »Wenn es euch gelingt, Zenab und seine Getreuen für eure Sache zu gewinnen, so dürft ihr hoffen, eure Absichten zu erreichen. Aber noch einmal rate ich euch: Seid vorsichtig! – So, und nun für heute Gott befohlen. Die Glocke ruft zum Abendsegen. – Morgen, bevor ihr auszieht, will ich eine Messe für euch lesen.«

Der Bischof reichte beiden die Hand zum Kusse und verließ dann den Garten, während der Junker und Hen zur Bank zurückkehrten, um dort im Angesichte der scheidenden Sonne in heiliger Andacht ihr Abendgebet zu verrichten.

Am anderen Morgen, nachdem der Bischof die Messe gelesen und sie noch einmal feierlich gesegnet hatte, verließen sie das Kloster der heiligen Katharina, um nach Tur, der Hafenstadt am Roten Meere, hinabzureiten.

Ein jeder von ihnen saß auf einem stattlichen Maultier, das reich mit köstlichen Trauben und Manna beladen war, dem süßen, honigartigen Pflanzensaft, der von den Sinai-Mönchen noch heute wie seit anderthalbtausend Jahren aus den dünnen braunen Zweigen der Tarfasträucher gewonnen und als biblisches Manna verkauft wird. Denn um in Kairo als Kaufleute auftreten zu können, mußten sie nicht nur die landesübliche Tracht anlegen, sondern auch Waren mit sich führen.

Dem Junker war es nicht leicht geworden, von seinem Schwerte, der beim Kampfe um Jerusalem geweihten Waffe des Vaters, zu lassen und sich zu einer Vermummung zu bequemen, die seinem ganzen Denken und Trachten so wenig entsprach. Ihm wäre es lieber gewesen, wenn er offen und kühn auf sein Ziel hätte losgehen können. Nach den üblen Erfahrungen, die er in der Wüste gemacht hatte, vermochte er aber doch nicht, sich den Ratschlägen des Bischofs zu verschließen, und bequemte sich also endlich dazu, in den braun und gelb gestreiften Kaftan, den ihm der Bischof hatte bringen lassen, hineinzuschlüpfen.

Langsam ging es an den steilen Abhängen des hochaufragenden Mosesberges hin. Als Führer hatte ihnen der Bischof zwei der zuverlässigsten Dschebelije mitgegeben, Nachkömmlinge der dem Kloster von Justinian geschenkten hundert Sklaven, die den Mönchen viele Jahrhunderte hindurch als Hörige zu eigen waren und ihnen noch heutigen Tages dienstbar sind.

Die freundlichen Männer, denen wohl bekannt war, wer hinter diesen Kaufmannsgewändern steckte, wußten vortrefflich Bescheid und versäumten nicht, ihre Reisenden auf alle heiligen Stellen aufmerksam zu machen und die daran geknüpften Legenden zu erzählen. Schon nach kurzer Wanderung zeigten sie die kleine Quelle, bei der Moses die Schafe des Jethro gehütet hatte. Weiterhin die Höhle, in der sich der Prophet Elias verborgen hatte, als er vor Ahab in die Wüste geflohen und nach des Herrn Befehl auf den Berg Horeb gekommen war. Und endlich auch eine der heiligen Jungfrau Maria geweihte Kapelle, an die sich manche sinnige Überlieferung knüpfte.

So kamen sie allmählich aus den wilden Klüften des Hochgebirges in weniger rauhe Gegenden hinab und bogen gegen Mittag in ein liebliches Tal ein, wo die Führer längere Rast zu machen rieten; denn noch hatte man die Wüste el Kâa vor sich, die wie ein Totenkranz die fruchtbaren Vortäler des Sinaigebirges umgibt, und sich in dieser Gegend bis an das Gestade des Roten Meeres erstreckt.

In dem Tale rauschte ein ansehnlicher Bach mit köstlichem Wasser, der ringsumher eine üppige Vegetation mit Palmen und Tamarisken speiste und der Landschaft ein so anmutiges Ansehen verlieh, daß der im heiligen Lande geborene Junker wähnte, nie etwas Schöneres gesehen zu haben.

Das gab dem Alten Gelegenheit, von der Heimat zu erzählen und die wunderbare Schönheit des Rheines zu preisen, und während die Eingeborenen mit erstaunten Gesichtern lauschten, sang er mit rauher Stimme, aber herzlicher Ergriffenheit manches Lied aus dem fernen Vaterlande.

»Wär die Welt alle mein,
Von dem Meere bis zum Rhein,
Dess' wollte ich mich darben,
Daß ich könnt' begraben sein
Einst in der Heimat treuen Armen.«

Sobald sich der Abendwind erhoben hatte und vom Meere her Kühlung herüberwehte, machten sie sich wieder auf und erreichten noch vor Mitternacht die Hafenstadt, wo die beiden Führer ihre Schützlinge wohlbehalten den Mönchen übergaben, die hier ein dem Sinaikloster zugehöriges Hospital leiteten und durch ein besonderes Schreiben des Bischofs gehalten wurden, sich der beiden Kaufleute fürsorglich anzunehmen.

Am nächsten Morgen stand eine ansehnliche Barke bereit, um die Reisenden und ihre Waren aufzunehmen, und da der Wind ganz munter von Süden her in die Segel blies, lichteten sie unter den Segenswünschen der Mönche die Anker und fuhren hart an der sinaitischen Küste hin gen Norden.

Der Führer des Bootes war ein früherer Höriger des Katharinenklosters, der wegen besonderer Verdienste den Freibrief erhalten hatte und nun mit seinem Schifflein bei der Beförderung der ägyptischen Pilger von Kolzum nach Tur und von Tur nach Dschidda, dem Hafen von Mekka, ein gutes Stück Geld verdiente. Keinem Zuverlässigeren hätten die Mönche die beiden Reisenden anvertrauen können; denn Keit – so hieß der wackere Mann – wußte nicht nur mit Wind und Strömung Bescheid, sondern kannte auch die Schliche und Schlupfwinkel der Seeräuber, die von der ägyptischen Küste her oft genug die unerfahrenen Schiffer auf dem Roten Meere überfielen.

Seine drei Knechte waren Sinaiten aus den hinter Tur liegenden Bergen, gleichfalls Christen, wie die meisten Bewohner der Halbinsel, die erst lange nach den Kreuzzügen von den Anhängern Mohammeds unterworfen wurden und später die Geschicke Ägyptens teilten. Es waren handfeste, gutmütige Burschen, die ihr Geschäft verstanden und im Notfalle auch Pfeil und Bogen wohl zu handhaben wußten.

Außerdem befanden sich auf dem Schiffe sechs heimkehrende Mekkapilger, fanatische Moslemin, die den ganzen Tag mit Gebetsübungen verbrachten und unsere beiden vermeintlichen Kaufleute von vornherein mit gehässigen und mißtrauischen Blicken beobachteten, und endlich zwei Bürger aus Kairo, die von Akaba gekommen und dem Anschein nach gleichfalls Mohammedaner waren, da sie die vorgeschriebenen Gebetsstunden mit großer Gewissenhaftigkeit befolgten, sich im übrigen aber von ihren Glaubensgenossen fernhielten und mit Keit, dem Schiffsführer, gut bekannt zu sein schienen.

Auch diese beiden Leute betrachteten oft mit verwunderten Blicken die beiden ungewöhnlichen Reisegefährten, die sie bald als Franken erkannt hatten, und deren ganzes Aussehen so wenig mit dem Geschäft übereinstimmte, dem sie dem Anschein nach oblagen.

Hen bemerkte wohl, daß sie die allgemeine Aufmerksamkeit erregten, und dachte mit Sorge, was daraus werden solle. Denn wenn er sich den Junker anschaute, mußte er sich gestehen, daß dieser recht wenig nach einem Kaufmann aussah und sie mit seiner stolzen Haltung, zu der man sich unwillkürlich Schwert und Panzer hinzudachte, überall bald verraten würde. Endlich vermochte er seine Bedenken nicht mehr für sich zu behalten und sagte leise zum Junker: »Herr, wie es scheint, taugen wir schlecht für die Kittel, die uns der würdige Herr Bischof umgehängt hat. – Seht nur, wie sie uns angaffen. – Wenn wir unsere Gesichter nicht besser auf unsere Röcke einrichten, wird uns die Gaukelei nicht viel helfen.«

»Das fürcht' ich auch,« antwortete der Junker ärgerlich. »Mir ist der Mummenschanz von Anfang an wider den Strich gegangen. Der Bischof mag es wohl gut gemeint haben, aber was einem Ritter taugt, davon weiß er nichts.«

»Gewiß nicht, Herr,« fuhr der Alte fort, sich ängstlich umschauend; denn der Junker hatte lauter gesprochen, als es in dieser Umgebung ratsam erschien. »Ganz gewiß nicht. Aber ich meine nur: er hat uns die Suppe einmal eingebrockt, und wir müssen sie nun auslöffeln, ob wir wollen oder nicht. Wenn Ihr ein klein bißchen weniger ritterlich dreinschauen möchtet, würde uns das gewiß nützlich sein.«

Der Junker wollte aufbrausen. Aber in diesem Augenblick ging einer der beiden Kairenser dicht an ihm vorüber und flüsterte ihm zu: »Seid auf Eurer Hut! Ihr verratet Euch!«

Diese Warnung verfehlte ihre Wirkung nicht. Der Junker hielt an sich, so wenig ihm auch der Sinn danach stand, und fragte den Kairenser, was er damit habe sagen wollen.

Aber der Mann tat, als höre er gar nicht, und ging, ohne sich um die Kaufleute weiter zu bekümmern, mit seinem Gefährten zu Keit, um ein Gespräch mit ihm anzuknüpfen. Erst später, als die Mekkapilger sich am anderen Ende des Schiffes zu einer Gebetsübung versammelt hatten und ganz in ihre Andacht versunken waren, setzte er sich zu Hen, der träumend über Bord in das tiefblaue Meer schaute, und fragte ihn leise: »Wohin geht die Reise?«

»Nach der Stadt des ägyptischen Kalifen,« antwortete Hen so unbefangen als möglich. »Wir wollen dort unsere Waren absetzen.«

»Eure Waren werden euch wenig Kopfzerbrechen machen. Ihr seid fränkische Krieger und keine Kaufleute!«

»Wer hat dir das gesagt?« fragte Hen mit erschrockenem Gesicht.

»Das kann man euch wohl bald genug ansehen. Wenn dein Herr Ritter den Nacken nicht besser beugen lernt, werdet ihr wohl schwerlich bis Kairo kommen, ohne daß euch die Späher des Kalifen entdeckt haben. Ich weiß nicht, was euch bewegt, dem Teufel geradenwegs in den Rachen zu laufen, aber ich denke mir wohl, daß ihr es um nichts Geringes tun werdet, und möchte euch gern vor Schaden bewahren.«

»Wer bist du?« fragte Hen verwundert. »Du bist auch nicht, was du scheinst. – Du sprichst die Gebete der Ungläubigen, aber du hast keine Gemeinschaft mit ihnen. Der Bischof von Sinai hat uns von Leuten in Kairo erzählt, die im geheimen Christen sind –«

»Im Namen Jesu, schweig!« fiel ihm der Mann mit entsetztem Gesicht ins Wort. »Wir sind verloren, wenn die anderen uns hören! – Wohl sind wir Christen, ob wir gleich als Muselmänner leben müssen. – Statt nach Mekka zu wallfahren, wie wir vorgaben, sind wir von Akaba aus nach Jerusalem gepilgert, um am heiligen Grabe zu beten und nach der Kapelle zu schauen, die uns jakobitischen Kopten gehört und die uns die Syrier und Griechen gar zu gern streitig machen möchten.«

Dabei funkelten seine Augen von Zorn und Eifer; denn die Kopten sind trotz der harten Unterdrückung, die sie von den Mohammedanern zu erdulden hatten, von jeher von größter Unduldsamkeit gegen die nicht ihrer Sekte angehörenden Christen gewesen, und die eifersüchtige Bewachung der ihnen in der heiligen Grabeskirche eingeräumten kleinen Kapelle hat im Laufe der Jahrhunderte oft genug zu blutigen Zusammenstößen mit den Inhabern der benachbarten Gebetsplätze geführt.

»Wohl sind wir Christen,« fuhr er fort, nachdem er sich von den Gedanken an die Reibereien, die auch er und sein Gefährte in Jerusalem infolge ihres sektiererischen Dünkels zu bestehen gehabt, wieder frei gemacht hatte. »Wohl sind wir Christen, und deshalb wissen wir, was denen bevorsteht, die sich als solche zu erkennen geben. Wehe denen, auf die nur der Verdacht fällt, sie könnten unserer heiligen Gemeinschaft angehören! Ehe sie nur ahnen, daß sie verraten sind, dringen die Häscher in ihre Häuser und hauen sie mit Weib und Kindern nieder oder schleppen sie nach Bulack, auf die Blutinsel, wo sie, zum Schauspiel für den Kalifen, oft zu Hunderten auf einmal geschlachtet werden. Nie sind wir unseres Lebens sicher. – Fern in der Wüste, in den Gräbern unserer alten Könige halten wir nächtlicherweile unsere Zusammenkünfte, und während Hyänen und Schakale über unseren Köpfen heulen, feiern wir unser Abendmahl und flehen zu Gott, er möge uns unsere alte Freiheit wiedergeben.«

Staunend hatte Hen zugehört. Jetzt fiel es ihm plötzlich ein, die günstige Gelegenheit zur Anknüpfung mit diesen Leuten zu benützen, wie der Bischof es ihnen empfohlen hatte, und eilig fragte er: »Kennst du in Fostât bei der Kirche der heiligen Jungfrau Maria einen Mann namens Zenab?«

In diesem Augenblick erhoben sich die Mekkapilger von ihrer Andacht, und ohne zu antworten, schob sich der Kairenser von Hens Seite fort, wobei er sich den Anschein zu geben suchte, als habe auch er soeben eine Gebetsübung vollendet.

Der Tag verging, ohne daß sich Gelegenheit geboten hätte, das Gespräch fortzusetzen, das ihnen auf so leichte und schnelle Weise in Kairo die Wege ebnen zu wollen schien.

Gegen Abend kamen sie in die Gegend der Bergwerke von Marara, in denen schon die alten Pharaonen nach Kupfer, Malachit und Türkisen hatten graben lassen, und wo noch immer von den Nachkommen der früher dort angesiedelten ägyptischen Bergarbeiter wertvolle Gesteine gefunden wurden, die sie den vorüberfahrenden Reisenden und Mekkapilgern zum Kauf anzubieten pflegten.

Noch ehe das Schiff in die Bucht eingebogen war, die sich hier nach Osten zu öffnet, drängten sich die armseligen Händler von allen Seiten in ihren kleinen Booten heran, um unter großem Geschrei ihre Waren feilzubieten.

Kaum aber waren sie auf Pfeilschußweite nahe gekommen, als der wackere Keit seine Knechte ihre Bogen auf sie richten hieß und den Händlern mit drohender Stimme zurief, sie sollten es nicht wagen, sein Schiff zu berühren. Er würde jeden niederschießen lassen, der ihn noch weiter stören und seine Reisenden behelligen würde, die arme Pilger wären und doch kein Geld hätten, um ihnen etwas abzukaufen.

Die Leute erhoben ein wildes Geschrei, baten und drohten, machten auch mehrmals Miene, trotz des Verbotes näher heranzurudern, kehrten aber schließlich doch um, nachdem sie sich überzeugt hatten, daß sie doch nichts würden ausrichten können, und ließen sich später nicht wieder blicken.

Beruhigt zog nun der Schiffsführer die Segel ein, legte an einer sicheren Stelle zwischen zwei in das Meer vorspringenden Felswänden bei und richtete alles zur Nachtruhe ein, nachdem er seinen Reisenden versichert hatte, sie könnten sich ohne Furcht dem Schlummer überlassen. Nur wenn man jenen Händlern das Betreten des Schiffes gestatte, sei Gefahr vorhanden; denn sie steckten mit den Seeräubern unter einer Decke und lockten diese oft herbei, sobald sie reichere Beute witterten.

Am anderen Morgen wurden die Segel wieder aufgesetzt.

Aber die Fahrt, die während des ersten Tages so gut von statten gegangen war, schien sich heute weniger günstig anlassen zu wollen. Kaum hatten sie die Bucht verlassen und das offene Meer wieder erreicht, als ein starker Nordost in die Segel fuhr und dem Schiffsführer das Steuer aus der Hand riß.

Mit jähem Ruck schlug das kleine Fahrzeug auf die Seite, und schon hatten die über Deck rollenden Wellen den Vordermast ins Wanken gebracht, als es dem erfahrenen Schiffer gelang, die Barke wieder in seine Gewalt zu bekommen.

In diesem Augenblick wurden von der ägyptischen Küste her drei braune Segel sichtbar.

»Rafft ein!« schrie Keit den Knechten zu, indem er das Steuer mit solcher Gewalt herumriß, daß sich das Schiff jetzt nach der anderen Seite hin bis hart an den Rand überneigte.

Aber das Herumwerfen des Steuers war nur ein beabsichtigter Kunstgriff, um das Schiff so bald als möglich zum Wenden zu bringen. Wenige Minuten, und der Kiel, der eben noch nach Norden gezeigt hatte, war nach Süden gerichtet. Schnell gingen nun auch die Segel wieder hoch, und ehe die Reisenden noch recht zur Besinnung gekommen waren, was eigentlich vorgehe, sauste das Schiff mit vollem Winde nach Süden in der Richtung davon, in der sie gekommen waren.

Aber sie sollten den Grund dieser Bewegung bald genug erkennen; denn während des Aufenthaltes, den das Wenden immerhin verursacht hatte, waren die drei braunen Segel ein gutes Stück näher gekommen, und bald zeigte es sich, daß sie wesentlich rascher fuhren als die größere Barke.

Der Kiel ächzte und stöhnte, mit solcher Gewalt durchschnitt er die Wellen, aber der Abstand wurde immer kleiner, und mit besorgter Miene schaute Keit sich von Minute zu Minute um, ohne doch die sichere Haltung am Steuer zu verlieren oder seine Reisenden durch eine vorzeitige Verkündung des bevorstehenden Unglückes zu beunruhigen, das vielleicht doch noch abzuwenden war, wenn es gelang, vor den Räubern die Mündung des Firantales zu erreichen, wo hilfsbereite Freunde wohnten.

Die Mekkapilger kümmerten sich denn auch nicht im geringsten um die Bewegungen des Schiffes, die sie, in ihre Andacht vertieft, wohl kaum bemerkt hatten, und auch die beiden Kairenser schienen kein Arg aus der Umkehr zu haben, die sie wohl auf den Sturm zurückführen mochten. Der Junker dagegen hatte die Lage bald durchschaut. Mit düsterer Miene stand er am Mast und dachte an seine Waffen, die er bis auf einen Dolch, den er unter dem Kaftan verbarg, wider Willen auf dem Sinai hatte zurücklassen müssen.

»Das haben wir nun von der Mummerei!« sagte er zu Hen, dem die Sache auch längst nicht recht geheuer schien, und der sich deshalb bereits nach einer guten Waffe umgeschaut hatte. »Wenn wir jetzt unsere Schwerter hätten, wollten wir ihnen schon heimleuchten.«

»Das werden wir auch so,« antwortete der Alte. »Wem ich mit dem Ruderholz da einen Hieb versetze, dem wird die Lust wohl vergehen, friedliche Reisende zu überfallen. – Aber der brave Keit wird es gewiß gar nicht dazu kommen lassen. Seht doch, wie fest er auf seinem Posten steht, und wie der Wind uns gegen die Küste treibt. – Er wird schon wissen, wie er uns aus der Patsche zieht.«

»Aber merkst du denn nicht, daß sie immer näher herankommen? Man kann ja schon die Männer einzeln mit den Enterhaken stehen sehen. Oh! Wenn ich doch mein Schwert hätte!«

»Die weiße Flagge auf!« schrie in diesem Augenblicke der Schiffsführer.

Im Nu hatten die Knechte an der Mastspitze das Zeichen befestigt, das die Bewohner an der Küste, die man jetzt ebenfalls bereits sehen konnte, auf die Not des Schiffes aufmerksam machen und zur Hilfe auffordern sollte.

Aber die Räuber schienen sich dadurch gar nicht beirren lassen zu wollen. Immer näher kamen ihre braunen Segel heran, immer drohender stiegen die spitzen Kiele ihrer schlanken, kleinen Boote aus dem spritzenden Wasser auf.

Und jetzt bemerkten auch die Mekkapilger zum Unglück des ganzen Schiffes die nahende Gefahr. Mit wildem Geschrei liefen sie durcheinander, riefen bald Allah, bald Keit oder die Knechte um Rettung an und verursachten auf diese Weise eine solche Verwirrung, daß die Knechte nicht mehr aus und ein wußten und schließlich ebenfalls den Kopf verloren.

Vergeblich bemühte sich der Schiffsführer, die Ordnung wieder herzustellen. Die Segel wurden nicht mehr richtig bedient, und statt den Wind auszunützen, machte man sich ihn auch noch zum Feinde.

Plötzlich ein Ruck, dann noch einer und ein dritter. Im nächsten Augenblicke wimmelte es auf dem Schiffe von wilden Gestalten, die mit krummen Schwertern und Keulen auf die Wehrlosen eindrangen.

Der brave Keit, der sich schnell mit einem Schiffshaken bewaffnet hatte und tapferen Widerstand leistete, war der erste, der niedergeschlagen wurde. Ein von hinten geführter Säbelhieb spaltete ihm den Schädel, so daß er lautlos neben dem Steuer zusammenbrach, das er bis zum letzten Augenblicke so wacker geführt hatte.

Auch die drei Knechte und die Kairenser wehrten sich eine Zeitlang, so gut sie konnten, waren aber bald überwältigt und ebenso wie die Mekkapilger, die sich von vornherein in ihr Schicksal ergeben hatten, an Händen und Füßen gebunden und in den unteren Schiffsraum geschleppt.

Nur der Junker und Hen leisteten noch verzweifelten Widerstand. Mit den Rücken gegeneinander standen sie am Hauptmast und schlugen mit den Ruderhölzern so gewaltig um sich, daß es ihnen eine ganze Weile hindurch gelang, die Räuber sich vom Leibe zu halten.

Währenddessen hatten die Leute am Ufer das Notzeichen bemerkt und kamen in einer großen Anzahl von Booten herangerudert. Schon konnte man ihre Rufe hören, als das Schiff plötzlich nach Südwesten abbog und mit vollem Winde schnurstracks vom Lande absegelte. Die Räuber hatten sich sofort des Steuers und der Taue bemächtigt und so das Fahrzeug vollständig in ihre Gewalt bekommen.

Nun war an Entsatz nicht mehr zu denken, und mit ingrimmiger Wut sah der Junker, daß sie jetzt ganz auf sich allein angewiesen waren.

Aber er verzagte nicht. Immer aufs neue schwang er das wuchtige Ruderholz, und wo es hintraf, da tat es seine Schuldigkeit.

Auch Hen war tüchtig an der Arbeit und schickte manchen mit blutigem Kopfe heim, bis die treffliche Waffe endlich auf einen Schädel traf, der noch fester war als ihr Holz. – Sie zerbarst, und nun stürzten sich die wilden Gesellen von allen Seiten so schnell auf ihn, daß er keine Zeit mehr fand, sich auf eine andere Verteidigung einzurichten.

Nach wenigen Minuten lag auch er gefesselt am Boden, und da ihm nun der Rücken nicht mehr gedeckt war, konnte auch der Junker sich der Übermacht nicht lange mehr erwehren. Bald hatte man ihm von hintenher die Arme gepackt und ihm das Ruderholz aus der Hand gewunden. – Er riß sich los und griff nach dem Dolch. – Überrascht wichen die Räuber zurück, so daß er bis zum Schiffsrand gelangen konnte.

Einen Augenblick stand er hochaufgerichtet da, die Blicke gen Himmel gewendet.

Dann, als die Räuber Miene machten, aufs neue auf ihn einzudringen, drehte er sich plötzlich um und sprang mit dem Rufe: »Herr Jesus, dir befehl' ich meine Seele!« ins Meer.

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