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Von der Franckfurter Juden Ehverlöbniß und Hochzeit

Bey der Heyrath der Juden sind unterschiedliche Absichten, der Talmud räthet einem Jüngling: wilt du freyen, daß dich es nicht gereue, so nimm eine, die geringers Standes ist als du, sonsten wirst du nimmer Ruhe haben. Doch muß sie seinem Stand auch nicht unanständig sey, denn es steht geschrieben: wer ein Weib nimmt, die nicht tüchtig genug für ihn und sein Geschlecht ist, den wird der Prophet Elias binden und Gott wird ihn geisseln; ist er aber ein Priester oder Levit und nimmt eines geringen Juden Tochter, so setzet sich der Prophet Elias alsbald nieder und schreibet also: ›Wehe dem, der seinen Saamen schwächet und sein Geschlecht schaendiret,‹ und GOTT der Herr drücket das Siegel darunter. Dann soll ein Jud auch zusehen, daß er eines gelehrten Juden Tochter heyrathe ... Man soll auch Gott um ein Weib bitten, dann wie die Cabbalisten sagen, so hat Gott aller Menschen Seelen zusammen zu einer Zeit erschaffen, und als eines Mannes und eines Weibes Seele zusammen gebunden, und wo solche zusammengebundene Seelen hernach in einer Ehe zusammen kommen, so gibts eine gute friedsame Ehe, kommen aber zwey zusammen, deren Seelen vorhero nicht verknüpffft gewesen, so gibts eine unglückliche Ehe. Die Gradus und nahe Blutfreundschafft nehmen sie nicht allemahl in Acht. Aber bey allen ihren Ehstifftungen macht Geld den Marck ... Dann durch Unterhändler, welche Geld mit solcher Kuppelprofession verdienen, wird beyderseits contrahiret, geboten, mehr geboten, biß endlich der Kauff durch den Handschlag richtig, wie viel der Braut Eltern und wie viel des Bräutigams Eltern hergeben wollen, welches Geld dann noch vor Vollziehung der Hochzeit muß erleget seyn, sonst gehet der Kauff zurück ... Die Juden lassen sich nicht mit leeren Worten und Versprechungen darinn abspeisen, nicht unwissende, daß man in dergleichen Fällen viel zu versprechen, aber offt wenig zu halten pflege, da man doch hernach die einmahl vollzogene Ehe, weil das Heyraths-Gut kein wesentlich Stück der Ehe ist, deßwegen nicht auflösen kan. Bey den Juden muß ich höchlich loben, daß von dem Geld, welches jungen angehenden Eh-Leuten mitgegeben wird von ihren Eltern, der 10. Pfenning gleich abgezogen und denen Armen gegeben wird, welches bey reicher Leuten Verheyrathung zuweilen auff etliche hundert Thaler sich belaufft.

Ist der Contract richtig, so wird er zu Papier gebracht, unterschrieben, mit Zeugen confirmiret, der Brieff öffentlich abgelesen und dabey ein gewiß stück Geld bedungen, dafern der Bräutigam die Braut verlassen und diese Verlöbniß nicht vollziehen würde. Die junge Leute haben dann irdene Topffe in Händen, so sie in Stücken brechen, alles aber מזל טוב Massel Tof, d. i. gut Glück zurufft, und wird dann denen Anwesenden ein Trunck, auch wohl Confect gegeben. Von der Verlöbniß bis auff die Hochzeit gehet gemeiniglich 6 Monath oder ein Jahr, auch zuweilen wohl länger hin, da indessen die Verlobte einander besuchen und durch den Umgang kennen lernen.

Kommt nun die Zeit der Hochzeit herzu, so gehet weder Bräutigam noch Braut die nächste 8 Tag vor der Hochzeit aus dem Hause, da dann inzwischen der Bräutigam von jungen Gesellen, die Braut von Jungfern besucht wird, welche mit ihnen singen, spielen und sich lustig machen; den Tag für der Hochzeit muß die Braut ins kalte Bad, wo sie nicht eben ihre Monath-Zeit hat, Braut und Bräutigam schicken sich Geschenke, sonderlich Gürtel. Vormahls stellten sie die Hochzeiten, wo es eine Jungfrau, auff den Mitwochen, wo aber die Braut eine Wittib, auff den Donnerstag an, wie bey der Wittib noch heut zu Tag, der Jungfrauen Hochzeit aber wird gemeiniglich heut zu Tag auff den Freytag angestellt; jene waehret nur 3 Tag, diese aber 8 Tage. Ihre Hochzeiten sind auch nur einige Tage nach dem neuen Licht, wann der Mond zunimmt oder voll ist, zu einem guten Zeichen; dann das abnehmende Licht wird für unglücklich gehalten. Wann nun die Braut von den Weibern geschmücket und mit Geschencken von denen Verwandten und guten Freunden begabet worden, so soll die Copulation durch einen Rabbinen auf einem freyen Platz geschehen, wie hier im Hoff für der Synagoge; so tragen dann vier Knaben auff vier Stangen einen Himmel, so auff Hebraeisch חפה (Chipah) heisset; so folgt dann der Bräutigam mit einigen Männern und die Braut mit Weibern in ihrem besten Schmuck, unter dem Klang der Saitenspiel und frölichen Zuruffen der Umstehenden ברוך הבא baruch habbo: gesegnet sey, der da kommt. Ehe sich nun die Braut unter den Himmel stellet, gehet sie 3 mahl um den Bräutigam herum, dann führt der Bräutigam sie auch einmal herumb, und die umstehenden werffen Waytzen auf sie, zum Zeichen der Fruchtbarkeit und ruffen ורבו פרו, seyd fruchtbar und mehret euch, die Braut hat ihr Angesicht mit einer vorhangenden Decke, der Bräutigam aber seinen Kopff mit einem schwartzen Tuch verhüllet, zum Andencken der Zerstöhrung Jerusalems.

Der Rabbi nimmt ein Glaß Wein und gibt dem Bräutigam und der Braut darauß zu trincken, nachdem er vorhero eine Brogeh oder Seegen darüber gesprochen, kehret darnach des Bräutigams Gesicht gegen die Braut, empfaehet so dann aus der Hand des Bräutigams einen Ring, so gantz von Gold, ohne einige eingefaste Edelstein seyn muß, berufft dann einige Zeugen, die von der Güte und Gültigkeit des Rings zeugen, und wann die sagen, daß der Ring gültig und gut Gold sey, stecket der Bräutigam den Ring der Braut an den Zeiger-Finger und sagt zu ihr מקודשת לי בטבעת זו כדת משה וישראל הרי את siehe, mit diesem Ring bist du mir anvertrauet nach dem Gebrauch Mosis und Israels; auff dem Ring sind gemeiniglich die Worte מזל טוב Gut Glück gestochen. Darauff werden zwey andere Zeugen herbey geruffen und mit lauter Stimm die Heyraths-Pacta gelesen, danach nimmt der Rabbi wieder ein Glaß mit Wein, spricht darüber den נשואין ברכת Birches Nissuin, Hochzeits-Seegen, und gibt ihn dem Bräutigam, der dann mit der Braut darauß trincket und das übrige zur Erden für Freuden schüttet. Nimmt er nun eine Jungfrau, so wirfft er daß Glaß wider die Wand, ist die Braut eine Wittib, wirfst ers auff die Erde in Stückern, zum Andencken der Zerstöhrung Jerusalem.

Gegen Abend ist die Hochzeits-Mahlzeit ... Der Braut wird ein roh Ey vorgesetzet, zur guten Vorbedeutung, daß sie ohne sonderliche Schmertzen, so leicht wie eine Henne das Ey, Kinder gebaehren werde. Tantzen, hüpffen und springen ist der jungen Leut ihre grösste Lust darbey, und hatten sie in Altona einen artlichen Tantz, so sie Abraham sein Pferdt nannten, darin die Cadence gar artlich war. Wenn die Braut eine Jungfrau, wäret die Hochzeit gemeiniglich 7 Tage, weil Laban zum Jacob gesagt, זאת מלא שבוע halte diese Woche aus, und dem Simson werden auch 7 Tage der Hochzeit beygelegt, bey einer Wittib währte das Freuden-Fest nur drey Tag. Sie haben ein besonders Tantz-Hauß hier in der Juden-Gasse, wie auch anderstwo, wie dann dergleichen ihnen zu Augspurg schon anno 1290 ein besonderes Tantz-Hauß vergönnet worden.


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