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Neunzehntes Kapitel.

Bertram und Dinmont folgten ihrer seltsamen Führerin, durch Wälder und über Täler zwischen der offenen Heide und den verfallenen Hütten von Derncleugh. Bloß als sie sie zu rascherem Laufe anspornen wollte, wandte sie den Blick rückwärts und kehrte sich wenig oder gar nicht daran, daß ihnen der Schweiß in dicken Tropfen von der Stirn rann. Zuweilen sprach sie auch mit sich selbst, und dann immer in abgebrochenen Sätzen ... »Das alte Haus soll wieder aufgebaut – der Grundstein soll gelegt werden – ha! habe ich ihn denn nicht gewarnt? Hab ich ihm nicht gesagt, daß ich geboren sei, es zu vollbringen, und ginge der Weg auch über meines Vaters Leiche? Verurteilt, in Kerker und Verließ geworfen hat man mich – und doch bin ich meinem Vorsatze treu geblieben – verbannt aus dem Lande hat man mich, und mitgenommen habe ich ihn in ein freundlicheres Land – ausgepeitscht hat man mich und gebrandmarkt, aber was ich im Sinne hatte, ließ sich nicht erschüttern – denn bis dorthin reichten weder Geißel noch glühendes Eisen – nun aber – nun ist die Stunde gekommen –«

»Rittmeister,« sagte Dinmont leise, »wenn sie bloß nichts Schlimmes im Sinne hat! Was sie spricht, klingt nicht, als käme es von Gott oder wie aus anderer Menschen Munde.«

»Habt keine Furcht, Freund,« erwiderte Bertram.

»Furcht? Nein, mich schert weder Hexe noch Teufel!« rief Dinmont, »bloß klar sehe ich gern.«

»Still!« rief Meg und guckte ihm finster über die Schulter: »meint Ihr, Zeit und Ort wäre beschaffen danach, daß Ihr reden dürftet?«

»Gute Frau,« fiel Bertram ein, »ich zweifle ja nicht an Eurer redlichen Absicht und Freundschaft, denn Ihr habt mir ja schon Beweise davon gegeben; aber Ihr sollt auch mir Vertrauen entgegenbringen. Drum sagt mir, wohin Ihr mich führt.«

»Ich habe nur eine Antwort darauf, Harry Bertram. Meiner Zunge habe ich verschworen, es Euch zu sagen, nicht aber meinem Finger, es Euch zu zeigen. Geht voran, und sucht Euer Glück! oder kehrt um und verliert's! Ganz, wie Ihr wollt! Weiteres kann ich Euch nicht sagen.«

»Vorwärts denn,« rief Bertram, »ich werde Euch keine weitern Fragen stellen.«

Ungefähr auf derselben Stelle, wo Meg sich früher von Bertram getrennt hatte, kletterten sie in die Schlucht hinunter. Einen Augenblick lang blieb Meg unter dem hohen Fenster stehen, von wo aus er damals die Beeidigung mit angesehen, und stampfte auf ben Boden, der trotz aller angewandten Vorsichtsmaßregeln noch deutlich verriet, daß er vor kurzem erst aufgewühlt worden ... »Hier ruht einer,« sagte sie, »der vielleicht bald Nachbarn bekommt.«

Dann ging sie längs dem Bache hin zu dem zerstörten Dörfchen, wo sie vor einem noch aufrecht stehenden Giebel verweilte. Ihr Auge schien ein milderes Gefühl zu beseelen, und als sie nun wieder das Wort nahm, geschah es nicht in der abgerissenen Weise von ehedem, aber noch immer in dem feierlichen Tone, der ihrer Stimme eigen war: »Seht Ihr das schwarze verfallene Stück Hütte dort? Dort hat mein Kessel vierzig Jahre gekocht; dort habe ich zwölf Söhne und Töchter geboren, – wo sind sie heute? Wo sind die Blätter, die an jener alten Esche am Martinstage hingen? Der Abendwind hat sie kahl gefegt. – Auch ich bin kahl! Seht Ihr den Weidenbaum dort? Es ist bloß ein schwarzer, verfaulter Stumpf noch ... An manch schönem Sommerabend hab ich drunter gesessen im Schatten der frischen Zweige, die über dem murmelnden Wasser hingen. Dort saß ich –« fuhr sie fort, ihre Stimme verschärfend, – »dort hielt ich Euch auf meinem Schöße, Harry Bertram, und sang Euch Lieder von den alten Baronen und den blutigen Kämpfen, die sie geführt haben. Sie wird nie wieder grünen, die alte Esche, und Meg Merrilies nie wieder singen, weder ein frohes Lied noch ein trauriges; aber vergessen werdet Ihr sie nicht; werdet Ihr doch die alten Mauern wieder aufbauen lassen, um ihretwillen! Und laßt jemand hier wohnen, der nicht bös genug ist, die Schatten aus einer andern Welt zu fürchten. Kehren die Toten je wieder unter die Lebendigen, dann soll man mich, wenn diese Gebeine Staub geworden, in diesem Tale hier Nacht für Nacht sehen.«

Während sie dies sprach in einem Tone, der sich wahnsinnig, halb wie wild-pathetisch anhörte, hielt sie den entblühten rechten Arm ausgestreckt, den linken gebogen unter den tiefroten Falten ihres Mantels verborgen ... »Und nun,« fuhr sie fort, jäh wieder in die ihr eigene, abgerissene ernste hastige Redeweise fallend, »zur Arbeit – zu unserer Arbeit!«

Sie nahm den Weg zu dem vorspringenden Berge hin, der den Turm von Derncleugh trug, zog einen großen Schlüssel aus der Tasche und schloß die Tür auf. Innen herrschte bessere Ordnung als sonst ... »Ich hab's anständig eingerichtet,« sagte sie, »und könnt mich wohl hier hinstrecken bis zum Einbruch der Nacht. Zur Totenwache werden ohnehin nur wenige sich einfinden, denn nicht wenige von unseren Leuten werden mir grollen um deswillen, was ich getan und was ich tun will.«

Sie wies nun auf einen Tisch mit kalten Speisen, die besser und sauberer aussahen, als man von Meg sich hätte vermuten lassen ... »Eßt,« sagte sie, »Ihr werdet's brauchen, heute abend.«

Bertram nahm, um die alte Frau nicht zu kränken, ein paar Bissen; Dinmont aber langte wacker zu, denn ihm konnten weder Abenteuer noch Gefahren die Eßlust verderben. Meg reichte zum Schlusse der Mahlzeit jedem ein Glas Schnaps, aber nicht mehr.

»Und Ihr? – nehmt Ihr nicht auch etwas zu Euch?« fragte Dinmont die Alte.

»Ich werde nichts brauchen,« antwortete sie. – »Aber Ihr – Ihr müßt auch Waffen haben. Doch greift nicht vorwitzig dazu! Nehmt gefangen, wen Ihr bekommen könnt, aber schont das Leben! Die Gerechtigkeit will auch ihr Teil haben; und er muß reden, bevor er stirbt.«

»Wen sollen wir fangen, und wer soll reden?« fragte Bertram verblüfft, als sie ihm geladene Pistolen reichte.

Ohne auf seine Frage zu achten, drückte sie auch Dinmont ein großes Taschenpistol in die Hand und holte aus einem Winkel ein paar Knüttel, verdächtigen Aussehens hervor. Hierauf verließen fie zusammen den Turm; Bertram aber nahm den günstigen Augenblick wahr, dem Freunde zuzuraunen: »etwas ist hier nicht begreiflich; wir wollen uns aber vornehmen, von den Waffen nur im äußersten Notfall Gebrauch zu machen. Richtet Euer Verhalten in dieser Hinsicht ganz nach dem meinigen!« Dinmont antwortete mit pfiffigem Blinzeln, Dann ging es weiter über Moor und Brachfeld, der Zigeunerin nach, die sie Zum Warroch-Walde auf dem nämlichen Pfade geleitete, den der unglückliche Ellangowan an jenem Abend geritten war, als Kennedy ermordet wurde, um in Derncleugh sein Kind zu suchen. Endlich kamen sie in das Gehölz, durch dessen Wipfel rauh und kalt der winterliche Seewind pfiff. Meg Merrilies schien sich einen Augenblick auf den Weg besinnen zu müssen. – »Wir können keinen andern Weg wählen,« sagte sie im Weitergehen, schritt aber nicht mehr, wie bisher, geradeaus, sondern im Zickzack und auf Schlangenwegen. Endlich brachte sie die beiden Männer durch das Dickicht auf einen offenen, von Bäumen und Sträuchern wild umwachsenen Platz, der selbst im Winter, trotzdem es an dem Schatten grüner Wipfel fehlte, still und lauschig war, Bertram hatte sich umgesehen, und sein Gesicht hatte sich jäh verfinstert ... »Hier ist's gewesen,« sprach Meg leise vor sich hin – dann sah sie ihn von der Seite an und fuhr fort: »Besinnt Ihr Euch?«

»Ja,« versetzte Bertram, »eine dunkle Erinnerung taucht mir auf« –

»Dort drüben stürzte der Mann vom Pferde,« hob die Zigeunerin wieder an; »ich stand im selben Augenblicke dort hinter dem Hollunderbusche. Er wehrte sich wacker, sehr wacker und schrie oft um Erbarmen; aber er hatte es zu tun mit Menschen, die kein Erbarmen kannten. Nun laßt ihn Euch weiter zeigen, den Weg, den Ihr damals gewandelt seid – getragen hier von diesen Armen.«

Einen langen, fast ganz mit Buschwerk verwachsenen Schlangenpfad ging es nun entlang, und mit einem Male standen sie, ohne daß der Weg merklich bergab geführt hatte, am Meeresstrande. Meg lief an der Felswand hin, an der sich die Flut brandete, bis zu einem großen, freiliegenden Steinblocke. ... »Hier,« sagte sie in leisem kaum hörbarem Tone, »hier wurde sein Leichnam gefunden.«

»Und die Höhle,« ergänzte Bertram im gleichen Tone, »ist dicht in der Nähe. Bringt Ihr uns zu ihr hin?«

»Ja. Faßt Euch beide ein Herz! Kriecht mir hinterher – ich habe das Brennholz so geschichtet, daß Ihr verdeckt steht. Bleibt solange hinter dem Stoße, bis ich rufe: Stunde und Mann sind gekommen! Dann fallt über ihn her, nehmt ihm die Waffen ab und bindet ihn – fest! so fest, bis ihm das Blut zwischen den Nägeln hervorspritzt.«

»Ich will's, wenn's der Mann ist, an den ich denke,« sagte Bertram – »wenn's Jansen ist!«

»Ja, Jansen ist's oder Hatteraick – führt er wohl an die zwanzig Namen!«

»Dinmont, jetzt müßt Ihr Euren Mann mitstellen – denn dieser Kerl ist der wahre Teufel!«

»Zweifelt nicht daran,« antwortete Dinmont leise. »Aber ehe ich der Hexe in ihre Höhle nachkrieche, möchte ich zuvor beten; es wäre doch ein böses Ding, wenn wir in solchem Loche umkommen sollten wie ein Fuchs in seinem Baue. Aber des Teufels will ich sein, wenn ich Euch im Stiche lasse.«

Der Eingang zur Höhle lag jetzt offen. Meg kroch auf Händen und Füßen hinein, Bertram folgte, ihm hinterher Dinmont, nachdem er sich noch einmal bekümmert nach dem Tageslichte umgesehen hatte. Im selben Augenblick aber, als er sich mühsam durch die Oeffnung zwängte, griff eine kräftige Hand nach seinem Beine. Dem kühnen Manne fing das Herz zu schlagen an, und nur mühsam gelang es ihm, einen Schrei zu unterdrücken, der in der wehrlosen Lage, in der sie sich befanden, ihnen allen das Leben hätte kosten können. Er wurde des Schrecks aber Herr und zog. ohne einen Laut von sich zu geben, den Fuß aus der Hand dessen, bei sich so unvermuteterweise an seine Fersen gehängt hatte.

»Seid ruhig,« sprach jetzt eine Stimme hinter ihm, »gut Freund – Charles Hazlewood.«

Meg Meirilies, die den Klang seiner Stimme, so leise er auch sprach, vernommen haben mochte, fuhr erschrocken zusammen. Sie war schon an der Stelle, wo die Höhle sich erweiterte, und fing schon an zu murmeln und zu singen, als ob sie ein horchendes Ohr hätte täuschen wollen, hantierte auch zwischen dem Reisig, das in der Höhle aufgehäuft lag. Da schrie eine Stimme aus dem Innern her: »Teufelsbraten! Was treibst Du da?«

»Ich rücke das Holz zurecht. Der kalte Wind soll nicht Eingang finden.«

»Bringt Ihr mir Schnaps und Kunde von meinen Leuten?«

»Hier habt Ihr die Flasche! Eure Leute sind zerstreut und flüchtig vor den Rotröcken.«

»Schlag der Teufel drein! Diese Küste ist das schlimmste Pech für mich!«

»Vielleicht gibt sie Euch noch bessern Grund zu solcher Rode!«

Während dieses Zwiegespräch geführt wurde, hatten Bertram und Dinmont das Eingangsloch Passiert und sich hinter dem Holzstoße aufgerichtet. Die Höhle wurde von dem Flackerlicht des Kohlenfeuers erhellt, das auf einem Roste, wie ihn die Fischer nachts beim Lachsfange brauchen, aufgeschichtet brannte. Hatteraick warf wohl dann und wann eine Hand voll Späne hinein, aber die Höhle in ihrem ganzen Umfange zu erleuchten, war der Feuerschein viel zu gering. Der Schleichhändler lag auf derjenigen Seite des Rostes, die am weitesten vom Höhleneingange entfernt lag; es war daher leicht möglich, daß er sah, was dort vorging. Die in die Höhle eingedrungenen Männer, deren Zahl sich so unvermutet um einen vermehrt hatte, standen hinter dem aufgehäuften Reisig, und Dinmont hatte soviel Geistesgegenwart gehabt, den jungen Hazlewood mit der Hand solange festzuhalten, bis er Bertram hatte zuflüstern können: »Gut Freund – Hazlewood!«

Die Kohlenglut wurde bald Heller, bald düsterer, je nach der Holzmenge, mit der Hatteraick das Feuer speiste; bald stieg eine schwarze Dampfwolke zur Decke der Hohle auf, bald loderte eine Flamme durch die Rauchsäule, mit einem Male helles Licht verbreitend; bei solch wechselnder Beleuchtung konnten die versteckten drei Männer bald schärfer, bald schwächer die Gestalt des Schmugglers unterscheiden, dessen wilde Züge durch seine finstere Stimmung noch schrecklicher wurden und vortrefflich zu der wilden Szenerie paßten, die die Höhle um ihn her bildete. Die aufrechte Gestalt der Zigeunerin, die langsam um ihn herschritt, bald im hellen Lichtschein der Flamme, bald umhüllt von Dampf, stach kräftig ab gegen den am Boden hingestreckten Hatteraick, der, da er vom vollen Flammenschein getroffen wurde, immerfort sichtbar blieb, während Meg Merrilies wie ein Gespenst erschien und verschwand.

Bertrams Blut fing an zu sieden, als er den Schleichhändler sah. Er hatte ihn als jenen Jansen wiedererkannt, der ihn nach Kennedys Ermordung im Verein mit seinem Steuermann Brown während seiner ganzen Kindheit gräßlich gequält und gemißhandelt hatte. Bertram begriff nun, indem er seine eigenen dunklen Erinnerungen mit Mannerings und Pleydells Erzählungen verwob, daß dieser Mann es hauptsächlich gewesen war, der ihn aus dem Kreise der Seinen und aus der Heimat gerissen hatte. Kaum konnte er noch an sich halten, auf den Verruchten loszustürzen und ihm den Kopf an der Felswand zu zerschmettern. Aber Hatteraick war bis an die Zähne bewaffnet, und daß der Schurke sich verzweifelt wehren würde, stand mit Sicherheit zu erwarten. Zudem wäre es, sagte sich Bertram, weder schicklich noch rühmlich, dem Henker vorzugreifen; dagegen von höchster Wichtigkeit, ihn lebendig zu fangen und seinen Rächern zu überliefern. Er wartete also ab, was weiter zwischen der Zigeunerin und dem Schurken vorgehen würde.

»Und wie ist's geworden mit Euch?« fragte Meg Merrilies mit rauhem Tone; »Hab' ich Euch nicht gesagt, daß es so kommen würde? Ja, und eben in dieser Höhle, wo Ihr Euch verstecktet nach der Tat.«

»Potz Sturm und Wetter, Du Hexe! Geh und bete zu Beelzebub, bis man Dich braucht ... Habt Ihr den Glossin gesehen?«

»Nein! Ihr habt Euch verrechnet – von diesem Versucher habt Ihr Bluthund nichts mehr zu erwarten!«

»Alle Hagel!« schrie der Schurke; »hätt' ich ihn nur bei der Kehle! ... Was soll ich jetzt machen?«

»Sterben wie ein Mann,« antwortete die Zigeunerin, »oder am Galgen verrecken wie ein Hund.«

»Am Galgen, Du Hexe! Der Hanf ist noch nicht gesät zu dem Strick, an dem ich hängen soll.«

»Er ist gesät und ist gewachsen; er ist gehechelt und auch gesponnen, Hatteraick! Hab ich Euch nicht gesagt, als Ihr den kleinen Harry Bertram wegführen wolltet, all meinen Bitten zum Trotze, daß er wiederkehren werde, wenn sein Schicksal erfüllt sei im fremden Lande, wenn er sein einundzwanzigstes Jahr vollendet hätte? Habe ich Euch nicht gesagt, daß das alte Feuer niederbrennen werde bis zum letzten Funken, an ihm aber auflodern werde zum neuen Brande?«

»Ja, Teufelsmutter, gesagt habt Ihr's! Und, alle Hagel! Ich glaube beinahe, Ihr habt wahr geredet. Der Junker von Ellangowan ist mir zeitlebens ein Stein im Wege gewesen; und nun ich durch Glossins Ränke meine Mannschaft eingebüßt und meine Kähne verloren habe – ja, wie ich fürchte, auch mein Schiff, auf dem nicht Mannschaft genug war, es zu bugsieren, geschweige zu verteidigen, nun – alle Hagel! nun darf ich mich in Vlissingen, Gott straf mich! nicht mehr sehen lassen!«

»Das erste kann passieren – das andere braucht Ihr nicht mehr.« sagte Meg Merrilies.

»Was führt Euch her, Weib – und was soll die Rede heißen?«

Meg Merrilies hatte während des Zwiegespräches Flachs auf ein Häufchen geschoben und Branntwein darauf geschüttet – und ehe sie auf Hatteraicks Frage Antwort gab, warf sie nun Brand darauf, daß im Nu eine Flammensäule zur Decke aufloderte – da rief das Weib mit wildgellender Stimme: »Ich bin gekommen, weil Stunde und Mann gekommen sind!«

Auf diese Parole hin sprangen Bertram und Dinmont hinter dem Holzstoß vor und über Hatteraick her. Ihnen auf dem Fuße folgte, aber ohne Kenntnis dessen, um was es sich handelte, Charles Hazlewood. Kaum hatte der Bösewicht erkannt, daß er verraten worden, als seine Rache sich zuerst gegen Meg Merrilies wandte, auf die er sein Pistol abdrückte. Mit wildem Schrei brach sie zusammen ... »Daß es so kommen werde,« ächzte sie, »habe ich gewußt.«

Bertram strauchelte beim Sprunge über den unebenen Boden und stürzte – zum Glück für ihn, denn im andern Augenblicke pfiff Hatteraicks Kugel über ihn hinweg, und so gut gezielt war der Schuß, daß Bertram, wenn er gestanden hätte, unfehlbar ein Kind des Todes gewesen wäre. Bevor er aber den dritten Schuß abgeben konnte, fiel Dinmont über ihn her: aber so groß war die Stärke des rabiaten Bösewichts, daß er den Riesen von Landmann durch den brennenden Flachs riß, – und wenig fehlte, so wäre es ihm geglückt, Dinmont mit einem dritten Schuß niederzustrecken, woran er aber durch Bertram und Hazlewood noch glücklich verhindert wurde, die mit rasender Anstrengung den Schmuggler niederwarfen, entwaffneten und fesselten. Als er inne wurde, daß ihm nichts mehr helfen konnte, lag er regungslos da wie ein Klotz.

»Er hat sich stramm gewehrt,« sagte Dinmont, indem er sich den brennenden Flachs vom Rocke und aus dem halbversengten Haare schüttelte, »und das gefällt mir nicht am schlechtesten von ihm.« »Bleib bei ihm, Dinmont, und bewacht ihn,« sagte Bertram. »Ich will sehen, ob das arme Weib tot ist oder noch lebt.«

Er hob mit Hazlewoods Beistand die Zigeunerin auf ... »Daß es so kommen mußte,« lallte sie, »habe ich gewußt.«

Die Kugel war unter der Kehle in die Brust gedrungen. Bertram erkannte auf der Stelle, daß die Wunde gefährlich war. »Du mein Gott,« rief er, »was sollen wir mit der Aermsten anfangen?«

»Mein Pferd steht oben im Walde angebunden,« sagte Hazlewood: »ich will ein paar Leute herbeiholen, auf die Verlaß ist – halten Sie mittlerweile den Eingang zur Höhle!«

Mit diesen Worten stürmte er hinaus. Bertram verband die Wunde der Zigeunerin, so gut es anging, und postierte sich dann draußen vor der Höhle, während Dinmont den Schleichhändler bewachte. Tiefe Stille herrschte nun, bloß hie und da gestört durch das gedämpfte Wehklagen des verwundeten Weibes und die schweren Atemzüge des gefesselten Schmugglers.


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