Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Dreizehntes Kapitel.

Tressilian ritt mit seinen beiden Begleitern, so rasch die Rosse laufen konnten. Den Schmied hatte er zuvor gefragt, ob er nicht lieber Berkshire, wo er doch so gut bekannt sei, links liegen lassen wolle. Wieland antwortete indessen, seiner Sache ganz sicher zu sein. Er hatte die kurze Frist, die ihm noch geblieben war, bevor sie von Lidcotehall wegritten, benützt zu einer ganz erstaunlichen Umwandlung seines Aussehens. Der struppige lange Bart war jetzt auf ein schmales Schnurrbärtchen zusammengeschrumpft, das militärisch aufgezwirbelt war. Ein Lidcoter Dorfschneider hatte für Geld und gute Worte unter Aufsicht des Bestellers all seine Kunstfertigkeit aufgeboten, um aus dem Schmied einen Menschen zu machen, der um zwanzig Jahre jünger erschien. Vordem sah er in seinem schmierigen Arbeitskittel, mit dem Haarbusch auf dem Kopf und um das Gesicht, in der gebückten Haltung, die er sich durch sein Handwerk angewöhnt hatte, und in dem Ruß und Schmutz, der sich auf seiner Haut festgesetzt hatte, fast wie ein Mann von fünfzig Jahren aus, und jetzt, in der schmucken, kleidsamen Livree eines Gefolgmanns von Tressilian, mit dem Schwert an der Seite und dem Schild auf der Schulter, sah er aus wie höchstens ein Mann von dreißig bis fünfunddreißig Jahren, also in der Blüte des Mannesalters. Das ihm früher eigne derbe, ungeschlachte Wesen schien sich gleichfalls ganz umgewandelt zu haben, und zwar in ein entgegenkommendes, schneidiges und keckes, in Blick und Handlung zum Vorschein tretendes Wesen.

Auf Tressilians Frage, wie er mit dem allen so schnell zu stande gekommen sei, gab Wieland bloß Antwort durch einen Vers aus einer Komödie, die damals neu war und nach Meinung mancher Kritiker bei dem Verfasser ein nicht geringes Talent vermuten ließ. Es freut uns, daß wir in der Lage sind, diesen Vers hersetzen zu können, der genau gelautet hat wie folgt:

»Pah pah ça ça Caliban,
Kriegst 'n neuen Meister,
Nu werd ein neuer Mann!«

Obgleich sich Tressilian nicht darauf besann, diese Verse gehört zu haben, besann er sich doch, daß Wieland, der Schmied, früher einmal Komödiant gewesen sei, woraus sich auch die Geschwindigkeit erklärte, mit der er die Umwandlung seiner äußern Person vollzogen hatte. Der Schmied selbst setzte ein so festes Vertrauen in diese Wandlung und in die Unkenntlichkeit, die er sich dadurch verschafft, daß es ihm fast leid getan hätte, wenn er an seinem früheren Wohnorte nicht vorbeigekommen wäre.

»Ich kann es riskieren,« sagte er, »in der Kleidung, die mich jetzt deckt, und bei dem Rückhalt, den mir Euer Ehren leihen, dem Richter Blindas direkt vor die Augen zu treten, sogar in öffentlicher Gerichtssitzung, und möchte wirklich mal noch zu erfahren suchen, was aus dem Musje Kobold geworden ist, der ganz gewiß am liebsten die Welt auf den Kopf stellte, wenn er mal die Fesseln los werden und seiner Großmutter und seinem Dominus ausreißen könnte. ...Ei, und das vertrackte, alte Gewölbe!« rief er, »was aus dem geworden, wie das Pulver dort unter den Retorten und Phiolen des Doktors Demetrius Doboobie gehaust haben mag, das hätte ich gar zu gern mal gesehen! Ich weiß ganz sicher, daß von mir noch erzählt werden wird im Tale von Whitehorse, wenn auch meine Knochen längst verfault sein werden, und daß noch mancher Tropf sein Pferd anbinden und seinen Silberling niederlegen und pfeifen wird, wie ein Seemann bei Windstille, daß Wieland, der Schmied, komme und sein Roß beschlage! Aber das Roß wird eher die Rotzkrankheit kriegen, als daß sich Wieland, der Schmied, wieder sehen lassen wird.«

In dieser Hinsicht erwies sich Wieland als der richtige Prophet. Fabeln entstehen tatsächlich so leicht und so geschwind, daß man bis heutigen Tags zu erzählen weiß dort und in der Umgegend von einem Hufschmied, der ein richtiger Teufelskerl gewesen sei und in allen Künsten Gewandtheit besessen habe; ja selbst die Sage von dem großen Siege des Königs Alfred oder die andre von dem berühmten Wunderhorn haben sich in Berkshire nicht so kräftig erhalten, wie die Sage von Wieland, dem Schmied.

Die Eile, mit der die Reiter ihrem Ziele zustrebten, gestattete ihnen keinen längeren Aufenthalt, als zum Füttern ihrer Tiere notwendig war, und da manche von den Ortschaften, durch die sie ihr Weg führte, unter dem Einflüsse des Grafen von Leicester stand, erachteten sie es für klug, ihre Namen für sich zu behalten, wie auch den Zweck ihrer Reise. Bei solchen Anlässen war nun die Fertigkeit und Gewandtheit Wieland Schmieds, wie wir den Mann hinfort nennen wollen, ob er gleich mit seinem richtigen Namen Lancelot Wieland hieß, von außerordentlicher Verwendbarkeit. Er schien wirklich Freude daran zu haben, wenn er bei Wirten und Hausknechten durch sein geschicktes Verhalten recht große Neugierde wachgerufen und sie gehörig an der Nase herumführen konnte. Dreierlei verschiedene Gerüchte kamen in Umlauf während der Dauer ihrer Reise: erstens daß Tressilian der Lorddeputierte von Irland sei und in Verkleidung käme, um den Willen der Königin in Sachen des großen Rebellen Rory Oge Mac-Carthy Mac-Mahon zu vernehmen; zweitens daß Tressilian ein Geschäftsträger sei von »Monsieur«, der für Seine königliche Hoheit um die Hand der Königin Elisabeth anhalten soll; drittens, daß er der Herzog von Medina sei, der inkognito nach England gekommen, um den Streitfall zwischen Philipp dem Zweiten von Spanien und der Herrscherin von England beizulegen.

Tressilian wurde hierüber sehr ärgerlich und legte Wieland Schmied die mancherlei Scherereien und vor allem den unnötigen Grad von Aufsehen, den sie um solcher Märchen willen machten, zur Last. Aber er ließ sich beruhigen ... und wer hätte solchem Grunde sein Ohr verschließen können? ... durch die Versicherung des Schmieds, die Schuld läge einzig und allein an ihm selber und an seinem vornehmen, ritterlichen Aussehen, so daß es gar nicht zu umgehen gewesen sei, einen auffälligen Grund für die Eile und die Heimlichkeit des Rittes anzugeben.

Endlich kamen sie der Hauptstadt näher, und je mehr sie sich ihr näherten, desto geringer wurde infolge des Fremdenschwalls, der dieselbe umlagerte, das Interesse für die beiden Reiter.

Tressilians Absicht war, direkt, nach Deptford sich zu begeben, wo Lord Sussex residierte, um dem Hofe, der zurzeit in Greenwich gehalten wurde, dem Lieblingswohnsitze der Königin Elisabeth und besonders geschätzt von ihr als Stätte ihrer Geburt, so nahe wie möglich zu sein. Indessen war ein kurzer Aufenthalt in London nicht zu umgehen, und durch die ernstlichen Bitten Wieland Schmieds, der sich in der Stadt umsehen wollte, zog sich dieser Aufenthalt sogar noch etwas in die Länge.

»Nimm Dein Schwert,« sagte Tressilian, »und Deinen Schild und folge mir! Ich muß gleichfalls ausgehen, wir können uns also zusammen auf den Weg machen.«

Er sagte das um deswillen, weil er sich noch immer nicht recht auf die Treue seines neuen Gefolgmanns verlassen zu dürfen meinte; wenigstens erschien es ihm nicht für geraten, ihn in diesem wichtigen Augenblick, da sich die Parteien am Hofe der Königin in solch regem Wettkampfe um die Herrschaft befanden, aus dem Gesicht zu lassen. Wieland Schmied ließ sich diese Vorsichtsmaßregel willig gefallen, deren Grund er wahrscheinlich vermutete, aber er bedang sich bloß aus, daß sein Herr in die Läden derjenigen Doktoren der Chemie und der Apotheker mitgehe, die er namhaft machen werde, wenn sie ihren Weg durch die Fleet Street nähmen, und ihm ein paar Einkäufe dort erlaubte von Dingen, deren er dringend benötige. Tressilian erklärte sich damit einverstanden und ging mit in die Läden, die der Schmied bezeichnete; es waren ihrer vier bis fünf, und in jedem kaufte Wieland Schmied, wie Tressilian zu seiner Verwunderung wahrnahm, immer bloß ein, aber immer ein andres Arzneimittel. Was er davon zuerst einkaufte, war immer gleich bei der Hand; was er später verlangte, brauchte immer einige Zeit, bis er es erhalten konnte... ebenso machte Tressilian die Wahrnehmung, daß Wieland mehr als einmal, zum lebhaften Erstaunen der Ladeninhaber, die ihm verabfolgte Droge oder Pflanze zurückgab und sich die richtige dafür ausbat, oder den Laden verließ, um sie anderswo einzukaufen. Ein Ingrediens aber schien sich gar nicht auftreiben zu lassen. Einige Drogisten gaben ohne Zaudern zu, dasselbe noch nie im Leben gesehen zu haben. Andre stellten in Abrede, daß es eine solche Arznei überhaupt gäbe, außer in der Einbildung ganz verschrobener Alchimisten, Die meisten versuchten, dem Schmied eine andre Arznei dafür zu verkaufen, ohne daß es ihnen aber gelingen wollte, denn dieser wies all die untergeschobene Ware als nicht das, wonach er frage, zurück, so viel auch die Verkäufer ihm einreden wollten, daß sie ihm doch gäben, was er verlange, und nichts anders, oder daß das, was sie ihm gäben, die gleichen Eigenschaften besitze, wie das von ihm Verlangte. Durchschnittlich waren sie aber alle erpicht darauf, zu erfahren, wozu der Schmied diese Arznei haben wolle. Ein alter, dürrer Drogist, an den der Schmied das gleiche Ansuchen richtete, aber in Ausdrücken, für die es Tressilian an Verständnis gebrach, und die er sich nie im Leben erinnerte gehört zu haben, antwortete frei und offen, die Arznei dürfe sich in ganz London wohl kaum ausfindig machen lassen, wenn sie nicht etwa Yoglan, der Jud', führte.

»Hab ich es mir doch gedacht!« sagte Wieland. Und sobald sie aus dem Laden getreten waren, sagte er zu Tressilian: »Ich muß Euch, gestrenger Herr, um Verzeihung bitten, aber es ist kein Arbeiter im stande, etwas zu machen, wenn es ihm an dem Werkzeug dazu gebricht. Ich muß deshalb noch zu diesem Yoglan gehen, und gelobe Euch, daß der Gebrauch, den ich von dieser seltnen Arznei machen will, Euch reichliche Entschädigungen bringen wird für den Aufenthalt, den ich Euch jetzt verursache. Erlaubt mir also, jetzt vorauszugehen,« setzte er hinzu, »denn wir müssen jetzt die breite Hauptstraße verlassen und kommen, wenn ich den Führer mache, noch einmal so geschwind vom Flecke.«

Tressilian erklärte sich einverstanden, der Schmied bog in eine Seitengasse ein, die linker Hand zum Flusse hinunterging. Es kam ihm vor, als ob sein Führer mit besonderer Geschwindigkeit seinen Weg verfolge und als ob er sehr bekannt in der großen Stadt sein müsse, denn er wußte den Weg ganz genau durch alle Seiten- und Nebengäßchen. Endlich blieb Wieland stehen, mitten in einem besonders engen Winkelgäßchen, das seinen Ausgang nach der Themse hinunter hatte, die hier recht düster und schmutzig aussah. Dieser Hintergrund wurde, wie Meister Mumblazen gesagt hätte, »quer geteilt« durch die Masten von zwei Leichterschiffen, die dort vor Anker lagen und auf die Flut warteten.

Der Laden, vor dem der Schmied stehen blieb, besaß, wie es zurzeit Mode ist, kein Schaufenster, sondern war nichts weiter als eine mit Glanzleinwand gedeckte Bude, wie sie jetzt zumeist Schuhflicker halten. An der Vorderseite war sie offen, und erinnerte hierin an die Fischbuden unsrer Tage.

Ein altes, kleines Männchen mit schmutzfarbenem Gesicht, sonst aber von keiner Ähnlichkeit mit einem Juden, denn er war ganz blond und hatte gar keinen Bart, zeigte sich und er fragte Wieland unter allerhand Höflichkeitsbezeugungen, was ihm die Ehre seines Besuches verschaffe. Kaum hatte er die Arznei genannt, die er suchte, als der Jude zusammenfuhr und sehr verwundert dreinschaute.

»Und wozu will Euer Gnaden wohl haben diese Arznei? Ich habe nun meinen Laden an die vierzig Jahr, aber, mein Gott, es ist in dieser ganzen Zeit gewesen nicht ein einziges Mal Nachfrage bei mir danach.«

»Diese Frage Euch zu beantworten, dazu habe ich von meinem Besteller keinen Auftrag,« entgegnete Wieland; »ich will bloß von Euch hören, ob Ihr führt, was ich will haben, und ob Ihr, wenn dies der Fall ist, mir von der Arznei was käuflich wollt ablassen.«

»Ei, Du mein Gott, freilich führe ich die Arznei und führe sie nicht zum Vergnügen, sondern zum Verkaufe; also könnt Ihr auch haben, soviel Ihr wollt, wie ich verkaufe als Drogist alles, was ich führe in meinem Laden.«

Also sprechend, schüttete er ein Pulver auf den Ladentisch und fuhr dann fort:

»Aber die Arznei wird kosten viel Geld, denn was sie mich kostet, das geht nicht bloß ins Geld, das geht ins Gold ... ja, sie muß gewogen werden mit Gold, muß gewogen werden sechsfach mit Gold ... denn sie kommt vom Berge Sinai, wo gegeben worden ist uns das heilige Gesetz. Und die Pflanze blüht nur einmal im Jahrhundert.«

»Ich weiß nicht, wie oft sie gesammelt wird auf dem Berge Sinai,« erwiderte Wieland, nachdem er die ihm gezeigte Droge mit tiefer Verachtung betrachtet hatte; »aber ich will mein Schwert und meinen Schild gegen Euren Mantel setzen, daß das Zeug, das Ihr mir da gebt, statt dessen, was ich fordere, in Aleppu im Schloßgraben umsonst gepflückt werden kann.«

»Ihr seid ein rauher Mann,« sagte der Jude, »und zudem habe ich nichts, was besser wäre als das, in meinem ganzen Laden ... oder wenn ich noch hätte, was besser wäre, so würde ich es Euch nicht ablassen wollen ohne eine ärztliche Verordnung, Ihr müßtet mir denn sagen, was Ihr wollt machen für einen Gebrauch davon.«

Wieland gab ihm nun Bescheid in einer Sprache, von der Tressilian nichts verstand und die den Juden mit dem größten Erstaunen erfüllte. Er starrte den Schmied an, wie jemand, der plötzlich irgend einen gewaltigen Helden oder gefürchteten Gewalthaber in der Person eines unbekannten und bislang für nichts gehaltenen Fremden erkannt hat.

»Heiliger Elias!« rief er aus, als er sich von den ersten Wirkungen seines Staunens erholt hatte, und dann ging er mit einem Male aus seiner bisherigen argwöhnischen und bedächtigen Weise zu der äußersten Höflichkeit und zu dem verbindlichsten Wesen über, machte einen Bückling über den andern vor dem Schmied und ersuchte ihn, in seine arme Behausung einzutreten, um seiner elenden Schwelle nicht den Segen zu rauben.

»Ihr wollt keinen Becher leeren mit dem armen Juden Zacharias Yoglan? ... Kann ich dienen mit einem Glas Tokayer? ... Wollt Ihr kosten von meinem Lachrymae Christi? ... Wie?«

»Ihr beleidiget mich mit Euren Angeboten,« versetzte Wieland, »gebt mir, was ich begehre und erspart Euch alles weitere Reden.«

Also in seine Schranken verwiesen, griff der Jude nach seinem Schlüsselbund und schloß behutsam ein Schränkchen auf, das fester verschlossen zu sein schien als die andern Schubladen und Kästen, in denen er seine Drogen und, Arzneien verwahrt hielt und zwischen denen es stand; dann zog er ein geheimes Fach auf, das mit einer Glastafel bedeckt war, und das eine geringe Portion eines schwarzen Pulvers enthielt.

Dieses Pulver reichte er dem Schmied, und sein Wesen bezeugte dabei die tiefste Ehrerbietung, wenn er auch mit einem geizigen, eifersüchtigen Ausdruck im Gesicht und mit ängstlicher Behutsamkeit, als wenn es ihm leid sei um jedes Gran, das er seinem Kunden zuviel abgeben könne, die Menge in der Hand wog: ein seltsamer Gegensatz zu der Unterwürfigkeit, deren er sich sonst dem Schmied gegenüber beflissen zeigte, und durch den diese an Wert erheblich verlor.

»Habt Ihr eine Wage?« fragte Wieland.

Der Jude zeigte auf die Wage, die er sonst in seinem Laden zu benutzen pflegte, aber mit einem so deutlichen Zeichen von Zweifel und Furcht, daß es dem Schmied nicht entgehen konnte.

»Es muß eine andre Wage sein als diese,« sagte Wieland in strengem Tone; »wisset Ihr nicht, daß heilige Dinge ihre Kraft einbüßen, wenn sie gewogen werden auf ungerechter Wage?«

Der Jude ließ den Kopf hängen, nahm aus einem mit Stahl plattierten Kästchen eine andre, elegant verzierte Wage und sagte, indem er sie für den Gebrauch zurecht machte und dem Schmied gab:

»Diese Wage dient mir zu meinen eignen Experimenten ... ein Haar von des Hohenpriesters Bart würde ins Schwanken bringen ihr Zünglein.«

»Die genügt,« erwiderte der Schmied und wog zwei Drachmen von dem schwarzen Pulver für sich ab, die er hierauf auf das sorgsamste zusammendrückte, in ein festes Blatt Papier wickelte und zu den übrigen Medikamenten in die Tasche schob. Dann fragte er den Juden, was die beiden Drachmen kosteten; der Jude aber schüttelte den Kopf und verneigte sich tief zur Erde. ...

»Keinen Preis, nein, keinen ... nichts, nichts von solchen wie Ihr seid ... aber Ihr werdet Wohl wieder besuchen den armen Juden und werdet Euch ansehen sein Laboratorium, wo er, Gott helfe ihm, zusammen ist geschrumpft zu dem Stoffe, aus welchem bestanden hat der verdorrte Kürbis des Propheten Jonas, des heiligen ... ja, Ihr werdet haben Mitleid mit ihm und ihm helfen einen Schritt weiter auf der großen Straße.«

»Pst!« machte Wieland und legte geheimnisvoll den Finger an den Mund, »es kann sein, daß wir uns wieder begegnen ... Du hast beinahe den Schamajm, wie Deine eignen Rabbis es nennen ... die große Schöpfung ... wache also und bete, denn Du mußt die Weisheit des Alkahest erlangen und des Elixiers und des Samech ... ehe ich mich weiter einlasse mit Dir.«

Dann erwiderte er die tiefe Verbeugung des Juden mit einem Nicken und schritt hoheitsvoll durch das Gäßchen von bannen, hinter ihm sein Herr, dessen erste Bemerkung über den Auftritt, dessen Zeuge er gewesen war, lautete: daß Wieland dem Juden für das Pulver etwas hatte bezahlen müssen, sei es noch so wenig gewesen.

»Ich ihn bezahlen?« versetzte dieser; »soll mich der böse Feind und sich holen, wenn ich es tue! ... Hätte ich, nicht befürchtet, Euer Gnaden Unwillen wachzurufen, so hätte ich ihm noch ein paar Unzen Goldstaub für das gleiche Gewicht Ziegelstaub abgenommen!«

»Ich rate Dir, solche Streiche zu unterlassen, so lange Du bei mir in Diensten stehst!« sprach Tressilian.

»Ich sage ja doch, daß ich es bloß unterlassen habe um Euretwillen,« antwortete Wieland Schmied, »Streiche saget Ihr? ... ei, ei! Das alte, dürre Skelett ist reich genug, die enge Gasse, in der es wohnt, mit Talern zu pflastern. Aber er läßt sie nicht aus seinem eisernen Kasten heraus, und doch wird er närrisch wegen des Steins der Weisen! Außerdem wollte er mich zuerst betrügen, da er mich für einen armen Gefolgsmann ansah, mit einem Quark, der keinen Heller wert war. Wurst wider Wurst! sagte der Teufel zum Kohlenmann. Wenn seine schlechte Droge meine echten Kronen wert sein sollte, so galt das gleiche von meinem Ziegelstaub und seinem Gold.«

»Du magst recht haben, wenn Du einen Juden so traktierst und mit den Drogisten feilschest,« erwiderte Tressilian, »aber merke Dir, dergleichen Manöver, von einem meiner Leute ausgeübt, beeinträchtigen meine Ehre, und darum kann ich sie nicht erlauben. Nun bist Du hoffentlich fertig mit Deinen Einkäufen?«

»Das bin ich, gestrenger Herr,« erwiderte Wieland; »und mit diesen Drogen gedenke ich noch heute das wahre Gegengift, jene edle Arznei zu bereiten, die man in so seltenen Fällen nur als wirksam und echt findet in den Ländern des europäischen. Kontinents, wo jenes so äußerst seltne und kostbare Arzneimittel nicht zur Verfügung steht, das ich eben von dem Juden Yoglan gekauft habe. Orvietan oder venetianisches Tränkchen, wie es bisweilen auch genannt wird, stand im Rufe eines vornehmen Heilmittels gegen Gift; und der Leser muß sich für die Lektüre dieses Buches darein finden, diese Meinung zu teilen, die ehedem verbreitet war sowohl in der gelehrten Welt wie beim großen Volk.

»Warum hast Du denn Deine Einkäufe nicht sämtlich im gleichen Laden gemacht?« fragte Tressilian; »wir haben dadurch beinahe eine Stunde eingebüßt, daß wir von einem Drogisten zum andern haben laufen müssen.«

»Lasset das gut sein, Herr,« versetzte Wieland, »es soll mir niemand mein Geheimnis ablernen; ich würde es aber bald los sein, wollte ich alle Medikamente, die dazu gehören, zusammen in einem und demselben Laden kaufen.«

Nun begaben sie sich zurück nach ihrem Gasthofe, dem beliebten »Zum wilden Mann«; und während dort der Diener des Lord Sussex die Pferde anschirrte, ließ sich Wieland Schmied vom Koch einen Mörser geben, schloß sich in ein besonderes Stübchen ein und zerstieß und mischte und wog und brachte die Drogen, die er eingekauft hatte, in das richtige Verhältnis zu einander, mit einer Fertigkeit und Schnelligkeit, daß niemand, der ihn dabei beobachtet hätte, im Zweifel gewesen wäre über seine Eigenschaft als Apotheker oder Pharmazeut.

In der Zeit, die Wieland zur Bereitung seines Heilmittels brauchte, war der Diener auch mit dem Anschirren der Pferde fertig. Ein Ritt von knapp einer Stunde brachte sie zum gegenwärtigen Wohnsitz des Earl of Sussex, einem alten Schlosse in der Nähe von Deptford, Say's-Hof mit Namen, das lange der Familie dieses Namens gehört hatte, aber seit etwa einem Jahrhundert der alten und ehrlichen Familie Evelyn gehörte.

Das dermalige Oberhaupt dieser Familie nahm lebhaften Anteil an dem Schicksal des Earl of Sussex und hatte ihm und seinem zahlreichen Gefolge diese gastliche Stätte geöffnet.


 << zurück weiter >>