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Achtzehntes Kapitel.


»O, gnäd'ger Fürst!« drauf Cannyng schreit,
       »Laß Gott nur Rächer seyn,
»Hinweg den Eisenstab wirf weit,
       »Der Oelzweig hier sey Dein.«

Ballade von Sir Karl Bawdin.

Die zur Hinrichtung bestimmte Stunde war längst vorüber, und es war fünf Uhr Abends, als der Protektor Pearson zu sich rufen ließ. Er ging ungern und furchtsam in der Ungewißheit des Empfangs. Nach einer Viertelstunde kam der Adjutant in Viktor Lees Zimmer zurück, wo der alte Soldat Zerobabel Robins auf ihn wartete,

»Wie ist's mit Oliver?« sagte der alte Mann ängstlich.

»Je nun, gut,« antwortete Pearson, »er hat gar nicht nach der Hinrichtung gefragt, wohl aber viel nach den Nachrichten, die wir über die Flucht des jungen Mannes haben einziehen können, und er ist sehr aufgeregt über den Gedanken, daß er jetzt nicht mehr einzuholen seyn dürfte. Ich habe ihm auch einige Papiere des übelgesinnten Doktor Rochecliffe gegeben.«

»So will ich mich hineinwagen,« sagte die Ordonnanz, »gebt mir nur ein Tellertuch, damit ich aussehe wie ein Tafeldecker, und holt die Speise herauf, die ich bestellt habe. «

Zwei Reiter besorgten demgemäß eine Portion Rindfleisch, so wie es an die gemeinen Soldaten vertheilt wurde, und auf ihre Weise zubereitet – dabei einen zinnernen Krug mit Bier, einen hölzernen Teller nebst Salz, Pfeffer und einen Laib Commisbrod. »Komm mit mir,« sagte er zu Pearson, »und fürchte nichts – Oliver liebt einen unschuldigen Spaß.« Kühnlich trat er in des Generals Schlafgemach und sagte laut: »Steh' auf, der Du berufen bist zum Richter in Israel – falte Deine Hände nicht länger zum Schlaf. Siehe, ich komme als ein Zeichen zu Dir; darum stehe auf, iß, trink, und laß Dein Herz frohen Muthes in Dir seyn; denn Du sollst mit Freuden essen von der Speise derer, die in den Laufgräben arbeiten, indem Du siehst, daß, da Du Befehlshaber über das Heer warst, die arme Schildwache eben solche Speise erhalten hat, als ich Dir jetzt zu Deiner eigenen Erquickung vorgesetzt habe.«

»Wahrlich, Bruder Zerobabel,« sagte Cromwell, der an solche schwärmerische Einfälle unter seinen Anhängern gewöhnt war, »wir wünschten, daß es so wäre. Auch ist es nicht unser Wunsch, weich zu schlafen, noch köstlicher zu speisen, als die unter uns dienen. Wahrlich, Du hast gute Erfrischungen gewählt, und der Geruch der Speise dünkt meiner Nase lieblich.«

Er stand vom Bette auf, worauf er sich halb angekleidet hingelegt hatte, und sich in seinen Mantel hüllend, setzte er sich neben dem Bette hin, und ließ sich die einfache Nahrung, die für ihn bereitet war, wohlschmecken. Während er aß, befahl er Pearson seinen Bericht zu enden. – »Wegen der Gegenwart eines würdigen Kriegers, dessen Geist wie mein Geist ist, brauchst Du nicht abzubrechen.«

»Ja, aber,« unterbrach Robins, »Du mußt wissen, daß Pearson Deine Befehle, wegen eines Theils jener Uebelwollenden, die alle zu Mittag sterben sollten, nicht ganz ausgeführt hat.«

»Was für eine Hinrichtung – was für Uebelwollende?« sagte Cromwell, Messer und Gabel bei Seite legend.

»Die im Gefängnisse zu Woodstock,« antwortete Zerobabel, »die, wie Ew. Excellenz befahlen, zu Mittag hingerichtet werden sollten, weil sie als Rebellen gegen die Republik ergriffen wurden.«

»Elender! sagte Cromwell aufspringend, und sich zu Pearson wendend: »Du hast doch nicht etwa Markham Everard angerührt, an dem keine Schuld war, denn er wurde von dem Zwischenträger betrogen – und eben so wenig wirst Du doch Deine Hand an den geweihten presbyterianischen Geistlichen gelegt haben, damit alle von dieser Klasse über Entweihung schreien, und sie für immer von uns entfremdet bleiben?«

»Wenn Ew. Excellenz wollen, daß sie leben,« sagte Pearson – »noch hängt ihr Leben und Tod von einem Worte ab.«

»Laß sie frei; ich muß die Presbyterianer für uns gewinnen, wenn ich kann.«

»Rochecliffe, den Erz-Pläneschmieder, gedachte ich hinrichten zu lassen,« sagte Pearson, »aber « –

»Barbar,« sagte Cromwell, »das wäre so undankbar als unpolitisch – wolltest Du unsern Lockvogel umbringen? Dieser Doktor ist nur wie ein Brunnen, freilich ein seichter, aber doch etwas tiefer als die Quellen, die ihren Tribut an Geheimnissen hineinliefern, und dann komme ich mit einer Pumpe und pumpe sie. Alle in's Freie hinaus. Laß ihn frei und gieb ihm Geld, wenn er welches braucht. Ich kenne seine Schlupfwinkel; er kann nirgends hin, wo unser Auge ihm nicht folgt. – Aber Ihr seht einander düster an, als hättet Ihr mehr zu sagen, als Ihr Euch getraut. Ich hoffe doch, Ihr habt Sir Heinrich Lee nicht umgebracht?«

»Nein; doch ist der Mann,« erwiederte Pearson, »entschieden übelwollend, und« –

»Ja, aber er ist auch eine edle Reliquie des alten englischen Adels,« sagte der General. »Ich wollte, ich wüßte, wie dieses Geschlecht zu gewinnen ist. Aber wir, Pearson, deren königliche Kleider die Rüstung sind, die wir am Leibe tragen, und deren Kommandostab unser Scepter ist, wir sind zu neu, um Ehrerbietung von diesen stolzen Nebelwollenden zu erlangen, die es nicht ertragen können, sich Geringern als den Abkömmlingen von Königen zu unterwerfen. Was sehen sie aber in der längsten königlichen Dynastie in Europa, als daß sie auf einen glücklichen Krieger zurückführt. Es verdrießt mich, daß einer geehrt werden und Anhänger haben sollte, weil er der Nachkomme eines siegreichen Befehlshabers ist, indeß einem Andern weniger Ehre und Treue gezollt wird, der an persönlichen Eigenschaften wie an Glück, mit dem Stifter der Dynastie seines Nebenbuhlers wetteifern könnte. Nun wohl, Sir Heinrich Lee lebt, und soll für mich leben. Sein Sohn hat freilich den Tod verdient, den er ohne Zweifel erlitten.«

»Gnädigster Herr,« stammelte Pearson, »da Ew. Excellenz finden, daß ich Recht hatte, Ihre Befehle bei so vielen Andern aufzuschieben, so hoffe ich, Sie werden mich auch hierin nicht tadeln. – Ich hielt es für das Beste, noch ausführlichere Befehle abzuwarten.«

»Du bist ja heute gewaltig barmherziger Laune, Pearson,« sagte Cromwell nicht ganz zufrieden.

»Wenn es Ew. Excellenz beliebt, der Strick ist bereit und der Profoß dazu.«

»Ei, wenn so ein Blutmensch, wie Du, ihn geschont hat, so würde mir's nicht eben anstehen, ihn umzubringen; und doch, hier befinden sich unter Rochecliffes Papieren die Verpflichtungen von zwanzig verwegenen Kerlen, um uns auf die Seite zu räumen – irgend ein Beispiel sollte gegeben werden!«

»Gnädiger Herr,« sagte Zerobabel, »bedenken Sie, wie oft dieser junge Mensch, der Albert Lee, in den dunkeln Gängen, die er kannte, wir aber nicht, nahe, ja vermuthlich ganz dicht bei Ew. Excellenz war. Wäre er von Mörderart gewesen, es hätte ihm nur einen Pistolenschuß gekostet, und Israels Licht war erloschen. Ja in der unvermeidlichen Verwirrung, die darauf folgen mußte, wo die Schildwachen ihren Posten verlassen hätten, hatte er die beste Aussicht zu entkommen.«

»Genug, Zerobabel, er lebt,« sagte der General. »Er soll jedoch einige Zeit in Gewahrsam bleiben, und dann aus England verbannt werden. Die andern Beiden sind natürlich sicher; denn es wird Euch doch nicht einfallen, so lumpige Bursche für passende Opfer meiner Rache zu halten?«

»Einer aber, der Förster, Namens Joliff, verdient den Tod,« sagte Pearson; »denn er hat es freimüthig eingestanden, daß er den ehrlichen Joseph Tomkins erschlug.«

»Er verdient eine Belohnung, daß er uns eine Mühe erspart hat,« sagte Cromwell; »der Tomkins war ein höchst zweizüngiger Bube. Unter diesen Papieren hier habe ich Beweise gefunden, daß, wenn wir die Schlacht bei Worcester verloren hätten, wir es mit Recht hätten bereuen sollen, daß wir jedem Herrn Tomkins trauten, – Nur unser Glück kam seiner Verrätherei zuvor – wir sind Josselin, so heißt er ja wohl, und seinem Knittel Dank, nicht Strafe schuldig.«

»Nun bleibt noch der gotteslästerliche und aller Gnade beraubte Cavalier, der gestern Abend einen Anfall auf das Leben Ew, Excellenz that,« sagte Pearson.

Nein,« sagte der General, »das hieße sich doch zu tief zur Rache herablassen. Sein Schwert hatte ja nicht mehr Kraft, als wenn er mit einer Tabakspfeife gestoßen hätte. Adler stoßen nicht auf wilde Entriche.«

»Aber, Herr,« sagte Pearson, »der Bursche sollte schon als ein Pasquillenschreiber bestraft werden; wir haben eine solche Menge schändlicher und pestilenzialischer Schimpfreden in seinen Taschen gefunden, daß ich ihn nicht gern ganz freilasse. – Haben Sie die Güte, sie anzusehen, Herr!«

»Eine niederträchtige Hand,« sagte Oliver, nachdem er ein oder zwei Blätter von unsers Freundes Wildrake poetischen Mannichfaltigkeiten angesehen hatte. – »Schon die Handschrift sieht betrunken aus, und die Poesie nicht sehr nüchtern. – Was giebt's hier?

      Als ich war ein junger Fant,
      Hab das Glück ich, nie gekannt,
Thu' ich gut, ist's nicht ein Wunder!

He, was ist das für Zeug – und hier wieder –

Sicher trifft die Strafe doch,
Oliver, dein Haupt auch noch.
Laßt die Becher hell erklingen,
Wenn wir Karl'n nach Whitehall bringen!

Ja freilich, wenn's auf diese Weise zu machen wäre, so würde der Dichter ein derber Kämpfer seyn. Gebt dem armen Schelm fünf Goldstücke, Pearson, und heißt ihn hingehen und seine Balladen verkaufen. Wenn er uns jedoch auf zwanzig Meilen in der Runde nahe kommt, so wollen wir ihn durchpeitschen lassen, bis ihm das Blut herunterläuft.«

»Nun bleibt nur noch ein Verurtheilter übrig,« sagte Pearson, »ein edler Wolfshund, schöner als Ew. Excellenz ihn je in Irland sahen. Er gehört dem alten Ritter Sir Heinrich Lee. Sollten Ew. Excellenz nicht wünschen, das schöne Thier selbst zu behalten, so möchte ich um Erlaubniß bitten, daß ich mir ihn nehmen dürfte.«

»Nein, Pearson,« sagte Cromwell, »der alte Mann, der selber so treu ist, soll seines treuen Hundes nicht beraubt werden. – Ich wollte, ich hätte ein Geschöpf, wäre es auch nur ein Hund, das mir folgte, weil es mich liebte, und nicht um des Nutzens willen, der aus mir zu ziehen ist.«

»Ew. Excellenz sind ungerecht gegen Ihre treuen Soldaten,« sagte Zerobabel ohne Umstände, »die Ihnen folgen wie die Hunde, für Sie kämpfen wie die Hunde, und auf der Stelle, wo sie zufällig stürzen, auch das Grab eines Hundes haben.«

»Was soll das heißen, alter Brummbär, « sagte der General, »was bedeutet dieser veränderte Ton?«

»Korporal Humgudgeons Leiche ist liegen geblieben, um unter den Trümmern jenes Thurmes zu vermodern, und Tomkins ist in einem Dickicht, wie ein Vieh in ein Loch gesteckt worden.«

»Wahr, wahr,« sagte Cromwell, »sie sollen auf den Kirchhof geschafft werden, und jeder Soldat soll sie mit Kokarden von seegrünem und blauem Bande begleiten. – Jeder von den Unteroffizieren und Ordonnanzen soll eine Trauerschärpe tragen. Wir selber wollen den Zug anführen, und es soll eine gehörige Vertheilung an Wein, Branntwein und Rosmarin erfolgen. Sieh' darauf, daß es geschieht, Pearson. Nach dem Leichenbegängnisse soll Woodstock eingerissen und zerstört werden, damit seine Schlupfwinkel nicht wieder Rebellen und Uebelwollenden Schutz gewähren.«

Die Befehle des Generals wurden pünktlich befolgt, und als man die andern Gefangenen entließ, blieb Albert Lee noch eine Zeit lang in Gewahrsam. Nach seiner Befreiung verließ er England und trat unter König Karl's Leibwache, wo er von dem Monarchen befördert wurde. Aber sein Schicksal, wie wir späterhin sehen werden, gestattete ihm nur eine kurze, obwohl glänzende Laufbahn.

Wir kehren zur Befreiung der andern Gefangenen in Woodstock zurück. Die beiden Geistlichen, völlig mit einander ausgesöhnt, zogen sich Arm in Arm in das Pfarrhaus zurück, früher Doktor Rochecliffe's Wohnung, die er aber jetzt als ein Gast seines Nachfolgers, Nehemias Holdenough betrat. Der Presbyterianer hatte nicht sobald seinen Freund unter seinem Dache eingerichtet, als er ihm dringend anbot, sowohl dieses, als das damit verbundene Einkommen, als sein Eigenthum mit ihm zu theilen. Doktor Rochecliffe war sehr bewegt, lehnte aber weislich das großmüthige Anerbieten ab; indem er den Unterschied ihrer Meinungen über Kirchenregiment erwog, an denen jeder eben so eifrig hing, als an seinem Glauben. Ein zweiter, obwohl unbedeutender Streit über den Dienst der Bischöffe in der ersten Kirche, bestärkte ihn noch in seiner Weigerung. Sie schieden am folgenden Tage, und ihre Freundschaft dauerte bis zu Holdenough's Tode, 1568, ohne fernern Streit, eine Eintracht, die einigermaßen dem Umstande zuzuschreiben ist, daß sie nach ihrer Gefangennehmung nie wieder zu einander kamen. Nach der Wiedereinsetzung erhielt Rochecliffe sein Amt wieder, und stieg von da an zu hohen geistlichen Würden.

Die geringeren Personen bei der großen Befreiung aus dem Kerker im Schlosse zu Woodstock, fanden einstweilen ein Unterkommen in der Stadt unter alten Bekannten; aber Niemand wagte es, den alten Ritter aufzunehmen, von dem man glaubte, daß er zu sehr mit den herrschenden Machthabern zerfallen sey, und selbst der Gastwirth von St. George, der einer seiner Pächter gewesen war, unterstand sich kaum, ihm die gewöhnlichen Vorrechte eines Reisenden, der Nahrung und Wohnung für sein Geld erhält, zu gestatten. Everard begleitete ihn ungebeten, ohne Erlaubniß, aber auch ohne daß er es ihm verbot. Das Herz des alten Mannes war ihm noch einmal wieder zugewandt worden, als er erfuhr, wie er sich bei dem merkwürdigen Zusammentreffen bei der Königseiche benommen hatte, und als er sah, daß er Cromwell'n eher ein Gegenstand der Feindschaft als der Gunst -sey, Aber noch ein anderes geheimes Gefühl trug dazu bei, ihn mit seinem Neffen auszusöhnen – das Bewußtseyn, daß Everard die tiefe Angst mit ihm theilte, die er wegen seiner Tochter empfand, da diese noch nicht von ihrer zweifelhaften und gefährlichen Wanderung zurückgekehrt war. Er fühlte, daß er vielleicht unfähig seyn würde, zu entdecken, wo Alexia sich während der letzten Ereignisse hingeflüchtet, oder ihre Befreiung zu erlangen, wenn sie gefänglich eingezogen war. Er wünschte, daß Everard ihm seine Dienste anbieten möchte, sie aufzusuchen; doch hinderte ihn Schaam die Bitte vorzubringen, und Everard, der den veränderten Gemüthszustand seines Oheims nicht vermuthen konnte, fürchtete sich den Vorschlag des Beistands zu thun, oder auch nur Alexia's Namen zu nennen,

Die Sonne war schon untergegangen – sie saßen und sahen einander schweigend an, als man Pferdegetrappel vernahm – es pochte etwas an der Thür – ein leichter Fuß kam die Treppe herauf, und Alexia, der Gegenstand ihrer Besorgniß, stand vor ihnen. Sie warf sich freudig in ihres Vaters Arme, der sich sorgfältig im Zimmer umsah und ihr zuflüsterte: »ist Alles sicher?»

»Sicher und außer Gefahr, wie ich denke,« erwiederte Alexia – »ich habe etwas für Sie.«

Jetzt ruhte ihr Auge auf Everard – sie erröthete, war verlegen und schwieg. –

»Du brauchst Dich vor Deinem presbyterianischen Vetter nicht zu fürchten,« sagte der Ritter mit einem gutmüthigen Lächeln. »Er hat sich endlich als treuer Unterthan bewährt, und war in Gefahr ein Märtyrer zu werden.«

Sie zog nun aus dem Busen das königliche Handschreiben, das auf einem kleinen beschmutzten Stückchen Papier geschrieben und mit einem Wollenfaden statt des Siegels umwickelt war.

So wie es war, drückte Sir Heinrich das kleine Paket mit morgenländischer Ehrfurcht an Lippen, Herz und Stirn, ehe er es öffnete, und nicht eher, als bis eine Thräne darauf gefallen war, fand er Muth es zu entfalten, und las das Billet, das in folgenden Worten abgefaßt war:

 

»Lieber, getreuer und hochgeschätzter Freund und
wackrer Unterthan!

Da es Uns bekannt worden, daß eine eheliche Verbindung zwischen Fräulein Alexia Lee, Ihrer einzigen Tochter und dem Esquire Markham Everard aus Eversely Chase, ihrem Vetter und Eurem Neffen beabsichtigt gewesen, da wir überzeugt sind, daß diese Verbindung Euch sehr angenehm gewesen seyn würde, wenn nicht gewisse Rücksichten hinsichtlich Unseres Dienstes Euch vermocht hätten, Euere Einwilligung dazu zu versagen, so benachrichtigen Wir Euch, daß, weit entfernt, daß Unsere Angelegenheiten durch eine solche Verbindung leiden sollten, Wir Euch vielmehr ermahnen, und insofern Wir dies können, Euch auffordern, darein zu willigen, falls Ihr Uns einen Gefallen erweisen, und Unsre Angelegenheiten sehr befördern wollt. Jedoch überlassen Wir Euch, wie es einem christlichen Könige gebährt, die volle Ausübung Eurer Gewalt nach eigenen Einsichten, hinsichtlich anderer Hindernisse einer solchen Verbindung, die vielleicht unabhängig von den mit Unserm Dienste in Verbindung stehenden, vorhanden seyn könnten. Zum Zeugniß dessen schreiben Wir Euch eigenhändig, und erinnern uns dankbar Eurer guten Dienste gegen unsern verstorbenen königlichen Vater sowohl, als gegen Uns selbst.

C. R.«

 

Lange und fest sah Sir Heinrich den Brief an, so daß es fast schien, als lernte er ihn auswendig. Dann legte er ihn sorgfältig in sein Taschenbuch und fragte Alexia nach ihren Abentheuern der vorigen Nacht. Diese waren bald erzählt. Der mitternächtliche Weg durch das Waldgehege war schnell und sicher zu Stande gebracht. Als Karl und sein Begleiter fort gewesen waren, hatte sie in der Hütte, wo sie schieden, ein wenig ausgeruht. Am Morgen kamen Nachrichten, daß Woodstock von Soldaten besetzt sey, so daß die Rückkehr dorthin Gefahr, Argwohn und Nachforschung hätte herbeiziehen können, Alexia versuchte dies daher nicht, sondern ging in ein, in der Nachbarschaft gelegenes, von einer Dame bewohntes Haus, die als treue Anhängerin der königlichen Sache bekannt, und deren Gatte Major in Sir Heinrich Lee's Regiment gewesen, und bei der Schlacht von Naseby gefallen war. Mistriß Aylmer war eine verständige Frau; auch hatte die Noth der Zeiten die Anlagen einzelner Menschen zur List auf alle Weise verstärkt. Sie schickte einen treuen Diener aus, um über das Jagdschloß zu Woodstock Erkundigungen einzuziehen, und dieser hatte nicht sobald die Gefangenen entlassen und in Sicherheit gesehen, und sich überzeugt, wohin sich der Ritter für den Abend begeben habe, so brachte er seiner Gebieterin die Nachricht, und begleitete auf ihren Befehl Alexia'n zu Pferde zu ihrem Vater,

Selten wurde vielleicht eine Abendmahlzeit so völlig schweigend eingenommen, als von dieser verlegenen Gesellschaft, indem jeder mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt war und nicht wußte, wie er die der Andern ergründen sollte. Endlich kam die Stunde, wo Alexia sich nach einem so ermüdenden Tage glaubte, zur Ruhe begeben zu können. Everard führte sie bis zur Thür ihres Zimmers und wollte sich dann auch entfernen, als zu seinem Erstaunen sein Oheim ihn zurückrief, ihm an deutete, sich niederzusetzen, und während er ihm des Königs Brief zu lesen gab, seine Augen fest auf ihn heftete; denn er war entschlossen, wenn er irgend etwas anders, als das höchste Entzücken beim Lesen bemerkte, lieber den Befehlen des Königs nicht zu gehorchen, als Alexia einem Manne aufzuopfern, der ihre Hand nicht als den größten Segen empfinge, den die Erde ertheilen könne. Aber Everards Züge drückten selbst freudigere Hoffnungen aus, als der Vater erwartet hatte, doch mit Erstaunen gemischt, und als er schüchtern und zweifelnd seine Augen auf die des Ritters erhob, lag ein Lächeln auf Sir Heinrichs Gesicht, wie er das Schweigen brach. »Hätte auch der König,« sagte er, »keine andern Unterthanen in England, so müßte er doch wenigstens nach Belieben über das Haus der Lee's verfügen können. Aber mich dünkt, die Familie der Everard's war neuerdings der Krone nicht so ergeben, um sich einem Befehle zu fügen, der ihren Erben einladet, die Tochter eines Bettlers zu heirathen.«

»Die Tochter Sir Heinrichs Lee,« sagte Everard vor seinem Oheim niederkniend, und ungeachtet seiner Weigerung seine Hand küssend, »würde das Haus eines Herzogs ehren.«

»Das Mädchen ist leidlich genug,« sagte der Ritter stolz; »was mich selbst betrifft, so soll meine Armuth meinen Freunden weder Schande noch Last bringen. Einiges habe ich noch durch Doktor Rochecliffe's Güte, und Josselin und ich werden auch schon noch Einiges zu Gelde machen können.«

»Ei, lieber Oheim, Sie sind reicher, als Sie meinen,« sagte Everard; »der Theil Ihrer Güter, den mein Vater um ein Geringes an sich brachte, gehört Ihnen noch immer, und wird in Ihrem Namen von einigen Kommissarien verwaltet, von denen ich selbst einer bin. Sie sind uns nur einen Vorschuß an Geld schuldig, was wir, wenn es Sie beruhigt, Ihnen wie Wucherer berechnen wollen. Mein Vater ist ganz unfähig, dadurch Vortheil zu ziehen, daß er das Gut eines bedrängten Freundes an sich kauft, und dies Alles würden Sie längst erfahren haben, wenn Sie nur nicht – ich meine, es war keine Zeit zur Erklärung – das heißt« –

»Du meinst, ich wäre zu hitzig gewesen, um Vernunft anzunehmen, Mark, und ich glaube, das mag wahr seyn. Jetzt denke ich aber, verstehen wir einander, Morgen geh ich mit meiner Familie nach Kingston, wo ich noch ein altes Haus mein nennen kann. Komm bei Gelegenheit dahin, Mark – oder so schnell als Du willst – aber komm mit Deines Vaters Einwilligung.«

»Mit meinem Vater in Person,« sagte Everard, »wenn Sie es erlauben.«

»Haltet das, wie Ihr beide wollt,« antwortete der Ritter – »ich denke, Josselin wird Dir schwerlich die Thüre vor der Nase zumachen, noch Bevis Dich anknurren, wie er es mit dem armen Louis Kerneguy that. – Nun, keine Entzückungen weiter, gute Nacht, Mark, gute Nacht, und wenn Du von den Beschwerden des gestrigen Tags nicht zu müde bist, und Du willst morgen um 7 Uhr hier seyn – je nun, so glaube ich, werden wir uns Deine Begleitung auf der Straße nach Kingston gefallen lassen.«

Noch einmal drückte Everard des Ritters Hand, liebkoste Bevis, der sich seine Freundlichkeit huldreichst gefallen ließ, und ging nach Hause, um von einem Glück zu träumen, das einige Monate darauf verwirklicht wurde, so weit es diese buntschäckige Welt erlaubt.


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