Laurence Sterne
Tristram Shandy
Laurence Sterne

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218. Kapitel.

Klatsch, klatsch, – klatsch, klatsch, – klatsch, klatsch; – das ist also Paris, sagte ich (meine Stimmung war noch immer dieselbe) – das ist Paris! – hem! – Paris! wiederholte ich zum dritten Male, –

die erste, schönste, prächtigste!

Aber die Straßen sind schmutzig.

Es sieht wohl besser aus als es riecht. – Klatsch, klatsch, – klatsch, klatsch; – was machst du für einen Lärm! – als ob die guten Leute durchaus wissen müßten, daß ein Mann mit einem bleichen Gesicht, und in einem schwarzen Anzug die Ehre hat, um neun Uhr Abends von einem Postillon in einer schwarzgelben, mit rothem Kalamank ausgeschlagenen Jacke nach Paris hineingefahren zu werden! – Klatsch, klatsch, – klatsch, klatsch, – klatsch, klatsch. – Ich wollte, deine Peitsche wäre –

Aber es ist ja der Geist deiner Nation, so knalle nur zu.

Ha! – und Niemand läßt uns beim Ausweichen den Weg an der Mauer! – aber wie kann man denn anders, wenn in dieser Schule der Gesittung die Mauern versch— sind.

Und warum zünden sie denn keine Laternen an? – O das geschieht in den Sommermonaten nie! – Hollah! wir haben jetzt die Zeit der Salate. – Wundervoll! Salat und Suppe, – Suppe und Salat, – und encore Salat und Suppe –

Das ist zuviel für sündhafte Menschen!

Ich kann diese Barbarei nicht ertragen. Wie kann dieser gewissenlose Kutscher so viel Zoten gegen dieses dürre Rößlein schleudern? Seht ihr denn nicht, Freund, daß die Straßen so schändlich enge sind, daß in ganz Paris nicht so viel Raum ist, um einen Schiebkarren zu wenden? In der größten Stadt der Welt hätte es nicht schaden können, wenn man sie um einen Gedanken breiter gemacht hätte; ja wäre in jeder Straße nur so viel Platz. daß ein Mensch (wäre es auch nur zu seiner eigenen Befriedigung) wüßte, auf welcher Seite der Straße er eigentlich geht. Eins – zwei – drei – vier – fünf – sechs – sieben – acht – neun – zehn. Zehn Garküchen und zwei Mal so viel Barbierstuben! und alles auf einer Fahrt von drei Minuten! Man sollte glauben, alle Köche der Welt hätten bei irgend einer großen festlichen Zusammenkunft mit den Barbieren einstimmig gesagt: – Kommt, wir wollen Alle nach Paris ziehen; die Franzosen essen gerne etwas Gutes, – es sind lauter Gourmands; – wir werden dort eine hohe Stellung einnehmen, – wenn der Bauch ihr Gott ist, müssen die Köche vornehme Herren sein; und da ferner die Perrücke den Mann macht und der Perrückenmacher die Perrücke, – ergo würden die Barbiere dann gesagt haben, nehmen wir noch eine höhere Stellung ein, – wir werden über euch Allen stehen, – wir werden wenigstens Capitouls werden, – pardi! wir werden Alle Degen tragen.

Und so möchte man schwören (nämlich bei Kerzenlicht – aber darauf ist kein Verlaß), machten sie bis heutiges Tages fort.

219. Kapitel.

Die Franzosen werden nicht recht verstanden, – ob der Fehler aber an ihnen liegt, indem sie sich nicht gehörig erklären, oder nicht mit der genauen Beschränkung und Bestimmtheit sprechen, welche man bei Dingen von solcher Wichtigkeit erwarten sollte, und die überdies so gerne von uns bestritten werden, oder ob nicht der Fehler ganz an uns liegt, indem wir ihre Sprache nicht immer so fein verstehen um zu wissen, »was sie eigentlich wollen,« – das will ich nicht entscheiden; aber so viel ist mir klar, wenn sie behaupten: Wer Paris gesehen habe, der habe Alles gesehen, – so müssen sie solche meinen, die es bei Tageslicht gesehen haben.

Was die Kerzenbeleuchtung betrifft, – so gebe ich sie auf; – ich habe vorhin gesagt, es sei kein Verlaß auf sie; – und ich wiederhole es; nicht aber weil Lichter und Schatten zu grell wären, – oder die Tinten ineinander verschwämmen; – oder weder Schönheit noch Haltung vorhanden wäre u. s. w., denn das ist nicht wahr; – aber es ist in der Beziehung eine unsichere Beleuchtung, – weil unter all den fünfhundert großen Hôtels, die man euch in Paris aufzählt, – und unter den fünfhundert guten Dingern, nach einer mäßigen Schätzung (denn es ist dabei nur ein gutes Ding auf ein Hôtel gerechnet), welche man am besten bei Kerzenlicht sieht, fühlt, hört und versteht (was beiläufig eine Citation aus Lilly ist) – kaum eins ist, in das ein Teufelskerl von uns, unter fünfzig, den Kopf mit Sicherheit hineinstecken kann.

Es ist dies keine französische Schätzung, vielmehr einfach so:

Bei dem letzten im Jahr 1716 vorgenommenen Augenschein, seit welcher Zeit beträchtliche Neubauten stattgefunden haben, enthielt Paris neunhundert Straßen, nämlich:

In dem Cité genannten Stadtviertel 53,
in St. Jacques am Schlachthaus 55,
in St. Oportun 34,
im Louvre Viertel 25,
im Palais Royal oder St. Honoré 49
in Montmartre 41,
in St. Eustache 29,
in den Hallen 27,
in St. Denis 55,
in St. Martin 54,
in St. Paul oder der Steinstoßerei 27,
im Grève-Viertel 38,
in St. Avoy oder der Glasfabrik 19,
im Marais oder Tempel 52,
in St. Antoine 68,
auf dem Platz Maubert 81,
in St. Benoit 60,
in St. André des Arcs 51,
im Luxemburg Viertel 62 und
in St. Germain 58,

in welchen allen man seinen Spaziergang machen kann; und wenn man sie, mit allem was dazu gehört – ihren Thoren, Brücken, Plätzen, Statuen im richtigen Tageslicht gesehen hat – und überdies durch all ihre Kirchspiele, St. Roche und St. Sulpice nicht zu vergessen, gewandert ist, – und um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, die vier Paläste besucht hat, die man nach Belieben mit oder ohne Statuen und Gemälde besichtigen kann –

dann hat man gesehen, –

Aber das brauche ich dem Leser nicht zu sagen, er kann es selbst über dem Porticus des Louvre lesen, wo geschrieben steht:

Die Welt hat kein solch Volk – kein Volk hat solche Stadt wie dies Paris! – singt Juhe! Ju!Non orbis gentem, non urbem gens habet ulla parem.

Die Franzosen haben eine heitere Art, alles was groß ist zu behandeln; das ist Alles, was darüber gesagt werden kann.

220. Kapitel.

Wenn man von »heiter« spricht (wie am Schlusse des letzten Kapitels), so kommt Einem (d. h. einem Schriftsteller) unwillkürlich das Wort Spleen in den Sinn; – besonders wenn man ein Lied davon zu singen weiß. Nicht als ob aus irgend einer Analyse, – oder aus einer Zinstabelle oder Genealogie ein größerer Grund zu einer Verbindung beider hervorginge, als etwa zwischen Licht und Finsterniß oder sonst zwei höchst unfreundlichen Gegensätzen in der Natur besteht; – es ist vielmehr nur ein Kunstgriff der Schriftsteller ein gutes Einvernehmen zwischen den Worten zu unterhalten, wie die Politiker es unter Menschen thun – da sie nie wissen, wie bald die Nothwendigkeit an sie herantritt, sie zusammenbringen; – da dieser Punkt nunmehr gewonnen ist, und damit ich mir den meinigen genau zu Gemüth führe, schreibe ich hier nieder

Spleen.

Als ich Chantilly verließ, erklärte ich, dies (nämlich der Spleen) sei das beste Princip auf der Welt, um schnell zu reisen; ich gab es jedoch nur als Ansichtssache. Ich bin noch immer der gleichen Meinung – ich hatte damals nur noch nicht so viel Erfahrung über die Wirkung des Princips, um hinzufügen zu können, – daß man damit zwar mit einer rasenden Geschwindigkeit vorwärts kommt, aber zugleich sehr unbehaglich; weshalb ich diese Methode hier für immer verlasse; sie steht Jedermann herzlich gerne zu Diensten: – sie hat mir die Verdauung eines guten Nachtessens gestört und mir eine gallige Diarrhöe zugezogen, was mich wieder zu meiner ersten Methode zurückgebracht hat, nach welcher ich seiner Zeit auszog, – und nach welcher ich jetzt nach den Ufern der Garonne entfliehen werde.

Nein; ich kann mich keinen Augenblick aufhalten, um dem Leser den Charakter des Volks zu schildern, – seinen Genius, – seine Sitten, – seine Gebräuche, – seine Gesetze, – seine Religion, – seine Regierung, – seine Manufacturen, – seinen Handel, – seine Finanzen nebst allen Mitteln und verborgenen Triebfedern, welche jene aufrecht halten; ungeachtet ich mich hiezu trefflich eigne, weil ich volle drei Tage und zwei Nächte dort zugebracht und diese Dinge die ganze Zeit über zum einzigen Gegenstand meiner Forschungen und Betrachtungen gemacht habe.

Aber – aber ich muß fort, – die Straßen sind gepflastert, – die Poststationen kurz, – die Tage lang, – es ist erst Mittag – und ich kann noch vor dem König in Fontaineblau sein.

Ging er denn dahin? Daß ich nicht wüßte.

221. Kapitel.

Ich mag es nicht leiden, wenn Jemand, besonders ein Reisender sich beklagt, daß man in Frankreich nicht so rasch vorwärts komme wie in England; während man consideratis considerandis eigentlich viel schneller vorwärts kommt; worunter ich verstehe: daß, wenn man die Fuhrwerke mit den Bergen von Gepäck, welches man vorn und hinten aufschnallt, – und die kleinen Pferde und die schwachen Stationen, die sie diesen geben, in Betracht zieht, – es wirklich ein Wunder ist, daß man überhaupt vorwärts kommt. Das Leiden dieser Thiere ist höchst unchristlich; und es ist mir deshalb klar, daß ein französisches Postpferd auf der Gottes Welt nichts leisten könnte, wenn nicht die zwei Worte ††††† und †††† wären, die ebensoviel Nahrungsstoff zu enthalten scheinen, als wenn man ihnen eine Metze Hafer gibt. Da nun diese Worte nichts kosten, so sehne ich mich wirklich darnach sie dem Leser zu nennen; nun ist das aber eine kitzliche Sache – man muß sie dem Leser deutlich, in der genaueren Aussprache mittheilen, oder sie helfen nichts, – wenn sie aber deutlich gesagt würden – so würden Seine Hochwürden zweifellos in ihrem Schlafzimmer darüber lachen, aber ich wette, im Wohnzimmer darüber empört sein. Ich habe mich daher lange Zeit obwol ohne Erfolg hin und her besonnen, durch welchen geschickten Kunstgriff oder drollige Erfindung ich sie so modeln könnte, daß während ich das eine Ohr, welches der Leser mir leihen will, befriedige, – ich dem andern, das er für sich behält, nicht wehe thue.

Die Tinte verbrennt mir die Finger, es zu versuchen; – und wenn ich's thue, – dann wird es noch schlimmer werden – ich fürchte, es verbrennt mir dann das Papier.

Nein; – ich wage es wirklich nicht.

Wenn der Leser aber zu wissen wünscht, wie die Aebtissin von Andouillets und eine Novize ihres Klosters über diese Schwierigkeit wegkamen (nur muß der Leser erst mir selbst allen denkbaren Erfolg wünschen) – so will ich es ihm ohne allen Scrupel sagen.

222. Kapitel.

Die Aebtissin von Andouillets, – wenn der Leser die gegenwärtig zu Paris herauskommende Folge von Provinzialkarten zu Rathe zieht, so findet er den Ort in den Bergen, welche Burgund von Savoyen trennen, – war von einer Anchylosis oder Gelenkssteifigkeit bedroht (indem die Sinovia ihres Knies durch lange Frühmetten sich verhärtet hatte). Sie hatte dagegen jedes Heilmittel versucht: zuerst Gebete und Lobgesänge, dann Anrufung aller Heiligen untereinander; hierauf jedes einzelnen Heiligen, der jemals vor ihr ein steifes Bein gehabt hatte; dann Berührung mit allen Reliquien des Klosters, besonders mit dem Dickbein des Mannes von Lystra, der von Jugend auf impotent gewesen war; – dann Umhüllung mit ihrem Schleier, wenn sie zu Bette ging; hierauf kreuzweise Umspannung mit ihrem Rosenkranz; dann Beiziehung weltlicher Hilfe – namentlich Einölen und Einschmieren mit Thierfett; sodann Behandlung mit erweichenden und auflösenden Bähungen; dann Umschläge von Pappelrosen, Malven, Bonus Henricus, weißen Lilien und Bockshorn; hierauf Holzrauch. indem sie den Schooß mit dem Scapulier bedeckte; auch Abkochungen von wilder Cichorie, Wasserkresse, Kerbel, süßer Cäcilie und Cochlearie. Als dies Alles nichts half, entschloß sie sich endlich die heißen Bäder von Bourbon zu gebrauchen, und nachdem sie die Erlaubniß vom Generalvisitator erhalten hatte, diese Cur zu gebrauchen, machte sie die Anordnungen zu ihrer Reise. Eine etwa siebzehn Jahre alte Novize ihres Klosters, die einen Wurm am Mittelfinger hatte, hatte dadurch, daß sie diesen beständig in die Umschläge der Aebtissin steckte, – so sehr bei letzterer gewonnen, daß die kleine Novize Margarita mit Uebergehung einer alten schiatischen Nonne, die wol durch die heißen Bäder von Bourbon für immer wieder gerade gerichtet worden wäre, zur Reisegefährtin gewählt wurde.

Eine alte der Aebtissin gehörige, mit grünem Fries gefütterte Kalesche wurde in die Sonne herausgezogen, und der Klostergärtner zum Maulthiertreiber gewählt. Er führte die zwei alten Maulthiere heraus, um ihnen die Haare an den Schwanzenden abzuschneiden. Ein Paar Laienschwestern waren damit beschäftigt, das Chaisenfutter zu stopfen und die Lappen von gelben Borten wieder anzunähen, welche der Zahn der Zeit zernagt hatte. Der Untergärtner färbte den Hut des Maulthiertreibers in heißer Weinhefe wieder auf und ein Schneider saß in einem Schuppen gegenüber vom Kloster als musikalische Beihilfe, indem er vier Dutzend Glöckchen des Zaumwerks ordnete und jedem Glöckchen, während er es mit einem Schnürchen befestigte, Eins pfiff.

Der Zimmermann und der Schmied von Andouillets beriethen sich wegen der Räder, und am andern Morgen um sieben Uhr sah Alles sauber aus und stand am Klosterthor bereit, um die Fahrt nach den heißen Bädern von Bourbon anzutreten.

Zwei Reihen Unglücklicher standen schon eine Stunde vorher da.

Die Aebtissin von Andouillets ging von der Novize Margarita unterstützt langsam nach der Kalesche. Beide waren weiß gekleidet, ihre schwarzen Rosenkränze hingen ihnen über den Busen. Es lag eine einfache Feierlichkeit in diesem Gegensatz.

Jetzt stiegen sie in die Kalesche; die mit dem gleichen Gewande, dem holden Sinnbild der Unschuld bekleideten Nonnen hatten alle Fenster besetzt; und als die Aebtissin und Margarita hinaufsahen, – ließen sie alle (mit Ausnahme der armen schiatischen Nonne) die Enden ihrer Schleier hinausflattern und küßten dann die weiße Hand, die jene wehen ließ. Die gute Aebtissin und Margarita legten ihre Hände wie die Heiligen auf die Brust, – schauten gen Himmel, – dann zu jenen hinauf, – und ihr Blick sprach: Gott segne euch, theure Schwestern.

Ich muß hier aussprechen, daß ich ein besonderes Interesse an dieser Geschichte nehme und wollte, ich wäre dabei gewesen.

Der Gärtner, den ich jetzt den Maulthiertreiber nennen werde, war ein kleiner, kräftiger, breitangelegter, gutmüthiger, schwatzhafter und trunkliebender Bursche, der seinen Kopf wenig mit den Wie?'s und Wann?'s des Lebens plagte. Er hatte einen Monat seines Klosterlohns für einen Borrachio oder ledernen Weinschlauch ausgegeben, den er hinten an die Kalesche befestigt und mit einem großen rothbraunen Reitmantel bedeckt hatte, um ihn vor der Sonne zu schützen; und da das Wetter sehr warm und er kein Knauser mit seinen körperlichen Bewegungen war, so ging er zehn Mal mehr zu Fuß als er fuhr, – und fand dabei öfter Gelegenheit, als sonst die Natur bot, sich hinter der Kalesche zu befinden, bis es in Folge des häufigen Kommens und Gehens so weit kam, daß all sein Wein den Weg durch die rechtmäßige Oeffnung des Borrachio gefunden hatte, noch ehe die Hälfte der Reise um war.

Der Mensch ist ein Gewohnheitsthier. Der Tag war schwül gewesen, – der Abend war köstlich, – und der Wein trefflich, – die burgundischen Berge aber, auf denen er gewachsen, waren steil, – am Fuße derselben lag ein kühles Häuschen und über der Thüre hing ein verlockender Weinkranz, der in voller Harmonie mit den Leidenschaften hin- und herschwankte, – ein süßes Lüftchen raschelte durch seine Blätter und flüsterte ganz deutlich: Komm herein, – durstiger Maulthiertreiber, – komm herein, herein!

Der Maulthiertreiber war ein Sohn Adams – ich brauche kein Wort weiter zu sagen. Er gab jedem der Maulthiere einen tüchtigen Hieb, sah dabei der Aebtissin und der Margarita ins Gesicht als wollte er sagen: »Da bin ich« – that dann noch einen tüchtigen Klatsch, – als wollte er zu den Maulthieren sagen: Vorwärts! – dann schlich er hinten weg und trat in das kleine Wirthshaus am Fuß der Anhöhe.

Der Maulthiertreiber war wie gesagt ein kleiner, heiterer, zwitschernder Bursche, der nicht an den morgenden Tag dachte, noch an die Vergangenheit oder die Zukunft, wenn er nur sein Schöpplein Burgunder hatte, und daneben her ein kleines Geplauder. Er begann daher eine lange Unterhaltung und erzählte, wie er eigentlich der Obergärtner des Klosters von Andouillets sei u. s. w. und daß er nur aus Freundschaft für die Aebtissin und Fräulein Margarita, die sich erst in ihrem Noviziat befinde, mit ihnen von der savoyischen Grenze herkomme u. s. w., – daß jene in Folge ihrer Frömmigkeit eine Gelenksgeschwulst bekommen habe, daß er ihr schon ein ganzes Heer von Kräutern geliefert habe, um die Geschwulst zu erweichen, – und daß wenn das Bein nicht durch das Wasser von Bourbon wieder recht werde, sie wohl an beiden lahm werden könnte u. s. w. Er kam dabei so in seine Geschichte hinein, daß er die Heldin derselben ganz vergaß und auch die kleine Novize; und was ein noch weit bedenklicherer Punkt war, auch die zwei Maulthiere. Maulthiere sind aber Geschöpfe, die ebenso aus der Welt Vortheil zu ziehen wissen, wie ihre Eltern aus der Gelegenheit, – und da sie nicht in der Lage sind, das Gleiche in absteigender Linie zu thun (wie Männer und Frauen und sonstige Thiere), – so thun sie es nach seitwärts, nach vorwärts und rückwärts, – Berg auf und Berg ab, und wie sie eben können. – Die Philosophen haben dies trotz all ihrer Ethik nie recht erwogen: – wie sollte es also der arme Maulthiertreiber bei seinem Schoppen? Er that es auch nicht; – es ist daher Zeit, daß wir es thun. Wir lassen ihn also im Strudel seines Elements, als den glücklichsten, gedankenlosesten aller Sterblichen – und sehen einen Augenblick nach den Maulthieren, der Aebtissin und Margarita.

Kraft der zwei letzten Hiebe des Maulthiertreibers waren die Maulthiere ruhig weitergegangen und hatten gewissenhaft die Höhe erstiegen, bis sie etwa die eine Hälfte derselben hinter sich hatten. Dann aber that das ältere, ein boshafter verschmitzter alter Teufel bei einer Krümmung der Straße einen Seitenblick und bemerkte, daß kein Maulthiertreiber hinten war. – Hol mich der Teufel, sagte es fluchend, wenn ich weiter geh'. – Und wenn ich's thu, sagte das Andere, so sollen sie ein Trommelfell aus meiner Haut machen.

Sie blieben wie auf ein Kommando stehen.

223. Kapitel.

Fort, ihr! sagte die Aebtissin.

Hü – ü – ü! rief Margarita.

Hü – o! Hü – o! Hü – o! grillte die Aebtissin.

Schü – schü! schü! machte Margarita, indem sie die holden Lippen zu einem Mittelding zwischen Gekreisch und Gepfeife zusammenpreßte.

Puff, Puff, Puff! polterte die Aebtissin von Andouillets mit dem Ende ihres goldknopfigen Stocks gegen den Boden der Kalesche.

Das alte Maulthier ließ einen F—.

224. Kapitel.

Wir sind verloren, wir sind hin, mein Kind, sagte die Aebtissin zu Margarita, – wir werden die ganze Nacht über da bleiben müssen; – man wird uns ausplündern – man wird uns nothzüchtigen!

Man wird uns nothzüchtigen. rief Margarita, das kann gar nicht fehlen.

Sancta Maria! schrie die Aebtissin und vergaß das O! – warum habe ich dieses verwünschte steife Gelenk? warum verließ ich das Kloster von Andouillets? Warum hast du nicht gewollt, daß deine Dienerin unbefleckt in die Grube fahre?

O mein Finger, mein Finger! rief die Novize, die beim Wort Dienerin ebenfalls Feuer gefangen hatte, – warum habe ich mich nicht begnügt, ihn dahinein zu stecken, oder dort hinein; besser doch überall hinein als in dieser Noth zu stecken!

Stecken! wiederholte die Aebtissin.

Stecken! sagte die Novize, die vor Angst nicht mehr wußte was sie that – die Eine wußte nicht was sie sagte – die Andere nicht was sie antwortete.

O meine Jungferschaft! Jungferschaft! rief die Aebtissin.

– Schaft! – schaft! schluchzte die Novize.

225. Kapitel.

Theure Mutter, sprach endlich, etwas zu sich kommend die Novize, – es gibt zwei Worte, die, wie man mir gesagt hat, jedes Pferd, jeden Esel oder Maulthier zwingen, einen Berg hinaufzugehen, es mag wollen oder nicht; wenn es noch so eigensinnig oder widerspenstig. sobald es die Worte hört, zieht es. – Das sind also Hexenworte! rief die Aebtissin voll Abscheu. – Nein, versetzte Margarita ruhig, – es sind aber sündhafte Worte. – Wie heißen sie denn? fragte die Aebtissin schnell. – Sie sind im höchsten Grad sündhaft, erwiderte Margarita, – sie sind todtbringend, – und wenn wir genothzüchtigt würden und stürben, ohne davon absolvirt zu werden, so würden wir beide – Aber du kannst sie mir doch nennen, sagte die Aebtissin von Andouillets. – Sie lassen sich gar nicht aussprechen, theure Mutter, antwortete die Novize, sie würden Einem alles Blut ins Gesicht treiben. – Aber du kannst sie mir ja ins Ohr flüstern, meinte die Aebtissin.

Himmel! hast du keinen Schutzengel bei der Hand, den du nach dem Wirthshause am Fuße des Hügels schicken könntest? – Ist nicht ein edelmüthiger, freundlicher Geist gerade ohne Beschäftigung? Gibt es keine Kraft in der Natur, die mahnender Weise längs der Ader, die zum Herzen führt, hinschauern könnte, um den Maulthiertreiber bei seinem Schoppen zu wecken? – keine süße Musik, die den schönen Gedanken an die Aebtissin und Margarita mit ihren schwarzen Rosenkränzen in ihm erweckte?

Auf! auf! – aber schon ist es zu spät; – die entsetzlichen Worte sind bereits gesprochen, – aber wie soll ich sie nennen? – Ihr die ihr Alles mit unbefleckten Lippen aussprechen könnt, – belehrt mich – leitet mich!

226. Kapitel.

Der Beichtvater unseres Klosters, sagte die Aebtissin, welche die Noth zur Casuistin machte, lehrt, daß die Sünden entweder Todsünden oder Schwachheitssünden seien, eine weitere Abtheilung gibt es nicht. Wenn nun eine Schwachheitssünde, welches die kleinste, leichteste aller Sünden ist, – halbirt wird, – indem man entweder die Hälfte davon nimmt und den Rest liegen läßt, – oder sie zwar ganz nimmt, aber sie zwischen sich und einer anderen Person halbirt, – so wird sie dadurch so abgeschwächt, daß sie gar keine Sünde mehr ist. Nun sehe ich durchaus keine Sünde darin hundert Mal nacheinander bou, bou, bou, bou zu sagen; ebensowenig kann ein Unrecht darin gefunden werden, wenn man die Silbe gre, gre, gre, gre von der Frühmette bis zur Vesper ausspräche. Deshalb, liebe Tochter, fuhr die Aebtissin von Andouillets fort, will ich bou sagen und du sagst gre; und dann, da fou ebenso unschuldig ist wie bou, sagst du fou, – und ich falle dann (wie fa, sol, la, re, mi, ut in unserem Vespergesang) mit tre ein.

Und alsbald begann die Aebtissin den Ton angebend, folgendermaßen:

       

Aebtissin
Margarita
 { 
 { 
Bou – bou – bou
gre – gre – gre!
Margarita
Aebtissin
 { 
 { 
Fou – fou – fou
tre – tre – tre!

Die zwei Maulthiere anerkannten die Richtigkeit der Noten durch einen gegenseitigen Klatsch mit dem Schwanz; aber weiter ging es nicht.

Sie werden schon nach und nach folgen, sagte die Novize.

        Aebtissin
Margarita
 { 
 { 
Bou – bou – bou – bou – bou
gre – gre – gre – gre – gre – !

Schneller, sagte Margarita.

Fou – fou – fou – fou – fou – fou.

Noch schneller, rief Margarita.

Bou – bou – bou – bou – bou – bou – bou – bou.

Immer schneller. – Gott behüte mich, sagte die Aebtissin. – Sie verstehen uns nicht, rief Margarita. – Aber der Teufel thut's sagte die Aebtissin von Andouillets.

227. Kapitel.

Welch' eine Strecke habe ich jetzt zurückgelegt! – um wie viel Grade bin ich der warmen Sonne näher gerückt, und wie viele schöne und anmuthige Städte habe ich gesehen, seitdem Sie, Madame, die obige Geschichte lasen und überdachten. – Fontaineblau und Sens, Joigny und Auxerre, Dijon, die Hauptstadt von Burgund, und Chalons und Macon, die Hauptstadt des Maconais, und noch etliche und zwanzig weiter auf der Straße nach Lyons. Jetzt habe ich sie hinter mir und könnte Ihnen ebensogut von der gleichen Anzahl Marktflecken im Monde sprechen, als ein Wort über sie sagen; dies Kapitel, wo nicht auch noch das nächste sind nun einmal verloren, ich mag machen was ich will.

– Das ist eine curiose Geschichte, Tristram!

– – – Ach Madame! hätte es sich um irgend eine traurige Geschichte vom Kreuze gehandelt, – vom Frieden der Sanftmuth oder von der Zufriedenheit der Ergebung, – so hätte mich das nicht genirt; oder hätte ich mir vorgenommen über die reineren Abstractionen der Seele, jene Nahrung der Weisheit und Heiligkeit, und die Betrachtung zu schreiben, von welcher der Geist des Menschen (wenn er vom Körper getrennt ist) ewig leben wird, – so wären Sie mit einem besseren Appetit davon hergekommen.

Ich wollte, ich hätte es nicht geschrieben: da ich aber nie etwas ausstreiche – so will ich auf irgend ein ehrbares Mittel sinnen, um es Ihnen wieder bald aus dem Kopfe zu bringen.

Bitte, reichen Sie mir meine Narrenkappe; – ich fürchte, Sie sitzen darauf, Madame; – sie liegt unter dem Kissen, – ich möchte sie aufsetzen.

Ei, Sie haben sie ja seit einer halben Stunde auf dem Kopfe. – Dann lassen wir sie dort, mit einem

Fa – ra diddel – di

und einem fa – ri diddel – d

und einem Heidum – deidum

fiddel dum – c.

Und nun, Madame, hoffe ich, werden wir es wagen können, weiter zu gehen.

228. Kapitel.

Ueber Fontaineblau brauchen Sie (falls Sie nämlich darnach gefragt werden), nichts zu sagen als, daß es etwa vierzig Meilen (etwas südlich) von Paris entfernt ist und in Mitten eines großen Waldes liegt: – daß etwas Großes darin liegt – daß der König der Jagd wegen mit seinem ganzen Hofe alle zwei bis drei Jahre dahin geht – und daß während dieses Carnevals des Jagdvergnügens jeder Engländer von Stand (vergessen Sie sich selbst nicht) einen Klepper oder zwei erhalten und an dem Jagdvergnügen Theil nehmen kann, wobei er sich nur davor zu hüten hat, dem König vorzureiten –

Aus zwei Gründen muß man aber nicht laut hierüber sprechen, –

Erstens, weil sonst die Klepper schwerer zu bekommen sind; und

Zweitens, weil kein Wort davon wahr ist. – Allons!

Was Sens betrifft, – so kann man es mit einem Wort abfertigen: – Es ist der Sitz eines Erzbischofs.

Was aber Joigny anbelangt, – so ist es, je weniger man darüber sagt, desto besser.

Auxerre könnte ich nicht so vorbeilassen: denn auf meiner grand tour durch Europa, wobei mich mein Vater selbst (der mich niemand Anderem anvertrauen wollte) nebst meinem Onkel Toby, und Trim und Obadiah, kurz dem größten Theil der Familie begleitete, mit Ausnahme meiner Mutter, die eben damit beschäftigt war, meinem Vater ein Paar lange wollene Beinkleider zu stricken – und die, da sie sich nicht draus bringen lassen wollte, daheim in Shandy Hall blieb, um Alles während dieser Expedition in Ordnung zu halten; bei diesem Anlaß also hielt uns mein Vater zwei Tage in Auxerre fest und da seine Forschungen immer von der Art waren, daß sie selbst in einer Wüste zu einer Frucht führen mußten, – gab er mir genug Stoff, um etwas über Auxerre zu sagen. Kurz wo immer mein Vater hinreisen mochte, – doch trat dies auf seiner Reise durch Frankreich und Italien auffälliger hervor als auf irgend einer anderen Station seines Lebens – schien sein Weg so sehr auf einer ganz anderen Seite zu liegen als der, den alle andere Reisende vor ihm eingeschlagen hatten, – sah er Könige und Höfe und Seidenzeuge von allen Farben in so seltsamen Beleuchtungen; – waren seine Bemerkungen und Ansichten über die Charaktere, Sitten und Gebräuche der Länder, die wir passirten, denen aller anderen Sterblichen, besonders aber denen meines Onkels Toby und Trim's (von mir selbst zu schweigen) so entgegen. – und um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, – waren die Vorkommnisse und Nöthen, die uns beständig in Folge seiner Systeme und seines Eigensinns begegneten, – so seltsam, so gemischt und tragikomisch, – daß die Reise Alles in Allem einen so ganz anderen Charakter als irgend eine europäische Tour, die jemals ausgeführt wurde, trug, – daß ich behaupten darf: – nur an mir liege die Schuld, wenn sie nicht von allen Reisenden und Reisebeschreibunglesern gelesen wird, bis man nicht mehr reist, – oder was auf dasselbe heraus kommt, – bis sich die Welt endlich einmal in den Kopf setzt, stille zu stehen.

Aber dieser reiche Ballen wird jetzt noch nicht aufgemacht, nur ein kleiner Faden soll herausgezogen werden, oder zwei – lediglich um das Geheimniß des Aufenthalts meines Vaters in Auxerre zu enthüllen.

Bruder Toby, sagte mein Vater, bis das Mittagessen fertig ist, wollen wir in die Abtei von Saint Germain gehen, und wäre es nur um jene Leichname zu sehen, die Monsieur Sequier so sehr rühmt. – Ich will sehen was du willst, sagte mein Onkel Toby, denn er war die ganze Reise über eine Gefälligkeit. – Versteh' mich recht! sagte mein Vater, es sind ja Mumien. – Dann brauchen wir uns nicht erst zu rasiren, bemerkte mein Onkel Toby. – Rasiren? nein, rief mein Vater, – es wird mehr sein als gingen wir zu Verwandten, wenn wir den Bart behalten. – So zogen wir nach der Abtei Saint Germain, wobei der Corporal seinem Herrn den Arm lieh und Beide die Nachhut bildeten.

Alls ist hier sehr schön, und sehr reich, und sehr herrlich und großartig, sagte mein Vater zu dem Sacristan, einem jüngeren Bruder aus dem Orden der Benediktiner, – wir sind aber eigentlich hergekommen, um die Leichname zu sehen, von denen Monsieur Sequier der Welt eine so genaue Beschreibung gemacht hat. – Der Sacristan machte eine Verbeugung, zündete eine Fackel an, die er zu dem Ende beständig in der Sacristei bereit hielt, und führte uns nach dem Grab des h. Heribald. – Dies, sagte der Sacristan und legte die Hand auf das Grab, war ein berühmter Fürst aus dem bayrischen Hause, der unter den Regierungen von Karl dem Großen, Ludwig dem Frommen und Karl dem Kahlen großen Einfluß hatte und sehr viel dazu beitrug Alles in Ordnung und Zucht zu erhalten.

Dann war er ebenso groß im Feld wie im Kabinet, sagte mein Onkel Toby, gewiß ein tapferer Soldat? – Er war ein Mönch, – sagte der Sacristan.

Mein Onkel Toby und Trim suchten gegenseitig Trost in dem Gesicht des Andern, – fanden ihn aber nicht. – Mein Vater schlug mit beiden Händen auf seinen Hosenlatz, was er immer zu thun pflegte, wenn ihn etwas ganz besonders angenehm erregte; denn obwohl er einen Mönch, ja den Geruch eines Mönchs mehr haßte als alle Teufel in der Hölle, – so war es für ihn doch ein relativer Triumph, daß jener Schuß meinen Onkel Toby und Trim noch härter betroffen hatte, als ihn selbst, und das brachte ihn in den heitersten Humor von der Welt.

Und wie nennen Sie diesen Herrn? fragte mein Vater ziemlich muthwillig. – Dies Grab, sagte der junge Benedictiner, indem er zu Boden sah, enthält die Gebeine der h. Maxima. Sie war von Ravenna gekommen, um den Leichnam zu berühren des h. Maximus, sagte mein Vater, und platzte mit seinem Heiligen vor jenem herein, – es waren zwei der größten Heiligen in der Martyrologie, setzte mein Vater hinzu. – Entschuldigen Sie, sagte der Sacristan, – sie wollte die Gebeine des h. Germain, des Stifters dieser Abtei, berühren. – Und was gewann sie damit? fragte mein Onkel Toby. – Was gewinnen die Weiber in der Regel dabei? sagte mein Vater. – Das Märtyrerthum, erwiderte der junge Benedictiner, wobei er sich bis auf den Boden verbeugte und dabei das Wort so demüthig aber auch so bestimmt aussprach, daß es meinen Vater für einen Augenblick entwaffnete. Man glaubt, fuhr der Benedictiner fort, daß die h. Maxima seit 400 Jahren in diesem Grabe liegt, und 200 Jahre vor ihrer Heiligsprechung darin lag. – Dies ist eine langsame Beförderung in dieser Armee der Märtyrer, Bruder Toby, bemerkte mein Vater. – Eine ganz verzweifelt langsame, Euer Gnaden, sagte Trim, außer man könnte eine solche Beförderung kaufen. – Ich würde mich lieber ganz wegkaufen, sagte mein Onkel Toby. – Ich bin ganz deiner Ansicht, Bruder Toby, sagte mein Vater.

Die arme h. Maxima, sagte mein Onkel leise bei sich selbst, als wir von ihrem Grabe wegtraten. – Sie war eine der schönsten, reizendsten Frauen Italiens und Frankreichs, fuhr der Sacristan fort. – Aber wer zum Henker liegt hier neben ihr? fragte mein Vater und deutete mit seinem Stock auf ein großes Grab, an das wir nun gekommen waren. – Das ist der h. Optat, mein Herr, antwortete der Sacristan. – Dieser h. Optat hat eine ganz passende Stelle, sagte mein Vater; aber wie ist seine Geschichte? fuhr er fort. – Der h. Optat, erwiderte der Sacristan, war ein Bischof.

Das habe ich mir gedacht, wahrhaftig! rief mein Vater, ihn unterbrechend, – der h. Optat – das konnte gar nicht fehlen. – Er zog eilig sein Taschenbuch heraus und schrieb es, während der junge Benediktiner ihm mit der Fackel dazu leuchtete, als eine neue Stütze seines Systems von Vornamen nieder. Und ich darf wohl sagen: er war bei Erforschung der Wahrheit so wenig gewinnsüchtig, daß wenn er einen Schatz im Grabe des h. Optat gefunden hätte, dies ihn nicht halb so reich gemacht haben würde. Es war ein so erfolgreicher Besuch, als jemals bei einem Todten stattfand; und sein Gemüth war über Alles, was dabei vorgegangen – so erfreut, – daß er sofort beschloß noch einen Tag in Auxerre zuzubringen.

Ich will den Rest dieser guten Herren morgen sehen, sagte mein Vater, als wir über den Markt gingen. – Und während du diesen Besuch machst, Bruder Shandy, sagte mein Onkel Toby, will ich mit dem Corporal auf den Wall steigen.

229. Kapitel.

Ich befinde mich jetzt in der sonderbarsten Verwickelung: – im letzten Kapitel machte ich, wenigstens soweit ich damit durch Auxerre kam, zwei verschiedene Reisen auf einmal, und zwar mit dem gleichen Federzug; – denn auf der Reise, die ich eben jetzt beschreibe, bin ich ganz durch Auxerre gekommen, und auf der, welche ich künftig beschreiben werde, zur Hälfte. – In Allem wird die Vollkommenheit nur bis zu einem gewissen Grade erreicht; weil ich aber noch etwas darüber hinauszielte, habe ich mich in eine Lage gebracht, in welcher sich vor mir noch kein Reisender befand; denn in diesem Augenblick gehe ich mit meinem Vater und meinem Onkel Toby auf unserem Rückweg zum Mittagessen über den Marktplatz von Auxerre; – in demselben Augenblicke fahre ich aber auch mit einer in tausend Stücke zerbrochenen Postchaise nach Lyon hinein; – und überdies befinde ich mich in diesem Moment in einem hübschen von PringelloEs ist dies derselbe berühmte spanische Architekt D. Pringello, dessen mein Vetter Antonius in einer Anmerkung zu der Erzählung, die seinen Namen trägt, so rühmend Erwähnung thut. Siehe S. 129, kleine Ausgabe. erbauten Pavillon an den Ufern der Garonne, welchen Herr Stigniac an mich vermiethet hat, und wo ich nun sitze und alle diese Dinge zusammenschreibe.

Ich will mich nun sammeln und dann meine Reise fortsetzen.


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