Ludwig Tieck
William Lovell
Ludwig Tieck

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Viertes Buch

1794

1
Willy an seinen Bruder Thomas

Rom.

Gottes Segen möge zu Dir kommen, lieber Bruder, so wie er mich nun ganz verlassen hat. Wenn Du in Deinem Herzen noch an den armen Willy denkst, so bete für mich, daß ich bald unser gutes englisches Ufer wiedersehe, und Dich mitten drin im schönen gottesfürchtigen Lande, wo alle Menschen meinen frommen, einfältigen Glauben haben, und die ganze Christenheit einen stillen, einträchtigen Wandel führt. Hier scheint zwar die Sonne schöner und wärmer, weil es Gottes gnädiger Wille ist, daß sie auch über die Gottlosen scheinen soll: aber nach meiner Einsicht tut er daran gar nicht ganz recht.

Du bist noch immer beim alten Herrn Burton, nicht wahr, Thomas? – Der Garten in Bondly ist noch schön und frisch, und der Fischer Peter spielt noch jeden Abend auf der Schalmei? – Ach mir ist, als könnt ich Dich itzt so mit Deinen übereinandergeschlagenen, krummen Beinen vor dem Tor des Hofes sitzen sehn, wo ich sonst immer ehemals saß, und den lustigen Schalmeiklang anhörte, der alle Bauern und selbst das liebe Vieh fröhlich machte, wenn es von der Weide zurückkam: – hier sitz ich jetzt in meinem kleinen, dunkeln Kämmerchen, und weine, daß ich nicht bei Dir bin. Nun, Gott wird alles zum Besten lenken.

Du wirst mir abmerken, daß ich in der Fremde gar nicht mehr so vergnügt bin, wie ehemals; Lachen hat seine Zeit und Weinen hat seine Zeit. Freilich wohl! Aber es ist doch nicht recht, daß man einen alten Mann so zur Betrübnis zwingt, der sich wegen der Seelen anderer Menschen abhärmt, daß ihm kein Bissen Brot und kein Tropfen Wein mehr schmeckt. Wir sind hier jetzt so lustig, Bruder, daß wir sogar auf dem Rande von Felsen tanzen und springen; – ich sah einmal einen Jungen, der aus purem lieben Mutwillen in einen tiefen Brunnen fiel und elendiglich ersaufen mußte. Ich kann nicht schwimmen, Thomas, ich bin zu alt, um jemand wieder aus dem Wasser ans Tageslicht zu ziehn. Was Herr William denkt, kann ich nicht wissen, aber Gott mag ihm beistehn, wenn er ganz verlassen ist.

Du wirst aus meinen Jammerliedern nicht recht klug werden können, lieber Bruder! – Ach, wohl dem Manne, dem das Elend eine wallisische Mundart spricht, und der nicht sitzet, wo die Spötter sitzen, noch wandelt den Weg der Gottlosen, den ich jetzt alle Tage mit meinem Herrn gehn muß. Er ist nicht mehr derselbe, er ist völlig ausgetauscht, er bringt sein Geld durch, als wenn er die Schatzkammer hätte; – aber das Geld ist doch am Ende immer nur ein irdisches Gut, an dem Gott keinen Wohlgefallen hat; aber seine Seele, Tom, seine Seele, die er von Gott geliehen bekommen hat, und die er ihm dereinst wieder bezahlen sollte, verschwendet er auch, als wenn Seelen nur so auf allen Jahrmärkten zum Kaufe ständen. – Wenn er sich nicht bald wieder ändert, wird es mit seiner Rechnung an dem großen Wechseltage übel aussehen. Doch richtet nicht, so werdet ihr auch nicht gerichtet.

Ja, Bruder, unsre Heilige Schrift ist jetzt noch mein einziger Trost in meinen trüben Jammerstunden; Du glaubst gar nicht, was für Kraft in dem Buche steckt. Ich packte es so sorgfältig mit in meinen Koffer ein, und ich sitze nun oft ganze Stunden und lese so andächtig, als wenn ich bald vor Gott geführt und ein Engel aus mir gemacht werden sollte. Man kann nicht wissen, wie schnell sich manchmal etwas fügt; es ist noch nicht aller Tage Abend, und sollte ich den großen Schritt tun müssen, so denke ich in meinem Examen nicht ganz schlecht zu bestehen.

Sage mir einmal, lieber Bruder, warum manche Menschen so dumm, und bei allem ihrem eingebildeten Verstande vor Dummheit ordentlich wie vor den Kopf geschlagen sind? daß sie die große breite Heerstraße des göttlichen Worts durchaus nicht sehn wollen, die ihnen vor den Füßen steht, und sich lieber durch einen dichten wildverwachsenen Wald einen Weg hauen, sich immer in dem Gesträuche reißen und stechen, und sich weismachen, sie haben die schönste Chaussee von der Welt vor sich! Mein Herr und Herr Rosa bilden sich immer ein, ich verstehe ihre hohen freigeisterischen Reden gar nicht, die sie manchmal führen, wenn ich dabei bin. – Ach, ich verstehe alles recht gut, wie sie es gerne meinen wollen; wenn man in seinem dummen einfältigen Herzen den Gedanken an Gott, und den Glauben an ihn so recht warm und kräftiglich fühlt, so faßt man auch recht gut den Sinn von all den irdischen Irrlehrern, die in der Finsternis wandeln, und da aus den Händen ihre Augen machen müssen. – – Aber wir sind besser dran, Thomas, die wir vom Herrn erleuchtet sind; wir sehn mit unsern eigenen Augen, wir fühlen mit unserm eigenen Herzen, die Gott uns mit auf die Welt gab und seinen Stempel dreinsetzte: sie haben nachgemachte Herzen, die im Sturm und Ungewitter nicht ausdauern, die in der Hitze zergehen und in der Kälte zusammenschrumpfen; Gott hat mir einen Glauben gegeben, der für alle Tage in der Woche aushält, und des Sonntags schenkt er mir zuweilen noch eine fromme christliche Erleuchtung, daß es mir wie ein Morgenrot durch meine Seele geht, und sie wieder jung und frisch macht: nicht solche Erscheinungen, Thomas, die bei uns manche närrische Leute haben; so eine sanfte stille Wärme, wie das erste Tauwetter im Frühjahr. – Darum könnt ich mich auch immer noch trösten, wenn das ganze Unglück nicht grade meinen Herrn beträfe, den ich so außerordentlich von ganzer Seele liebhabe, daß ich für ihn sterben könnte, wenn es sein müßte: aber er macht sich aus dieser Liebe gar nichts mehr: ich würde gegen einen Hund, der aus meiner Hand lieber als von einem andern sein Stückchen Brot äße, mehr Anhänglichkeit haben. Die Mädchen und Weiber hier mit ihrem gezierten und hochfahrenden Wesen sind ihm lieber, so ein Herr Rosa, der nicht an Gott und Ewigkeit glaubt, ist sein Herzensfreund, solche Leute, die ihren Verstand für turmgroß halten, wenn sie den Himmel mit allen seinen Sternen nicht sehen wollen, und sich einbilden, sie könnten dies alles auch so und noch besser machen, wenn sie nur Zeit und Handwerkszeug hätten. Gott mag ihnen vergeben und ein Einsehn in ihre Narrheit haben; die Hunde bellen den Mond an, und wenn der Mond so denkt wie ich, so nimmt er es ihnen gewiß nicht übel.

Ein Traum, sagt man freilich wohl, ist nur ein Schaum; aber ein Schiffer hat mir doch einmal erzählt, daß es auf dem Meere einen gewissen kuriosen Schaum gebe, der ordentlich Sturm und Schiffbruch voraus prophezeie! – Könnt es denn nicht auch mit manchen Träumen dieselbe Bewandtnis haben? – So hatt ich schon in Frankreich einen gar bedenklichen Traum, damals als der gute Herr Mortimer von uns wieder nach England zurückreiste. Wir alle standen nämlich unten an einem hohen, hohen Berge, ich, mein Herr, Herr Mortimer, Herr Balder und der Italiener Rosa; oben wollten sie alle gerne hinauf, aber Herr Mortimer wurde müde und setzte sich unten an einer schönen grünen Stelle nieder. Mit einem Male war ich weg und ich konnte gar nicht klug daraus werden, wo ich geblieben wäre; die drei übrigen gingen den Berg hinauf, und Herr Balder hatte einen sehr wunderlichen Gang; als sie fast oben waren, fiel Herr Balder herunter, und aus dem Italiener ward ein ganz fremder, unbekannter Mensch. Jetzt ging nun ein schwarzer, alter Pudel dicht hinter meinem Herrn, hielt immer den Kopf nahe über der Erde, und ging so recht aufmerksam und liebreich; Du kennst wohl die närrische Art an den Pudeln, Thomas, wenn sie so zutraulich und gesetzt hinter einem hergehen. Oben stand Herr William und sah so recht dreist in den tiefen fürchterlichen Abgrund hinein, als wenn er da in den Steinklippen zu Hause gehörte: ich kann es nicht leiden, Thomas, wenn ein Mensch so recht oben auf einer Felsenklippe nicht etwas schwindlicht wird, denn es liegt in der Natur und es ist eine Art von Frechheit, sich nicht da oben ein bißchen zu fürchten. Nun, wie gesagt, Herr William tat das gar nicht, sondern grade umgekehrt, er bückte sich noch so recht mutwillig über. Der Hund, der mein Gemüt haben mußte, faßte ihn beim Rockschoß, um ihn festzuhalten; Herr William sah sich so mit seinen großen Augen um, und gab dem redlichen Pudel einen tüchtigen Stoß mit dem Fuße, daß der Hund sich zusammenkrümmte, umkehrte und mit einem recht kläglichen Gewinsel den Berg hinuntertrabte, so langsam, als wenn er zur Leiche ginge. In der Mitte sah sich der Hund noch einmal um, und so, wie ich es vorausgedacht hatte, fiel der Herr William jetzt plötzlich in das Felsental hinunter. –

Nun, Thomas, möcht ich wohl ein groß Stück Geld darauf wetten, daß niemand anders als ich der Pudel gewesen ist. Herr Mortimer wollte auf diesen Traum damals gar nicht achten; aber er ist mir heute wieder recht lebhaft eingefallen. –

Wie gesagt, ich wollte, ich könnte nach England zurückreisen; gebe Gott, daß sich bald dazu eine Gelegenheit findet, denn es gefällt mir nun in den fremden Ländern hier gar nicht mehr. – Vielleicht geht aber noch alles wieder gut: lebe recht wohl, lieber Bruder, und bleibe Du mein guter Freund, ich bin gewiß zeitlebens

der Deinige.

 

2
William Lovell an Eduard Burton

Rom.

Dein Brief, lieber Freund, der mich trösten, der mir den Zusammenhang der Dinge im wahren Gesichtspunkte zeigen sollte, ist zu spät gekommen. Ich war vielleicht schon ruhig, als Du die Feder ansetztest, um mich zu beruhigen. Es ist so etwas Jämmerliches in allen Bekümmernissen dieser Sterblichkeit, daß der Gram schon von selbst verschwindet, wenn man ihn nur genauer ins Auge faßt. Sollt ich jammern und klagen, weil nicht jeder meiner übereilten Wünsche in Erfüllung geht? Da müßt ich mein ganzes Leben verklagen und ich wäre ein Tor. Das Flehen der Sterblichen schlägt gegen die tauben Gewölbe des Himmels, weil alles sich in einem nichtigen schwindelnden Zirkeltanz dreht, nach Genüssen greift, die nur der Widerschein von wirklichen Gütern sind, und so jeder fühlt, wie ihm sein geträumtes Glück aus den Händen entschwindet. Wer aber vorher weiß, welche Gerichte er an dieser Tafel findet, der wählt klug aus, und kostet von jedem, wenn die Nachbarn hungrig vom Tische gehn, indem sie auf eine Lieblingsspeise warteten, die nicht aufgetragen wurde. – Und ist es nicht so leicht, den Küchenzettel von diesem Leben zu erhalten?

Du wirst mir schon nach diesem Tone meines Briefes glauben, daß ich völlig getröstet bin; ich glaube jetzt, oder bilde mir es ein, alle Partien dieses Lebens überblicken zu können, daß mich keine Anlage dieses seltsam geordneten Parks überrascht, daß ich es weiß, wenn ich durch krumme Labyrinthe auf meine Fußstapfen zurückgekehrt bin, und den Zaun recht gut bemerke, der sich hinter Gebüsche verstecken soll. Ich bin sogar seitdem in eine mutwillige Laune gefallen, in einen gewissen humoristischen Rausch, in welchem mir die Freuden und Leiden dieses Lebens weder wünschenswürdig noch verabscheuungswert erscheinen; es ist alles um mich her ein breiter, mühsam erfundener Scherz, der, wenn man ihn zu genau beobachtet und anatomiert, nüchtern erscheint: aber wenn man sich auf dieser Maskerade dem Lachen und der guten Laune gutwillig hingibt, so verfliegt der Spleen, und wir fühlen es, daß wir auch im Lachen weise sein können.

Ist denn überhaupt nicht alles auf dieser Erde ein und ebendasselbe? Wir drücken uns selbst die Augen fest zu, um nur nicht diese Wahrheit zu bemerken, weil dadurch die Schranken einfallen, die Menschen von Menschen trennen. Ich könnte hier viel wiedererzählen, was ich vordem meinem guten Mortimer nicht glauben wollte, denn bloß durch diesen Eigensinn unterscheiden sich die Charaktere der Menschen; wir würden alle einen Glauben haben, wenn wir uns nicht von Jugend auf ein Schema machten, in das wir uns nach und nach mühsam hineintragen, das Gerüst und Sparrwerk eines Systems, und daraus unsere eingebildete Wahrheit herausschreien, und dem Nachbar gegenüber nicht glauben wollen, der in einem andern Käfig steckt und eine andre Lehre predigt. Frei stehe der kühnere Mensch, ohne Stangen und Latten, die ihn umgeben, in der hohen Natur da, aus Baumwipfeln und Morgenrot ziehe er seine Philosophie, und schreite wie ein Riese über die Zwerge hinweg, die gleich Ameisen zwischen seinen Füßen kriechen und sich mit kläglicher Emsigkeit mit Sandkörnern schleppen, um den gewaltigen Bau aufzuführen, den ein einziger Fußtritt aus seinen Wurzeln hebt.

Was wollt ich nur mit mir selber, als ich jene Briefe an Dich und an meinen Vater schrieb, in welchen ich so flehentlich um Amalien bat? – Bin ich denn in diesem Namen, in diesem Laut eingekerkert, daß meine Seele nach ihrem Besitz und nach Freiheit schmachtet? Weiß ich doch nicht, ob ich sie durch den Besitz nicht mehr verloren hätte, als jetzt, denn meine schönsten Gefühle können sich mit den Erinnerungen dieses Namens vermählen, ewig rein und klar kann sie mir im Herzen wohnen, da ich im Gegenteil oft genug wahrgenommen habe, daß die meisten Ehen nur eine Entweihung der Liebe sind.

Freilich ist Wollust das große Geheimnis unsers Wesens, freilich will auch die reinste inbrünstigste Liebe sich in diesem Brunnen kühlen; sie soll eben sterben, damit wir fühlen, daß wir Menschen sind, daß wir von täuschenden Phantomen erlöst werden, die uns als Engelsgestalten besuchen, und doch Furien werden, wenn sie das glänzende Gewand fallen lassen. Denn schläft nicht die wildeste Verzweiflung, die gräßlichste Angst, der blutigste Haß, Selbstmord und alle Greuel im Innern dieses Gefühls? Erwachen, treten sie nicht hervor aus ihrem Dunkel diese entsetzlichen Gestalten, wenn ewig unbefriedigt dieser Trieb des bewegten Herzens in sich selber kreiset, wenn die glutaugige Eifersucht mit dem Schlangenhaar dazwischenheult? Nur Leichtsinn, nur das Erkennen der Täuschung kann uns retten, und darum ist mir in diesem Sinne, in welchem ich sonst nach der Geliebten strebte, Amalie verlorengegangen, seit ich weiß, daß Poesie, Kunst, und selbst die Andacht nur verkleidete, verhüllte Wollust ist, die von innen heraus ihren Glanz ausstrahlt und ungekannt der Menschensinn in allen seinen Kräften zu sich ruft.

Ich muß über mich und meinen Zustand lachen, wenn ich länger fortfahre, mir ihn deutlich zu entwickeln. – Daß wir Sinnlichkeit haben, ist keineswegs verächtlich und kann es nicht sein – und doch streben wir unaufhörlich, sie uns selber abzuleugnen und sie mit unserer Vernunft in eins zu schmelzen, um nur in jedem der vorüberfliegenden Gefühle uns selbst achten zu können. Denn freilich ist nichts als Sinnlichkeit das erste bewegende Rad in unserer Maschine, sie wälzt unser Dasein von der Stelle, und macht es froh und lebendig; ein Hebel, der in uns hineinreicht, und mit kleinen Gewichten große Lasten zieht. Alles, was wir als schön und edel träumen, greift hier hinein. Sinnlichkeit und Wollust sind der Geist der Musik, der Malerei und aller Künste, alle Wünsche der Menschen fliegen um diesen Pol, wie Mücken um das brennende Licht. Schönheitssinn und Kunstgefühl sind nur andere Dialekte und Aussprachen, sie bezeichnen nichts weiter, als den Trieb des Menschen zur Wollust; an jeder reizenden Form, an jedem Bilde des Dichters weidet sich das trunkene Auge, die Gemälde, vor denen der Entzückte niederkniet, sind nichts als Einleitungen zum Sinnengenuß, jeder Klang, jedes schöngeworfene Gewand winkt ihn dorthin; daher sind Boccaz und Ariost die größten Dichter, und Tizian und der mutwillige Correggio stehen weit über Dominichino und den frommen Raffael.

Ich halte selbst die Andacht nur für einen abgeleiteten Kanal des rohen Sinnentriebes, der sich in tausend mannigfaltigen Farben bricht, und auf jede Stunde unsers Lebens einen Funken wirft. – Da mir die Augen nun darüber geöffnet sind, will ich mich geduldig in mein Schicksal ergeben, ich darf kein Engel sein, aber ungestört will ich als Mensch dahinwandeln, ich will mich hüten, mir selbst um mein Dasein ängstigende Schranken zu ziehn. – So ist mir der Name Amalie fremd geworden; war meine hohe, taumelnde, hingegebene Liebe, etwas anders, als das rohe Streben nach ihrem Besitze? ein Gefühl, das wir uns von Jugend auf verkünsteln, und uns das simple Gemälde unsers Lebens mit unsinnigen Arabesken verderben. – Darum eben verachtet der Greis diese jugendlichen Aufwallungen und wilden Sprünge des Gefühls, weil er zu gut erfahren hat, wohin sich alle diese glänzende Meteore am Ende senken; sie fallen wieder wie Raketen zur Erde und verlöschen. – Aber diese Greise sind zugleich für Künste und Enthusiasmus tot, weil die Blüte der Sinnlichkeit für sie abgeblüht ist, die Seele ist in ihnen ausgeloschen, und sie sind nur noch die matte Abbildung eines Lebendigen.

Ich will dem Pfade folgen, der sich vor mir ausstreckt, die Freuden begegnen uns, solange die Spitzen in unsern Sinnen noch scharf sind. Das ganze Leben ist ein taumelnder Tanz; schwenkt wild den Reigen herum, und laßt alle Instrumente noch lauter durcheinanderklingen! Laßt das bunte Gewühl nicht ermüden, damit uns nicht die Nüchternheit entgegenkömmt, die hinter den Freuden lauert, und so immer wilder und wilder im jauchzenden Schwunge, bis uns Sinne und Atem stocken, die Welt sich vor unsern Augen in Millionen flimmernde Regenbogen zerspaltet, und wir wie verbannte Geister auf sie von einem fernen Planeten herunterblicken. Eine hohe bacchantische Wut entzünde den frechen Geist, daß er nie wieder in den Armseligkeiten der gewöhnlichen Welt einheimisch werde!


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