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Drittes Kapitel

Schon seit langem drängte man ihn, nach Deutschland zurückzukehren. Brendel, ein tüchtiger Vorkämpfer der neuen Musik, schrieb ihm einen Brief nach dem anderen über den diesjährigen Musikkongreß in Karlsruhe und daß die Anwesenheit Franz Liszts im Interesse der Sache unbedingt erforderlich wäre. Er hatte keine große Lust zu dieser Reise. Endlich entschloß er sich aber doch, und zwar aus einem sonderbaren Grund. Seit einiger Zeit ließ ihn der Gedanke an den Tod nicht los. Ständig quälten ihn Ahnungen, daß er in Kürze sterben würde. Seine Gesundheit war vollständig in Ordnung, und er hätte keinerlei unmittelbaren Grund gehabt, solche Gedanken zu hegen. Trotzdem mußte er immer daran denken.

Er fürchtete sich nicht vor dem Tod, denn er glaubte felsenfest an die ewige Seligkeit, seit er nur denken konnte. Mit voller Überzeugung glaubte er daran, daß seine Seele zu Gott kommen werde, wenn seine irdische Hülle verwest sei, genau wie es die Kirche lehrte. Der Gedanke, die große Schwelle zu überschreiten, hatte nichts Grauenhaftes für ihn, im Gegenteil, er fühlte eher eine gewisse Neugierde. Und daß er dann »drüben« jenen verklärten Seelen begegnen würde, die ihm am nächsten gestanden hatten und vor ihm heimgegangen waren, machte den Gedanken an den Tod fast anziehend. Daniel, Blandine, sein Vater und Chopin, – dauernd mußte er an sie denken. Trotzdem wollte er noch nicht sterben. Er wollte gerne noch die Christus-Symphonie beenden, und die Aufführung der Tetralogie hätte er auch gerne noch erlebt. Seine Todesahnung ruhte aber nicht. Er legte die große Christus-Symphonie beiseite und komponierte eine Begräbnismusik. Sie bekam den Titel » La notte«. So, wie er sich den Tod vorstellte, schrieb er die Musik: ernst und feierlich, streng und gemessen. Mit einem Abschiedswort gedachte er auch seiner Heimat: in sein eigenes Abschiedslied flocht er ein melancholisches ungarisches Motiv ein. Wie ein mittelalterlicher Mönch, der, während er die Buchstaben langsam malt, ab und zu selbstvergessen eine persönliche Bemerkung auf den Rand des Kodex schreibt, schrieb auch er auf das Notenblatt: » Dulces moriens reminiscitur Argos.« Als er mit der Komposition fertig war, schrieb er auf das Titelblatt: »Wenn zu meinem Begräbnis Musik ertönen soll, so bitte ich, sowohl diese als auch meine schon vor längerer Zeit geschaffene Tondichtung › Les Morts‹ zu spielen.«

Sein Testament war in Ordnung, er wollte nur noch seine Lieben sehen, seine Mutter und Cosima. Deshalb entschloß er sich doch, zu reisen, und wenn es ihm auch noch so schwer fiel, sich von der römischen Umgebung zu lösen. Er schickte Brendel also eine Zusage, stellte aber die Bedingung, daß Hans, der sich in München niedergelassen hatte, auf dem Musikfest dirigieren müsse. Wagner hatte ihn durch seinen neuen Mäzen, den König von Bayern, dorthin einladen lassen. Bülows und Wagner wohnten auch zusammen.

Franzi fuhr nach Karlsruhe. Auch auf der Reise bedrückten ihn andauernd Todesgedanken. Als er angekommen war, empfing ihn Cosima allein am Bahnhof.

»Wo ist Hans?«

»Er ist krank. Er ist zu Hause geblieben. Er kann auch nicht dirigieren. Er hat ein Nervenfieber.«

In Cosimas Stimme lag eine leise Ungeduld, die dem Vater nicht gefiel. Forschend blickte er in das feine schneeweiße Gesicht seiner Tochter, es war reglos wie das Gesicht einer Statue, der Blick konnte nicht hinter die steife Verschlossenheit dringen. Im Wagen fragte er sie nach der Krankheit seines Schwiegersohnes aus. Cosima erzählte, daß sich ihr Mann zu Tode gearbeitet habe, er könne kein Maß in der Arbeit halten. Die verhängnisvollen Folgen seiner Freundschaft mit Lassalle wirkten sich zu alledem jetzt auch noch aus. Dieser Lassalle war ein theoretischer Revolutionär, ein guter Bekannter Wagners aus früherer Zeit. Im Privatleben war er aber ein ganz anderer Mensch, als wie man sich ihn aus seinen Schriften vorstellte. Er war ein sorgfältig gekleideter Weltmann, er liebte das Leben und verstand zu leben, auch die extremsten Genüsse versagte er sich nicht. Er hatte Hans auch das Opiumrauchen angewöhnt.

»Entsetzlich!« Franzi schlug die Hände zusammen. »Und das hast du zugelassen?«

»Ich habe dagegen angekämpft, solange es ging. Wenn man aber sieht, daß alles umsonst ist, verliert man schließlich auch einmal die Lust. Ich kann dir sagen, es war fürchterlich, was ich neben Hans habe ausstehen müssen. Im Februar, als er den Doktortitel erhielt, gelobte er mir ein neues Leben, aber es war schon zu spät. Seine Nerven waren schon vollständig zugrunde gerichtet. Lassalle ist inzwischen in einem Duell erschossen worden, Sie haben es sicher in der Zeitung gelesen, Papa, das verfluchte Erbe hinterließ er aber. Hans' Nervensystem ist ein einziges Wrack. Alles macht ihn nervös, sogar ich, auch die Kinder machen ihn nervös, nur Richard ist der einzige Mensch, den er leiden kann. Nach Richard verlangt er dann auch fortwährend in einem Maße, daß es schon beinahe nicht mehr normal ist.«

»Und raucht er immer noch Opium?«

»Jetzt nicht mehr. Er hat es sich abgewöhnt. Aber er ist furchtbar nervös. Und ich predige ihm umsonst, er solle nicht soviel arbeiten, das fruchtet nichts. Im übrigen sage ich jetzt überhaupt nichts mehr, denn es entsteht nur Streit daraus.«

Franzi schwieg eine Weile, dann faßte er nach der Hand Cosimas.

»Sieh' mir in die Augen, Cosima. Bist du unglücklich?«

Cosima sah ihren Vater kalt und steif an. Ihre Stimme klang gleichgültig und trotzig:

»Ich bin weder glücklich noch unglücklich. Meine Ehe ist so wie alle anderen.«

Dann begann sie von etwas anderem zu sprechen, gleichsam damit andeutend, daß sie von den intimsten Angelegenheiten ihres Privatlebens nicht mehr zu sprechen wünschte. Inzwischen waren sie beim Hotel angelangt. Dort wurden sie schon erwartet. Alles alte Bekannte: der hochaufgeschossene Gille aus Jena, der einstige Schüler Pruckner, Reményi, ein junger ungarischer Musiker namens Bertha, Agnes Street-Klindworth und Frau Kalergis. Außerdem alle bekannten Namen der deutschen Musikwelt. Die Freude des Wiedersehens, die nicht endenwollenden Fragen trennten ihn von Cosima. Dann mußte er dem Großherzog von Baden seine Aufwartung machen, dann mußten schnell Anordnungen wegen der Proben getroffen werden, dann mußte man sich mit dem Dirigenten Seifriz aus Löwenberg beraten, der für den kranken Bülow die Konzertleitung übernahm. Vier Tage dauerte dieses Tonfest, und trotzdem hatte er kaum Zeit gefunden, mit Cosima zu sprechen. Cosima hatte die Gelegenheit aber auch gar nicht so sehr gesucht. Dann wollte er auch in der vertrauten Gesellschaft von Agnes einige Stunden verbringen.

Als der letzte Ton der letzten Vortragsnummer verklungen war, wäre er am liebsten schleunigst in den nächsten Zug eingestiegen. Er wollte schnellstens bei dem kranken Hans in München sein. Auch auf der Fahrt konnte er sich mit Cosima nicht vertraulich unterhalten, denn das Abteil war voll von Besuchern des Musikfestes. Die allgemeine Unterhaltung drehte sich um Wagner, wie das eben bei Musikern der Fall ist, die bereits nach fünf Minuten bestimmt von Wagner, Liszt oder Bülow zu sprechen beginnen, wenn sie einander begegnen. Entweder für oder gegen sie. Diesmal bestürmte man Franzi mit Fragen, was denn an diesen Nachrichten wahr sei über die plötzliche Schicksalswendung in Wagners Leben. Der junge König von Bayern, Ludwig II., hatte sich nämlich in die Musik Wagners verliebt. Außer dieser Tatsache konnte aber auch Franzi nichts weiter berichten, und er selbst war auf die Einzelheiten gerade am neugierigsten. Schon in Karlsruhe hatte er Cosima befragt, sie antwortete aber kurz und zurückhaltend: sie wüßte auch nur wenig davon.

»Wo ist Richard jetzt?« erkundigte sich Franzi im Abteil des Zuges.

»Ich weiß nicht. Vielleicht in Hohenschwangau beim König.«

Mehr wollte sie nicht sagen. Als sie in München angekommen waren, lag Hans nicht mehr zu Bett. Mit scharfen Augen beobachtete Franzi das Ehepaar. Wenn er auch den wie einen eigenen Sohn geliebten Schwiegersohn mit noch so überschwenglicher Freude umarmte, so ließ seine Wachsamkeit doch auch in den glücklichsten Minuten des Wiedersehens nicht nach. Und er sah mit tiefer Trauer, daß dieser kalte und flüchtige Kuß, mit dem sich Mann und Frau begrüßten, ein Kuß alltäglicher Gewohnheit und nicht mehr der Liebe war. Und als er sie noch besser beobachtet hatte, bemerkte er im Benehmen von Hans etwas Verbittertes, Demütiges, hoffnungslos Flehendes neben Cosimas verschlossener und starrer Zurückhaltung. Da konnte kein Zweifel bestehen: Cosima war ihres Mannes überdrüssig geworden, der mit Hundetreue und hoffnungsloser Liebe an ihr hing. Das lärmende Spiel der beiden Töchter machte das neue Heim lebendig. Die Eltern nahmen aber an der guten Laune der Kinder keinen Anteil. Sorgen und Trotz einer Ehekrise standen auf ihren Gesichtern geschrieben.

Franzi war es endlich gelungen, seinen Schwiegersohn unter vier Augen zu fragen:

»Wie lebst du mit Cosima? Hoffentlich ist die Harmonie zwischen euch noch die alte.«

»Es ist nichts los«, wehrte Hans ab, »wir sind beide bloß ein bißchen nervös.«

Dann fing er sofort an von etwas anderem zu sprechen. Man sah, daß auch ihm dieses Thema unbequem war. Und es war ja genügend anderer Gesprächsstoff vorhanden. Er ließ sich das Musikfest in Karlsruhe ausführlich schildern, das er nicht hatte dirigieren können. Dann erstattete er Bericht über seine Arbeit und gebrauchte kaum einen Satz, in dem nicht Wagner vorgekommen wäre. Wagner hatte es fertiggebracht, daß er nach München kam, Wagner hatte bei König Ludwig erreicht, daß er ein Ehrengeschenk von zweitausend Gulden erhielt. Er hatte den Titel »Vorspieler des Königs« erhalten, brauchte aber nur sehr wenig Klavier zu spielen. Seine Aufgabe bestand vielmehr darin, Wagner bei der Einstudierung der Opern behilflich zu sein. König Ludwig wollte die Münchener Oper zu einer wahren Weihestätte der Wagnermusik machen. Im Augenblick waren sie gerade mit den Vorbereitungen zum »Fliegenden Holländer« beschäftigt.

»Da hat sich also doch der Herrscher gefunden«, nickte Franzi, »der dieser Aufgabe würdig ist. Mein Gott, wie habe ich mich in Weimar gequält, den Großherzog dazu zu überreden. Es wollte nicht gehen. Der ewige Ruhm wird nun München gehören. Meine Aufgabe war es, Richard bis hierher zu unterstützen, dem habe ich entsprochen. Jetzt kommen andere. So ist das aber in Ordnung. Die Hauptsache ist, daß die Sache siegt. Aber sag' mal, was für ein Mensch ist dieser König? Ich habe schon viel von ihm gehört, ihn aber noch nie gesehen.«

»Oh, der König ist ein außerordentlicher Mensch. Einfach ein Genie. Stell' dir einen jungen Griechen vor, der ebenso schön wie begabt ist. Der ganze Mann ist erst neunzehn Jahre alt. Er ist so ebenmäßig schön wie eine Marmorstatue. So habe ich mir Apollo vorgestellt. Und wie hinreißend liebenswürdig er ist und doch trotz allem durch und durch König! Er hat den Thron erst vor einem Jahr bestiegen, aber das Volk vergöttert ihn bereits wie einen auf die Erde gekommenen Engel. Zu mir ist er rührend liebenswürdig, und Richard vergöttert er einfach, daß einem fast die Tränen in die Augen kommen …«

Hans kamen tatsächlich Tränen in die Augen. Franzi legte die Hand auf die Schulter seines Schwiegersohnes:

»… besonders wenn man seine Nerven zugrunde gerichtet hat. Hans, mein lieber Sohn, warum achtest du nicht auf dich? Ist die kleine jämmerliche Freude, die dir dieses Gift bietet, denn soviel wert?«

»Gift? Wie ich sehe, hat Cosima wieder einmal ihrer fixen Idee freien Lauf gelassen. Von Opium ist keine Rede. Ich habe mich zu Tode gearbeitet, habe mich erkältet, das Fieber war noch nicht ganz vorüber, als ich schon wieder aufstand, um weiter zu arbeiten, und davon bin ich von neuem bettlägerig geworden. Ich bin auch heute noch nicht ganz gesund. Opium, lächerlich. Ich leugne es gar nicht, ich habe es früher zum Spaß ein- bis zweimal versucht; ich fühlte mich aber am anderen Tage so elend, daß es mir gar nicht einfiel, mich daran zu gewöhnen. Richard ist es ebenso ergangen. Cosima findet aber in allem etwas … Nein, ich will ihr nicht weh tun, ich liebe sie unbeschreiblich, ich habe nur manchmal das Gefühl, daß sie ungerecht hart zu mir ist, und das tut mir furchtbar weh … Ich bitte dich innig, sage ihr nicht, daß ich dir das gesagt habe. Wenn sie Kummer hat, möchte ich am liebsten vor Scham und Schmerz in die Erde versinken. Mir ist sie heute noch mein Alles. Cosima ist meine Frau, Richard mein Freund, und du bist unser aller Vater. Ich müßte jeden Tag beten und Gott dafür danken. Ihr drei, die Größten und Besten …«

Hans begann zu weinen. Mit einem nervösen Schluchzen, wie zu Tode gehetzte Männer mit einer zerrissenen Seele zu weinen pflegen. Dann riß er sich zusammen und fuhr fort:

»Sieh mich nicht so erschrocken an, es ist eine vorübergehende Krankheit. Wenn wir den ›Fliegenden Holländer‹ hinter uns haben, werde ich mich ausruhen. Ich werde wieder ganz gesund und froher Laune sein. Das Leben ist ja so schön. Cosima und Richard sind ja neben mir …«

»Wo ist denn jetzt Richard? Ich habe Cosima schon gefragt, sie weiß es aber nicht.«

»Sie weiß es nicht? Selbstverständlich weiß sie es. Sie ist über jeden Schritt Richards ebenso unterrichtet wie ich. Wir leben alle drei hier so beieinander, als ob wir zusammen nur eine Seele hätten. Richard ist am Starnberger See. Er hat dort vom König eine wunderbare Villa geschenkt bekommen. Er arbeitet.«

Cosima trat ein. Der Vater wandte sich sofort an sie:

»Warum hast du mir gesagt, daß du nicht weißt, wo Richard ist, wenn du es weißt?«

»Wir waren doch nicht allein«, erwiderte Cosima ruhig, »ich liebe es nicht, vor fremden Leuten Privatangelegenheiten zu besprechen. Richard ist am Starnberger See. Er wird aber höchstwahrscheinlich herkommen. Ich habe ihm noch aus Karlsruhe telegraphiert, daß Sie hier in München sein werden.«

Hans' Augen begannen mit einem Male zu funkeln.

»Du hast ihm wirklich telegraphiert? Ach, wie glücklich ich wäre, wenn er kommen würde! Wir so zu viert … könnte man sich eine größere Freude vorstellen? Ich habe das Gefühl, als ob wir ohne ihn lahm wären …«

»Du fühlst dich lahm, wenn ich dich besuche?« fragte Franzi lächelnd, aber nicht ganz ohne Spitze.

»Nein, nein, wie kannst du nur so etwas sagen … Ich habe mich vielleicht schlecht ausgedrückt … Wenn nur Richard käme, wenn er nur käme …«

Und als ob man einen Geist beschworen hätte, – es läutete im Vorzimmer. Wagner trat ein. Das eine Mädelchen führte er an der Hand, das andere trug er auf seinem Arm. Die Kinder hatten sich sichtlich schon an ihn gewöhnt und freuten sich auch jetzt lärmend seines Kommens.

»Franzi!« rief Wagner.

Und schon hatte er ihn in seinen Armen und küßte und drückte ihn wie ein Verliebter. Franzi hatte sich von jeher von Männerküssen zurückgehalten, und wenn er auch früher Wagner diese Gewohnheit zugute gehalten hatte, so wußte er jetzt selbst nicht, warum er peinlich berührt war. Das störte aber die Herzlichkeit dieses Wiedersehens kaum. Und dann begannen sie einander mit Fragen zu überhäufen, wie es gute Freunde zu tun pflegen, die sich drei Jahre lang nicht gesehen haben. Wagner berichtete vor allem von der wunderbaren Schicksalswendung seines Lebens. Ohne einen Pfennig Geld in der Tasche, von Minna getrennt, war er ziellos von Stadt zu Stadt gewandert. So war er auch nach Stuttgart gekommen, wo er in einem kleinen Hotel an den »Meistersingern« weiter arbeiten wollte. Aber auch dort mußte er wieder weg. Nur ein junger Mann namens Weißheimer stand ihm zur Seite, ein Musiker, der Sohn eines reichen Wirtes, der ihm schon öfters Geld verschafft hatte, jetzt aber auch nicht mehr helfen konnte. Und im größten Elend, bar jeglicher Hoffnung, packten beide ihre Sachen. Wohin jetzt? Da erschien eine Stunde vor der Abreise, in allerhöchster Not ein fremder Herr bei ihm. Er stellte sich als Sekretär der Kabinettskanzlei Seiner Majestät des Königs Ludwig vor und brachte Wagner eine Photographie, einen Ring, einen Brief und eine Botschaft. In dem Briefe teilte der König Wagner mit, daß er ein begeisterter Anhänger seiner Musik sei und froh wäre, wenn er dem Tondichter ein sorgenfreies Dasein sichern könnte. Die Botschaft lautete, daß der König geneigt wäre, die Schulden Richard Wagners, soweit diese zweimal hunderttausend Gulden nicht überstiegen, aus seiner Privatschatulle zu begleichen. Auf alle Fälle erwarte er dringend den Besuch Wagners. Daraufhin fuhr er natürlich sofort nach München. Der König zahlte das Geld tatsächlich auch aus. Zweimal hunderttausend Gulden auf einmal, obwohl die Schulden gar nicht so viel ausgemacht hatten. Seit dieser Zeit herrschte Ruhe, Wohlstand, Arbeit und Glück. Die »Meistersinger« waren fertig.

»Das ist wie ein Märchen«, sagte Franzi, »vollkommen unwahrscheinlich. Aber gerade deswegen ist es so schön. Andere pflegen so etwas zu träumen, dir ist es wirklich widerfahren. Hast du dich nicht gewundert?«

»Nein. Ich habe immer gewußt, daß in meinem Leben einmal so etwas geschehen muß. Das stand mir vom Leben zu. Jetzt habe ich es erhalten. Ich finde das Ganze vollkommen in Ordnung. Cosima, komm jetzt ans Klavier, ich will aus den Meistersingern spielen.«

Der Ton der Aufforderung war fast roh. Und die stolze und kalte Cosima sprang sofort auf und eilte hinüber ins andere Zimmer wie eine Angestellte. Selbst Hans erhob sich, er wollte in seinem großen Eifer auch noch, so krank er war, behilflich sein. Franzi übersah nun die ganze Lage: dieser rechthaberische Mann hatte das junge Paar vollständig unterjocht. Sie verfolgten jede seiner Bewegungen und jeden seiner Blicke wie Sklaven.

Hans blieb auf dem Sofa liegen, weil er sich so schwach fühlte, bat aber, die Türe offen zu lassen, denn auch er wollte an diesem Glücke teilnehmen. Die anderen gingen hinüber in das andere Zimmer. Cosima stellte sich neben das Klavier, um beim Umblättern der Partitur behilflich zu sein. Die Musik begann. In der nächsten Sekunde war für Franzi die Außenwelt versunken. Was er hörte, war wiederum ein Meisterwerk. Und ganz und gar anders als die bisherigen Meisterwerke. Es war Humor darin, eine stolze und freie Gesinnung, der tiefe Atemzug einer mächtigen Seele. Die Harmonie und die Instrumentation offenbarten in jedem Augenblick den verblüffenden Reichtum unzähliger Überraschungen. Da war kein Zweifel: dieser Mensch war unter den lebenden musikalischen Größen der ganzen Welt der Größte.

Noch vor dem Abendessen nahmen sie zwei Aufzüge durch, nach dem Essen kam die Reihe an den dritten. Als das letzte sieghafte Dröhnen des Nürnberger Volksfestes verklungen war, sagte Franzi nur ein einziges Wort auf den glücklichen fragenden Blick Wagners:

»Shakespeare!«

Zugleich blickte er aber auch zur Seite, einem eigentümlichen Blick Cosimas folgend. In der Tür stand Hans, in Schlafrock und Pantoffeln. In seinem Gesicht die Spuren der Krankheit, in seinen Augen ein feuchtes Schimmern. Winselnd, schwärmend und unbeholfen stotterte er:

»Richard, vor dir muß man in die Knie sinken …«

Es war ein geschmackloser Anblick, dieser wimmernde Mann mit seiner Hundetreue in der Schwäche seiner erniedrigenden Anbetung. Franzi blickte seinen nervösen Schwiegersohn unwillig an, obwohl er ihn sehr liebte. Und sofort sah er Cosima an. Die Frau maß ihren Mann mit kalter Verachtung und mitleidig. Ihre Finger lagen auf der handgeschriebenen Partitur der »Meistersinger«.

»Es wäre besser«, sagte sie, »wenn du dich niederlegen würdest, denn du erkältest dich, wenn du dauernd in der Wohnung umhergehst.«

Hans drehte sich folgsam um und verschwand. In dem verzerrten Ausdruck seines Gesichtes lag etwas Unerklärliches. Sie unterhielten sich noch lange und begeisterten sich immer wieder an den Einzelschönheiten des neuen Meisterwerkes.

»Ist es dein Ernst, den gehässigen Krittler Hans Lick zu nennen? Meines Erachtens ist es zwecklos, Hanslick so scharf anzugreifen. Die Gestalt ist auch so leicht zu erkennen.«

»Ich habe das schon geändert. Mir kam es selbst schon zu stark vor. In der endgültigen Form wird der Mann Beckmesser heißen. Meinst du tatsächlich, daß diese Arbeit shakespearisches Niveau hat?«

Er ließ sich das noch mehrfach wiederholen. Er konnte nicht genug Lobesworte hören. Er brauchte davon ebensoviel, wie Geld. Und Geldsorgen hatte er jetzt keine mehr. Es sah auch so aus, als ob bald die Zeit käme, wo er in der ganzen Welt anerkannt sein würde. Als sie sich dann alle zur Ruhe legten, überdachte Franzi nochmals die »Meistersinger«. Er sann darüber nach, wer die junge Frau sein mochte, die den Tondichter zu der Gestalt Evas inspiriert hatte. Schließlich verblieb er dabei, daß es Mathilde Wesendonck sein mußte. Nur eines verstand er noch nicht, warum die Phantasie Wagners, ihn, Franzi, in Verbindung mit der Frau Wesendonck gebracht hatte. Endlich verzichtete er darauf, den geheimen Wegen der schöpferischen Arbeit dieses Feuergeistes zu folgen. Das Stück war ein Meisterwerk, alles andere war nicht wichtig.

Am dritten Tage fuhr Wagner an den Starnberger See zurück, und Franzi begleitete ihn, um noch einen Tag mit ihm allein zu verbringen. Diese Villa war in der Tat das Heim eines königlichen Künstlers. Der Meister, der so viel Elend gesehen hatte, schwelgte nun in üppigem Glanz. Und auf jedem Tisch das Bild des jungen Königs, mit Widmungen, aus denen leidenschaftliche Hingabe sprach.

»Wie ich sehe, bis du endgültig in den Hafen eingelaufen«, sagte Franzi.

»Es war höchste Zeit. Ich bin einundfünfzig Jahre alt. Und mit Rücksicht darauf, daß ich hundertmal mehr leiden kann als andere, habe ich schon Jahrtausende erlitten. Jetzt will ich leben und den Sieg meiner Arbeit sehen. Die arme dahingeschiedene Minna konnte es nicht mehr erleben. Aber sprechen wir endlich auch mal von dir. Was ist mit dir los? Wie sieht es in deiner Seele aus?«

»In meiner Seele herrscht ein Gedanke: Vergänglichkeit. Ich habe andauernd Todesahnungen. Vielleicht ist es auch gar nicht der Tod, den ich nahen fühle. Aber irgend etwas steht mir bevor, was mir die Vergänglichkeit alles Irdischen vor Augen führen muß, irgendein Verlust in meinem Leben, ich kann es selbst nicht genau beschreiben. Eigentlich hat mich auch nur dieses Gefühl aus Rom hierher gebracht und nicht die Karlsruher Festlichkeiten. Ich wollte Cosima sehen. Aber sag' es ihr nicht.«

»Ach, Cosima … Ihr braucht man nichts zu sagen. Sie errät alles von selbst. Cosima ist die größte Frauenseele, der ich je begegnet bin. Und sie ist auch so einsam, wie es große Seelen zu sein pflegen.«

Franzis Stimme wurde schroff und ernst:

»Sie hat gar keinen Grund, sich einsam zu fühlen. Sie hat einen bedeutenden, grundgütigen Mann, der zu den ersten Künstlern der Welt zählt und sie vergöttert. Cosima mag das dem Herrgott danken und ihren Mann in Ehren halten. Eine mit allen Gütern gesegnete Frau soll nicht einsam sein. Das will ich ihr übrigens selbst noch sagen, da ich sehe, daß sie zu ihrem Manne nicht zärtlich genug ist. Und auch du könntest hier und da einmal eine vorsichtige Bemerkung machen. Ich sehe, du hast auf beide großen Einfluß. Cosima ist auf keinem guten Wege. So beginnt der Zerfall des Heims bei den Frauen. Wenn ich Cosima nicht kennen würde und nicht wüßte, daß sie unehrenhafter Sachen vollständig unfähig ist, müßte ich mich wahrhaftig um ihre Zukunft bangen.«

Wagner sah seinem Freund tief in die Augen. Er war bestrebt, die größte Treue und Aufrichtigkeit zu zeigen.

»Du kannst an Cosima glauben. Sie ist eine der größten Seelen. Und wenn du auch auf meine Mithilfe zählst, so kannst du auch mir trauen. Ich habe ja alle beide grenzenlos gerne.«

Er bot Franzi die Hand. Die beiden Freunde schüttelten sich herzlich die Hände. Dann verbrachten sie den ganzen Tag mit Musik. Franzi spielte vieles von seinen Werken vor. Er wußte, daß das eine seltene Gelegenheit war: er spielte vor einem, der wirklich verstand, was er spielte. Unter herzlichen Umarmungen nahmen sie Abschied voneinander.

»Wenn ich dich nicht mehr sehen sollte …«

»Rede keine Dummheiten, Franzi, das ist nichts als eine leere Einbildung. Du bist ja nur zwei Jahre älter als ich. Und ich fühle mich in der Blüte meines Lebens. Wenn du von Vergänglichkeit sprichst, beleidigst du mich geradezu.«

Franzi konnte aber den Gedanken nicht loswerden, daß er sich jetzt endgültig verabschieden müßte. Auch Hans umarmte er mit diesem Gefühl, sie hatten alle beide Tränen in den Augen. Von Cosima nahm er nicht Abschied, er wollte sie mit nach Paris nehmen. Er freute sich, mit ihr zusammen sein zu können, und war außerdem der Meinung, daß es auch ganz vorteilhaft wäre, wenn das Ehepaar die gereizte und gedrückte Stimmung ihres Heimes ein wenig lüftete. Bis zu Cosimas Rückkehr würde Hans wieder vollkommen gesund und alles wieder in Ordnung sein. Zunächst fuhr Franzi noch nach Weimar, um sich auch dort noch einmal umzusehen. Er ging in die Altenburg. Hinter den verschlossenen Türen dieses Hauses lauschte er den Erinnerungen der Vergangenheit. Das Haus wurde von Gustel bewacht, der zurückgelassenen Zofe der Fürstin, eigentlich ganz sinnlos, denn keiner von beiden wollte doch hierher zurückkehren. Er besuchte auch den Großherzog, der den Sommer in Wilhelmstal verbrachte. Der Großherzog freute sich herzlich über das Wiedersehen und wollte ihn unter allen Umständen dazu bewegen, nach Weimar zurückzukehren. Höflich wich er dieser Aufforderung aus. Er verabschiedete sich. Dann besuchte er noch den Fürsten von Hohenzollern-Hechingen in Löwenberg. Und schließlich machte er sich mit Cosima auf den Weg nach Paris.

Mutter Liszt wohnte jetzt bei Ollivier. Als Blandine noch lebte, war sie bereits zu dem jungen Paare übergesiedelt, und nachdem Blandine im Kindbett gestorben war, blieb sie bei dem Säugling. Der kleine Knirps, der den unvergeßlichen Namen Daniel trug, war jetzt schon zwei Jahre alt. Mutter Liszt war sehr gealtert. Ihr gebrochener Fuß heilte nicht, sondern machte ihr immer mehr zu schaffen, so daß sie jetzt an zwei Krücken gehen mußte. Ollivier, der Schwiegersohn, bewahrte auch nach dem Tode seiner Frau seine Zuneigung zu seinem Schwiegervater, umgab ihn mit Aufmerksamkeiten jeder nur erdenklichen Art und schwor, daß sein Haus immer das Heim des geliebten Schwiegervaters in Paris bleiben würde.

Das Ganze währte acht Tage. Gerade lange genug, um Berlioz, dem Greis Rossini, Jules Janin, Erard und dem Belloni der Virtuosenjahre, der in Paris wohnte, die Hand zu drücken. Franzi besuchte auch Marie, die Zeit mit gleichgültigem Gespräch verbringend. Dann verabschiedete er sich auch von seiner Mutter. Unter vier Augen, damit es niemand anders hören könnte.

»Mutter, legen Sie Ihre Hand auf meinen Kopf und segnen Sie mich. Es kann sein, daß wir uns nicht wiedersehen.«

»Ja, mein lieber Sohn«, sagte die humpelnde alte Frau, »mich kann der große Schnitter in jeder Stunde mitnehmen. Irgendwie sehne ich mich schon auch nach Ruhe. Ich habe genug gelebt. Und ich habe ein schönes Leben gehabt. Ich preise den lieben Gott dafür.«

»Sagen Sie, Mutter, haben Sie keine Angst vor dem Tode?«

»Woher soll ich denn Angst haben, ich sage dir ja, daß ich ihn mir schon wünsche. Aber was hast denn du damit zu tun? Du bist doch noch jung und gesund.«

»Jung? Ich bin dreiundfünfzig Jahre alt. Und ich habe andauernd das Gefühl, daß dieses viele Hin und Her, diese Unruhe, bald ein Ende haben wird.«

»Oh, du wirst nicht sterben. Ich fühle, daß du nicht sterben wirst. Wenn dein Tod nahe wäre, würde ich es fühlen. Du sollst nur weiter arbeiten, wie es dir Gott befohlen hat. Du wirst nicht sterben, keine Rede davon! Mich wirst du aber kaum noch einmal sehen. Gott mit dir, mein lieber Sohn.«

Die alte Frau richtete sich im Lehnstuhl auf, nahm den Kopf ihres Sohnes zwischen ihre beiden Hände und küßte ihn zärtlich auf die Wangen, als ob er noch ein kleines Kind wäre. Sie nahm ruhig und heiter Abschied von ihm. Vom langen Leben ihres Sohnes sprach sie mit einer so unbeirrbaren Überzeugung, daß Franzi ihr glaubte. Er wird also nicht sterben. Was konnte aber dann dieses sonderbare Gefühl sein, das ihn zu einem völligen Abschied vom Leben trieb?

Ollivier und Cosima begleiteten ihn nach St. Tropez. Er wollte Blandines Grab sehen. Er betete in dem Zimmer, wo seine Tochter gestorben war, dann blieb er lange im Park an dem frühen Grab stehen. Er nahm auch von diesem Grab Abschied. Und schließlich verabschiedete er sich auch von der, die er von allen am meisten liebte. Auf der Reise waren sie einander wieder sehr nahe gekommen. Sie war wie ausgetauscht, als sie ihr düsteres Heim verlassen hatte: gut gelaunt, geistig rege und zu ihrem Vater zärtlich und liebevoll. Nur in der letzten Sekunde senkte sich ein Schleier auf ihr inniges Verständnis.

»Versprich mir«, bat er Cosima in Marseille an der Dampferhaltestelle, »daß du gut und geduldig zu Hans sein wirst.«

»Ja. Selbstverständlich«, erwiderte Cosima höflich.

»Und daß du ihn lieben wirst, daß du dich um jeden Preis zu dieser Liebe zwingen wirst, wenn es dir auch manchmal schwer fällt. Während der ganzen Reise wollte ich dir das schon sagen, ich habe es aber immer aufgeschoben. Jetzt habe ich es dir endlich gesagt. Du bist auf einem schlechten Wege, meine Tochter. Hans verdient etwas ganz anderes von dir, als daß du mit Ungeduld …«

Cosima fiel ihrem Vater ins Wort:

»Papa, das ist vollständig überflüssig. Ich bin ein erwachsener Mensch, ich habe zwei Kinder, und ich kann auf mein Leben achten. Überlassen Sie das mir.«

»Sprichst du so mit mir in der letzten Sekunde?«

»Gut, gut, ich verspreche Ihnen alles, Sie sollen bloß nicht böse sein. Küssen Sie mich, Sie müssen einsteigen.«

Das Schiff ging in See, und Cosimas winkende junge Gestalt verlor sich langsam in dem immer verschwommener werdenden Bild des Abends. Er ging in den Speisesaal hinunter, um einen Kognak zu trinken. Da kam Alexander Bertha, der junge ungarische Komponist, den er in Karlsruhe kennengelernt hatte, auf ihn zu. Auch er wollte nach Rom. Franzi freute sich über die Gesellschaft, weil er nicht durch das Gedenken an seine Lieben gerührt sein wollte. Während der Überfahrt suchte er den jungen Ungarn in die Musik Wagners einzuweihen.

Als sie nach Civita Vecchia kamen und die päpstlichen Zollbeamten, die die Reisenden unbarmherzig mit der Revision quälten, seinen Namen hörten, begrüßten sie ihn mit größter Ehrerbietung und ließen sein Gepäck unberührt. Bertha riß darüber Mund und Nase auf, ihm aber machte so etwas keinen Spaß mehr. Er konnte es kaum erwarten, wieder in Rom zu sein. Es war späte Nacht, als er in Rom ausstieg. Das Kloster Rosario wollte er nicht wecken, deshalb nahm er im »Albergo Inghilterra« ein Zimmer.

Trotz der beschwerlichen Reise konnte er nicht einschlafen. Er fand das Zimmer fremd und unbequem. Er sehnte sich nach der liebevollen Stille und Einfachheit der Zelle. Bis zum Morgengrauen kam kein Schlaf in seine Augen. Er sann über sein Leben, sein Schicksal und seinen Beruf nach. Über diesen geheimnisvollen Trieb, der eine immer tiefer werdende Kluft zwischen ihm und dem Leben aufriß. In der fahlen Morgendämmerung zündete er eine Kerze an und begann zu lesen. Er hatte aber keine Geduld dazu, eine unfaßbare Erregung beherrschte ihn. Er ließ das Buch fallen und grübelte weiter. Und er sehnte sich immer stärker nach der Seligkeit der Zelle im Kloster Rosario, fort aus diesem pompösen Hotelzimmer.

Und mit einem Male waren seine Gedanken und diese Zelle ineinander verschmolzen und eins geworden. Wie eine Offenbarung kam es über ihn, und er begriff plötzlich, was ihn schon so lange Zeit jagte und aus diesem Leben trieb. Nicht als Entschluß oder Ziel, sondern als eine von ihm vollständig unabhängige und sich vor ihm abspielende Szene sah er, wie er das weltliche Leben aufgeben und sich zum Priester weihen lassen werde. Vierzig Jahre lang hatte er darauf gewartet. Jetzt endlich konnte er seine schmerzende und müde Seele in den Schoß Gottes legen.

Er stand auf und kleidete sich an. Draußen war es schon Morgen. Er eilte geradewegs in die Via del Babuino. Carolyne war schon wach. Sie saß im Morgenrock an ihrem Schreibtisch, rauchte eine Zigarre und schrieb irgend etwas. Sie sprang erfreut auf, als ihr Gast eintrat.

»Carolyne, ich bringe Ihnen eine große Nachricht. Ich trete in den Dienst der Kirche, mein weltliches Leben ist beendet. Vorher will ich Sie noch einmal fragen: wollen Sie nicht meine Frau werden?«

Die Fürstin schüttelte den Kopf.

»Soll ich Sie Gott rauben? Unmöglich. Sie wissen ja gar nicht, was für eine Freude Sie mir jetzt eben bereitet haben.«


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