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Takizawari. Dienstmagd und Beischläferin

An anderen Stellen ist wiederholt davon die Rede, daß in Japan die Dienstmagd ohne weiteres als für den Geschlechtsverkehr zugänglich angesehen wird, daß man sie aber auch seitens der Männer gewissermaßen als Freiwild betrachtet, dem gegenüber man unbedenklich auf das letzte Ziel zusteuern kann. Daß der weibliche Teil daran nicht ganz schuldlos war, haben wir an den Sagami onna, den Frauen aus der Provinz Sagami gesehen, die wegen ihrer Geilheit berüchtigt waren, und lediglich in die großen Städte kamen, um sich dort geschlechtlich auszuleben. Dies war so bekannt, daß man solche Dienstmägde nach ihrer Herkunft bezeichnete und sie Sagami oder Shōshû, ein anderer Name für die Provinz Sagami, nannte; besonders scheinen sich die jungen Frauen aus den Dörfern Isehara und Kotsubo ausgezeichnet zu haben, da sie nach dem Namen ihres Dorfes Isehara oder Kotsubo hießen. Die vielen Senryûs, die sich mit diesen Dienstmägden beschäftigen, sind ein Beweis dafür, daß es sich um eine allgemein bekannte Erscheinung handelt. Leider enthalten die Unterlagen keine Angaben darüber, ob es sich auch in diesem Fall um die weitverbreitete Sitte handelt, sich mit dem Körper die Mitgift zu verdienen und dann in der Heimat als ehrsame Hausfrau zu leben.

Auch die Dienstmägde, die nicht aus der Provinz Sagami stammten, verhielten und verhalten sich gegen geschlechtliche Forderungen, die an sie gestellt werden, nicht sehr abweisend. Wir haben darauf hingewiesen, daß es geradezu Brauch war, daß die Scheuermägde in den Geschäften den Angestellten zur Verfügung standen. Bei den Hausmägden ist es nicht anders und viele Senryûs weisen darauf hin, wie ungezwungen sich die Mägde im Hause verhalten. In mehreren dieser Spottgedichtchen ist die Rede davon, daß sie beim Schlafen ihre Geschlechtsteile den Blicken anderer aussetzen. Das mag Unbefangenheit oder Sorglosigkeit sein, aber die Beharrlichkeit, mit der die Senryûs gerade diesen Punkt betonen, läßt doch den Gedanken aufkommen, daß diese Volksdichter eine Absicht darin sahen, wenn die Mägde in ihrer Blöße dalagen. Die Kleidung, an sich bot keinen Anlaß dazu, namentlich wenn sie den landesüblichen Lendenschurz trugen. Wir wollen hier noch zwei Senryûs dieser Art bringen, hauptsächlich, weil sie folkloristisch beachtenswerte Angaben enthalten.

»Igaguri wo dashite
         Tamba no gejo hirune.«

Igaguri sind Kastanien in der Schale und Tamba ist ein bekannter Ort, wo viele Kastanien wachsen, die weithin nach außerhalb verkauft werden. Das Senryû sagt also zunächst nur: »Die Dienstmagd (Gejo) aus Tamba hält während ihres Mittagsschläfchens Kastanien in der Schale feil.« Igaguri hat aber auch die Nebenbedeutung eines stark behaarten Cunnus, wodurch das Senryû den Scherz zum Ausdruck bringt, den der Volksdichter beabsichtigt hat.

»Shiki ni uru Biwayhōthō wo Gejo hirome.«

Unter Biwayhōthō versteht man eine Abkochung von Loquatblättern. Loquat ist die japanische Mispel, Mespilus; im Japanischen heißt diese Pflanze Biwa; sie kommt auch in China vor, woher die Engländer das Wort Loquat dafür genommen haben. In früheren Zeiten stellten die Drogenhändler vom Karasumaru-dhōri (dhōi = thōri = Straße) in Kyhōto diese Abkochung in großen Kesseln her, setzten diese vor ihre Läden auf die Straße und gaben sie im Sommer als ein erfrischendes Getränk an die Stadtbewohner umsonst ab. Dieser Brauch war die Veranlassung, daß wollüstige geile Frauen in der Volkssprache als Biwayhōthō bezeichnet wurden, weil sie wie das Getränk für jedermann zugänglich waren. Die wörtliche Übersetzung des Senryûs lautet so: »Die Dienstmagd vertreibt ein Getränk, das man in allen vier Jahreszeiten verkaufen kann.« Mit andern Worten: »Während das Biwayhōthō der Drogisten nur im Sommer zu haben ist, kann man das Biwayhōthō der Dienstmagd das ganze Jahr hindurch kaufen.«

Während der Yedo-Periode wurde in der Temmei-Zeit (1781 bis 1788 u.Z.) dieses Getränk von einigen Straßenhändlern auch in Thōkyhō verkauft. Sie riefen es als »Kyoto Karasumaru no Biwayhōthō« aus, als das Loquatgetränk aus der Karasumara-Straße in Kyhōto. Alsbald nannte man auch in Thōkyhō eine allen zugängliche Frau »Karasumaru no Biwayhōthō« oder einfach »Karasumaru«. Als Beleg hierfür diene folgendes Senryû:

Shite oite
         Karasumaru to wa
                 Nikui kuchi.«

»Du bist in abscheulicher Mensch! Wörtlich: Abscheuliches Maul! Nachdem du deinen Koitus gehabt hast, nennst du mich eine Karasumaru!« Dieser nicht sehr feinfühlige Vorwurf wollte seitens des Mannes wahrscheinlich eine niedrigere Einschätzung der Leistung des Mädchens herbeiführen. –

Im Abschnitt »Shita-Ningyō haben wir die Geschichte von einem Manne erzählt, der seine Dienstmägde nicht in Ruhe ließ, weshalb seine Frau auf den Gedanken kam, eine abschreckend häßliche Frau einzustellen. Aber auch das konnte ihn nicht abhalten, sich in ihre Kammer zu schleichen, um zum Geschlechtsverkehr mit ihr zu gelangen. Einen solchen Schleicher nennt das Volk »Hau« als Abkürzung von Yobau, ein Kriecher. In bezug auf die Wahllosigkeit aber, mit der ein Mann hübsche oder häßliche Dienstmägde heimsucht, nennt ihn das Volk »Borokkai«, Lumpensammler oder Lumpenaufkäufer.

Zahlreich sind die Namen, mit denen der Volksmund die Dienstmägde bezeichnet, die ihren Herren als Beischläferin dienen. Das als Überschrift gewählte »Takizawari« bedeutet wörtlich: ein Mädchen, das den Ofen versorgt und ihren Leib berühren läßt, Tagiki, das Brennholz; takitsukeru, Feuer anmachen. Tezawari, berühren, befühlen. hat also den Sinn, »eine, die auf zweierlei Art dient«. Dieselbe Bedeutung hatte während der Genroku-Periode (1688-1703 u.Z.) das Wort »Komazawari«, d.h. Zimmermädchen und Konkubine. Viel feiner sind die Ausdrücke »Futase« und »Futase-onna«, »zwei Leben« und »eine Frau, die zwei Leben führt«. In einem Buch, das im 21. Meiji-Jahr (1888 u.Z.) erschien, ist angegeben, daß man damals einem solchen Dienstmädchen, das auch die Konkubine des Hausherrn war, 75 Sen (etwa 1 Mk.60 Pf.) monatlich bezahlte. Ein zweideutiger Ausdruck für die doppelt beschäftigte Dienstmagd war »Osasuri«, die Masseuse, denn wir haben gesehen, daß es in den Gasthäusern solche falschen Masseusen gab und daß auch die richtigen Masseusen für den Geschlechtsverkehr zu haben waren und heute noch zu haben sind.

Ein scherzhaft klingender Name für die Dienstmagd und Beischläferin ist »Onade«, womit die Hausfrauen einen Besen oder Kehrwisch bezeichnen.

Auch an dem Hausherrn, der sich ein Dienstmädchen als Beischläferin hält, ist der Volkswitz nicht vorübergegangen. Man nennt ihn z.B. »Tsumamigui«, einen Mann, der die Speisen mit den Fingern nimmt und heimlich verzehrt. Das Zeitwort »Tsumamu«, Speise mit den Fingern anfassen, hat an sich die Nebenbedeutung: mit einer Frau unter seinem Stande verkehren; »Tsuma-maku« ist ein veraltetes Wort für den Koitus. »Tsuma« kann heute sowohl den Ehemann, als auch die Ehefrau bezeichnen.

Im Gegensatz zu dem Mann, der mit den Fingern ißt, steht der »Hashimame«, der Mann, der anständig ißt und mit den japanischen Eßstäbchen geschickt umzugehen weiß. Weshalb aber der Hashimame, ebenso wie der Tsumamigui, einen Mann bezeichnet, der mit einer Dienstmagd geschlechtlich verkehrt, ist schwer zu erklären. Man sieht Hashi als eine Abkürzung von Hashitame, die Dienstmagd, an. Mame ist der Cunnus, so daß Hashimame »Cunnus der Dienstmagd« bedeuten würde. Mame ist eigentlich die Bohne; Mame-dorobō, der Bohnenräuber, ist ein Mann, der unerlaubten Geschlechtsverkehr hat, so daß man schließlich Hashima als eine Abkürzung von Hashimame-dorobō ansehen kann. Ob der Volkswitz nicht einen kürzeren Weg gewählt hat, muß dahingestellt bleiben. –


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