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Karfreitagszauber

Am Karfreitag vor Sonnenuntergang
Nach der Hostie zielen mit spitzem Blei,
Das gibt Jägerglück, heißt es, lebenslang.

Drei Wildschützen zielten.

Einer dabei,
Der in seiner Brust ein Gewissen trug,
Der noch ungewöhnt war in Freveln und Hehlen,
Den der anderen Zwang wie in Ketten schlug.

Sein scheuer Blick war so sündenkrank.
Er hatte müssen die Hostie stehlen
In der Vollmondnacht aus dem Kirchenschrank.

Nun galt es, das zaubrische Ziel nicht zu fehlen.

An einer Eiche, knorrig verästigt,
Auf die übers Heidland der Sonne Glut
Rote Bänder warf, wie voll Blut,
War Christi Leib mit drei Nägeln befestigt.

In finstrem Schweigen
Zielen und treffen die ersten Zwei.
Die Hostie scheint sich zitternd zu neigen.
Der dritte steht wie ein Kranker dabei,
Denkt an sein Kind, an sein ernstes Weib.
Christi Leib
Strahlt an dem roten Stamme so eigen,
Strahlt so leichenweiß, daß ihm graut.
Goldrot muß doch die Sonne noch prangen!
Ist sie eben untergegangen?

Aufschreckend hat er sich umgeschaut.
Da schreit er gellend.
Da fällt ihm schwer
Das Gewehr aus der Hand, das er zielend streckte.
Er sank auf die Knie, er schluchzte so sehr,
Daß es die rauhen andern erschreckte.
Wie sie verlegen neben ihm stehn,
hat er zu beten angefangen:

»Herr Jesus, den ich am Kreuze gesehn,
Leibhaftig am Kreuz in der Sonne hangen,
Vergib du mir in so hohen Gnaden,
Wie mein Herz sich tief meines Frevels schämt!«

Der Mann hat nie ein Gewehr mehr geladen.
Mondelang blieb ihm sein Arm gelähmt.

Aber sein Blick, der so krank gewesen,
Flog wieder frei wie nach rechtem Ziel.
Er tat freundlich sein Tagwerk, sprach nicht viel.
Seit jenem Karfreitag war er genesen.

*

 


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