Christoph von Schmid
190 kleine Erzählungen für die Jugend
Christoph von Schmid

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58. Der Storch

Eva, eine Bauerntochter, hatte auf einem grünen sonnigen Plätzchen ihres Baumgartens sehr feines Garn, das sie selbst gesponnen hatte, zum Bleichen ausgebreitet. Barbara, die Tochter des Nachbars, kam öfters in den Garten herüber, zeigte an dem schönen Garn eine große Freude, und half Eva es begießen. Eines Tages merkte Eva, daß einige Stücke des Garns fehlten. Sie hatte sogleich ihre Gespielin im Verdacht, lief zu ihr hinüber und schrie: Barbara, du hast mir mein Garn gestohlen! Kein fremder Mensch kam in den Garten, als du. Sogleich gib es mir zurück! Barbara beteuerte vergebens ihre Unschuld; sie wurde im ganzen Dorfe als eine Diebin verschrien. Im nächsten Jahre wurde das alte Storchennest auf dem Kirchturme ausgebessert – und sieh, da fand man das Garn in dem Neste. Der Storch hatte es also gestohlen, und Barbaras Unschuld war am Tage. Ach, sagte Eva, ich habe mich arg betrogen. Es ist doch wahr:

Der Argwohn ist ein Schelm, der leicht betrügt,
Wohl dem, der ihn sogleich besiegt.


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