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Der Obstgarten.

Knaben interessieren sich gewöhnlich eben so lebhaft für die Zucht des Obstes, wie die Mädchen für den Gemüsebau. Wir übergehen hier den letzteren gänzlich, führen aber einiges über den Obstbau an, obschon wir natürlich nur einige Andeutungen geben, keineswegs eine ausführlichere Schule der Obstbaumzucht liefern können, da gerade die Züchtung der besseren Obstarten, der Schnitt der Obstbäume, sowie auch die Zucht des Zwergobstes und der Weinreben, viel Geschick und viel mehr Erfahrung beanspruchen, als ein Knabe in kurzer Zeit ohne einen erfahrenen Lehrmeister sich aneignen kann.

98. Obstkerne. Wenn du schönes Obst mit besonderem Behagen verzehrst und die Kerne als ungenießbar beiseite legst, so wirst du dir selbst gewiß schon öfter gesagt haben: wie hübsch wäre es, wenn man dieselben pflanzen könnte, damit man im Garten selber so schönes Obst erhielte! Du kannst den Versuch machen, mußt aber in diesem Falle ein Stück deines Beetes ausschließlich für diesen Zweck bestimmen. Zur Aussaat wählst du nur Kerne von ganz reifen und schönen Sorten und säest sie, bei Steinobst samt der harten Schale, sofort. Ist es freilich draußen gefroren, so legst du die Kerne einzeln in den Keller in ein Gefäß mit Sand, so daß sie sich nicht berühren und nicht schimmeln. Anfangs April weichst du die Obstkerne in schwachem Salzwasser 2-3 Tage ein, um sie nach dem Trocknen ungesäumt in Entfernungen von 2 cm eben so tief in das Gartenland zu stecken. Schon Anfangs Mai gehen die Kerne auf, ohne von den Mäusen belästigt zu werden.

99. Die Baumschule. Du sorgst dafür, daß alles Unkraut ausgejätet wird, das zwischen den jungen, ausgehenden Bäumchen wächst. Sind letztere ein Jahr alt geworden, so hebst du die stärksten derselben im Herbste sehr vorsichtig aus der Erde, so daß du die Wurzeln nicht verletzest. Das Stammrütchen schneidest du mit einem scharfen Messer so kurz, daß nur die untersten zwei Knospen daran bleiben. Von der mittelsten, stärksten Wurzel, der sogenannten Pfahlwurzel, schneidest du unten ebenfalls so viel ab, daß nur noch etwa 10 Zentimeter übrig sind. Im übrigen sorgst du aber dafür, daß möglichst viel Erde an den Wurzeln bleibt und daß letztere nicht austrocknen. Dann pflanzest du das Bäumchen an die Stelle, an welcher es später bleiben soll, oder aber erst auf ein Beet, das du zur Baumschule einrichtest. Auf letzterem stehen die jungen Bäumchen in Reihen, die je 60 Zentimeter von einander entfernt sind. Die Bäumchen selbst stehen 30 Zentimeter weit von einander und wechseln mit denen der Nachbarreihe ab.

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Kopulieren der Obstbäume.

Im nächsten Herbste schneidest du von den untersten Ästen so viel ab, daß sie etwa nur noch 15 Zentimeter lang bleiben. Den mittelsten Trieb läßt du aber unverletzt stehen.

Stammen die Bäumchen von vorzüglich guten Sorten und haben sie einen kräftigen Wuchs, so läßt man ihnen nur eine Krone von etwa vier Zweigen, die bis auf die untersten zwei Augen zurückzuschneiden ist. Man wartet dann erst ab, was sie für Früchte tragen. Sind diese gut, so bedürfen sie nachher weiter keiner Veredelung.

100. Das Veredeln. Waren die Sorten, deren Samen man zur Erzeugung junger Bäumchen verwandte, aber nicht besonders gut, zeigen sich die ersten Früchte nicht den Erwartungen entsprechend, oder will man gern in Besitz einer bestimmten Obstsorte sein, so kann man die jungen Stämmchen veredeln.

Das Veredeln der Obstbäumchen kann im Frühjahre, ehe sich die Knospen öffnen, auf verschiedene Weise geschehen. Stets wird dabei entweder ein Zweig oder bloß eine Knospe (Auge) des gewünschten, guten Baumes auf den zu veredelnden (Wildling) übertragen und zum Verwachsen mit demselben veranlaßt. Das Wachsen bei Holzgewächsen findet vorzugsweise in den Teilen statt, die zwischen der äußeren, harten Rinde und dem Holze liegen; es kommt deshalb darauf an, diese Stellen durch einen scharfen, glatten Schnitt loszutrennen und bloßzulegen, daß sie mit den entsprechenden Teilen des Wildlings genau zusammengepaßt und an diesen festgehalten werden, damit die Luft sie nicht austrocknet.

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Pfropfen mit einem Pfropfreis.

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Pfropfen mit mehreren Pfropfreisern.

101. Das Kopulieren. Beim Kopulieren muß das Edelreis genau die Stärke des Wildlings haben. Der junge Anfänger schneidet zunächst den Wildling an der Stelle, welche die entsprechende Dicke hat, wagerecht gerade ab. Dann schneidet er sowohl das Edelreis als auch den Wildling schräg ab, so daß beide bloßgelegte Flächen genau an einander passen, und umwickelt sie dicht mit Bändern, die in Baumwachs getränkt sind.

102. Das Pfropfen. Will man den Wildling durch Pfropfen veredeln, so wird er zunächst gerade, oder in manchen Fällen schräg, abgeschnitten. Dann werden ein oder mehrere Pfropfreiser in Spalten eingesetzt, die man in den Wildling schneidet. Man macht die Spalten nicht größer, als gerade nötig ist, und um das unregelmäßige Zerreißen der Rinde zu verhüten, schneidet man diese zunächst mit einem scharfen Messer an der betreffenden Stelle auf. Das Pfropfreis wird keilförmig zugeschärft und so gesetzt, daß seine saftreiche Rinde die Saftrinde des Wildlings genau berührt. Die beistehenden Figuren zeigen dir das besser als eine weitläufige Beschreibung lehrt. Mehrere Pfropfreiser wählt man mitunter deshalb, weil manchmal das eine oder andre nicht anwächst oder durch einen Unfall abgebrochen werden könnte. Die verbundenen Stellen werden dann mit Bast, Faden oder schmalen Bändern dicht umwickelt, mit Baumwachs möglichst luftdicht verstrichen und dann noch durch ein umgebundenes Läppchen geschützt.

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Okulieren.

Sehr oft schneidet man von den Wildlingen nicht das ganze Stämmchen, sondern nur einen Hauptzweig ab, um ihn zu pfropfen; man büßt dann nicht das ganze Bäumchen ein, wenn das Pfropfreis etwa nicht anwächst.

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Ablaktiren.

103. Das Okulieren. Noch weniger Gefahr für das Leben des Wildlings hat man bei dem Einsetzen edler Augen (Knospen), dem Okulieren. Das Auge ( B) wird von dem edlen Reise in der Weise ausgeschnitten, daß ringsum ein wenig Rinde und innen ein klein wenig Holz bleibt. Das Messer muß hierzu besonders scharf sein. Auch gehören immer schon etwas Geschick und Übung dazu. In die Rinde des Wildlings macht man mittels eines Quer- und eines Längsschnittes einen Spalt, löst die Rinde vorsichtig etwas los, schiebt das gute Auge hinein und bindet die Wunde säuberlich zu. Baumwachs wird hierbei nicht angewendet. Wächst das eingesetzte Auge zu einem kräftigen Zweige aus, so werden die übrigen wilden Zweige des Stämmchens entfernt.

Das Okulieren im Frühjahre nennt man Okulieren aufs treibende Auge; nimmt man diese Veredelungsart dagegen während der Zeit vom Juli bis September vor, so heißt dies Okulieren aufs schlafende Auge. Man wendet es auch an, um auf wilden Hagebuttstämmchen (Hundsrosen) edle Rosensorten zu ziehen. Sind dies feinere, zartere Rosensorten, so müssen sie im Winter gegen starke Fröste durch Umhüllen mit Decken oder, bei niedergebogener Krone, durch übergeschüttetes Laub geschützt werden.

104. Das Ansaugen. Bei solchen Gewächssorten, die sich schwierig durch Pfropfen veredeln lasten, wendet man das Ansaugen oder Ablaktieren an. Bei diesem Verfahren nähert man einen Zweig des edlen Gewächses dem Wildlinge, die natürlich beide entweder neben einander wachsen müssen, oder von denen wenigstens einer in einen Topf gepflanzt sein muß. Von jedem der beiden Zweige schneidet man 2-5 Zentimeter lang Holz ab und bindet beide entweder einfach mit Wollenfäden fest zusammen oder man schneidet bei beiden in der Weise Spalten ein, wie es vorstehende Figur zeigt, und schiebt sie in einander, ehe man sie zusammenbindet. Durch dieses Verfahren kann man auch die Spitzen zweier Zweige desselben Baumes vereinigen, so daß sie mit einander verwachsen und einen Kreis bilden.

105. Aufbewahren der Reiser. Baumwachs. Will man Pfropfreiser einige Tage aufbewahren, so weicht man Thon in Baumöl auf und macht Kugeln in der Größe einer Faust daraus, in die man die Reiser mit ihren abgeschnittenen Enden steckt.

Das zum Veredeln nötige Baumwachs kauft man bei Droguisten in Blechdosen für 50 Pfennige bis 1 Mark.

Hast du einen Obstgarten zu pflegen, so findest du die stets vorzunehmenden Arbeiten meist in jedem Kalender unter dem Abschnitt Gartenkalender verzeichnet.


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