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Im Kampfe mit der Räuberbande.

Tillmann und die vier Mann ritten davon; Vit folgte mit den andern.

»Auf wen habt Ihr eben geschossen?« fragte Hermann den Vit.

»Ei, ich habe drei von den Spitzbuben, die mir die schönen roten Tücher gestohlen haben, weggeblasen.«

»Wenn sie uns jetzt nur nicht auf den Hals kommen, sie finden leicht unsere Spur.«

»So, meint Ihr?« fragte Vit. »Das wollen wir sehen.«

Nachdem sie noch eine Strecke weiter geritten waren, kamen sie auf einen freien, mit Gras bewachsenen Platz.

»Halt,« sagte Vit, »jetzt schnell hier rundum geritten, zwei Mann steigen ab, wälzen sich im Grase herum und zerstampfen den Boden.«

Sofort begann eine tolle Jagd mit den Pferden, und zwei Mann zerstampften das Gras.

»Genug! Jetzt den Pferden Tücher um die Hufe gebunden, und beim Gehen schlagt ihr sie mit einem Stöckchen wider die Beine, dann treten sie nicht stark auf. So, – rechts ab! Langsam, tretet selbst auch ganz leise auf, und zwar mit den Fußspitzen. So ist's gut. Weiter! – Halt! Nun die Hufe frei! Gut, jetzt die Richtung auf Rheydt einschlagen, ich reite vor!«

Vit ritt in scharfem Trabe durch den Wald bis zu einem kleinen Waldbache. Als die Begleiter bei ihm angekommen waren, sagte er: »Seht, dort geht eine Spur, welche allerdings nicht frisch ist, auf Rheydt zu, und wenn wir verfolgt werden, so werden die Hessen zwei oder drei Spuren finden, und jede nimmt eine andere Richtung, auch werden sie in unserer Zahl getäuscht.«

»Das ist allerdings richtig,« sagte Hermann, »allen Respekt vor Eurer Kriegskunst!«

»So, nun wieder flott der Landwehr zu,« befahl Vit, »damit wir die andern einholen.«

Rasch ging es jetzt vorwärts durch die finstere Schlucht der Landwehr.

Endlich hatte man die andern erreicht.

»Du, Tillmann,« gebot Vit, »gehst zum Pohl und siehst, ob die beiden da sind, sei aber vorsichtig.«

Als Tillmann fort war, sagte Vit: »Vier Mann gehen nach beiden Richtungen einige hundert Schritte in den Wald hinein. Habt die Augen offen und meldet mir sofort alles, was verdächtig ist, schießt aber nicht ohne Not, – verstanden?«

»Jawohl,« hieß es, und die vier Mann zogen auf ihre Posten. Es dauerte nicht lange, da kam Tillmann mit Klingen zurück.

»Was ist das?« sagte Vit. »Wo ist der Hans?«

»Den hat man geschnappt,« erwiderte Tillmann.

»Wo?«

»Hier, hart am Wege, beim Pohl.«

»Wie ging das zu? Erzähle schnell.«

»Wir sind in Venn bei Gieten gewesen, dort wußte man nichts von Eva. Wohl waren Franzosen dagewesen, welche nach Eva gefragt hatten. Wir ritten zurück, und ehe wir aus dem Walde auf der Straße kamen, hielten wir an, denn ich sah einen Soldaten auf der Straße stehen. Wir stiegen ab und ich befahl Hans, mit den Pferden hier zu bleiben, ich wollte auf einem Umwege bis an die Straße schleichen, um diese überblicken zu können. Da hörte ich auf einmal den Hans um Hilfe schreien, und sah, wie ein Dutzend Mann über ihn herfielen. Ich sprang schnell über die Straße und verbarg mich in der Nähe des Steines.«

»Hast du weiter nichts mehr gehört?« fragte Vit.

»Nein.«

»Das ist doch eine sonderbare Geschichte,« murmelte Vit ärgerlich. »Bleibt ihr hier liegen. Hermann, Tillmann und Martin gehen mit mir. Du, Tillmann, gehst vor, das Gewehr in der Hand; also vorwärts!«

Sie schlichen sich geräuschlos bis an die Straße.

»Pst!« flüsterte Tillmann, »dort liegt ein Weidenzweig auf der Straße.« Es war in der Tat ein gedrehter Zweig, welcher als Fessel gedient haben konnte.

»Alle Wetter,« sagte Vit, »sollte das am Ende ein Zeichen von den Räubern sein, welche mir das Mädchen gestohlen haben? Bleibt hier liegen, Jungens. Hermann, Ihr kommt mit. Ich höre auf der andern Seite der Straße jemanden pfeifen.«

»Ja, jetzt höre ich es auch. Er pfeift ein deutsches Kriegslied.«

»Kommt, wir wollen sehen, ob wir etwas höher über die Straße huschen und uns an die Kerls heranschleichen können, denn dort ist jedenfalls mehr als einer. Gebt hier inzwischen acht, Jungens! Du, Tillmann, übernimmst das Kommando!«

Vit und Hermann schlichen durch das Gestrüpp bis an das Wasser, welches dort in der Heide einen großen unwegsamen Sumpf bildete. Dort krochen sie über die Straße und wollten auf der andern Seite in den Fichten verschwinden, als ihnen eine Stimme entgegenrief:

»Halt, wer da?«

»Landleute sind wir,« sagte Vit, welcher sich sofort platt an die Erde gedrückt hatte.

»So?« kam es zurück, »da habt Ihr Euch wohl in der Eile vergriffen und anstatt der Sense die Flinte mitgenommen?«

»Der Kerl hat unsere Gewehre gesehen,« flüsterte Vit.

»Ich sehe niemanden,« meinte Hermann.

»Er steht hinter den beiden Tannen.«

»Was wollt Ihr hier?« fragte die Stimme weiter.

»Wir suchen jemanden, den wir verloren haben.«

»Wen denn? Sagt die Wahrheit!«

»Einen Burschen aus Kleinenbroich.«

»Der ist hier bei uns. Und wer seid Ihr?«

»Ich bin aus Gladbach,« sagte Vit.

»Das bin ich auch,« gab der Posten zurück. »Da wollen wir uns doch einmal ins Gesicht sehen. Laßt das Gewehr am Boden liegen und steht auf; ich tue dasselbe.«

Vit und Hermann taten wie angegeben.

»Um Gottes Willen!« rief Vit, »bist du es, Anton?«

»Jawohl, Meister!«

»Wo ist Paul?«

»Ein Büchsenschuß weiter, in den Fichten!«

Vit ging auf ihn zu und drückte ihm die Hand.

Dann stellte er die beiden vor und meinte: »Hoffentlich werdet ihr Freunde werden! Doch komm, Junge, führe mich zu Paul!«

Sie nahmen die Gewehre und schritten in den Wald hinein.

»So,« sagte Anton, »geht hier nur den Graben entlang, dann kommt ihr zu Paul. Ich muß wieder zurückkehren zur Bewachung der Straße.«

»Es ist gut,« sagte Vit, »wir werden ihn schon finden. Es scheint mir, als ob mein Paul vorsichtig geworden ist und auch seinen Leuten Ordnung beigebracht hat. Nun wollen wir aber doch einmal sehen, ob wir ihn zum Scheine nicht überfallen können. Den Spaß muß ich mir machen! Kommt, wir schleichen langsam näher, da hinten scheint das Lager zu sein.«

Beide legten sich auf den Boden und schoben sich geräuschlos vorwärts.

»Ihr verderbt Euch ja Eure Kleider!« rief eine mutwillige Stimme neben Vit aus den Fichten.

»Was ist das?« flüsterte Vit.

»Großvater, steht nur auf,« sagte Paul lachend, und klopfte dem Alten, der sich langsam vom Erdboden erhob, auf die Schulter.

»Teufelsjunge,« sagte Vit, »das muß ich sagen, wer dich überrumpeln will, muß früh aufstehen, aber, Kerl, wo hast du die ewige Zeit gesteckt?«

»Das sollt Ihr gleich erfahren, Großvater. Kommt noch etwas weiter, dort haben wir uns gelagert.«

»Da will ich zuerst meine Leute holen lassen,« sagte Vit.

»Die werde ich schon herbeiführen,« sagte Hermann und entfernte sich.

»Ob die Luft rein ist, Großvater,« fragte Paul, »daß wir etwas Feuer anmachen können? Meine Leute haben lange nichts Warmes gegessen, und ich möchte auch wieder mal eine rechtschaffene Mahlzeit halten.«

»Wir wollen es versuchen, Junge. Hoffentlich werden wir nicht gestört, aber hast du auch Fleisch?«

»Hm, das will ich meinen, Großvater. Wir haben gestern den Hessen eine ganze Kuh weggenommen, und davon haben wir den Lürripern noch tüchtig mitgegeben. Ein gutes Stück haben wir jedoch mitgenommen, Ihr und Eure Leute werdet schon satt werden.«

»Warst du denn gestern in Lürrip?«

»Jawohl, wir haben bei Kops geschlafen.«

»Ei, da waren wir ja nicht weit voneinander.«

»Ich bin nach dieser Seite der Stadt gegangen, weil ich einen Trupp Hessen fürchtete, der gestern durch Lürrip auf Kleinenbroich zuzog, und dachte, sie kämen wieder zurück.«

»Na, Junge, die kommen in diesem Leben nicht wieder; die haben wir gestern zusammengehauen, daß von diesen Halunken auch nicht einer übrig geblieben ist.«

»Wie stark ist denn Eure Armee?«

»So ein Dutzend Mann aus Kleinenbroich. Gestern sind wir mit dreißig Mann über die Hessen hergefallen. Aber wieviel Mann hast du denn?« fragte Vit.

»Zweiundzwanzig, Großvater, und alles Gladbacher Jungens, die geflüchtet sind.«

»Bist du auch bei der Mutter gewesen, Paul?«

»Nein, aber morgen will ich nach Venn gehen.«

»Weißt du schon, daß Eva fort ist?«

»Ja, ich weiß alles, und ich weiß auch, wo sie zu finden ist.«

»Wie, du weißt –? Nicht möglich! Und wo soll sie denn sein?«

»Vor einigen Tagen ist ein Reitertrupp hier durchgekommen, welcher ein Mädchen bei sich führte. Die Beschreibung des Mädchens paßt genau auf Eva, und die Räuber werden beim schwarzen Baas zu suchen sein.«

»Was man nicht alles von dir hört! Den schwarzen Baas hätte ich beinahe vergessen. Ich habe eine Weidenfessel auf der Straße liegen sehen, dann wird die Eva diese wohl verloren haben.«

»Möglich, denn sie war mit Weidenzweigen gefesselt. Wahrscheinlich ist es ein Teil der Bande vom schwarzen Baas gewesen, denn er soll hier wieder die Gegend unsicher machen.«

»Donnerwetter, da wollen wir den Kerls aber einmal auf das Fell rücken!«

Mittlerweile waren sie am Lager angekommen. Dort lagen zwölf bis fünfzehn Mann unter den Tannen, eine buntgewürfelte Gesellschaft. Sie staken in allerlei Kleidungsstücken, Soldatenröcken, Mänteln, Jacken. Paul und die Jungens, welche mit ihm die Fahrt nach Köln gemacht hatten, trugen hübsche Röcke, kurze, etwas weitbauschige Hosen nebst bunten Strümpfen, niedrigen Schuhen und einem enganliegenden Wams sowie eine kleine Mütze. Die Anzüge hatten sie sich in Köln beschafft.

Alle sprangen auf und kamen Vit entgegen, welcher sie herzlich begrüßte.

»Na Jungens,« sagte Vit, »macht ein lustiges Feuer und dann Fleisch an den Spieß! Wieviel Pferde habt ihr?«

»Nur sieben,« erwiderte Paul.

»Von meinen Leuten hat jeder ein Pferd, dafür haben die Hessen gesorgt.«

Bald flackerte ein Feuer zwischen den Tannen auf, und es wurde Fleisch an den Spieß gesteckt. In diesem Augenblick kamen auch die Leute Vits in ihrer Bauerntracht. Sie hatten kurze Hosen und ein Wams, über welchem ein blauer Kittel getragen wurde. Hans, der Kriegsgefangene, besorgte das Drehen des Spießes.

»Hier, mein junger Freund und Leidensgenosse, der französische Offizier Hermann,« sagte Vit, beide miteinander bekannt machend.

Paul reichte ihm die Hand, die dieser kräftig schüttelte. Jetzt wurden Stücke Fleisch rundgereicht, und alle schienen tüchtigen Hunger zu haben, denn von der gewaltigen Keule blieb nur der Knochen übrig.

»Nun, Paul, erzähle einmal, wie es dir während der ganzen Zeit ergangen ist und wo du so lange gesteckt hast,« sagte der Großvater.

»Sogleich, Großvater, einen Augenblick Geduld! Du, Andres, sorge, daß die Wachen abgelöst werden. Haltet ja die Straße im Auge!«

Andres stand auf und entfernte sich. Die Leute setzten sich um das noch flackernde Feuer, und Paul zog eine Pfeife aus der Tasche, zündete sie am Feuer an und blies mächtige Wolken in die Luft.

Der Großvater sah ihn sprachlos an und platzte dann auf einmal heraus: »Donnerwetter, Junge, was fällt dir ein? Du rauchst? Das Rauchen ist erst im Dreißigjährigen Kriege in dieser Gegend bekannt und nachgeahmt worden. – Wo hast du das gelernt?«

»Das sollt Ihr gleich hören, Großvater,« sagte Paul und dampfte lustig weiter.

»Ich habe seit vielen Jahren niemand mehr rauchen sehen, und die damals rauchten, waren alle wetterfeste Krieger, und nun erlebe ich es, daß schon so ein grüner Junge die Pfeife im Munde hat!« brummte der Großvater.

»Mit Verlaub, Großvater,« erwiderte Paul, »ich werde bald dreimal sieben alt und da sollte ich nicht – –?«

»Die Gewohnheiten der Türken nachahmen dürfen? Nein, dummer Junge, das brauchst du nicht!« eiferte der Großvater, dem das Rauchen ein Greuel war.

»Ach was, Großvater, andere Zeiten, andere Sitten!« rief Paul lachend aus. »Heute raucht jeder echte Soldat. In Köln die Söldner und Landsknechte – alle hatten ihre Pfeife und ich wurde ausgelacht, weil ich noch nicht rauchen konnte – Aber nun hört, wie es uns auf der Reise nach Köln ergangen ist, als wir den Prälaten fortgebracht haben. Wir waren munter und guter Dinge und schon bis Grevenbroich gekommen, als hinter uns ein kleiner Trupp von Reitern sichtbar wurde, welche denselben Weg verfolgten und uns, wie es schien, einzuholen suchten. Ob und welche Soldaten es waren, wußten wir nicht. Wir trieben unsere Pferde an, aber unsere Verfolger hatten bessere Pferde als wir und kamen uns immer näher. Ich sagte zu Andres und Peter: ›Nehmt euch jeder ein Säckchen Hafer hinten vom Wagen, tut aber, als ob der Sack unbändig schwer wäre, dann verschwindet der eine rechts und der andere links. An den ersten Pfaden, die kommen, jagt ihr in den Wald hinein, und zwar so rasch, wie ihr könnt. Die Kerls werden meinen, ihr hättet Geld in den Säckchen und werden euch verfolgen, sehet dann zu, was ihr ihnen aufbindet und sorgt, daß ihr mit ihnen fertig werdet.‹ Die beiden machten ihre Sache gut, packten die Säckchen und galoppierten in den Wald hinein. Richtig! ein Teil der Soldaten verfolgte Andres, ein anderer Peter, während nur zwei in scharfem Trabe auf uns zujagten. Unsere Pferde griffen aus, was das Zeug hielt, aber ich sah doch, daß die Kerls uns immer näher kamen. Als wir um eine Ecke bogen, sprangen Georg und ich vom Pferde, riefen dem Kutscher zu, so rasch zu fahren, wie nur eben möglich, zogen dann unsere Pferde in das Gesträuch und legten uns in Anschlag. ›Gib acht, Georg,‹ sagte ich, ›wenn sie in Schußweite sind, schießen wir beide zugleich, und zwar nur auf die Pferde.‹ Sobald wir die beiden Reiter im Bereich unserer Flinten hatten, da knallten unsere Schüsse, wir sahen beide Pferde stürzen, schwangen uns wieder in den Sattel und holten den Wagen nach einem scharfen Ritte ein. Der Prälat fragte, wo wir gewesen, ob wir Unannehmlichkeiten gehabt, worauf wir ihm antworteten, daß wir nur ein paar überflüssige Pferde niedergeschossen hätten. Der Prälat gab uns ein schönes Trinkgeld, blieb noch einige Tage beim Bischof und reiste dann nach Bochholz, wo er auch glücklich angekommen ist. Er hatte uns bei einem Bekannten von ihm ein Freiquartier erwirkt für die ganze Dauer unseres Aufenthaltes in Köln, und davon haben wir denn auch Gebrauch gemacht.«

»Und wie ist es dir denn mit dem Hafer ergangen, Andres?« fragte Vit.

»Ja,« sagte Andres, »die Reiter waren Franzosen, und als sie mich einholten, machte ich ihnen begreiflich, ich hätte geglaubt, sie hätten mir den Hafer abnehmen wollen, und der ganze Wagen sei voll Hafer gewesen. Die Soldaten fluchten, ließen mich aber meiner Wege gehen.«

»Mir erging es nicht so gut,« fiel Peter ein. »Als sie mich erwischten, schütteten sie den Hafer aus, und als sie nichts Wertvolles darin fanden, hieben sie mich mit der flachen Klinge über den Rücken, nahmen mir mein Pferd ab und ließen mich dann laufen. Ich habe zu Fuß nach Köln wandern müssen, habe mich dann dort im bischöflichen Palast erkundigt und Paul gefunden.«

»Dasselbe hatte Andres auch getan,« sagte Paul. »Der Prälat hat uns Wagen und Pferd geschenkt, und am andern Tage haben wir beides verkauft und das Geld unter uns verteilt. Wir beabsichtigten, noch ein paar Tage in Köln zu bleiben und dann nach Hause zurückzukehren. War das ein Leben in Köln! In den Schenken und auf den Straßen allerlei Soldaten und Landsknechte. Viel rohes und fahrendes Volk war darunter. Ich freundete mich mit mehreren Landsknechten an. Es waren prächtige Kerle, die in der ganzen Welt herumgekommen waren, alles mögliche erlebt hatten und wunderbar erzählen konnten. Bei ihnen habe ich nach schwierigen Versuchen denn auch das Rauchen gelernt. Ueberall sprach man von Jan van Werth, welcher bald aus der französischen Gefangenschaft entlassen werden sollte. Der würde das ganze fremde Kriegsvolk aus dem Lande jagen. Eines Abends – es war heller Mondschein – kam ich aus einer Schenke, wo viele Landsknechte verkehrten, und wollte nach Hause gehen. Ich schritt über den Perlengraben und sah, daß auf einmal zwei Söldner über ein Mädchen herfielen, welches über die Straße ging. Das Mädchen stieß die Soldaten zurück, vermochte aber nicht, sich ihrer zu erwehren. ›Lumpengesindel!‹ rief ich. ›Sind das kaiserliche Soldaten, die eine wehrlose Jungfrau überfallen?‹ Da ließen sie von dem Mädchen ab, und nun wandten sie sich gegen mich. ›Jüngelchen, gehe nach Hause, sonst weint deine Mutter um dich,‹ sagte der eine. ›Warte, Bübchen,‹ schrie der andere, ›nimm dir dieses Andenken mit,‹ und holte zum Streiche aus mit einem kurzen Schwerte. ›Fort mit deinem Zahnstocher!‹, rief ich und sprang einen Schritt zurück, zog mein Schwert und hieb den Angreifer nieder, erhielt jedoch von dem zweiten einen Schlag auf den Kopf, daß ich bewußtlos zu Boden sank. Als ich erwachte, war es heller Tag, und ich befand mich in einem Gefängnis. Die Scharwache hatte mich neben dem Erschlagenen gefunden und ins Gefängnis geworfen. Als der Gefangenwärter kam und mir Wasser und Brot brachte, fragte ich ihn, warum ich dort sei? ›Ei,‹ sagte er, ›du hast einen kaiserlichen Soldaten niedergehauen, und zwar wie ein Meuchelmörder.‹ ›So,‹ sagte ich, ›wer sagt das? Und was soll mit mir geschehen?‹ ›Sehr einfach,‹ sagte der Wärter, ›du wirst gehängt.‹ ›Komme ich denn nicht vor Gericht?‹ fragte ich. ›Doch,‹ sagte er, ›wenn du soweit hergestellt bist, wirst du vor den Schultheiß kommen.‹ Nach wenigen Tagen wurde ich diesem gefesselt vorgeführt und verhört. Ein Söldner zeugte, ich hätte den Soldaten meuchlings überfallen und niedergemacht. Ich erzählte, wie die Geschichte gekommen war, jedoch schenkte man mir keinen Glauben. Eben sollte das Urteil gesprochen werden, als eine Jungfrau sich meldete und erzählte, sie sei spät an dem Abend über die Straße gekommen und angefallen worden. Ich hätte sie beschützt, sie erkenne mich bestimmt wieder. Als nun der Kaufmann Rosenberg noch hinzukam und sagte, daß seine Nichte, Gretchen Tempel, ihm die Geschichte an dem Abend erzählt habe, rief der Schultheiß: ›He, Werner, wo ist der Zeuge?‹ Dieser war jedoch plötzlich verschwunden. Ich wurde jetzt für unschuldig erklärt und freigesprochen. Der Kaufmann und Gretchen nahmen mich mit nach Hause.«

»Gretchen Tempel?« fragte Vit sinnend. »Es ist doch nicht das Gretchen von unserm Vit Tempel?«

»Doch, dieselbe,« sagte Paul, »ein hübsches Mädchen von 17 Jahren.«

»So,« sagte Vit, »ein hübsches Mädchen? Ei, ei, dann hast du sie also genau betrachtet, wie es scheint?«

»Wie sollte ich nicht, Großvater? Ihr könnt Euch doch wohl denken, daß es mich freute, eine frühere Gespielin wiederzusehen und –«

»Und zu sehen, daß sie eine schöne Jungfrau geworden ist. Gewiß, das kann ich mir schon denken, und, daß ein junger Bursche von 18 Jahren lieber ein hübsches Jüngferlein sieht, als einen alten Gaul, das kann ich auch begreifen.«

Alle brachen in ein schallendes Gelächter aus.

Paul wurde rot wie ein gesottener Krebs. Er schwieg.

»Nun, weißt du nichts mehr?« fragte Vit.

»Ich habe dann beim Kaufmann Rosenberg gewohnt, bis meine Kopfwunde gut geheilt war.«

»Das hat aber recht lange gedauert,« meinte Vit lachend.

»Es war auch eine recht böse Wunde,« erwiderte Paul eifrig.

»Eine böse Wunde und eine liebe Pflegerin,« erwiderte neckend der Großvater.

»Als ich vollständig geheilt war, sind wir aufgebrochen, haben uns noch ein Pferd gekauft, und hier sind wir.«

»Nun, das ist ja ziemlich gut abgelaufen,« sagte Vit. »Mir ist es schlimmer gegangen.«

Jetzt erzählte Vit seine Erlebnisse. Er war kaum damit zu Ende, als ein Bursche kam und meldete, es kämen sechs Soldaten in der Richtung von Gladbach. Sie seien zu Fuß und hätten blaue Uniformen.

»Ei, das könnte der Hauptmann van Este mit seinen Leuten sein,« sagte der Offizier Hermann.

»Das sollte mich freuen,« sprach Vit. »Den Mann möchte ich kennen lernen. Hermann, ladet Ihr den Herrn ein, hier zu uns zu kommen.«

»Das will ich gleich tun,« entgegnete Hermann und entfernte sich.

»Aber, Großvater,« meinte Paul, »ist das nicht zu gefährlich, diesen Welschen zu uns kommen zu lassen?«

»Durchaus nicht,« sagte Vit. »Der Hauptmann ist ein wackerer Mann, das sollst du sehen.«

Es war wirklich der Hauptmann mit seinen sechs Franzosen.

Hermann brachte ihn und seine Leute ins Lager, und Vit und van Este begrüßten sich zum ersten Male.

»Ich habe Euch lange gesucht,« sagte der Hauptmann zu Vit. »Da ich wieder zum Heere muß, wollte ich nicht eher fort, bis ich Euch gesprochen hätte. Ich möchte mit Euch allein reden.«

Sie entfernten sich etwas von den andern und setzten sich auf eine umgefallene Tanne.

»Ich komme zu Euch, Meister, wegen des Mädchens, welches Ihr Euer Pflegekind nennt, und ich hoffe, Ihr werdet mir die Wahrheit sagen. Ich glaube nämlich bestimmt, daß es meine Tochter ist.«

»Wie,« rief Vit, »meine Eva Eure Tochter? Wie soll das denn möglich sein?«

Jetzt erzählte der Hauptmann, wann und unter welchen Umständen das Kind verschwunden war, und Vit sagte:

»Das kann alles stimmen, es fehlt auch das von Euch beschriebene Mal nicht; sie sagte ja selbst, sie habe sich früher einmal am Teetopf verbrannt.«

»Wer mag nun die Leiche gestohlen haben? Soll der Leßlin da seine Hand im Spiele haben?«

Vit lachte.

»Da tut Ihr ihm doch Unrecht, den Betrug mit der Leiche habe ich besorgt, um das Kind zu retten. Ich wußte ja von alledem nichts.« Und Vit erzählte den ganzen Hergang.

»Nun begreife ich alles,« sagte der Hauptmann. »Tausend Dank für Eure gütige Fürsorge, Meister! Aber wo mag das arme Kind jetzt sein?«

»Wir sind auf seiner Spur, und morgen früh oder vielleicht noch diese Nacht brechen wir auf, um sie zu verfolgen.«

»Dann laßt uns diese Nacht aufbrechen, denn morgen muß ich fort, und ich habe keine Ruhe, bis ich mein Kind wiedersehe.«

»Gut, sobald es dunkel ist. Aber Ihr habt keine Pferde?«

»Die kann ich holen lassen. Pierre,« rief er, »laufe sofort zur Stadt und hole unsere Pferde, bringe auch etwas Mundvorrat mit, denn wir bleiben diese Nacht aus.«

Pierre entfernte sich und Vit befahl den Leuten, sich zum Aufbruche bereit zu halten.

»Sind deine Leute alle mit Flinten bewaffnet?« fragte Vit den Paul.

»Fast alle, nur drei Mann nicht.«

»Gut,« sagte Vit, »die fünfzehn Mann gehen jetzt schon in der Richtung nach Dahlen, umgehen die Stadt und schlagen den Weg nach Erkelenz ein. Von Erkelenz geht es dann auf Linnich zu. Nehmt euch aber in acht und bleibt weit genug von Dahlen und auch von Erkelenz ab, denn dort liegt Besatzung. Ihr geht zu drei oder vier Trupps, jeder Haufen bleibt aber einige tausend Schritt von dem andern entfernt. Vor Körrenzig macht ihr halt und verteilt euch rechts und links vom Wege in die Gebüsche und wartet auf uns. Wir kommen erst, wenn es vollständig Nacht ist. Du, Lörs, übernimmst das Kommando. Sei ja vorsichtig. Du marschierst mit dem ersten Trupp. Nun sorgt, daß alles gut geht, Jungens. Macht mir keine dummen Streiche!«

Ein unwilliges Gemurmel wurde unter den Leuten hörbar.

»Wer hat zu murren?« fragte Vit in strengem Tone.

»Ich meine,« sagte Peter Schufen, »es wären doch tüchtigere Leute hier unter uns, welche das Kommando führen könnten, als wie der Lörs, welcher doch noch ein grüner Junge ist.«

»Wer hat hier zu befehlen, du oder ich? Wollt ihr gehorchen, so fügt euch, wollt ihr nicht, so geht eure Wege! Lörs ist ein wackerer Kerl, der seine Pflicht tun wird.«

»Ihr sollt Euch nicht täuschen, Meister Vit,« bemerkte Lörs, ein stämmiger Bursche von 20 Jahren, nicht ohne Stolz. »Der grüne Junge wird schon fertig werden!«

»Vorwärts, macht jetzt, daß ihr fortkommt!«

»Kommt, Jungens,« sagte Lörs, und alle entfernten sich, auch Schufen ging mit, ohne noch einen Laut des Mißfallens hören zu lassen.

»Wir wollen die Pferde bereit machen und auf die Straße gehen,« sagte Vit. »Gleich kann Paul mit seinen Leuten ebenfalls aufbrechen. Ihr schlagt einen andern Weg ein, Paul. Reitet da unten irgendwo durch die Roer und sucht auf Umwegen Gevenich zu erreichen, dann über Glimbach und kommt so von hinten auf das Raubnest des schwarzen Baas, die Gastesscheune, zu. Junge, paß aber auf und tue nicht eher etwas, bis wir dort sind. Ich werde dir schon Bescheid schicken, wenn wir angreifen.«

»Ich bin doch einmal neugierig,« sagte Paul, »ob wir auch den Schmied antreffen, wenn er überhaupt noch lebt, und ebenfalls unsere andern Freunde.«

»Na, das wird sich finden,« sagte Vit, »vorwärts, Junge, mach, daß du mit deinen Leuten fortkommst!«

»Nun, dann bis diese Nacht; lebt wohl!« Mit diesen Worten entfernte sich Paul mit seiner Begleitung.

»Es scheint mir, als ob Ihr die besten Leute fortschicktet, und die weniger befähigten hier behaltet,« sagte der Hauptmann van Este, welcher der ganzen Verhandlung schweigend gefolgt war.

»Nein, Herr Hauptmann,« entgegnete Vit, »da irrt Ihr Euch doch gewaltig; mit diesem Dutzend Bauern aus Kleinenbroich nehme ich eine kleine Festung ein. Seht einmal, welch kräftige Gestalten! Wo die hinhauen, da wächst kein Gras mehr, und die scheuen auch selbst einen Hieb oder Stich nicht.«

»Nun, wir wollen sehen,« meinte der Hauptmann. »Die Leute kommen mir so unfähig und ungeschickt vor.«

»Mag sein,« sagte Vit. »Aber diese ungeschickten Bauern haben dieser Tage die Hessen derart verhauen, daß auch nicht ein einziger am Leben geblieben ist.«

»Ja, die Hessen, das ist wohl möglich,« versetzte der Hauptmann verächtlich.

»Ja, und vor Franzosen fürchten sie sich auch nicht. Seht einmal, Herr Hauptmann, diese Burschen sind aus der Gegend, wo der Jan van Werth zu Hause ist, den Ihr in Paris so schön verpflegt. Was aus dieser Gegend kommt – verlaßt Euch darauf – damit kann man jeden Feind in Schacht halten, auch die Franzosen. Aber hoffentlich bleiben wir gute Freunde. Es sollte mir leid tun, wenn wir uns einmal im Felde gegenüberstehen würden.«

»Das ist doch nicht leicht möglich,« sagte van Este. »Wer Euch hört, sollte meinen, Ihr führtet Krieg mit uns.«

»Nein,« sagte Vit ernst, »ich stehe nur den Verfolgten und Schwachen bei und suche sie zu schützen, so gut ich vermag. Unseren unmenschlichen Bedrückern habe ich allerdings den Kampf angesagt, und wenn Ihr einmal mit zu denen gehören solltet, dann werden auch wir uns gegenübertreten – als Feinde; doch es wird wohl nicht dazu kommen.«

»Wir wollen es wenigstens hoffen,« sagte van Este, ebenso ernst.

»Die Pferde sind da,« rief jetzt einer der Franzosen.

»Dann sofort aufgesessen,« kommandierte Vit.

Allee schwangen sich in die Sättel und trabten auf Dahlen zu.

»Gerd Klingen und Hans reiten vor!« befahl Vit.

Beide sprengten fort.

»Wie geht es eigentlich in unserm lieben Gladbach, Herr Hauptmann?« fragte Vit.

»Schlecht, herzlich schlecht. Es ist kein Futter da, weder für die Menschen noch für die Pferde, und wenn nicht bald etwas kommt, so wird eine Hungersnot ausbrechen.«

»Werden die Leute denn etwas menschlicher behandelt, oder werden sie noch immer geschunden wie das Vieh?«

»O, das geht wohl; so lange ich dort bin, wird Leßlin sich hüten. Übrigens muß er bald mit seinen Truppen abziehen, denn die Stadt soll eine andere Besatzung erhalten.«

»Na, dann sind die armen Leute am Ende noch schlimmer dran als jetzt, denn jede neue Besatzung bringt für die Bevölkerung wieder neue Lasten und neue Drangsale.«

»Nein, das glaube ich nicht. Warum meint Ihr?«

»Es sind doch jedenfalls wieder Hessen, die her kommen, – na, und viel Unterschied wird unter ihnen nicht sein.«

Jetzt kamen Hans und Klingen zurück und meldeten, daß ein Wagen sich auf der Straße nähere, derselbe halte aber jetzt. Es seien Soldaten dabei, und diese hätten wahrscheinlich das Getrappel der Pferde gehört.

»Wieviel Mann sind es?« fragte Vit den Klingen.

»Sechs bis sieben Mann,« gab dieser zurück.

»Und mit wieviel Pferden ist der Wagen bespannt?«

»Mit vier Pferden.«

»Ei der Tausend, da muß er ordentlich geladen sein! Wahrscheinlich mit Lebensmitteln für Gladbach.«

»Tut den Leuten aber nichts«, sagte der Hauptmann zu Vit.

»Wenn die uns nicht angreifen, dann werden wir sie gewiß in Ruhe lassen, namentlich da sie den hungrigen Gladbachern etwas zu essen bringen wollen.«

»Ich will mit ihnen sprechen und ihnen sagen, daß sie ruhig durchfahren können,« fuhr der Hauptmann fort und wollte allein vorreiten.

Jetzt fielen mehrere Schüsse in der Richtung, wo der Wagen stand, er war aber noch nicht sichtbar, denn es war schon ziemlich dunkel.

»Was ist denn das?« sagte Vit. »Wartet, Herr Hauptmann, ich reite mit; bleibt etwas zurück, Leute!«

Sie ritten langsam auf den Wagen zu.

»Ei was, schlagt sie alle tot, die Hunde, kein einziger soll lebend davonkommen!« rief eine Stimme. Es krachten wieder mehrere Schüsse. Vit hielt sein Pferd an, der Hauptmann ebenfalls.

»Da ist ja die Räuberbande!« flüsterte Vit. »Ich kenne auch die Stimme.«

»Das ist nicht möglich,« meinte van Este, »so dicht bei Dahlen wird der Kerl sich doch nicht wagen!«

Hilfegeschrei und Stöhnen drang an ihr Ohr, als sie, durch eine Baumgruppe geschützt, näher gekommen waren, dazwischen hörten sie das Fluchen und Wettern der Banditen, welche die Kleider der Gefallenen durchsuchten und nur wenig fanden.

»Sie bemerken uns nicht,« sagte Vit, »seht Ihr dort den Kerl auf dem Pferde? Das ist der Anführer selbst. Warte, Bursche, du entwischest uns nicht! Es sind wahrhaftig dreißig Mann! Was machen sie denn jetzt? Ah, sie fahren den Wagen in den Wald hinein, das ist ja prächtig! So, jetzt kommt, Jungens,« rief Vit den kurz hinter ihnen haltenden Burschen zu. »Also vorwärts, bis an den Eingang des Waldes, wo der Wagen verschwunden ist, geht ihr Schritt, dann aber auf den Wagen los! Haut alles nieder, es ist Raubzeug! Vor allen Dingen sorgt, daß ihr den erwischt, der auf dem Pferde sitzt, das scheint der Anführer zu sein!«

Sie kamen an der Stelle vorbei, wo die Soldaten lagen. Der ganze Trupp stürmte in den Wald hinein, wurde jedoch gleich mit Flintenschüssen empfangen. Mehrere Burschen stürzten vom Pferde, auch zwei Pferde brachen zusammen.

»Vorwärts! Drauf, Jungens!« feuerte Vit die Burschen an, und wie der Sturmwind fielen diese über die Banditen her, alles niederschlagend, was ihnen unter den Kolben kam. In einigen Augenblicken lag wenigstens die Hälfte der Räuber am Boden, die andern waren in den Wald geflohen, unter ihnen der Anführer. Einer lag auf dem Wagen und wurde heruntergeholt.

»Tut ihm nichts,« gebot Vit. »Bindet ihm hübsch die Hände zusammen und fesselt ihn an sein Pferd. Macht aber nicht, daß er uns entwischt.«

»Untersucht doch mal den Wagen,« sagte der Hauptmann zu Vit.

»Tut Ihr das schon, ich will zunächst sehen, wie es mit unsern Leuten aussieht. Wer fehlt denn hier bei uns? Kommt geschwind zu der Stelle, wo die ersten gestürzt sind.«

Zwei Burschen aus Kleinenbroich lagen erschossen im Waldmoose. Ein Franzose hatte einen Schuß durch den Kopf, ein anderer einen solchen in den Unterleib erhalten; letzterer lebte nur noch einige Minuten.

»Schafft sie zum Wagen, Jungens,« gebot Vit.

Sie wurden aufgepackt und zum Wagen gebracht. Von den Räubern waren zwölf niedergemacht worden, der dreizehnte war gefesselt.

»Der Wagen ist mit Mehl und Körnerfrucht beladen, ferner enthält er mehrere Fässer Pulver und viel Fleisch,« bemerkte der Hauptmann, von dem Wagen springend.

»Ein Faß Pulver können wir gerade gebrauchen,« sagte Vit. »Holla, Jungens, rollt ein Faß vom Wagen, aber vorsichtig. Dann wollen wir unsere Pulversäckchen und Hörner füllen, darauf das Faß verschließen und an einer trockenen Stelle in die Erde vergraben.«

Alle nahmen soviel Pulver, als sie bergen konnten, und der immerhin noch erhebliche Rest wurde zwischen drei etwas auf einer Anhöhe stehenden Tannen in eine Vertiefung gesetzt und die Oberfläche mit Rasen zugedeckt.

»So, jetzt ein gutes Viertel von dem Fleisch abgeladen,« befahl Vit, »und ebenfalls versteckt, wenn wir dasselbe auch jetzt nicht gebrauchen, vielleicht dann doch morgen. Wickelt ein Tuch um das Fleisch und hängt es dort zwischen den zwei Buchen an einem Seile auf.«

So gut es im Dunkeln ging, wurde das Fleisch in ein Wagentuch gepackt und zwischen den beiden Buchen befestigt.

»Das Fleisch dürfte wohl nicht lange hier hängen bleiben,« bemerkte der Hauptmann. »Was soll mit dem Wagen geschehen?«

»Zwei von Euren Leuten mögen ihn nach dem ausgehungerten Gladbach bringen,« versetzte Vit. »Einer von den meinigen reitet mit bis Gen-Holt. Wir laden unsere Toten auf den Wagen und wollen sie am Gen-Holt, wenn möglich übermorgen, begraben. Du, Peter, reitest mit und sorgst dafür, daß die Leichen links vom Wege, dicht neben dem Pfad nach Hehn, wo die Eichen stehen, verborgen werden, dann beschaffst du drei Särge. Wo du diese anfertigen läßt, mußt du sehen, sie müssen aber bis übermorgen dort und die Leichen eingesargt sein, verstanden?«

»Werde schon dafür sorgen,« sagte Peter.

Der Wagen, welcher mit vier kräftigen Pferden bespannt war, wurde umgewandt, die Leichen aufgeladen und die drei Burschen fuhren auf Gladbach zu.

Die gefallenen Banditen wurden von der Straße in den Wald geschleppt und dort zwischen den Tannen niedergelegt.

»So, nun bringt den Gefangenen hierher,« befahl Vit, »wir wollen einmal hören, was er weiß.«

Der Gefesselte wurde vorgeführt, und die Soldaten und Burschen bildeten einen Kreis um ihn.

»Gerd Klingen,« sagte der Großvater, »nimm drei Mann und halte Wache. Die versprengte Bande könnte uns auf den Pelz rücken und dann wären wir geliefert!«

Gerd entfernte sich, nachdem er drei Burschen ausgesucht hatte.

»Wie heißt du?« fragte Vit den Banditen.

»Pitt Steves.«

»Bist du Niederländer?«

»Ja.«

»Wirst du die Wahrheit sagen, wenn ich dich ausfrage?«

»Nein, weder die Wahrheit noch die Unwahrheit.«

»Warum nicht?«

»Weil ich geschworen habe, nichts zu verraten.«

»Einen Eid, der darauf hinausgeht, Schlechtes zu tun, braucht man nicht zu halten. Aber wenn du nicht willst, lasse ich dich hängen.«

»Wenn ich unsere Bande verrate, passiert mir dasselbe.«

»An die nächste Tanne mit ihm, Jungens!«

Drei bis vier Burschen fielen über ihn her, schlangen ihm ein Seil um den Hals, warfen dieses über einen niedrigen Ast und zogen ihn in die Höhe.

»Halt!« gebot Vit. »Laßt sinken. Bursche, es ist Ernst, willst du bekennen?«

»Nein.«

»Donnerwetter, das ist mir noch nicht vorgekommen! Willst du dich wirklich hängen lassen?«

»Ja, ob ich einige Tage früher oder später gehängt werde, bleibt sich gleich.«

»Das nenne ich Charakter, das nenne ich Treue!« bemerkte der Hauptmann.

»Schade um den Kerl,« meinte Vit. »Solche Leute sind zu gebrauchen. Mit wieviel Mann habt ihr den Wagen überfallen?«

»Spart Euch die Fragen, ich sage Euch nichts,« erwiderte der Bandit fest.

»Setze dich auf den Boden,« befahl Vit. »So, jetzt schüttet etwas Pulver auf die Erde. Nun schlagt Feuer Feuerschlagen mit Stahl und Stein., damit das Pulver aufflammt und ich dem Kerl ins Gesicht sehen kann.«

Das Pulver entzündete sich, und man sah einen noch jungen Mann mit vollem Barte.

Vit rief: »Ach, das ist ja der Halunke, der dabei war, als dieser Tage das Mädchen zwischen Korschenbroich und Kleinenbroich geraubt wurde!«

»Das ist nicht wahr,« gab der Bandit zurück, »ich war nicht dabei!«

»Ha, dann weißt du aber doch Bescheid, Bursche,« sagte Vit. »Und jetzt wissen wir bestimmt, wo das Mädchen zu finden ist.«

Da – jetzt fiel ein Schuß! Gleich darauf noch zwei, drei – dann knackten Zweige, als ob mehrere Menschen sich mit Gewalt durch das dichte Gestrüpp des Waldes Bahn brechen wollten.

»Fort,« rief Gerd Klingen keuchend, »die Bande ist uns auf den Fersen. Fort! Es sind wohl dreißig bis vierzig Mann.«

»Langsam, Junge,« sagte Vit. »Ruhig, Leute, nur Besonnenheit!«

Jetzt hörte man das Gejohle der Räuber, welche durch das Waldesdickicht näher kamen.

»Hermann,« sagte Vit, »nehmt sechs Mann, damit müßt Ihr Euch hier wehren. Zieht Euch nach rechts zurück. So, fertig, laßt die Pferde stehen. Kommt, Herr Hauptmann, hier ins Gebüsch. Jungens, aufgepaßt, auf die Erde gelegt, fertig zum Schießen! Ihr, Karl und Kurt, werft den Rasen von dem Pulverfasse weg, schnell!«

Jetzt krachte eine Salve von den Banditen. Keiner wurde jedoch getroffen, da Hermann und seine Leute auf der Erde lagen.

»Auf, Feuer!« kommandierte Hermann.

Sieben Schüsse krachten, und das Wutgeschrei der Räuber bewies, daß verschiedene gut getroffen haben mußten. Dann drangen die Räuber auf Hermann und seine Leute ein, und diese wehrten sich wie die Löwen. Hermann zog sich geschickt zurück und war kaum mit noch zwei Mann in die Nähe gekommen, wo Vit lag, als dieser Feuer kommandierte. Eine Salve krachte, und verschiedene Räuber wälzten sich am Boden.

»Hinein, in den Wald!« erscholl eine tiefe Stimme bei den Räubern.

»Wir wollen ihnen aufwarten,« flüsterte Vit. »Auf, Klingen los und stehen geblieben! Ich werde ihnen schon heimleuchten.«

Die Rotte der Räuber brach sich jetzt durch das Dickicht Bahn, um zu Vit zu gelangen. Vit nahm eine brennende Lunte, wickelte sie rasch in einige dürre Blätter und warf diese zusammengeballt in die Pulvertonne, wovon er ein Brett aufgehoben hatte.

»Zurück, schnell, sonst fliegen wir mit in die Luft!« flüsterte er seinen Leuten zu. »Du, Gerd, rasch, springe zu den Pferden und geleite sie auf die Straße. Wir müssen fliehen.«

»Drauf und keinen Pardon gegeben!« rief eine Stimme bei den Räubern, »vorwärts, Leute!«

Da – jetzt! – Eine große Flamme schlug empor und ein donnerähnlicher Knall machte die Erde erzittern. Erdschollen, Baumrinde, Rasen, menschliche Gliedmaßen flogen in der Luft umher. Die nicht verletzten Räuber waren durch den Luftdruck zu Boden geschleudert worden. Vit und seine Leute waren gerade weit genug entfernt, um nicht getroffen zu werden.

»Hermann, hierher, besteigt die Pferde und dann fort. Wo ist der Hauptmann van Este?« fragte Vit.

»Hier bin ich, Meister,« gab dieser zurück.

»Vorwärts!« kommandierte Vit. »In der Richtung auf Dahlen zu.« Die Pferde flogen dahin.

»Gegen die Übermacht war nichts anderes zu machen,« meinte Vit zu van Este, »Ich will doch sehen, ob sie uns noch verfolgen. Wer mag die Bande anführen, der schwarze Baas ist doch tot?«

»Wieviel Mann haben wir noch?« fragte van Este.

»Du Gerd,« wandte sich Vit an den hinter ihm reitenden Klingen, »wieviele Kleinenbroicher sind zurückgeblieben?«

»Wir sind noch zu sieben, also sind im ganzen fünf gefallen. Wir haben aber noch elf Pferde; von Euren Leuten sind noch drei da, somit sind wir im ganzen noch gerade ein Dutzend. Es war schade, daß wir die andern schon fortgeschickt hatten, sonst hätten wir mit den Räubern gründlich aufgeräumt. Wenn wir das Glück mit dem Pulverfaß nicht gehabt hätten, so hätten die Halunken uns aufgerieben.«

»Halt, Leute!« gebot Vit. »Jetzt reiten Klingen und noch einer vor. Zuerst ladet eure Flinten.«

»Glaubt Ihr, die Räuber würden sich noch einmal an uns heranmachen?« fragte der Hauptmann.

»Hm, das wäre gerade so unmöglich nicht, aber wir kommen gleich in die Nähe von Dahlen, und die Besatzung könnte auf den Krach aufmerksam geworden sein und einmal sehen wollen, was hier vorgeht.«

Nachdem die Flinten in Ordnung waren, ritt man auf Dahlen zu. Kaum waren sie in die Nähe der Stadt gekommen, als Gerd Klingen und sein Begleiter von sechs Soldaten angerempelt wurden. Als Vit mit seinem Trupp näher kam, schritten noch einige zwanzig Soldaten unter Anführung eines Offiziers aus dem Tore. »Halt!« rief dieser, als er der Truppe Vits ansichtig wurde.

»Was wollt Ihr von uns?« fragte Vit.

»Was habt Ihr hier zu tun?« fragte der Offizier.

»Das kümmert Euch nicht!«

»Das wollen wir Euch schon sagen!« rief der Offizier und flüsterte seinen Leuten zu: »Schließt sie ein, rechts und links ab!«

»Sperrt die Straße,« rief Vit seinen Leuten zu, und sofort standen die Pferde geschlossen nebeneinander. Vor der Front standen Vit und van Este.

»Junger Herr, seid doch nicht so einfältig und denkt, wir ließen uns von Euch umzingeln. Seht, Ihr könnt mit einem Stein in Eure Festung werfen, so nahe seid Ihr, wenn Ihr aber ohne Pferde seid und laßt das Tor hinter Euch schließen, dann könnt Ihr leicht zusammengehauen werden, verstanden!«

»Was!« schrie der Offizier, »Ihr wollt mich noch verhöhnen? auf, Soldaten, jetzt – – –«

»Langsam, Schüll, ereifert Euch nicht,« sagte der Hauptmann und reichte dem Offizier die Hand.

»Ah, seid Ihr es, Herr Hauptmann van Este!« erwiderte der junge Offizier erstaunt.

»Geht ruhig heim! Die hier bei mir sind, sind meine Freunde, welche mir jemand suchen helfen, und wenn Ihr durch den gewaltigen Krach aufgeschreckt worden seid, so wisset, daß wir einer Räuberbande gegenüber eine Mine entzündet haben und einen Teil der Bande in die Luft sprengten. Die Räuber haben einen Wagen geraubt, und neun Leute totgeschlagen, da haben wir ihnen den Wagen wieder abgenommen und nach Gladbach geschickt unter Bedeckung von unsern Leuten!«

»Wie, unsere Leute sind gefallen?« fragte der Offizier, »und das von einer Räuberbande!«

»Jawohl,« sagte van Este, »und eben diese Bande verfolgen wir jetzt, oder vielmehr sie verfolgt uns. Wir werden sie aber in ihrem Schlupfwinkel aufsuchen.«

»Da gehen wir mit!« rief der Offizier.

»Das ist nicht nötig,« fiel Vit ein, »wir haben selbst Leute genug, um mit den Räubern fertig werden zu können!«

»Hört, Meister Vit,« sagte der Hauptmann, »es wäre am Ende doch gut, wenn wir noch einige waffenkundige Männer mitnähmen, denn wir wissen ja nicht, wie groß die Bande ist.«

»Ich habe nichts dagegen, wenn Ihr Euch die ganze Besatzung mitnehmen wollt, dann gehen wir aber unsern eigenen Weg. Ich und meine Leute haben mit den Hessen nichts gemein!«

»Wahrt Eure Zunge, Alter!« rief der Offizier und trat mit gezücktem Degen an Vit heran. Letzterer schaute auf den Offizier den er um Haupteslänge überragte, mit kalter Verachtung herab.

»Mag sein,« erwiderte er, »daß Euch das nicht gefällt; aber Leuten, die mir und meiner Vaterstadt soviel Tort angetan haben und auch heute noch antun, – habe ich nichts anderes zu sagen! Übrigens, wenn es Euch gelüstet, mit mir anzubinden,« setzte er mit einer bezeichnenden Handbewegung hinzu, »so kommt nur heran!«

Der Offizier knirschte vor Wut, besann sich aber doch eines Besseren, als der Hauptmann sich ins Mittel legte und begütigend auf ihn einsprach.

»Vorwärts, Leute,« wandte sich Vit an seine Begleitung, »wir haben keine Zeit zu verlieren; Herr Hauptmann, wenn Ihr bleiben wollt, ich habe gar nichts dagegen.«

Damit ritten Vit und seine Leute fort. Der Hauptmann richtete noch einige beruhigende Worte an den aufgeregten Offizier und ritt Vit dann nach.

»Ihr seid doch ein hartnäckiger Mensch, Meister,« sagte der Hauptmann, und ließ sein Pferd neben demjenigen Vits hertraben.

»Hartnäckig? Nein! Aber ich will mit den Spitzbuben von Hessen nun einmal nichts zu tun haben,« rief Vit mit Heftigkeit aus. »Dieses ehrlose Gesindel, welches sich als Judas gegen seine eignen Brüder gebrauchen läßt, das nicht wie ordentliche Soldaten, sondern wie die Räuber vorgeht, – mit diesem Volke soll ich Schulter an Schulter kämpfen? Nie und nimmer!«

»Ihr habt recht, Meister! Es ist ein unauslöschlicher Schandfleck für die deutsche Nation,« sagte der Hauptmann, »das würde ein französischer Stamm gegen Frankreich niemals tun!«

»Na und Eurer ›grande nation‹ gereicht es nicht zur Ehre, daß sie diese Judasse bezahlt, denn wer das tut, ist nicht viel besser wie der Judas selbst!«

Der Hauptmann zuckte bei diesen Worten zusammen. Eine dunkle Röte bedeckte sein Gesicht und seine Augen blitzten den Alten zornig an.

» ›Sacré nom de Dieu!‹ Das geht zu weit, Meister Vit – Ihr beleidigt in mir die französische Nation und das kann ich mir nicht gefallen lassen!«

»Ha, Ihr bildet Euch wohl ein, man müßte Euch noch dankbar sein, daß Ihr einen Teil des deutschen Volkes bestecht und so ein deutsches Volk durch das andere in Ketten legen wollt?« grollte Vit. »Ob Euch das beleidigt oder nicht, ist mir sehr gleichgültig!

Aber wir wollen nicht weiter mit einander streiten, denn wir haben Wichtigeres zu tun: Eure Tochter – –«

»Meine Tochter – ach ja!« unterbrach ihn der Hauptmann in bitterem Tone. »Wegen meiner Tochter bin ich Euch zu ewigem Dank verpflichtet ... Ihr zuliebe will ich Euch die kränkenden Worte verzeihen, die Ihr soeben gesprochen. Aber ich weiß nicht, womit ich Euch Veranlassung gab, mich zu beleidigen!«

»Nun, beleidigen wollte ich Euch gerade nicht,« sagte Vit einlenkend. »Aber ich spreche gerne frei von der Leber weg und sage jedem, ob Freund oder Feind, meine Meinung. Damit basta!«

»He, wo ist der Gefangene geblieben, Gerd?« wandte er sich an diesen, um ein anderes Gespräch zu beginnen.

»Ich habe nichts mehr von ihm gesehen,« erwiderte der Gefragte.

»Hm, das ist dumm! Der wird die Gelegenheit benutzt haben und während des Kampfes ausgerückt sein,« sagte Vit. »jedenfalls ist er jetzt wieder bei seiner Bande und wird da erzählen, daß wir das Mädchen suchen – –«

»Und diese wird nun schon dafür sorgen, daß wir es jetzt überhaupt nicht finden werden,« ergänzte van Este mißmutig.

Sie waren unterdessen unbehelligt an Erkelenz vorbeigeritten und kamen nun in die Gegend, wo die Gastesscheune liegen mußte.

Vit stellte Wachen aus und war schon dreimal von der Krümmung des Weges bis zu einer am Wege stehenden Eiche geritten, ohne den Weg zu finden, der auf die Scheune zu abging.

»Ich weiß, daß hier der Weg gewesen ist, kann denselben aber nicht wiederfinden,« sagte Vit ärgerlich.

»Halt, wer da!« erscholl es aus dem Walde.

»Gut Freund, wir sind aus Gladbach.«

»Seid Ihr es, Großvater?« sagte Paul, denn dieser war es.

»Ja, ich bin es, Junge. Komme auf die Straße.«

Paul kam durch den Busch auf die Straße und sagte, dem Großvater die Hand reichend:

»Wir haben da oben schon lange gelegen und haben die Scheune eingenommen. Ein altes Weib, ein junger Bursche und ein alter Kerl waren darin, alle drei liegen gefesselt in dem Verschlage.«

»Das hat ja gut gegangen,« sagte Vit, »aber ich weiß hier den Weg zur Scheune nicht wiederzufinden.«

»Das glaube ich. Die Räuber haben den Weg mit Sträuchern und Buschwerk bepflanzt, so daß man ihre Festung nicht so leicht finden kann; das habe ich von dem 17jährigen Burschen erfahren.«

»Ist die Eva da?« fragte der Hauptmann.

»Nein, sie ist nicht da gewesen. Sie kann aber gar nicht weit von hier sein. Wir wollen das schon herausbringen.«

»Hast du von Lörs nichts gesehen, der müßte doch längst mit seinen Leuten hier sein,« sagte Vit.

»Nein, ich habe nichts gesehen.«

»Du, Gerd, bleibe mit zwei Mann hier auf der Straße, ich schicke, wenn wir in der Scheune sind, sofort einen Mann zurück, der euch den Weg zeigt. Ihr wartet hier, bis Lürs kommt, und gebt mir Bescheid, wenn er da ist. Verbergt euch im Walde und haltet gut die Straße im Auge.«

Sie begaben sich in den Wald und kamen zur Scheune. Vit schickte einen Mann zur Straße zurück. Dann untersuchte er mit der Laterne die ganze Scheune und jedes Gelaß, um den unterirdischen Gang zu finden, konnte aber nichts entdecken. Der frühere Schrank, der den Eingang maskierte, war verschwunden.

»Wir müssen auf unserer Hut sein, Junge,« sagte Vit zu Paul. »Die Halunken steigen auf einmal wieder wer weiß wo aus der Erde heraus und hauen uns rechts und links um die Ohren. Rufe einmal den jüngsten Gefangenen, wir wollen sehen, was wir aus ihm herausbringen können.«

Paul führte einen schmächtigen, hochaufgeschossenen Burschen vor.

Vit betrachtete ihn und sagte dann: »Bursche, ich will dir etwas sagen, wenn du mich auf meine Fragen belügst, so hat dein letztes Stündlein geschlagen, sagst du aber die Wahrheit, so wird dir nicht allein kein Haar gekrümmt, sondern ich werde dich noch belohnen.«

Der Bursche zitterte vor Angst und sagte: »Ich will die Wahrheit sagen, Herr.«

»Gut. – Kommen die Räuber diese Nacht wieder?«

»Ja, wenn sie den Wagen geraubt haben.«

»So, und wenn sie ihn nicht geraubt haben?«

»Dann weiß ich es nicht!«

»Wer ist der Anführer?«

»Der schwarze Baas.«

»Bursche, du lügst. Wer ist der Anführer?«

»Sicher, Herr, der schwarze Baas.«

»Ist er denn nicht tot?«

»Nein, heute lebte er noch.«

»Weißt du denn nicht, ob er schon einmal tot gewesen ist?«

»Ich verstehe Euch nicht.«

»Das ist wohl möglich. Also der Kerl ist damals doch nicht tot gewesen ... Wo ist der unterirdische Gang?«

»Das weiß ich nicht.«

»Bursche, lüge nicht! Kommt der Baas immer durch das Tor oder durch die Hintertür in die Scheune?«

»Nein, er tritt meistens aus dem Pferdestalle heraus.«

»So, dann wollen wir diesen einmal genau untersuchen.«

Sie gingen mit der Laterne in den Stall, und Vit untersuchte die Wände und den Boden, konnte jedoch nichts entdecken. Mißmutig wollte er sich schon entfernen, als er sah, daß eine große Krippe neu angefertigt und lose zwischen der anderen Krippe und der Wand eingeschoben war. Er nahm die Krippe heraus und erblickte hinter dem großen Hinterbrett, welches die Wand bedeckte, eine ziemlich große Öffnung, in welche leicht ein Mensch hineinschlüpfen konnte.

»Ei, sagte Vit, »da haben wir ja den Eingang, das ist ja recht klug ersonnen. Hier, Paul, nimm du die andere Laterne, zünde sie an und dann rutsche einmal da hinunter und siehe, wie das da unten aussieht. Geh aber nicht zu weit und komme gleich wieder zurück.«


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