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Der Knez von Semberien

Nach einem serbischen Stoff

Vor dem Hause, schön gemauert,
Steht Herr Ivo, Sohn des Ivo,
Fürst und Richter von Semberien.
Freudig denkt er seines Reichtums:
Flinker Rosse zehn im Stalle,
Schafe mit gekrauster Wolle,
Die auf weiter Weide grasen,
Felder, die den fetten Weizen
Tragen und den Mais die Fülle.

Und er weiß das Haus voll Schätzen;
Weiß an feingemünztem Golde
Sich im Land der Reichsten einer,
Denkt der prunkend schönen Waffen,
Dolche, edelsteingezierten
Und der herrlichen Gewande,
Goldgestickten, buntbenähten,
Die ihm in der Kammer hängen.

Doch im Innersten des Hauses
Grüßt er nun sein bestes Kleinod.
Die Ikon aus schwerem Silber,
Bild des heiligen Johannes,
Bild des benedeiten Täufers,
Das des Hauses Seele ist;
Dem er schuldet seinen Namen,
Dem sein Vater und die alten,
Aberalten Ahnen alle
Dankten ihren Namen Ivo.

Doch was kommt den Berg hernieder?
Trabt und trippelt, eilt und zaudert?
Stolz als Erster reitet einer,
Hohen Wuchses, reicher Kleidung,
Fürchterlich ein Türken-Beg.

Und dahinter, starren Blickes –
Daß dir nicht das Herz vereise –
Werden sie dahin getrieben,
Werden sie vorangestoßen,
Schön erblühte Serbenkinder,
Stolze Knaben, holde Mädchen,
Liebe, süße Christenseelen,
Die man ihren Vätern raubte;
Ach, als Sklaven, Janitscharen,
Haremsmädchen für die Türken
Führt man sie der Fremde zu.

O Herr Ivo, Sohn des Ivo,
Fürst und Richter von Semberien,
Reicher Mann in weißem Hause,
Kannst du solche Schmach ertragen?
Rührt dies Elend nicht dein Herz?
Kannst du Kinder deines Volkes,
Kinder edelsten Geblütes,
Junge Knospen, zarte Blumen,
Also tief im Jammer sehn?

Und der Türke grüßt Herrn Ivo,
Grüßt ihn freundlich und vertraulich,
Nennt ihn seinen lieben Nachbar,
Winket Segen für sein Haus.
Und Herr Ivo, tiefsten Grames,
Grüßet dennoch freundlich wieder,
Denn die Türken sind die Herren
Und der Serbe ist der Knecht.

»Hoher Beg! Geehrter Nachbar!«
Spricht er, »Möge Gott dich schützen!
Aber wohin führst du diese
Jungen Kinder meines Volkes?
Wenig werden sie dir nützen;
Sie sind schwach; zu keiner Arbeit
Taugen solche Edelsprossen.
Willst du mir sie nicht verkaufen,
Daß sie mir, dem Kinderlosen
Hell das leere Haus bevölkern?
Was verlangst du? Was begehrst du?
Ist es billig, will ich's leisten.«

Ach, wie jubeln da die zarten,
Müden, blassen Serbenkinder:
»Hört den Edlen! Hört den Guten!
Lösegeld erbietet er!«

Und der Beg, er lächelt freundlich.
»Richter Ivo, feingemünzten
Golds bist du berühmt im Lande.
Schaffe mir, was du im Hause hast!
Möglich, daß zum Lösegelde
Solcher Schatz genügen kann.«
Richter Ivo ruft die Mutter,
Greise Mutter, aus dem Hause,
Bittet sie, gemünzten Goldes
Ihm den Sack herbeizubringen,
Daß er löse die Gefangnen.

Aus dem weißen Haus die Mutter
Bringt die Goldlast, gramvoll fragend:
»Sohn, wie zahlst du die Tribute?
Wie denn wirst du Schafe kaufen,
Wie ein neues Dach erschwingen,
Gibst du dein gemünztes Gold hin?«

»Serbenkinder, Christenseelen,
Wiegen mehr auf Gottes Waage
Denn ein Sack gemünzten Goldes.
Leg ihn vor den Beg, o Mutter!«

Und Herr Ivo von Semberien
Fragt den Beg, ob es genug sei.

»Nicht genug«, so spricht der freundlich.
»Waffen hast du und Gewande,
Köstlich eingelegte Dolche,
Schön mit Gold gestickte Kleider.
Bring sie! Leg sie zu dem Schatze!
Dann mag es – vielleicht! – genügen.«

Die Gefangenen, die armen,
Weitgewanderten, verhärmten,
Ach, sie ducken sich und zittern:
»Wird der Knez so hoch uns zahlen?«

Doch er schickt die alte Mutter
Wieder nach dem weißen Hause,
Daß sie die Gewande hole,
Aufbewahrt für Festeszeiten,
Und das blinkende Gewaffen,
Von den Vätern reich ererbte.

Weinend kommt die alte Mutter
Wieder aus dem weißen Hause,
Bringt die schweren Funkeldolche,
Bringt die Kleider, die sie selber
Einst gesponnen auf der Kunkel,
Einst gewebt am breiten Webstuhl
Und mit Gold und bunten Fäden
Zu des Sohnes Ruhm gestickt hat.

Weinend legt sie sie zum Schatze,
Weinend spricht sie: »Sohn, wie willst du
Halten fürder den Gerichtstag,
Wenn dir mangeln stolze Kleider
Und im Gurt der schöne Dolch?«

»Besser als gestickte Kleider
Ziert Gerechtigkeit den Richter,
Und der Lindengriff, der schlichte,
Liegt mir also fest in Händen,
Will ich einen Feind bestrafen,
Wie Türkis und Ebenholz.«

Und Herr Ivo von Semberien
Fragt den Beg, ob es genug sei.

»Nicht genug«, so spricht der freundlich,
»Die Ikon noch sollst du geben,
Götzenbild, zu dem du betest,
Silberbild in sichrer Nische,
Bild, nach dem du, Richter Ivo,
Deinen Christennamen trägst.«

Ach, wie zitterten die zarten,
Edlen, fremden Serbenkinder,
Leise jammernd: »Nimmer gibt er
Für uns Arme, uns Gefangne,
Seines Hauses Seele hin!«

Es erbleicht auch Richter Ivo,
Starker Sohn des alten Richters,
Enkel, Ur- und Aberenkel
Aller Richter von Semberien.

Doch er schickt die alte Mutter
Nach dem Haus zum dritten Male,
Daß sie löse aus der Nische
In der innersten der Kammern,
Was der Türken-Beg begehrt.

Schweigend kommt die alte Mutter,
Nimmer schilt sie, nimmer weint sie.
Fahl und hohl sind ihre Wangen,
Ihre Lippen zugepreßt.
Und sie trägt auf ihren Armen,
Wie man trägt ein Neugebornes,
Zart des Hauses Silberseele,
Trägt das Silberbild des Täufers,
Bild des heiligen Johannes,
Das dem Sohne, das dem Vater,
Das den alten Ahnen allen
Ihren Namen Ivo gab.

Immer stiller wird ihr Schreiten,
Kniee zittern ihr und Hände,
Kaum erschleppt sie, kaum erhält sie
Annoch ihre Silberlast.
Auf den Berg gemünzten Goldes,
Auf die Waffen, auf die Kleider,
Legt sie nun mit leisem Ächzen,
Legt sie zärtlich wie ein Kindlein
Ihres Hauses heiliges Bild.
Breitet beide Arme drüber,
Wirft sich selber auf den Haufen,
Liegt gar still und rührt sich nimmer;
Auf dem Schatz, von ihr gemehret,
Auf den Kleidern, selbst gewoben,
Auf dem Bild, des Hauses Seele,
Liegt sie kalt und weiß, die Mutter,
Schwerstes Opfer, reichste Gabe,
Allerhöchstes Lösegeld.

Und Herr Ivo von Semberien
Fragt den Beg, ob es genug sei.

»Jetzt ist es genug«, so spricht der
Türke freundlich zu dem Richter.
Goldsack, Kleider und Gewaffen
Und die teure Silber-Ikon
Läßt er auf die Rosse packen,
Nur die Tote läßt er liegen.
Reitet alsobald von hinnen,
Wendet nicht das Haupt zurück.

Und die fremden Serbenkinder
Knien weinend um die Tote,
Knien weinend um den Richter,
Küssen Ärmel ihm und Hände,
Folgen ihm ins kahle, arme,
Ausgeraubte und entseelte,
In das mutterlose Haus.


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