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Der Schreibtisch

Plötzlich überkam mich ein Verlangen
nach dem Tisch, an dem ich nächtlich schrieb:
Schritte sind, wie einst, im Hof gegangen,
wenn ich wach im Schlaf des Hauses blieb,
unsre Katze sah vom Bücherschranken
meinem Treiben fremd und freundlich zu,
heimlich wildern unsre Nachtgedanken
durch der Heimat bürgerliche Ruh ...

Lieber, alter Schreibtisch, mir genommen,
welcher Feind ist jetzt mit dir bedacht?
Ist auch ihm an deinem Pult willkommen
die Besinnlichkeit der stillen Nacht,
oder denkt er auf dem grünen Tuche
einen mir verhaßten bösen Plan,
wird, was ich bekämpfe und verfluche,
vom vertrauten Platze aus getan?

Lieber Schreibtisch, ist in deinen Schüben
wohlverwahrt noch, was ich hinterließ:
Strophen, die sich im Entwurfe üben,
Angefangnes, das Erfolg verhieß,
oder haben sinnlos die Barbaren,
denen jetzt das Unsrige gehört,
was für mich beseelte Wesen waren,
ungehemmt besudelt und zerstört?

Und vielleicht, indem ich dich erträume,
bist du längst, mein Schreibtisch, nicht mehr da:
leergeräubert sind die lieben Räume,
keiner sagt mir, was mit dir geschah,
ob sie dich zerhackten und verbrannten.
Aber, wenn dich niemand sonst vermißt,
denkt an dich die Liebe des Verbannten,
die das Heimatliche nie vergißt.


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